Von Schiller lernen: Nur das Höchste denken! Systemwandel jetzt!
von Helga Zepp-LaRouche
Liebe Bürger!
Der 250. Geburtstag unseres großen Dichters der Freiheit, Friedrich
Schiller, und der 20. Jahrestag des Falls der Mauer stehen sehr wohl in
einem inneren Zusammenhang miteinander. Damals, im November 1989 und in
den Monaten danach bis zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 - in
der Sternstunde der Deutschen also - standen wir durchaus vor Schillers
Maßstab: Würde der große Augenblick ein großes Volk finden? Würde es
gelingen, aus der friedlichen Revolution heraus eine neue,
menschlichere Gesellschaft und eine wirkliche Friedensordnung zu bauen?
Im Nachhinein muß man diese Frage leider verneinen. Der Gründe sind
viele: Margaret Thatcher und François Mitterrand versuchten alles, um
die Wiedervereinigung zu verhindern, und waren sich dann mit George
Bush sen. einig, alles zu tun, um das wiedervereinigte Deutschland in
der EU-Struktur einzudämmen. Die Westdeutschen haben sich vorzuwerfen,
daß sie angesichts dieser geopolitischen Manipulation nur allzu bereit
waren, das Ihre dazu beizutragen, die neuen Bundesländer den brutalen
Regeln der Globalisierung zu unterwerfen. Diejenigen Ostdeutschen, die
ernsthaft nach einem dritten Weg suchten, erkannten nicht den einzigen
Plan, der dies ermöglicht hätte, und wurden sehr schnell von der
Vereinigungsbürokratie beiseite gedrängt.
In diesem Jahr von November 1989 bis Oktober 1990 habe ich in
unzähligen Reden davor gewarnt, auf den bankrotten Kommunismus die
ebenfalls bankrotte Marktwirtschaft überzustülpen. So könne man
vielleicht aus den Ländern des früheren Comecon für ein paar Jahre
durch primitive Akkumulation Reichtum abziehen; aber dann käme es nach
einer gewissen Periode zu einem noch viel größeren Zusammenbruch. Und
genau an diesem Punkt sind wir heute. Nur daß diesmal die „Altlasten",
die wiederum dem Steuerzahler aufgebürdet werden, der „Giftmüll der
Banken" sind, den die Spekulanten, die sich verzockt haben, produziert
haben.
Das System der sogenannten Globalisierung ist heute um mehrere
Größenordnungen bankrotter, als es damals die Wirtschaft der DDR und
dann der Sowjetunion gewesen ist. Die Systemkrise, die seit Ende Juli
2007 enorme industrielle Kapazitäten in der Realwirtschaft zerstört
hat, und in der die Regierungen der G20-Staaten sich als rechte
Handlanger der Banken und Finanzinstitutionen erwiesen haben, wird
solange weitergehen, bis eine grundlegende Reorganisation vorgenommen
wird.
Sie, die Bürger, müssen dringend aufwachen!
Sehen Sie nicht, daß unser schönes Deutschland vollkommen zerstört
wird? Die neuen Bundesländer werden mehr und mehr entvölkert. Das
Durchschnittsalter liegt in nicht wenigen Dörfern und Gemeinden bei
über 60 Jahren. Die Perspektivlosigkeit vor allem der Jugendlichen
äußert sich immer öfter in sinnloser Gewalt, das Vertrauen in die
Politik schwindet immer mehr.
Aber auch die alten Bundesländer befinden sich in der
Desintegration: Den Tausenden von Traditionsfirmen, die bereits
verschwunden sind, folgen immer mehr - Woolworth, Hertie, Karstadt,
Quelle, vielleicht bald Opel und Hunderte Zulieferer, von den
Zigtausenden von mittelständischen Betrieben gar nicht erst zu reden.
Die Bauern kämpfen ums Überleben. Die Armut wächst. Und die Kosten für
die Zockerei sollen auf die Bevölkerung abgewälzt werden! Deutschland
ist in existentieller Gefahr!
Die Propagandalinie, daß „das Schlimmste schon vorüber" sei, ist nur
Augenwischerei seitens derer, die mit der Kasino-Wirtschaft
weitermachen wollen. Und warum sollen sich die Zocker auch Sorgen
machen? Geht die Sache schief, dann stehen die Regierungen Gewehr bei
Fuß, um die „systemrelevanten" Banken mit Steuergeldern zu retten,
schließlich sind die Banken „zu groß, um unterzugehen". Realität ist,
der Kasinobetrieb läuft heute exzessiver und wilder als vor dem
Bankrott von Lehman Brothers vor gut einem Jahr - und der nächste
Mega-Crash steht unmittelbar bevor.
Damit muß jetzt Schluß sein. Wir können nicht erlauben, daß die
Finanzoligarchie unser Land völlig in den Ruin treibt. Wir brauchen
einen Systemwechsel!
Das jetzige System des Monetarismus und der Globalisierung muß
ersetzt werden durch ein Kreditsystem, das am Gemeinwohl orientiert ist
und das die Realwirtschaft finanziert. Lyndon LaRouche hat seit langem
das Argument präsentiert, daß nur die Allianz der vier mächtigsten
Nationen der Welt, nämlich USA, Rußland, China und Indien, stark genug
ist, um eine neue Finanzarchitektur auf die Tagesordnung zu setzen.
Und da gibt es durchaus sehr positive Entwicklungen. Am 13. Oktober
wurden während eines dreitägigen Staatsbesuches von Ministerpräsident
Putin in China 12 umfangreiche Kooperationsverträge zwischen Rußland
und China, vor allem in Bezug auf den Ausbau von Infrastruktur und den
Hochtechnologiebereich, mit einem Volumen von 500.000.000.000 Dollar
abgeschlossen. Damit werden die ansonsten potentiell wertlosen
Dollar-Reserven Chinas durch Investitionen in die Realwirtschaft
abgedeckt. Dieses Abkommen kann der Beginn des neuen Kreditsystems
sein, vorausgesetzt, andere Nationen engagieren sich gemeinsam mit
Rußland und China in ähnlichen langfristigen Entwicklungsprogrammen.
Das ist die konkrete Form des „Dritten Weges", von dem die
Bürgerrechtler 1989 gesprochen haben. Und es ist auch der Beginn der
Verwirklichung des Programms, das Lyndon LaRouche und die BüSo damals
vorgeschlagen haben, zunächst das sogenannte Produktive Dreieck
Paris-Berlin-Wien und ab 1991, nach der Auflösung der Sowjetunion, der
Ausbau der Eurasischen Landbrücke. Die zentrale Idee dieses Programms
besteht darin, die Industrie und Bevölkerungszentren Europas mit denen
Asiens durch „Entwicklungskorridore" zu verbinden. Durch diese
Vernetzung von Infrastruktur können die landeingeschlossenen Regionen
Eurasiens entwickelt, die Produktivität der Wirtschaft in diesen
Ländern und der Lebensstandard der Bevölkerung angehoben werden.
In der Beteiligung am Ausbau der Eurasischen Landbrücke liegt auch
der Ausweg aus der wirtschaftlichen Krise für Deutschland. Denn unsere
Mittelständler, Maschinenbauingenieure und Facharbeiter besitzen genau
das Know-how und „noch" die industriellen Kapazitäten, die in den
gigantischen Weiten des eurasischen Kontinents dringend gebraucht
werden. Umgekehrt ist Deutschland auf langfristige Kooperationsverträge
von 50 oder 100 Jahren angewiesen, damit wir unsere Rohstoff- und
Energieversorgung sichern können.
Wenn Deutschland sich an diesem neuen Kreditsystem zwischen
souveränen Nationalstaaten beteiligt, können wir in Deutschland wieder
produktive Vollbeschäftigung auf einem sehr hohen technologischen
Niveau erreichen. Wir müssen zu der Erkenntnis zurückkehren, daß die
einzig relevante Quelle des Reichtums in der Entwicklung der
schöpferischen Fähigkeiten unserer eigenen Bevölkerung liegt, und nicht
in der Maxime des Freihandels, „billig kaufen, teurer verkaufen".
Deshalb sind der Ausbau eines starken produktiven Binnenmarkts und die
bestmögliche Entwicklung der kognitiven Potentiale unserer Bürger die
beste Voraussetzung dafür, einen deutschen Beitrag für den Wiederaufbau
der Weltwirtschaft in dem neuen System zu leisten.
Aber wir brauchen auch einen „Systemwechsel" in unseren Köpfen. Wir
müssen nicht nur den Giftmüll der Banken entsorgen, sondern wir müssen
auch den gesamten gedanklichen Schrott, der mit der Globalisierung
einherging, loswerden - also zum Beispiel die Jagd nach dem Profit,
geistlose Unterhaltung, die Maximierung des Vergnügens im Hier und
Jetzt und den konterrevolutionären Satz „Man kann ja doch nichts
machen!", den wir für immer aus unserem Vokabular streichen sollten.
Wenn wir die große Chance eines Systemwechsels in der
Wirtschaftspolitik und im Kopf nutzen wollen, wenn wir die große Vision
einer Friedensordnung für das 21. Jahrhundert verwirklichen wollen,
dann gibt es keinen besseren Ratgeber als unserem großen Dichter
Friedrich Schiller. In seinen Werken finden wir alle die erhabenen
Ideen, die uns die innere Stärke für diesen Wechsel geben können. Zum
Beispiel die Idee, daß jeder Mensch das Potential hat, sich zu einer
„schönen Seele" und zu einem Genie zu entwickeln.
1989
wurde die potentielle Sternstunde der Deutschen vertan. Heute, wo wir
es mit einem noch viel dramatischeren Systemkollaps zu tun haben,
müssen wir die Chance, die darin liegt, daß das neoliberale Paradigma
der Globalisierung gescheitert ist, nutzen. Der LaRouche-Plan für eine
gerechte neue Weltwirtschaftsordnung muß auf die Tagesordnung.
In diesem Sinne lassen Sie uns den 250. Geburtstag Friedrich Schillers und den 20. Jahrestag des Falls der Mauer feiern!
„Alle Menschen werden Brüder, diesen Kuß der ganzen Welt!"
Ihre Helga Zepp-LaRouche
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