Den IS besiegen
Kamil Maqsou überbrachte am 23. März als Vertreter der
syrisch-orthodoxen Gemeinde in der Schweiz den folgenden Beitrag zum
Frankfurter EIR-Seminar „Die Wirtschafts- und Flüchtlingskrisen mit der Neuen
Seidenstraße lösen!“.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich bedanke mich sehr für die Einladung und auch bei allen, die an unser
Land Syrien und unser Volk denken - vor allem für die Hilfe für die syrischen
Flüchtlinge.
Seit fünf Jahren leidet unser historisches Land Syrien durch den Dritten
Weltkrieg in voller Härte. Inzwischen ist es klar geworden und nicht mehr zu
verstecken: Der türkische Präsident Erdogan und sein Regierungschef Ahmet
Davutoglu haben Terroristen aus der ganzen Welt bei sich in der Türkei
bewaffnet und zusammen mit amerikanischen und europäischen Geheimdiensten für
den Kampf in Syrien trainiert und nach Syrien geschickt.
Und vor drei Tagen haben die 28 EU-Länder in Brüssel entschieden, der
Türkei sechs Milliarden zu zahlen? So hat die Türkei das gut geplant: Sie
haben die Flüchtlinge extra nach Europa geschickt, weil das finanziell und
politisch ein guter Grund ist, daß sie der EU beitreten. Darum hat der
türkische Ministerpräsident Uglo (Davutoglo) auch gesagt, das sei ein
historischer Sieg für das türkische Volk.
Wir haben in Syrien keine Probleme gehabt. Syrien hat vor ein paar Jahren
Tausende irakische, libanesische und palästinensische Flüchtlinge aufgenommen,
und niemand hat Syrien unterstützt. Die UNO oder Hilfsorganisationen haben
keinen Cent an die Flüchtlinge in Syrien gegeben.
Wo, in welchen europäischen Ländern, gibt es gratis Spitäler oder gratis
Behandlung? Das gab es nur in Syrien. Alle europäischen Länder und die
Amerikaner haben zusammen mit der Türkei und Saudi-Arabien und noch über
hundert Ländern unser Land zerstört und Tausende von unserem syrischen Volk
zur Flucht gezwungen, und das alles nur für das Öl, das Benzin etc.
1915 hat der damalige türkische Präsident Atatürk Hunderte Armenier und
Asyrer und Syrer, Chaldäer, Aramäer, massakiert und brutal getötet. Das
gleiche tut heute in diesem Krieg der türkische President Erdogan mit seiner
Regierung, zusammen mit Saudi-Arabien und Katar etc. Sie unterstützen den
Terror des IS, von Al-Nusra, Ahrar Al-Scham etc., um die Christen im Irak und
in Syrien, vor allem die Asyrer und Aramäer, zu vernichten - z.B. in Malola
und in Sdad, in Al-Kareattein, Al-Hasaka und Al-Kamschli: Foltern, Erschießen,
Köpfen, Kreuzigen, Aufhängen.
Al-Haska ist unsere Provinz; dort leben meist Assyrer, Aramäer, Armenier
und Kurden, Jazidi (Jesiden) etc. Im vergangenen Sommer hat der „Islamische
Staat“ eine Karte seines erträumten Kalifats veröffentlicht.
Auf dieser geographischen und ideologischen Karte war das weltweite
Christentum als ein wichtiges Feindbild deutlich eingezeichnet. Und seit die
irakische Millionenstadt Mossul innerhalb zweier Tage im Juli 2014
„christenfrei“ gemacht wurde, war klar, daß die syrischen und irakischen
Christen in akuter Lebensgefahr schwebten - besonders die Assyrer, die zu den
ältesten christlichen Gemeinden Kleinasiens zählen. Man nennt sie auch
Aramäer, denn einige sprechen bis heute Aramäisch, die Sprache Jesu. Diese
Glaubensgemeinschaft steht für das christliche Erbe im Nahen Osten. Auch
deshalb attackiert der IS sie nun, um klarzumachen: Das Christentum gehört
nicht zum Kalifat! Genauso sind auch in Chabor in Al-Hasaka und Umgebung unter
dem Druck des IS die meisten nach Europa geflohen.
Die heutigen aramäischen Christen leben im Irak, in Syrien, im Iran, im
Libanon und in der Türkei. Vor genau 100 Jahren erlitten die Aramäer, genau
wie die Armenier, einen Genozid durch die osmanischen Jungtürken. Überlebende
siedelten sich genau in jenem letzten Winkel Syriens nahe der türkischen
Grenze an.
Die Vereinten Nationen überließen es den Amerikanern, durch Luftschläge die
kurdische Peschmerga gegen den IS zu unterstützen. Und die Deutschen
diskutierten so lange über Waffenlieferungen, bis der IS sein Zerstörungswerk
schon fast vollendet hatte.
Nun erwägen die Amerikaner, die irakische Regierung bei der Rückeroberung
Mossuls, der Hochburg des IS, zu unterstützen. Das ist nicht nur ein
politisches Risiko, denn die ohnehin nicht widerständige Bevölkerung der Stadt
könnte sich vollends mit dem IS gegen die verhaßten USA solidarisieren. Es ist
auch eine Bankrotterklärung der UN, die sich vor ihrer Schutzverantwortung
drückt.
Und was tun die Europäer? Sie diskutieren über die Integration reuiger
IS-Heimkehrer. Sie führen einen leidenschaftlichen Streit über die Frage, ob
der Islam zu Europa gehöre. Sie drücken sich davor, die Gefahr des
islamistischen Terrors im Gewand des IS anzuerkennen und den Opfern im Irak
und Syrien zu helfen - vielleicht, weil der radikale Vernichtungswille der
Terroristen uns mit der Achillesferse des Liberalismus konfrontiert.
Anders als der IS denken demokratische Parlamente nicht in archaischen
Freund-Feind-Kategorien. Sie sind politisch auf Toleranz und Versöhnung
fixiert, wie also sollen sie einem unversöhnlichen Feind begegnen? Wir
Europäer, und das gehört auch zum christlichen, zum humanistischen Erbe,
wollen den Kreislauf der Gewalt durchbrechen.
Zuerst sollten wir uns das Ausmaß der uns erklärten Feindschaft
eingestehen. Denn wenn der IS „Christen“ sagt, meint er nicht nur die jüngst
in Libyen hingerichteten Kopten, nicht nur die Aramäer und Assyrer, sondern,
wie es in einer IS-Greuelbotschaft hieß: die „Nation des Kreuzes“. In der
Logik des Dschihad: den gesamten Westen.
Kamil Maqsou
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