Im Schillerjahr 2005 druckten wir jede Woche ein Gedicht unseres "Hausdichters" Friedrich Schiller ab; die Sammlung Friedrich Schiller beim Wort genommen finden Sie weiterhin hier. Für 2006 hatten wir eine neue Idee: Zurückgreifend auf die Wurzeln der europäischen Zivilisation im antiken Griechenland wollen wir ab sofort jede Woche ein Gedicht oder ein Zitat aus einem altgriechischen Epos, einem Dialog, Theaterstück oder einer Prosaschrift abdrucken.
Die Idee der "griechischen Ausgrabungen" ist Teil unseres "Projekts Renaissance". Wir finden uns nicht ab mit Dekadenz und Verfall von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. Wir haben festgestellt: Jede Renaissance begann in finsteren Zeiten, und zwar weil es Menschen gab, die sich sagten: So kann es nicht weitergehen, und bewußt den Entschluß faßten, die grundlegenden Ideen besserer Zeiten wieder auszugraben und neue hinzuzudenken.
Die Griechen knüpften nach dem finsteren Zeitalter vom 12.-8. Jh. v.Chr. nicht nur an die mykenische Kultur an, sondern auch an hinübergerettetes Wissen der altägyptischen Hochkulturen. Philon von Alexandria, ein etwas älterer Zeitgenosse Jesu Christi, führte Platons Ideen in die jüdische Philosophie ein. Paulus und später der in Nordafrika tätige Augustinus schufen das platonische Christentum. Der Einfluß des griechischen Denkens auf die islamische Renaissance ist ebenfalls unverkennbar. Viele antike Schriften überlebten in Form arabischer Übersetzungen. Die berühmte italienische Renaissance des 14. und 15. Jh. nahm bekanntlich ihren Ausgang im Aufspüren, Sammeln und Übersetzen antiker griechischer Schriften.
Um dazu in der Lage zu sein, lernte man Griechisch, ähnlich wie später in Deutschland im 18. und 19. Jh. unter dem Einfluß der Brüder von Humboldt. Die deutsche Klassik ging in vieler Hinsicht auf ein Projekt Lessings und seines Freundes Moses Mendelssohn zurück, die ebenfalls auf die humanistischen Ideen der griechischen Antike zurückgriffen. Was sich in der Geschichte der Menschheit immer wieder mit so überwältigendem Erfolg bewährt hat, können wir also getrost zum Vorbild unserer wöchentlichen "Ausgrabungen" nehmen.