Weltforum „Dialog der Zivilisationen" trifft sich zum siebten Mal in Rhodos
von Helga Zepp-LaRouche
Im Mittelpunkt der Diskussionen beim „World Public Forum Dialogue of
Civilizations" auf Rhodos stand in diesem Jahr die Notwendigkeit einer
neuen Ethik im Wirtschaftsleben, die nicht auf Profitmaximierung,
sondern auf das Gemeinwohl ausgerichtet ist. Den Vortrag Frau Zepp-LaRouches über das Thema „Neue strategische Allianzen für ein neues Weltfinanzsystem" finden Sie hier.
* * *
Die Stärke der Konferenz des World Public Forum in Rhodos, die vom
8.-12. Oktober nun zum siebten Mal stattgefunden und damit schon eine
eigene Tradition entwickelt hat, besteht sicherlich darin, daß sie das
Konzept des „Dialogs der Zivilisationen" als Methode der Problemlösung
betont. Auch dieses Mal trafen sich über 500 Gelehrte,
Religionsvertreter, Ökonomen, Politiker, Kunst- und Medienschaffende
aus 60 Nationen, um über eine Reihe verschiedener Themen zu
diskutieren.
Während die Vorjahreskonferenz, die auch im Oktober stattgefunden
hatte, ganz unter dem Eindruck der dramatischen Zuspitzung der
Finanzkrise unmittelbar nach dem Bankrott von Lehman Brothers stand,
reflektierte die Stimmung vieler Konferenzteilnehmer dieses Mal eher
tiefe Zweifel an der offiziellen Linie, daß „das Schlimmste bereits
vorüber ist", und eine unbestimmte Ahnung, daß die große Krise noch
unmittelbar bevorsteht.
Und so bildete die Umgebung der Konferenz in der Tat einen
merkwürdigen Gegensatz zur Wirklichkeit der strategischen und
historischen Lage: hier die Debatten und vielen produktiven Gespräche
am Tagungsort im idyllischen Fischerdorf Kallithea im Nordosten der
ägäischen Insel Rhodos, dort in der Welt im Großen der eskalierende
Zusammenbruch der Realwirtschaft bei gleichzeitigem Neuaufflackern des
„irrationalen Überschwangs" der Finanzmärkte und der unübersehbaren
Absicht der Finanzinstitutionen, die Kosten für die Krise durch brutale
Kürzungen des Lebensstandards auf die Bevölkerung abzuwälzen.
Die Teilnehmer brachten sehr klar die Auffassung zum Ausdruck, daß
die gegenwärtige globale Krise das Resultat der Tatsache sei, daß viele
Entscheidungsträger ihre Verantwortung für das Gemeinwohl vergessen
hätten. In der abschließenden Diskussion im Schlußplenum fand eine
Diskussionsteilnehmerin breite Zustimmung für ihre Beobachtung, daß die
gegenwärtige Krise nicht zuletzt eine Krise der Führungsqualitäten der
etablierten Eliten sei. In der Erklärung von Rhodos 2009 lautet es
unter
Punkt 2.1: „Die globale ökonomische und finanzielle
Krise ist noch nicht beendet. Es ist offensichtlich, daß diese Krise
nicht allein mit den traditionellen ökonomischen und finanziellen
Instrumenten bekämpft werden kann." Unter
Punkt 2.4 heißt es weiter: „Das letztendliche Ziel
aller wirtschaftlichen Aktivitäten sollte das Gemeinwohl aller Menschen
sein, und nicht die Anhäufung von Kapital. Der Fokus der Wirtschaft
sollte auf dem Nutzen und den Erträgen liegen, die diese Wirtschaft
produziert, darauf, wie diese Erträge gesteigert werden können, und wie
ihre Vorteile zum gemeinsamen Wohl gerecht unter den Menschen verteilt
werden können", und weiter in
Punkt 2.5: „Wir brauchen eine neue Ethik in der
Wirtschaft anstelle des vorherrschenden Konsumdenkens einerseits und
des unbeschränkten Freihandels-Kapitalismus, der in den sogenannten
„shareholder values" kulminierte, andererseits." Sehr wichtig ist auch
der Bezug auf die jüngste Enzyklika von Papst Benedikt XVI in
Punkt 2.8: „Wir begrüßen die Forderung vieler
religiöser Führer nach einer Ethik in der Wirtschaft, und insbesondere
die von Papst Benedikt XVI in seiner Enzyklika Caritas in veritate
nach einer zivilen Wirtschaft, die wieder in die Zivilgesellschaft
eingebettet ist und die alten säkularen Dichotomien von Staat gegen
Markt und von Links gegen Rechts überwindet."
Den konkretesten Vorschlag, wie eine solche Zivilwirtschaft
verwirklicht werden könnte, machte der in Rußland für seine Theorie der
physischen Ökonomie sehr bekannte Lyndon LaRouche, dessen Beitrag vor
allem von einigen russischen Experten kommentiert wurde. Die Rede der
Verfasserin von der Vorjahreskonferenz, die ebenfalls den LaRouche-Plan
für die Neuordnung des Finanz- und Wirtschaftssystems zum Thema hatte,
wurde im Konferenz- Bulletin 2009 abgedruckt.
Verschiedene Diskussionsteilnehmer äußerten die Ansicht, der
G20-Gipfel in Pittsburgh sei eine reine PR-Veranstaltung gewesen, und
die dort getroffenen Maßnahmen hätten den Tod des Systems lediglich
hinausgeschoben. Ein wichtiges Thema war auch die Erkenntnis, daß die
globale Krise eine neue Definition des Begriffes „happiness"
(Glückseligkeit) erfordert, und daß die Antwort zu dieser Frage nicht
im Bereich des Materiellen, sondern auf der Ebene des Spirituellen
gefunden werden muß.
Auf jeden Fall verdienen die Initiatoren des World Public Forums -
Wladimir Jakunin, Chef der Russischen Eisenbahnen, Jagdish Kapur, Chef
der Kapur Surya Foundation, und der griechische Unternehmer Nicholas
Papanicolaou - große Anerkennung dafür, diesen „Dialog der
Zivilisationen" ins Leben gerufen zu haben.
|