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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

„Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie mal war“

Ray McGovern diente 27 Jahre lang in der CIA als führender Analyst für Angelegenheiten der Sowjetunion. Nach dem Ausscheiden aus dem Staatsdienst wurde er ein unermüdlicher politischer Vorkämpfer gegen Krieg und für die Rückkehr der USA zu ihren Wurzeln in der Verfassung. Er ist Gründer und Leiter der Gruppe „Veteran Intelligence Professionals for Truth“ (Geheimdienstveteranen für die Wahrheit).

Der Flugzeugträger USS George H.W. Bush steuert vom Arabischen Meer ins Mittelmeer. Leute, das ist eine Zielscheibe. Wie viele Menschen sind auf diesem Flugzeugträger? 6000, hat man mir gesagt. Das ist die Nimitz-Klasse, unsere größte. Das ist unsere größte Lockente. Das kann allen möglichen Provokationen dienen. Erinnern Sie sich noch daran, wie Dick Cheney Schnellboote in den iranischen Farben bauen lassen wollte? Leute, so etwas ist brandgefährlich...

Da herrschen sehr viel Überheblichkeit und große Illusionen. Wir tun so, als wären wir die einzige, verbliebene Supermacht - ich schätze, irgendwann sind wir das auch mal gewesen. Schauen wir uns das an.

Verteidigungsminister [Leon] Panetta am 18. Januar 2012: „Ich denke, die entscheidende Botschaft, die die Welt begreifen muß, ist die: Amerika ist die stärkste Militärmacht und wir beabsichtigen, die stärkste Militärmacht zu bleiben, und da darf uns keiner in die Quere kommen...“

Der Präsident in West Point [Mai 2014]: „In den meisten Aspekten war Amerika selten stärker als heute, verglichen mit dem Rest der Welt. Wer etwas anderes behauptet, wer behauptet, mit Amerika gehe es bergab oder Amerika entgleite die Führung der Welt, der interpretiert entweder die Geschichte falsch oder er betreibt parteiische Politik.“

Wissen Sie, ich ziehe einen anderen politischen Denker vor. Sein Name war Yogi Berra [ein für humoristische Aussprüche bekannter amerikanischer Sportler]. Er war früher viel in dieser Gegend. Und sein vielsagender Spruch lautete: „Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie mal war.“

Für alle Imperien geht irgendwann das Licht aus

Ich verstehe ein bißchen von Imperien, denn als ich bei meinem irischen Großvater auf dem Knie saß, hat er mir vom Britischen Empire erzählt. Er sagte: „Raymond, weiß du, warum über dem Britischen Empire die Sonne nie untergeht?“ Ich sagte: „Nein, das weiß ich nicht.“ Er sagte: „Weil der liebe Gott den Briten niemals im Dunkeln trauen würde.“

Irgendwann geht über jedem Imperium die Sonne unter. Und für das amerikanische Imperium kommt die Abenddämmerung. Und das muß gar nicht schlecht sein, solange wir mit dem Sonnenuntergang zurechtkommen...

Es gibt die Politik, die festgelegt wurde, als wir zum erstenmal die einzige, verbliebene Supermacht auf der Welt wurden. Und als ich las, daß es mein Idol George Kennan war, der das erste politische Planungspapier des neuen Planungsrats im Außenministerium entworfen hatte, war ich bestürzt. Aber so war es. Sie können es selbst nachlesen...

Zitat Kennan: „Wir haben etwa 50% der Reichtümer der Welt, aber nur 6,3% ihrer Bevölkerung. Unsere eigentliche Aufgabe in der kommenden Zeit ist es, dieses Mißverhältnis aufrechtzuerhalten. Dazu werden wir alle Sentimentalitäten und Tagträumereien über Bord werfen müssen. Wir dürfen uns nicht vormachen, daß wir uns den Luxus der Selbstlosigkeit leisten können. Wir sollten nicht länger von vagen, unrealistischen Zielen reden wie Menschenrechten, höherem Lebensstandard, Demokratisierung. Der Tag ist nicht fern, an dem wir nur noch aus reinem Machtdenken handeln müssen.“

Leute, da habt ihr es. Das war nicht, als die Sowjetunion in sich zusammenfiel. Es war nach dem Zweiten Weltkrieg, als wir überlebten und beispielsweise die Sowjetunion Schätzungen zufolge 25 Millionen Menschen verlor. Und dann gab es einige Kritiker, die nicht wollten, daß die russische Führung [zum 70. Jahrestag der alliierten Landung] zur Normandie kam. Können Sie sich einen solchen Mangel an Sinn für Geschichte vorstellen? Es waren die Russen, die die Nazihorden zurückschlugen, bei Stalingrad und Kursk, und dann will man sie nicht in die Normandie einladen!

Nun, ich wollte Ihnen nur zeigen, daß das alles damals schon angefangen hat. Und auch heute ist es nicht sonderlich abgeschwächt, obwohl es das sein müßte. Kennan war einer der Verantwortlichen dafür, daß der CIA ein operationeller Arm hinzugefügt wurde - während Präsident Truman die CIA als eine Analyseabteilung vorgesehen hatte, die ihm nüchtern und unvoreingenommen sagt, was passiert; die nur ihm berichtet.

Als dann die verdeckten Operationen hinzukamen, als die OSS wieder da war, da kam 1953 [der Umsturz im] Iran, 1954 Guatemala, 1963 Chile.

Das war unsere Methode zur Umsetzung dieser Konzepte, die in diesem ersten politischen Planungsdokument so eloquent beschrieben waren.

Man muß Kennan aber zugute halten, daß er dazugelernt hat. Manche von uns lernen sogar im hohen Alter noch dazu. Er hat die Leute im Kongreß, Senatoren und Abgeordnete, scharf kritisiert und heruntergemacht, weil sie sklavisch, feige, unterwürfig einem Angriffskrieg zugestimmt haben.

Machen wir einen Zeitsprung ins Jahr 2008. Aus Wikileaks haben wir erfahren, schwarz auf weiß gelesen, daß der heutige Vizeaußenminister William Burns von Sergej Lawrow, der schon damals russischer Außenminister war, brüsk abgeschmettert wurde. Der sagte ihm: Vergeßt die Ukraine. Njetheißt njet. Burns überschrieb damit sogar sein Kabel: „Njetheißt njet.“ Das war nur wenige Monate, bevor die NATO entschied, daß njetvielleicht doch daheißt. Und so sagten sie auf dem Bukarester Gipfel, die Ukraine und Georgien sollten, besser gesagt werden- kein Konjunktiv - NATO-Mitglieder.

So ist das also zustandegekommen. So kam es zum Putsch in der Ukraine am 22. Februar dieses Jahres. Zwei Monate später sagte Putin interessanterweise - anscheinend liest niemand, was Putin sagt, er ist ja nur der russische Staatschef -, das folgende: Die entscheidende Frage ist die Raketenabwehr. Dies ist ein wörtliches Zitat: „Das ist wahrscheinlich sogar noch wichtiger als die NATO-Osterweiterung. Und zufällig wurde auch unsere Entscheidung über die Krim dadurch mit ausgelöst.“

Also die Raketenabwehr. Warum die Krim? Warum das Schwarze Meer? Weil der [frühere US-Verteidigungsminister] Bobby Gates dachte, Mensch, es wäre doch gut, so etwas auch auf Schiffen zu stationieren. Und wenn wir ins Schwarze Meer fahren und wir holen die Ukraine in die NATO, dann hätten wir den Hafen von Sewastopol, der seit Katharina der Großen russisch ist. Den nehmen wir in Beschlag.

Das hat Putin nicht sehr gefallen. Und er sagte in einer Pressekonferenz in scherzhaftem Ton, wir wissen ja, daß die US- und NATO-Matrosen sehr gesellige Typen sind. Die müssen wirklich nette Kerls sein. Aber wir wollen sie nicht gerne auf ihrer Marinebasis in Sewastopol besuchen. Wir hätten es viel lieber so, wie es jetzt ist, wo sie uns besuchen können.“

Das mit der Krim war also eindeutig. Ich verstehe nicht, wie Putin unter diesen Umständen seinen Humor behalten kann.

Bobby Gates brüstet sich noch damit, daß er die Aussicht auf einen erfolgreichen „Neuanfang“ mit Rußland [ein erklärtes Ziel Obamas] ruiniert hat. Er sagte, egal was die im Außenministerium oder anderswo in Washington sagen, „es stand nicht gerade auf der Liste meiner zu erledigenden Aufgaben, die Russen glücklich zu machen“.

Wir haben ja gerade von Überheblichkeit und Illusionen gesprochen.

Das Noah-Prinzip

Wir werden uns immer mehr isolieren. Wir haben Rußland schon in Chinas Arme getrieben. Henry Kissinger und Richard Nixon konnten, das muß man ihnen zugute halten, das Dreiecksverhältnis wohldurchdacht zu unserem Vorteil ausspielen. Als Resultat davon bekamen wir die Vereinbarungen über die Begrenzung der strategischen Waffen und das Viermächteabkommen über Berlin. Die Russen waren aufs äußerste entschlossen, nicht zuzulassen, daß die Chinesen sie durch den Aufbau einer Annäherung an die Vereinigten Staaten überholen.

Heute ist das nur noch illusorisch, in allen Bereichen. Jetzt haben wir eine Lage, wo es [zwischen Rußland und China] ein Gasgeschäft über 400 Mrd.$ gibt, wie Sie wissen. Zu meiner Zeit, das war tatsächlich vor 50 Jahren, wurde ich für die [Beobachtung der] russischen Beziehungen zu China verantwortlich. Zu meiner Zeit waren wir fest davon überzeugt, daß die beiden niemals zusammenarbeiten würden. Sie haßten einander.

Es war, als sähe man hier in New York einen Film von Gene Autry. Die Irokesen haßten Gene Autry wegen eines anderen Films. Sie haßten einander, zwischen ihnen würde es niemals eine Annäherung geben. Aber jetzt gibt es sie. Und die Russen und Chinesen nutzen das Dreieck zu ihrem Vorteil.

Da ist also ein Dreiecksverhältnis, in dem die Russen nicht isoliert sein werden, und dann gibt es noch die BRICS-Gruppe und andere, die erwähnt wurden. Die Russen werden nicht isoliert sein. Sie werden vielleicht mehr unter chinesischen Einfluß geraten, als ihnen lieb ist, aber in diese Richtung entwickelt es sich.

Zwei oder drei können das Spiel mit dem Dreiecksverhältnis spielen, und so läuft es jetzt ab.

Aus meiner Sicht lautet die Frage: Wird in der Abenddämmerung des amerikanischen Imperiums die Sonne ohne gewalttätige Stürme oder sogar Tornados untergehen? Und meine Antwort darauf lautet: Das liegt an uns. Es liegt wirklich an uns! Wir müssen dafür sorgen, daß Yogi Berra recht behält - daß die Zukunft nicht mehr das ist, was sie mal war.

Dennis Speed [von der LaRouche-Bewegung] hat mich gebeten, ein Lied zu singen, und wenn es darum geht, ein Lied zu singen, halte ich mich nie zurück. Ich möchte eines aus dem Befreiungskampf im Süden singen, wo die Kirchen im Mittelpunkt standen, von Vincent Harding, einem meiner Förderer, der so viel beigetragen hat und der die Rede von Martin Luther King in der Riverside Church [in New York], die über Vietnam, mit entworfen hat.

(McGovern singt einige Zeilen aus dem LiedNever turning back: „We are going to keep on moving forward, never turning back”)

Es gibt auch heute Hoffnung. Wenn man diese Haltung einnimmt, dann gibt es Hoffnung.

Schauen Sie sich an, was wir Anfang September im letzten Jahr geschafft haben, als [Außenminister] John Kerry über die Chemiewaffenangriffe das Blaue vom Himmel log und wir beinahe in einen Krieg gegen Syrien gezogen wurden. Das amerikanische Volk wollte keinen Krieg mit Syrien. Sie ließen das ihre Abgeordneten und Senatoren wissen, denn die waren zufällig gerade im August in ihren Heimatwahlkreisen, was als ein wesentlicher Faktor dazu beitrug, daß wir uns durchsetzen konnten.

Ich möchte nun noch in den wenigen Minuten, die mir bleiben, das „Noah-Prinzip“ aufstellen. Das Noah-Prinzip ist: keine Ehrungen mehr für die, die den Regen vorhersagen, sondern Ehrungen für die, die Archen bauen. Was für Archen werden wir bauen?

Dr. Martin Luther King wurde schon erwähnt. Ich denke, das wichtigste ist, die Wahrheit zu verbreiten. Unsere Mitbürger müssen wissen, was vor sich geht. King sprach sehr schön darüber, als er diesen Vergleich zog: Es ist wie eine Eiterbeule: Solange man sie verschließt, läßt sie sich niemals heilen, sondern man muß sie öffnen, damit die ganze häßliche Flüssigkeit den Naturelementen Luft und Licht ausgesetzt wird. Genauso muß die Unterdrückung offengelegt und dem Licht des menschlichen Gewissens und der Luft der öffentlichen Meinung der Nation ausgesetzt werden, mit allen Reibungen, die das erzeugt, bevor man sie heilen kann.

Das ist unsere vorrangige Aufgabe.

Es gibt auch ein „zu spät“!

Für viele von uns - einige von Ihnen haben genausoviele graue Haare wie ich - ist das keine unlösbare Aufgabe. Sie müssen nur Ihre Enkel bitten, Ihnen ein bißchen über Computer beizubringen, und dann werden Sie herausfinden, was vor sich geht. Ich weiß, daß ich bei euch hier damit offene Türen einrenne, aber sagt es euren Freunden. Sagt euren Freunden, daß das wirklich einfach ist. Sie können herausfinden, was geschieht. Und das ist ganz entscheidend.

Das andere, womit ich hier schließen will, ist noch etwas, was Dr. King gesagt hat: Es gibt so etwas wie ein „zu spät“. Und es wird langsam eng, Leute, es wird wirklich eng. Dazu möchte ich Ihnen von einem Menschen erzählen, der als einer der wenigen Widerstand gegen die Nazis in Deutschland leistete. Sein Name ist Albrecht Haushofer [Sohn von Karl Haushofer]. Hat jemand schon mal von ihm gehört? Aha, ich sehe, einige haben das.

Er wurde, wie Dietrich Bonhoeffer, gegen Ende des Krieges eingesperrt. Bonhoeffer wurde gehängt, und Haushofer wurde zum Tod durch Erschießen verurteilt. Die Nazis waren bekanntlich sehr gründlich, sie bestanden darauf, daß jeder ein Geständnis unterschrieb, bevor er erschossen wurde. Haushofer sagte: Niemals, vergeßt es.

Weil die Alliierten im Anmarsch waren, erschossen sie ihn trotzdem. Und als man den Toten aufhob, fand man in seiner Tasche einen Zettel. Es war ein Sonett. Der Titel lautete „Schuld“. Es war sein Geständnis. Es war kurz, ich möchte es Ihnen [in Auszügen] vorlesen.

    Doch schuldig bin ich anders, als ihr denkt,
    Ich mußte früher meine Pflicht erkennen,
    Ich mußte schärfer Unheil Unheil nennen -
    Mein Urteil hab ich viel zu lang gelenkt…

    Ich hab’ gewarnt - nicht hart genug und klar!
    Und heute weiß ich, was ich schuldig war…

Es gibt heute viel Schuld in diesem Land. Wir sollten erkennen, wozu wir aufgerufen sind. Machen wir weiter. Tun wir, was wir tun müssen, um dieses Land auf den richtigen Kurs zu bringen. Ich danke Ihnen.