William Warfield und die Kunst der Interpretation
Von Werner Hartmann
Bei dem Musikseminar des Schiller-Instituts berichtete ich über die
außergewöhnliche Kunst des amerikanischen Baßbaritons William Warfield
(1920-2002), den ich Anfang der 90er Jahre in den USA persönlich kennenlernen
konnte. Warfield war bis zu seinem Tod Mitglied im Vorstand des amerikanischen
Schiller-Instituts, er war auch eine Zeit lang Vorsitzender der schwarzen
Musikervereinigung National Association of Negro Musicians.
Er stand in der Tradition der schwarzen klassischen Musiker Amerikas, wie
Harry Burleigh, Roland Hayes, Marian Anderson und Paul Robeson, die für ihr
Recht, als Afro-Amerikaner öffentlich Klassik aufzuführen, ständig kämpfen
mussten. Die Oligarchie vertrat den Standpunkt, Schwarze hätten sich
gefälligst auf Jazz und andere U-Musik zu beschränken.
Warfield arbeitete beim Schiller-Institut viel mit Nachwuchssängern, oft im
Team mit der Pianistin und Gesangsexpertin Sylvia Olden Lee (1917-2004), die
in den 50er Jahren als erste Afro-Amerikanerin von der New Yorker Metropolitan
Oper angestellt wurde. Dies war teils dem Umstand zu verdanken, daß ihre
Hautfarbe für eine Afro-Amerikanerin ungewöhnlich hell war, aber damit war der
Damm gebrochen, und wenig später konnte dort auch Marian Anderson singen.
William („Bill“) Warfield war hochgebildet, sprach ein halbes Dutzend
Sprachen, darunter Deutsch, war aber in keiner Weise akademisch oder gar
arrogant, sondern liebenswürdig und sehr humorvoll - bei ihm jagte ein Witz
den nächsten.
Gleichzeitig nahm er die Kunst sehr ernst. So sagte er einmal, wenn ein
Sänger sein Publikum zu Tränen rühren wolle, dann müsse er sich zunächst
selbst von dem Stück rühren lassen, und es dann so lange üben, daß dieselbe
Wirkung bei den Hörern entsteht, ohne daß der Sänger selbst Tränen oder einen
„Kloß im Hals“ bekommt.
Er erhielt sich bis ins hohe Alter eine schöne und flexible Singstimme und
war auch ein sehr guter Gedichtrezitator. Glücklicherweise gibt es im Internet
eine ganze Reihe historischer Videoaufzeichnungen, auf denen man das heute
noch nachvollziehen kann.
Wie Bill Warfield zu der Meisterschaft seiner Kunst gelangte, das
veranschaulicht folgende Passage aus einem Interview mit ihm (s. Neue
Solidarität 46/15):
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