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Hesiod: Werke und Tage (264-318): Über Recht und Rechtschaffenheit
Hesiod lebte zwischen 740 und 670 v.Chr. im böotischen Askra, wohin sein Vater aus Kyme in Kleinasien übergesiedelt war. Hesiod selbst arbeitete in seiner Jugend als Hirte und bebaute später das väterliche Gut. Seine einzigen beiden vollständig überlieferte Werke - die "Theogonie" und "Werke und Tage" - sind keine erzählenden Epen wie bei Homer, sondern sozusagen "Sachepen". Im letzteren beschreibt er, wie durch das falsche Verhalten des Prometheus gegenüber Zeus Übel und Not auf die Menschen kamen und wie dieser Zustand durch Arbeit und rechtmäßige Gesinnung überwunden werden kann.

Sich selbst nämlich schafft Schlimmes ein Mann, der dem anderen Schlimmes zufügt, und ein schändlicher Plan trifft den, der ihn ausheckt, am schlimmsten. Blickt doch das allsehende, alles gewahrende Auge des Zeus, wenn es will, auch auf diese Sache und merkt gar wohl, welches Recht auch hier die Stadt in ihren Mauern beherbergt. Derzeit aber will ich weder selbst unter Menschen gerecht sein, noch soll es mein Sohn, denn wehe dem Gerechten, wenn der Schurke vor Gericht als Sieger davongeht! Doch läßt es Zeus, der Raterteilende - so hoffe ich - , nicht dazu kommen.

Dies, Perses, laß dir gesagt sein, höre nun auf das Recht und denke nicht an Gewalttat. Diese Ordnung setzte nämlich Kronion den Menschen, den Fischen, allem Getier und fliegenden Vögeln: daß Tiere zwar einander auffressen, weil bei ihnen kein Recht herrscht, während er den Menschen Recht verlieh, das höchste Gut unter allen. Entschließt sich nämlich einer zu sagen, was er als Recht erkennt, dem schenkt Zeus, der Weitblickende, Segen; wer jedoch als Zeuge mit Absicht meineidig lügt und so, heillos verblendet, das Recht verletzt, dessen Geschlecht wird späterhin verfallen. Eidtreuen Mannes Sippe jedoch wird künftig gedeihen.

Mit dir aber, Erznarr Perses, mein' ich es gut und will dir sagen: Dürftigkeit läßt sich gar leicht auch haufenweise gewinnen; glatt ist der Weg, und sie wohnt ganz nah. Vor das Gedeihen jedoch haben die ewigen Götter den Schweiß gesetzt. Lang und steil ist der Pfad dorthin und schwer zu gehen am Anfang. Kommst du jedoch zur Höhe empor, wird er nun leicht, der anfangs so schwer war. Der ist von allen der beste, der alles selbst einsieht und bedenkt, was schließlich und endlich Erfolg bringt; tüchtig aber ist auch, wer guten Rat von anderen annimmt. Wer aber selbst unverständig ist und fremden Rat nicht hört und beherzigt, der Mann ist nicht zu gebrauchen.

Du aber denke stets an mein Gebot! Arbeite, Perses, gottvoller Kerl, auf daß der Hunger dich hasse, Demeter aber liebe, die schönbekränzte, hehre, und deine Scheuer mit Nahrung fülle. Hunger ist ja dem Faulen durchaus ein treuer Gefährte. Dem aber zürnen Götter und Menschen, der faul dahinlebt nach Art der stachellosen Drohnen, die faule Prasser sind und den mühsam geernteten Honig der Bienen verfressen; du aber tue mit Lust beizeiten die Feldarbeit, damit sich deine Scheuer mit reifem Ertrag fülle. Arbeit macht Männer reich an Herden und Habe, denn wer zupackt, ist Göttern um vieles erwünschter [und auch den Menschen, denn Faulpelze hassen sie gründlich]. Arbeit bringt keine Schande, Nichtstun aber ist Schande. Regst du dich nämlich, beneidet dich bald der Faule, weil du reich wirst. Den Reichtum aber begleiten Ehre und Ansehen. Narr, der du warst! Für dich ist Arbeit ein Segen, wenn du den Sinn von fremdem Gut ab- und zur Arbeit hinwendest und für dein Brot sorgst, wie ich dir rate. Mißliche Scham begleitet den bedürftigen Mann; Scham ist ja für Männer sehr schädlich (freilich auch nützlich); Scham folgt der Armut, Selbstgefühl dagegen dem Reichtum.


Übersetzung: Otto Schönberger
Quelle: Hesiod, Werke und Tage, Stuttgart 1996
Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Reclam-Verlags, Stuttgart

H esiod lebte zwischen 740 und 670 v.Chr. im böotischen Askra, wohin sein Vater aus Kyme in Kleinasien übergesiedelt war und sich als Landwirt und Händler niederließ. Hesiod selbst arbeitete in seiner Jugend als Hirte und bebaute später das väterliche Gut. Seine einzigen beiden vollständig überlieferte Werke - die Theogonie und Werke und Tage - sind keine erzählenden Epen wie bei Homer, sondern sozusagen "Sachepen". Im ersten Falle schildert Hesiod die genealogischen Grundlagen der griechischen Götterwelt, im zweiten Werk beschreibt er, wie durch das falsche Verhalten des Prometheus gegenüber Zeus Übel und Not auf die Menschen kamen und wie dieser Zustand durch Arbeit und rechtmäßige Gesinnung überwunden werden kann.

Hesiod schildert fünf Weltalter der Menschen: das goldene Zeitalter, in dem die Menschen unsterblich sind, das silberne, das eherne, das Zeitalter der Heroen und die Gegenwart. Insofern könnte man Hesiod als Urvater des Kulturpessimismus betrachten. Auch unterscheidet sich seine Sicht des Prometheus grundsätzlich von der des Aischylos. Bei Hesiod fällt zwischen das goldene und das silberne Zeitalter der "Sündenfall" des Prometheus und die "Vertreibung der Menschen aus dem Paradies". Bei Aischylos hingegen kommt Prometheus den in Not und Elend hausenden Menschen zu Hilfe und lehrt sie alle Wissenschaften und Künste.

Zu Beginn der Theogonie beschreibt Hesiod, wie ihm als Hirte von den Musen die Dichtergabe verliehen wurde: "So sprachen die beredten Töchter des großen Zeus, brachen den herrlichen Zweig eines üppig grünenden Lorbeers, schenkten ihn mir als Stab und hauchten mir göttlichen Sang ein, damit ich Künftiges und Vergangenes rühme." Anders als bei Homer tritt uns Hesiod als Person in seinen Werken gegenüber. In Werke und Tage wendet sich Hesiod direkt an seinen Bruder Perses, mit dem er in einem Rechtsstreit um das väterliche Erbe liegt und den er zu einem tugendhaften und redlichen Leben mahnt.

tim

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