Wenn sich getroffene Gegner fortan in Distichen wehrten,
Xenien zielten auf uns, wir nähmen gern das Geschenk.
Schmiedet nur eifrig die kleinen gefiederten Pfeile und übt euch.
Wenn ihr mit Distichen schießt, drucken wir die sogar ab.
Aber ach! Woche um Woche verstrich, ohne jeden Widerhall. Wie konnte man auch annehmen, irgendwelche Widersacher würden uns zuliebe über sich selbst hinauswachsen und plötzlich Xenien gegen uns in die Welt setzen? Die herbe Enttäuschung machte sich Luft in folgender Xenie, die jedoch wegen allzugroßer Sauerkeit bislang unveröffentlicht blieb:
Verrechnet
Wer von Fröschen verlangt, sich nur noch in Xenien zu äußern,
irrt, wenn er mundtot sie wähnt. Prosa quaken sie fort.
Soviel Essig war auch deshalb fehl am Platze, weil - wenn die Feinde sich schon nicht zu Xenien aufraffen können - es ja noch die Freunde gibt. Und siehe da! Inzwischen landeten gleich mehrere Xenien aus fremder Feder in unserem E-mail-Briefkasten ("Xenien" ist wohl zu viel gesagt, aber doch immerhin solche, die es werden wollen). Ulkig in ihrer Unvollkommenheit, um nicht zu sagen Mißgestalt, bieten sie jedenfalls Anlaß, die Anatomie der Xenien etwas genauer zu durchleuchten. Wie gesagt, schon Schiller und Goethe benutzten diese pfeffrigen "Gastgeschenke", um sich des bornierten Zeitgeistes ihrer Tage zu erwehren oder überhaupt ein treffendes Urteil kurz und prägnant auszudrücken; und sie selbst knüpften damit an die spöttischen Epigramme des Römers Martial an.
Grundvoraussetzung ist, wie bei allen Schaffensfragen, die angemessene Idee.
Gar nicht so einfach ist es, die kleinen Pfeile zu schmieden,
Denn nicht jede Idee paßt sich dem Distichon an.
Die Idee muß nicht nur gut und richtig, sondern auch passend sein, um in genau dieser Form des Distichon ausgedrückt werden zu können. Diese Idee zu finden, ist nun ganz Sache des einzelnen Erfindergeists, da helfen keinerlei Regeln und Anleitungen. Anders ist es bei der Form. Das Versmaß läßt sich durchaus erläutern.