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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Die globale Krise: Lösungsvorschläge Von Leonidas Chrysanthopoulos

Leonidas Chrysanthopoulos war Botschafter Griechenlands in Polen, Kanada und Armenien sowie Generalsekretär der Organisation für Schwarzmeer-Wirtschaftskooperation. Bei der Berliner Konferenz des Schiller-Instituts hielt er die folgende Rede.

Erlauben Sie mir, zunächst dem Schiller-Institut und seiner Direktorin Helga Zepp-LaRouche dafür zu gratulieren, daß sie versuchen, eine bessere Welt für die Menschheit zu schaffen. Ich wünsche uns allen Erfolg bei dieser wichtigen Konferenz und hoffe, daß das Ergebnis für uns alle nützlich sein wird.

Das Thema unserer Konferenz ist sehr angemessen, und sie erfolgt in einem Moment, wo die Menschheit nicht nur vor der schlimmsten Wirtschaftskrise seit der Großen Depression von 1928 steht, sondern auch vor der schlimmsten Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg, aufgrund der aggressiven Politik der USA im letzten Jahrzehnt, die Afghanistan, den Irak, Libyen und Syrien zerstört hat. Die EU zerfällt immer mehr, während sie selbst ihre Mitgliedstaaten zerstört, was einige zwingt, über einen Austritt nachzudenken, während das Demokratiedefizit wächst und rechtsextreme Parteien nach der Macht greifen.

Die Weltwirtschaft kann nicht aus dem Teufelskreis heraus, in dem sie seit Beginn der Krise von 2008 gefangen ist. Wir erleben weltweit Demonstrationen gegen die Austeritätsmaßnahmen, die mehr Armut statt Wachstum erzeugen, und gegen ein Finanzsystem der Gier, das zu extremer sozialer Ungleichheit führt; die Demonstrationen in Frankreich sind ein gutes Beispiel dafür. Bisher hat niemand auf die Menschen gehört. Es ist an der Zeit, Entscheidungen auf der Grundlage von Prioritäten zu treffen, die dem Interesse der Menschen dienen. Wir sollten nicht länger fragen: „Was sagen die Märkte?“, sondern: „Was sagen die Menschen?“

Die EU ist nicht nur eine inkompetente Organisation geworden, sie gerät auch immer mehr aus den Fugen, denn wir hören jeden Tag mehr über politische Parteien mit rechten Programmen und der Forderung nach dem Austritt aus der EU. Das Referendum in Großbritannien am Donnerstag ist ein treffendes Beispiel.

Verwaltung der Wirtschaft durch Gläubiger und EU

In Griechenland verschlechtert sich die Lage. Nach dem Gesetz, das am 22. Mai im Parlament beschlossen wurde, hat Griechenland aufgehört, als Staat zu existieren, denn es hat die Verwaltung der Wirtschaft des Landes für die nächsten hundert Jahre an die Gläubiger und an die EU abgetreten. Erstmals in der Geschichte hat sich ein Land praktisch selbst aufgelöst. Das Parlament wird in diesem Bereich keine Rolle mehr spielen.

Im Mai 2010 wurde die griechische Regierung gezwungen, eine Kreditvereinbarung zu unterzeichnen, damit sie die öffentlichen Schulden, die 2009 bei 109% des BIP oder in absoluten Zahlen 299 Mrd.€ lagen, durch Austeritätsmaßnahmen reduzieren konnte. Nach drei Memoranden und der fehlgeleiteten Politik der EU, des Weltwährungsfonds und der griechischen Regierung wurden die öffentlichen Schulden nicht nur nicht reduziert, sie sind auf 180% des BIP angewachsen!

Die SYRIZA-Regierung wurde auf der Grundlage eines Anti-Austeritäts-Programms gewählt, aber sie hat das griechische Volk verraten, indem sie das genaue Gegenteil tut. Sie hat nicht einmal ein Referendum berücksichtigt, in dem 62% der Menschen gegen die Austeritätsmaßnahmen stimmten. Und obwohl sie ihre Fehler selbst eingestanden hatten, bestehen die EU, die EZB und der IWF immer noch auf der Umsetzung der gleichen unwirksamen Maßnahmen, die ein Mitgliedsland der EU und seine Bevölkerung kaputtmachen. Die Arbeitslosigkeit ist von 9% 2010 auf jetzt 25% angestiegen, man sieht häufig Griechen, die in den Mülltonnen nach Eßbarem suchen, die Überbesteuerung lähmt die Wirtschaft, das Gesundheitssystem ist kollabiert, und mehr als 5000 Menschen haben Selbstmord verübt.

Aber die Maßnahmen sind nicht nur falsch, sie verstoßen auch gegen den Vertrag von Lissabon und gegen die Menschenrechte des griechischen Volkes, was auch im Bericht des Unabhängigen Experten der Vereinten Nationen, Juan Pablo Bohoslavski, für den UN-Menschenrechtsrat vom 29. Februar erwähnt wird.

Die Flüchtlingskrise

Der Krieg in Syrien, den die USA unter der Beteiligung einiger EU-Staaten in Gang gesetzt haben, hat die größte Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Fast fünf Millionen Flüchtlinge haben Syrien verlassen, um Asyl zu beantragen, vor allem in der EU. Deutschland hat 484.000 aufgenommen, Schweden 108.000, weitere sind in anderen EU-Mitgliedstaaten. Die Türkei beherbergt derzeit 2.748.000, der Libanon 1.500.000 und Jordanien 1.265.000. Die EU, einst Vorreiter der humanitären Hilfe, war nicht fähig, die Flüchtlingsströme zu bewältigen. Griechenland, ein Land, das nicht am Syrienkrieg beteiligt ist, hat immer mehr Flüchtlinge aufgenommen, während viele Mitgliedsländer in Mitteleuropa die Aufnahme verweigern. Der Zustrom nach Griechenland ist zwar seit dem unsicheren Abkommen zwischen der EU und der Türkei vom März nach und nach zurückgegangen, aber die EU hat immer noch nicht ihre früheren Zusagen erfüllt, daß 60.000 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien in andere EU-Mitgliedstaaten verlegt werden sollen. Heute sind in Griechenland 56.000 Flüchtlinge, die alle nach Norden ausreisen wollen. Und es ist eine Schande, daß die USA nur 4000 Flüchtlinge akzeptiert haben.

Eine weitere Bedrohung, vor der die Menschheit steht, ist die Feindseligkeit der USA gegenüber Rußland, als befänden wir uns noch im Kalten Krieg. Es wird ein Raketenabwehrsystem errichtet, um Rußland einzukreisen, und Moskau baut natürlich seinerseits einen Verteidigungsschild auf, um dem entgegenzuwirken. Das EU-Embargo gegen Rußland nach der Krise in der Ukraine hilft in dieser Lage überhaupt nicht. Und Obama hat auch bereits Drohungen gegenüber China gemacht und von der Notwendigkeit gesprochen, dessen Wirtschaftsmacht einzudämmen.

Während die EU zusammenbricht und die USA die Konfrontation gegen Rußland und China suchen, kann die BRICS-Initiative eine Lösung für die Menschheit darstellen. Dies ist eine Initiative von Brasilien, Rußland, Indien, China und Südafrika für eine Politik der nationalen Entwicklung zum Wohl der ganzen Menschheit. Sie schufen ihre eigene Entwicklungsbank, um in notwendige Entwicklungsprojekte zu investieren. China hat auch die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) gegründet, der sich mehr als 20 weitere asiatische Länder als Gründungsmitglieder angeschlossen haben, und es hat innerhalb der BRICS auch einen Seidenstraßen-Entwicklungsfonds geschaffen.

China hat auch vorgeschlagen, eine Freihandelszone für Asien und den Pazifik zu schaffen. Diesen Vorschlag hat Obama, der seine eigene Freihandelsorganisation geschaffen hat, jedoch sogleich zurückgewiesen. Die Einbindung der Shanghaier Kooperation (SCO) in die BRICS könnte eine beachtliche Macht schaffen, die – wenn sie außerhalb der Kontrolle der Banken bleibt – entscheidend dafür sein kann, daß die Menschheit den Weltfrieden erreicht und durch wirtschaftliche Entwicklung die Armut überwindet.

Aus dem Gesagtem können wir sehen, daß es eine Krise der Zivilisation gibt, die den Fortschritt der Menschheit behindert. Ich stimme vollkommen mit der Ansicht des Schiller-Instituts überein, daß wir eine Renaissance der klassischen Kultur brauchen, aber wir sehen, daß Maßnahmen ergriffen werden, um das zu verhindern. Nicht nur in Griechenland tut das Bildungssystem alles, damit die klassische Kultur verschwindet. Es scheint damit den Schritten zu folgen, die in den USA und in den übrigen EU-Mitgliedstaaten unternommen wurden. Es scheint, daß die klassische Kultur, die auch den Humanismus, die Philosophie, die Wissenschaften und die Kunst umfaßt, in der herrschenden Klasse Ängste auslöst, weil sie nicht will, daß die Menschen wieder denken.

Wir sollten uns solchen Tendenzen widersetzen. Was den Dialog der Kulturen angeht: der sollte auf jeden Fall stattfinden, und wir können uns vielleicht auch beim UN-Dialog der Zivilisationen beteiligen und ihn sogar noch verbessern. Beide Dialoge sind nützliche Bemühungen, die die Bemühungen um einen dauerhaften weltweiten Frieden fördern können.

Lösungsvorschläge

Erlauben Sie mir nun, nachdem ich die EU und die USA kritisiert habe, zum Abschluß einige Lösungen vorzuschlagen, die für die Menschheit nützlich wären.

Griechenland: Für Griechenland ist es geboten, die Vereinbarung über die Kreditfazilität vom 10. Mai auf Grundlage der Artikel 8-52 der Wiener Vertragsrechtskonvention zu kündigen. Diese Artikel sehen vor, daß ein Vertrag ungültig ist, wenn er durch Irrtum, Betrug, Erpressung eines Staatsvertreters etc. zustande kam. Die Einstellung der Zahlungen mit der Kündigung des Kreditabkommens und die Nationalisierung der Bank von Griechenland werden es Griechenland erlauben, den entstandenen Schaden zu reparieren und eine wirkliche Entwicklung in Gang zu setzen. Die Einführung einer nationalen Währung wird folgen. Die Vereinigte Volksfront (EPAM), eine politische Partei, die noch nicht im Parlament vertreten ist, unterstützt eine solche Politik.

Die EU: Umgestaltung der EU in eine effiziente Organisation mit der alleinigen Priorität, das Interesse ihrer Bevölkerung zu schützen. Wir brauchen eine neue Charta, ausgearbeitet von den Bürgerbewegungen der Mitgliedstaaten, die ihre Vorschläge einer Europäischen Versammlung unterbreiten, die aus Vertretern dieser Bewegungen besteht. Die bestehende EU muß aufgelöst werden.

Die USA müssen ihre Politik der Zerstörung der Nationen aufgeben, und Obama muß den Friedensnobelpreis an das Nobelpreiskomitee, von dem er ihm verliehen wurde, zurückgeben, weil er nichts getan hat, um ihn zu verdienen. (Das gleiche gilt auch für die EU, die ebenfalls den Friedensnobelpreis erhalten hat.) Die USA müssen eine freundlichere Politik gegenüber Rußland und der übrigen Welt annehmen, zum Wohle der Menschheit.

Die Menschheit: Die Streichung der globalen Schulden, die heute bei etwa 600 Billionen US-Dollar liegen, wird es der Menschheit erlauben, auf einer neuen und gesunden Grundlage neu anzufangen. In der Geschichte gibt es Beispiele für eine solche Schuldenstreichung, von der Seisachtheia im alten Griechenland über das Jubeljahr in den alten jüdischen Gemeinden, wo alle 50 Jahre alle Schulden gestrichen wurden. Noch in den 1970er Jahren haben die entwickelten Länder des Westens die Schulden der blockfreien Nationen gestrichen, was den Boom in Jugoslawien ermöglicht hat. Die BRICS-Bewegung kann hierfür werben, aber die Entscheidung muß von den G-8 getroffen werden. Die Menschheit als ganze wird davon profitieren, denn sie wird dann in der Lage sein, auf der Grundlage solider und gesunder Prinzipien einen Neuanfang zu machen.

Um die genannten Vorschläge umzusetzen, brauchen wir Politiker mit Phantasie, Visionen und Mut; Politiker, denen der Fortschritt der Menschheit am Herzen liegt und die die Gier der multinationalen Unternehmen im Zaum halten können, indem sie deren Macht beschränken. Solche Politiker gibt es heute nicht. Also lassen Sie uns solche schaffen.