S C H I L L E R J A H R

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F R I E D R I C H   S C H I L L E R

Schillerfeste zum 200. Todestag:
Mainz: Warum feiern wir Schiller heute?

Berlin: Verteidigt Schiller gegen das Regietheater!

Wiesbaden: Der Menschheit Würde ist in Eure Hand gegeben...

Aachen: Schiller, Deutschlands "schöne Seele"

Hamburg, Hannover: "Lebe mit deinem Jahrhundert, aber sei nicht sein Geschöpf"

Dresden: Gegen den "vermoosten" Pessimismus der 68er!

Zittau: 750 Jahre Stadt Zittau und Schillers Vermächtnis
Zittau: 750 Jahre Stadt Zittau und Schillers Vermächtnis

Die LaRouche-Jugendbewegung präsentierte Ende Mai ihr Schiller-Programm auf dem Marktplatz in Zittau.

Nachdem wir alle Vorbereitungen für unser diesjähriges Schillerfest getroffen hatten, das am 25. Mai im Zittauer Gemeindesaal stattfinden sollte, wurde uns unerwarteterweise die Zusage für die Räumlichkeiten aufgekündigt. Nach einiger Überlegung entschieden wir: "Der freie Himmel wird uns und Friedrich Schiller Obdach geben!", und verlagerten die Ehrung Friedrich Schillers anläßlich seines 200sten Todestages kurzerhand auf den Marktplatz, an den Rolandbrunnen. Es sollte der erste herrliche Sonnentag mit sommerlichen Temperaturen bis spät in die Nacht hinein werden.

Wir erinnerten an das 750jährige Stadtjubiläum Zittaus und an die EU-Osterweiterung, deren Feierlichkeiten vor gut einem Jahr, am 1. Mai 2004, an dieser Stelle abgehalten wurden. Damals wurde der Anspruch erhoben, sechs Milliarden Menschen eine Zukunft zu bauen. Der Dichter der Freiheit befreite uns aus den geistigen und physischen Grenzen des Feudalismus. Was kann er uns also angesichts der unbestrittenen Feststellung, daß die Globalisierung lediglich eine neue Art des Feudalismus ist, heute sagen? Was ist die klassische Methode, die immer wieder in der Geschichte zu einem "ästhetischen Sprung" (Ästhetische Briefe, 27. Brief) in der Geistes-, Natur-, ja sogar in der Sozial- und Gesellschaftswissenschaft führte? Als Dichter hat Schiller uns mit dieser universellen Idee in dichtester Form bekanntgemacht.

Die Vergabe des Stadtrechts an Zittau durch Kaiser Ottokar II. im Jahr 1255 war eine neue Methode in der Staatskunst. Der Kaiser eröffnete so in ausgewählten strategischen Gebieten die Möglichkeit, sich aus der Kontrolle des Landadels und dessen willkürlicher Rechtsprechung zu befreien. "Stadtluft macht frei" hieß es damals zu Recht. Durch jene Maßnahme erwuchs ein neuer Menschenschlag: das, im Unterschied zu den vormals Leibeigenen, selbstbewußte Bürgertum. Die Abschaffung der Steuern an den Landadel und die Freiheit des Münzrechts ließen eine Eigenständigkeit über die Vergabe von Geldern zu, die wir aus heutiger Sicht als produktive Kreditschöpfung bezeichnen würden.

So konnten Handwerk und Infrastruktur gezielt aufgebaut und der Handel ausgeweitet werden - im Fall von Zittau das Tuchmachergewerbe und der Handel mit Böhmen. In einer neu geschaffenen Institution, dem Landgericht, rangen die Gelehrten darum, das neue, höhere Recht gegen das Recht des Stärkeren zu wahren. Friedrich Schiller verwendet in seinem "Lied von der Glocke" eine ganze Strophe, um diese Stimmung der geschichtlichen Neuerscheinung zu beschreiben:

    "Markt und Straßen werden stiller,
    Um das Licht gesellge Flamme
    Sammeln sich die Hausbewohner,
    Und das Stadttor schließt sich knarrend.
    Schwarz bedecket
    Sich die Erde,
    Doch den sichern Bürger schrecket
    Nicht die Nacht,
    Die den Bösen gräßlich wecket,
    denn das Auge des Gesetzes wacht.

    Heilge Ordnung, segenreiche
    Himmelstochter, die das Gleiche
    Frei und leicht und freudig bindet,
    Die der Städte Bau begründet,
    Die herein von den Gefilden
    Rief den ungesellgen Wilden,
    Eintrat in der Menschen Hütten,
    Sie gewöhnt zu sanften Sitten
    Und das teuerste der Bande
    Wob, den Trieb zum Vaterlande!"

Der Historiker Schiller zeigt auf, daß sich die Grundidee der Stadt im Begriff der Nation weiterentwickelt hat. Die heil'ge Ordnung ist eine dynamische, lebendige Ordnung, die sich - wenn auch auf festen Wahrheitsprinzipien gegründet - dennoch beständig weiterentwickelt. In der Anstrengung, verharrende Strukturen wieder zur Fortschreitung zu bringen, stellt uns der Philosoph den Methodenstreit in der Natur- und Geisteswissenschaft vor. Der Feind menschlichen Fortschritts seien die Empiriker:

    "Daß ihr den sichersten Weg gewählet, wer möchte das leugnen,
    Aber ihr tappet doch dunkel den ausgetrampeltsten Pfad."

Empiriker versuchen, Schiller zu entdecken

Angesichts der Darbietung der Klasse 10a des Richard-von-Schlieben-Gymnasiums am 10. Mai 2005 im dicht besetzten Theater in Zittau sei auf diese Anstrengung noch einmal hingewiesen. Es geht um die Entdeckung von Schillers "Geist". Die (leider) vom Regietheater getrimmte Schülerschaft gab vor, Schiller "originalgetreu" auf die Bühne zu bringen. Der Dichter wurde mittels einiger Prosaschriften und Briefe zitiert, die das Publikum durch Szenen aus "Die Räuber", "Kabale und Liebe", "Maria Stuart" und einige Balladen und Gedichte geleiten sollten. Obschon viel Fleißarbeit erkennbar, wurden nur die Worte und das damalige Ambiente wiederentdeckt, der eigentliche "Geist" jedoch blieb auf der Strecke.

Besonders deutlich wurde dies bei den Liebesgedichten, denn Schiller verwendet Empfindungen durchaus dazu, auf eine viel edlere Liebe, nämlich die Liebe zur Menschheit hinzulenken. Hatten die Gymnasiasten wirklich "ihren Schiller" vorgestellt? Als Abschluß wurde eine Szene aus Wilhelm Tell in ein Klamaukstück à la Regietheater verwandelt und wes Geistes Kind dieses Stück war, schien vollends durch. Der Geist Schillers hingegen wurde selbst im Ansatz nicht verstanden.

Dies offenbarte sich auch an der Reaktion des Publikums. Es klatschte, schrie und jubelte vor Begeisterung, wie noch bei keiner der vorausgegangenen "werkgetreuen" Interpretationen - ein weiterer Beweis dafür, daß Schillers Werk von den Schülern nicht wirklich nachgeschöpft wurde. Peinlich war auch, daß direkt nach der Wandlung ins Lächerliche, Schillers Schreibpult vakant blieb und auf den Tod des Dichters verwiesen wurde. War dies Zufall, oder wurde der Sinn der Schillerschen Worte nur wieder mal auf andere Art und Weise getötet?

    "...Es liebt die Welt das Strahlende zu schwärzen
    Und das Erhabne in den Staub zu ziehn,
    Doch fürchte nicht! Es gibt noch schöne Herzen,
    Die für das Hohe, Herrliche entglühn,
    Den lauten Markt mag Momus unterhalten,
    Ein edler Sinn liebt edlere Gestalten."

Dies erklärt Schiller in "Das Mädchen von Orleans", mit einer wirklich aktuellen Botschaft.

"Dich schuf das Herz, du wirst unsterblich leben"

In dem Programm der LaRouche-Jugendbewegung kaum zwei Wochen später kam dann ein echter Schiller an die Reihe. Seine Botschaft: Ihr seid überhaupt nicht schwärmerisch, wenn ihr die Gestalt der Welt verändern, Recht an die Stelle von Rechtlosigkeit, und Wissen an die Stelle von Zweifel setzen wollt. Schillers Gedicht "Sehnsucht" (vorgetragen von Stephan Ossenkopp) zusammen mit dem besonderen Kampf um Erkenntnis ("Der Kampf", vorgetragen von Jenny) führt euch auf den Pfad in die Welt der Ideen, die dem Empiriker verschlossen bleibt. Die unüberhörbare metaphysische Stimme in den Begriffen der Naturwissenschaft, wie Zeit und Raum ("Die Sprüche des Konfuzius", vorgetragen von Robin Högl), beweist, ganz gegen den Zeitgeist, daß Natur- und Geisteswissenschaften denselben Prinzipien folgen. Und in seiner Doktorarbeit "Über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen" (zusammengestellt von Toni Kästner) arbeitet Schiller aus, daß die Vollkommenheit des Menschen in der Übung seiner Kräfte durch die Betrachtung des Weltplanes liegt.

Du bist nicht schizophren, "...weil ich über mich gedacht", wie Marquis de Posa im "Don Carlos", der sich mit der Inquisition anlegt. Vielmehr fällt dir das Paradox der Gesellschaft auf, und damit hast du das Potential, dich so zu verändern, daß du den gegenwärtigen Irrsinn der Weltwirtschaftskrise und des drohenden permanenten Krieges abwenden kannst. Das ist die Entdeckung der Johanna von Orleans. Ihr freier Wille ist mächtiger als alle weltliche Macht (zusammengefaßt von Stefan Tolksdorf). Und das Prinzip der Nemesis, wie es in dem Gedicht die "Kraniche des Ibykus" dargestellt ist, gibt dir ein Beispiel, wie du deine Sehnsucht auf Veränderung stillen kannst, indem du dir einen Spaß daraus machst, täglich die Fettnäpfchen aufzuspüren, in die Heuchler und andere verirrte Seelen regelmäßig hineintappen (vorgetragen von Karsten Werner).

Wie sollen wir aber nun dem Pessimismus in der Gesellschaft von Kritikern, Protestlern und Empirikern begegnen? "Alle warten auf den Tyrannenmord", aber ein neuer Rütlischwur ist notwendig, denn "einen Tyrannen zu hassen vermag auch eine sklavische Seele. Nur wer die Tyrannei hasset, denkt edel und groß". Wie aktuell und revolutionär Schillers "Wilhelm Tell" ist (zusammengefaßt und teilweise vorgetragen von Kai-Uwe Ducke), mußt du unbedingt wiederentdecken. Oder schau dir doch einfach die erstellten Videos an unter http://www.wlym.de.

Mehr davon jeden Freitag um 19:00 Uhr in Dresden (0351/4278140) und jeden Sonnabend um 19:00 Uhr in Leipzig (0341/2305848).

Birgitta Gründler