Schiffer und Meer
Ein Schiffer, irgendwo auf den Strand geworfen, schlief vor Ermüdung ein. Nach einer Weile stand er auf, schaute auf die See und machte ihr Vorwürfe: Sie locke die Menschen durch ihr schönes Antlitz, aber sobald sie sie in Empfang genommen, werde sie wild und bringe sie um. Die See aber, in Gestalt eines Weibes, sprach zu ihm: "Mensch, schilt nicht mich, sondern die Winde; denn von Natur bin ich ebenso wie das Land, die Winde aber stürzen sich auf mich und wühlen mich in wilden Wogen auf."
So sollen wir, geschieht Unrecht, nicht die Täter anklagen, wenn diese anderen untertänig sind, sondern ihren Oberen.
Pferd und Hirsch
Als die Bürger von Himera den Phalaris zum absoluten Führer erwählt hatten und im Begriff waren, ihm eine Leibgarde beizugeben, erzählte ihnen Stesichoros unter anderem die folgende Fabel: Ein Pferd hatte eine Wiese für sich allein; da kam ein Hirsch und fraß die Weide ab. Das Pferd wollte den Hirsch strafen und fragte den Menschen, ob er mit ihm zusammen den Hirsch züchtigen könnte. Der sprach: "Wenn du einen Zaum annimmst und mich mit meinen Geschossen aufsteigen läßt." Als das Pferd einwilligte und der Mensch es bestieg, mußte das Pferd, statt sich am Hirsch zu rächen, dem Menschen zu Diensten sein.
"So seht auch ihr drum zu", sprach Stesichoros, "daß es euch, während ihr euch an euren Feinden rächen wollt, nicht ebenso ergeht wie dem Pferde. Den Zaum habt ihr schon an, da ihr euch einen Generalissimus erwählt habt; wenn ihr ihm noch eine Leibgarde gebt und damit in den Sattel steigen läßt, werdet ihr zu Knechten des Phalaris."