S C H I L L E R

L E B T

F R I E D R I C H   S C H I L L E R
Hippokrates, der gute Arzt  —  Der Eid des Hippokrates

Hippokrates wurde ca. 460 v.Chr. auf der Insel Kos geboren. Er entstammte einer Familie von Ärzten und Philosophen, die den Gott Asklepios (auch Äskulap genannt) verehrten, dessen bedeutendstes Heiligtum auf der Insel Kos stand. Der Vater war, wie zu damaliger Zeit üblich, wandernder Arzt, zu dem er auch seinen Sohn heranbildete.

Auf jahrelangen Wanderungen durch Griechenland und Kleinasien hatte Hippokrates viele bedeutende Philosophen und Ärzte seiner Zeit getroffen, mit ihnen diskutiert und sich aus ihrem Erfahrungsschatz bereichern können. Schließlich nach Kos zurückgekehrt, gründete er hier eine Medizinschule, heute würde man sagen eine Medizinische Akademie. Er brachte seine reiche Erfahrung in der Beobachtung, Diagnostik und Behandlung von Krankheiten ein, die er auf seinen Reisen gesammelt hatte und lehrte seine Schüler ein ganz neues Verständnis von Gesundsein und Krankheit. Er löste die Medizin vom Götterglauben, sah den Menschen als Ganzes und verstand die Ausgeglichenheit der Körpersäfte als Grundlage eines gesunden Lebens. Man kann sagen, daß er als der Begründer der modernen Medizin und auch der ganzheitlichen Betrachtungsweise, wie sie heute noch in der Allgemeinmedizin praktiziert wird, gelten kann.

So entwickelte sich unter seiner Leitung die hippokratische Medizin. Die wissenschaftliche Arbeitsweise war dabei grundlegend: Beobachtung des Kranken als Ganzes in seinem Umfeld, dem folgten die körperliche Untersuchung einschließlich einer in damaliger Zeit noch recht primitiven Auskultation [Abhören]; schließlich mußte man eine Prognose erstellen, um eine Heilungsmöglichkeit zu erkennen. War diese gegeben, schritt man zur Therapie, zunächst mittels Diät und pflanzlicher Medikamente. Auch leichtere chirurgische Eingriffe wurden praktiziert.

Von seinen Schülern verlangte Hippokrates einen vollen Einsatz im Beruf des Arztes. Er verfaßte Richtlinien, die im "Hippokratischen Eid" festgelegt sind. Ob der Text des Eides, wie er uns bekannt ist, von Hippokrates selbst stammt, wird bezweifelt. Sicherlich geht er aber aus der Hippokratischen Schule hervor, und seine Akzeptanz wird heute noch von jedem Arzt anläßlich der Verleihung der Approbation verlangt. Der Hippokratische Eid gliedert sich in zwei Teile. Der erste legt die Verpflichtung fest, die Lehren und Erkenntnisse der Medizin nur innerhalb des ärztlichen Standes weiterzugeben. Der zweite betrifft das Verhältnis Arzt-Patient, die ärztliche Schweigepflicht und die Verpflichtung gegenüber dem Patienten, ihn vor Schaden und Kompetenzüberschreitung zu bewahren.

Hippokrates hat uns viele heilkundliche Abhandlungen hinterlassen, von denen aber nur ein kleinerer Teil ihm selbst zugeschrieben wird. Letzter ist in dem "Corpus Hippocraticum" zusammengefaßt, einer Art Handbibliothek für den Arzt. Für die aktuell geltende medizinische Terminologie wurde hier der Grundstein gelegt. Auch in dem Corpus werden verschiedene Autoren aus der hippokratischen Schule vermutet.

Hippokrates lebte bis ca. 370 v.Chr. und starb vermutlich in Larissa auf Zypern. Die medizinischen Grundgedanken des Hippokrates lebten auch in der Naturphilosophie Platons fort.

Dr. med. Joachim Roeder


Quellen: Who's Who?, Vox-Latina-Göttingensis/Biographie,
Andrea Maier, Die griechische Heilkunde in der Antike, Referat in KPDL-Kurs 95/97.


Der Eid des Hippokrates

1. Ich schwöre bei Apollon dem Arzt und Asklepios und Hygieia und Panakeia und allen Göttern und Göttinnen, sie zu Zeugen anrufend, daß ich diesen Eid und Vertrag nach meinem Können und Urteil erfüllen werde:

2. Den, der mich diese Kunst gelehrt hat, gleichzuachten meinen Eltern und das Leben mit ihm zu teilen, wenn er das Notwendige benötigt, ihm einen Anteil zu geben und seine Nachkommenschaft meinen Brüdern in männlicher Linie gleichzustellen und sie diese Kunst ohne Entgelt und Vertrag zu lehren, wenn sie diese erlernen wollen, an Regeln und mündlichem Unterricht und dem ganzen übrigen Lehrstoff Anteil zu geben meinen Söhnen und den Söhnen dessen, der mich unterrichtet hat, wie auch Schülern, die den Vertrag unterzeichnet und sich eidlich nach ärztlichem Brauch verpflichtet haben, sonst aber niemandem.

3. Diätetische Maßnahmen werde ich zum Nutzen der Kranken nach meinem Können und Urteil treffen, vor Schädigung und Unrecht sie aber bewahren.

4. Nie werde ich irgendjemandem, auch nicht, wenn man mich darum bittet, ein tödliches Mittel verabreichen oder auch nur einen derartigen Rat erteilen, ebenso werde ich keiner Frau ein Abtreibungsmittel verabreichen.

5. Lauter und redlich werde ich mein Leben und meine Kunst bewahren.

6. Nie und nimmer werde ich Blasensteinkranke behandeln, sondern sie an diejenigen weiterleiten, die sich in diesem Gewerbe auskennen.

7. In wie viele Häuser ich auch eintrete, einkehren werde ich zum Nutzen der Kranken, mich fernhaltend von jedem vorsätzlichen Unrecht sowie jeder sonstigen Schädigung, insbesondere von sexuellen Beziehungen mit weiblichen wie mit männlichen Personen, seien sie frei oder Sklaven.

8. Was immer ich bei der Behandlung sehe oder höre oder auch außerhalb der Behandlung im Leben der Menschen, was man niemals ausplappern darf, darüber werde ich schweigen, da ich solches als heiliges Geheimnis achte.

9. Wenn ich also diesen Eid erfülle und nicht verletze, so möge mir beschieden sein, mich meines Lebens und meiner Kunst zu erfreuen, gerühmt bei allen Menschen bis in ewige Zeiten; wenn ich ihn aber übertrete und falsch schwöre, das Gegenteil von alledem.


Zitiert nach Hippokrates - Der Eid des Arztes, neu übersetzt und heausgegeben von Kurt Steinmann, Frankfurt/Leipzig, 1996.


Zur Übersicht der Ausgrabungen