15. August 2012 •
Die bahnbrechende Landung des Mars-Rovers "Curiosity" (zu deutsch
"Neugierde") hat weltweit eine Welle von Begeisterung und
Kulturoptimismus ausgelöst, wie man sie seit den Zeiten des Apollo-Programms
und der Landung des Menschen auf dem Mond vor 43 Jahren nicht mehr beobachten
konnte. Auch wenn damit die akute Weltkriegsgefahr, die vom Nahen und
Mittleren Osten ausgeht, ebenso wenig gebannt ist wie die drohende Gefahr
eines Kollapses des Euros und des gesamten transatlantischen Finanzsystems, so
liegt doch in diesem phantastischen Zeugnis menschlicher Erfindungs- und
Ingenieurskunst die Hoffnung, daß die Menschheit in der Lage sein wird,
Lösungen für diese existentiellen Probleme auf einer höheren Ebene der
Vernunft zu finden. Und nicht zuletzt ist damit der Anfang vom Ende des grünen
Irrwegs eingeläutet!
In der Tat findet derzeit eine Art ideologischer Nahkampf zwischen zwei
fundamental entgegengesetzten Tendenzen statt: zwischen den Kräften, die die
Lösung für die zivilisatorische Krise, in der wir uns befinden, in einer
Rückkehr zu wissenschaftlichem und technologischen Fortschritt, zur
produktiven Realwirtschaft, zum Gemeinwohl, zum souveränen Nationalstaat und
zu klassischen Ideen in Wissenschaft und Kunst sehen, und denjenigen, die am
System der maximalen Gier und Profitmaximierung, der Spekulation, den
Privilegien der Machtelite, den imperialen supranationalen Strukturen und dem
Vergnügen im Hier und Jetzt festhalten wollen.
Während es Aktivisten der LaRouche-Bewegung in der vorletzten Woche in
Washington gelungen war, den Anstoß zu einer Abstimmung zu geben, daß der
amerikanische Kongreß wegen der gleichzeitigen akuten Krisen nicht in die
Sommerpause ging, hat nach Auskunft informierter Quellen am vergangenen
Wochenende die Obama-Administration zu einem Schwindel gegriffen, um diese
Abstimmung wieder rückgängig zu machen und den Kongreß doch noch in die
Sommerpause zu entlassen. Laut dieser Quellen will das Weiße Haus im August
freie Hand für eine Militärintervention gegen Syrien haben, um dort eine
sogenannte Flugverbotszone einzurichten. Außenministerin Hillary Clinton
erwähnte die Option einer solchen Flugverbotszone nach ihrem Treffen mit dem
türkischen Außenminister in Ankara ebenso wie der Homeland-Security-Berater
John Brennan am 8. August.
Die Einrichtung einer Flugverbotszone über Syrien bedeutete die
Ausschaltung der syrischen Luftabwehr, der Radaranlagen und eines Teils der
syrischen Luftwaffe - also Krieg und aller Wahrscheinlichkeit die totale
Konfrontation mit Rußland und China.
Der russische Ministerpräsident Medwedew hatte in letzter Zeit wiederholt
auf die sogenannte Putin-Doktrin verwiesen, die die Grundsätze der UN-Charter
und der nationalen Souveränität schützen will, und gewarnt, daß
militärische Interventionen unter dem Vorwand humanitärer Interventionen zum
Einsatz von Nuklearwaffen führen könnten. Dabei wird immer deutlicher, was
für eine Farce die sogenannte humanitäre Intervention des Westens in Syrien
ist: Unterstützung von Al-Kaida, Salafisten und Wahabi-Anhänger, die
kaltblütig Andersgläubige abmetzeln - und das mit Unterstützung der CIA!
Besorgte Stimmen in der Demokratischen Partei warnen bereits, daß Kriege
dieser Art immer die Tendenz hätten, außer Kontrolle zu geraten und daß
hierbei potentiell der Einsatz von thermonuklearen Waffen und eventuell der
ganz große Krieg auf dem Spiel steht.
In die gleiche Kategorie der Konfrontation gehört auch die bewußte
Fehlinformation über ein angeblich bald fertiggestelltes iranisches
Nuklearwaffenprogramm, die vom israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu und
seinem Verteidigungsminister Barak bereits zum Anlaß konkreter Planungen für
einen Militärschlag gegen die angeblichen iranischen Nuklearwaffenanlagen
genommen wird, obwohl diese Informationen vom amerikanischen Generalstab und
dem Nationalen Sicherheitsrat eindeutig als falsch bezeichnet wurden.
Warten bis zur Panik?
Gleichzeitig intensiviert sich auch der Kampf zwischen den beiden oben
genannten Tendenzen in Bezug auf den Zusammenbruch des transatlantischen
Finanzsystems. Die Befürworter des jetzigen Systems der - wie im Fall des
Liborskandals und der HSBC- Drogengeldwäsche notfalls auch kriminellen -
Hochrisikospekulation verfolgen dabei ganz offensichtlich die Linie, die beim
jüngsten Treffen des Bilderberg-Gruppe in Dulles (Virginia) ausgegeben wurde:
Man müsse nur warten, bis die Panik über den drohenden Finanzkrach einen
absoluten Höhepunkt erreicht, real oder durch Medienkampagnen erzeugt, um
dann alle Szenarios für Rettungspakete, Bankenunion, Eurobonds,
Schuldenvergemeinschaftung, Vereinigte Staaten von Europa usw. durchsetzen zu
können.
So forderte ausgerechnet der Autor der Lügen, die zum Irakkrieg führten,
Toni Blair, in einem Gespräch mit der Wochenzeitung Die Zeit
"größere Entschiedenheit bei der Euro-Rettung" in Form von EZB-Chef
Draghis (hyperinflationärem) Vorschlag, daß die Europäische Zentralbank
Staatsanleihen Griechenlands, Spaniens und Italiens in großem Stil kaufen
solle, und einen "gewaltigen politischen Umbau der EU".
Kurioserweise trat fast zeitgleich der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel mit
dem Vorschlag an die Öffentlichkeit, jetzt müsse das Thema der Vereinigten
Staaten von Europa ebenso wie die Frage der Vergemeinschaftung der Schulden
bei gleichzeitiger verstärkter Haushaltskontrolle auf die Tagesordnung
gesetzt werden. Wo ein solches "europäisches Volk" herkommen soll, das in
diesen "Vereinigten Staaten von Europa" leben würde, dazu sagte Gabriel
allerdings nichts. Vielleicht deswegen, weil ein solches "europäisches
Volk" gar nicht existiert.
Die Bild-Zeitung vermutete in dem Gabriel-Vorschlag die heimliche
Vorbereitung auf eine kommende Große Koalition, da Bundesfinanzminister
Schäuble und Parlamentspräsident Lammert (beide CDU) vor einiger Zeit
bereits ähnliche Vorschläge gemacht hätten. Eine Umfrage des Stern
eine Woche zuvor hatte allerdings ergeben, daß 74% aller Bundesbürger
gegen die Idee der Vereinten Nationen von Europa seien; die maximal
verbleibenden 26% dürften also weder für eine große Koalition noch für
eine SPD-Mehrheit reichen.
Aber wie wir in den vergangenen fünf Jahren erleben durften, haben die
Politiker offenbar seit langem die Kunst der Arithmetik verlernt, wenn es
darum geht, die Interessen der Banken durchzusetzen.
Ins gleiche Horn stieß auch Thomas Kirchner in der Süddeutschen
Zeitung mit seiner Warnung, daß "der Angriff" auf die Eurozone
unmittelbar bevorstehe. Er zitiert den US-Experten Fred Bergsten, wonach die
Situation vergleichbar sei mit derjenigen, die man früher als militärischen
Angriff auf das eigene Territorium bezeichnet habe, nur um dann verschiedene
Szenarios zu entwickeln, wie man den Widerstand der Bevölkerung gegen die
Idee der Vereinigten Staaten von Europa aushebeln könne. Ganz im Geiste der
Bilderberger und Carl Schmitt sagt Kirchner eine plötzliche große Krise
voraus, die die Gelassenheit der Deutschen beenden werde.
Heilsamer Schock
Daß wir unmittelbar vor der Desintegration des Euros und des
transatlantischen Finanzsystems stehen, ist unbestritten. Doch der Schock
könnte auch ein heilsamer sein: Die Chancen stehen gut, daß sich die
internationalen Kräfte durchsetzen, die für eine Wiedereinführung des
Trennbankengesetzes, also des Glass-Steagall-Gesetzes exakt in der Tradition
von Franklin D. Roosevelt eintreten. Eine wachsende Gruppierung im
amerikanischen Kongreß gehört ebenso dazu wie in der Demokratischen Partei,
der es vielleicht gelingt, die Forderung nach Glass Steagall in die
Wahlplattform aufzunehmen, und in der Republikanischen Partei, für die das
Direktoriumsmitglied des US-Einlagensicherungsfonds (FDIC), Thomas Hoenig, der
Bezugspunkt ist.
Die LaRouche-Plattform zur Rettung der USA, in der die Kombination von
Glass Steagall, Kreditsystem und großen Infrastrukturprogrammen wie NAWAPA
als absolute Vorbedingung einer Lösung gefordert wird, wird auf jeden Fall
eine zentrale Rolle bei der großen Demonstration amerikanischer
Gewerkschaften am 11. August in Philadelphia spielen. Diese Kundgebung, zu der
20.000 Teilnehmer erwartet werden, ist eine bewußte Gegenveranstaltung zu dem
Parteikonvent der Demokratischen Partei, der Anfang September in der
Bankerstadt Charlotte in North Carolina stattfindet, weil sich der größte
Teil der US-Gewerkschafter von Präsident Obama nicht repräsentiert fühlt
und diesen im Wahlkampf weder personell noch finanziell unterstützen
wollen.
Die Gesamtlage in den USA ist so dramatisch und die Begeisterung für die
beiden Präsidentschaftskandidaten Obama und Romney so gering, daß es im
August durchaus zu weiteren dramatischen Entwicklungen und in der Folge zu
sogenannten "offenen Parteitagen" kommen könnte, bei denen sich neue
Kandidaten zur Wahl stellen.
Charakteristisch für den neuen Wind ist ebenfalls ein auf der Webseite der
Deutschen Welle erschienener Artikel des Wirtschaftshistorikers
Hans-Joachim Voth von der Universität Barcelona, worin dieser das nahezu
kriminelle intellektuelle Versagen der Politiker attackiert, die seit dem
Ausbruch der Krise 2007 nicht eine einzige Lektion gelernt hätten und
angesichts der von ihnen nicht verstandenen Komplexitäten des Finanzsektors
stets nur Rat bei dessen Experten suchten. Professor Voth schilderte dann im
Detail, wie es in den USA zur Aufhebung des Glass-Steagall-Gesetzes kam und
warum sich heute führende Banker wie Sandy Weill für dessen
Wiedereinführung einsetzen.
Wie der eingangs erwähnte ideologische Nahkampf ausgehen wird, ist nicht
entschieden. Es kann über Syrien und Iran zum Dritten Weltkrieg kommen, und
die Menschheit könnte ausgelöscht werden, wenn wir beim jetzigen die Welt
dominierenden Paradigma von Gier, Monetarismus, imperialer Machtsucht und
grüner Verblendung bleiben.
Es ist aber auch möglich, daß wir mit der Wiedereinführung des
Glass-Steagall-Standards, der Wiedererlangung der Souveränität über die
eigene Wirtschafts- und Währungspolitik, einem geordneten Austritt aus dem
Euro und der Einführung einer Neuen D-Mark, einem Kreditsystem und einem
wirtschaftlichen Aufbauprogramm für die Welt eine neue, positive Phase der
Geschichte einleiten.
Lassen wir uns von dem wunderbaren Mars-Rover "Curiosity"
beflügeln und wieder jene kreative Neugier entwickeln, die den Menschen von
jeher inspiriert hat, wenn es galt, anscheinend unüberwindbare Hindernisse zu
übersteigen und in neue Gefilde menschlichen Wissens vorzudringen.
Verabschieden wir uns von dem Paradigma der Grünen, der Bankenrettungspakete,
von der Schreckensvorstellung eines europäischen Monsterstaats im Interesse
der Oligarchie, und beginnen ein neues Paradigma des wissenschaftlichen und
kulturellen Fortschritts und der Neugierde. Werden wir wieder
menschlicher!