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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Von der Neuen Seidenstraße in den Weltraum

Lyndon LaRouches Konzept der ökonomischen Plattform

Von Benjamin Deniston

Ben Deniston vom Wissenschaftsteam der amerikanischen LaRouche-Bewegung war der letzte Redner des zweiten Themenabschnitts der Konferenz des Schiller-Instituts in New York City am 13.-14. April.

Wir haben über vieles gesprochen; ich möchte nun kurz einen Schritt zurück tun und mich noch einmal mit der Neuen Seidenstraße und ihrer Erweiterung zur Weltlandbrücke befassen, und zwar aus der Sicht von Lyndon LaRouches Wissenschaft der physikalischen Ökonomie.

Wie mein Kollege Jason Ross zu Anfang dieses Konferenzabschnitts erklärt hat, dreht sich die Wirtschaft nicht um Geld, auch nicht um Marktanalyse, nicht einmal um die Güterproduktion per se. Vielmehr geht es um die Wissenschaft, wie die Menschheit in einzigartiger Weise Fortschritt macht. Wirtschaftlicher Fortschritt ist eine ausschließlich menschliche Eigenschaft, er ist der Ausdruck des grundsätzlichen Unterschieds zwischen dem Menschen und allen Tierarten. Jede Tierart hat eine feststehende Ökologie, ein unveränderliches Verhältnis zu ihrer Umwelt, fixe ökologische Eigenschaften. Beim Menschen ist das anders. Die Menschheit zeichnet sich in ihrem innersten Wesen durch revolutionäre Veränderungen und Aufwärtssprünge in ihrem Verhältnis zur Umwelt aus – Veränderungen, die der Mensch selbst schafft. (Das ist auch der Grund, warum der Schwindel der „Dekarbonisierung“ und „grünen Energie“ so gefährlich ist; Kohlendioxid ist kein Problem, und Solar- und Windenergie reichen für den notwendigen Fortschritt der Menschheit einfach nicht aus.)


Abb. 1: Die Erde bei Nacht

Abb. 2: Die Gürtel- und Straßen-Initiative

Abb. 3: Das Konzept der Weltlandbrücke

LaRouches Wissenschaft der physikalischen Ökonomie ermöglicht es uns, die Neue Seidenstraße und Weltlandbrücke als eine spezielle Stufe im größeren Prozeß der schöpferischen Entwicklung des Menschen zu betrachten. Das läßt sich gut optisch veranschaulichen, wenn man Bilder von der Erde bei Nacht betrachtet (Abbildung 1).

Wie man an den Orten der Konzentration von Lichtquellen schnell sehen kann, ist immer noch ein Großteil der Weltbevölkerung und ihrer wirtschaftlichen Aktivität in Küstennähe. Etwa 40% aller Menschen leben in einem Abstand von maximal etwa 100 km von Küsten. Etwa 40% der Bevölkerung lebt also auf vielleicht 10% des Territoriums der Kontinente – eine interessante Perspektive. Es gibt auf den Kontinenten weite Flächen, die wirtschaftlich wenig oder gar nicht entwickelt sind und wo die Bevölkerungsdichte sehr gering ist. Und diejenigen inneren Regionen, die gut erschlossen wurden, liegen häufig in der Nähe von Flüssen, Wasserstraßen und Eisenbahnstrecken. Wir werden gleich noch näher darauf eingehen.

Wie wir hier sehen können, schafft die Neue Seidenstraße – sie besteht gegenwärtig aus sechs Landrouten plus der maritimen Komponente (Abbildung 2) – eine neue Dichte an Infrastrukturentwicklung mitten durch viele Binnenregionen in ganz Eurasien hindurch. Viele ihrer Routen führen durch diese Regionen im Landesinneren ohne Meereszugang.

Wie Lyndon und Helga LaRouche es voraussehen, werden damit nicht bloß existierende Bevölkerungszentren miteinander verbunden. Man schafft auch das Potential dafür, Binnenregionen auf ganz neue Art und Weise zu entwickeln. Es wird damit praktisch möglich, daß diese inneren Regionen ohne Meereszugang genauso produktiv oder sogar noch produktiver werden, wie es die Küstenregionen historisch sind.

Dies wird mit der vollständigen Erweiterung der Neuen Seidenstraße zur Vision der LaRouches von der Weltlandbrücke (Abbildung 3) fortgesetzt. Sie wird es möglich machen, weltweit das Innere der Kontinente wirtschaftlich zu entwickeln, und die Bedingungen dafür schaffen, daß diese inneren Regionen wirtschaftlich produktiver und dichter besiedelt werden, als es heute die Küstengebiete sind.

Um das Prinzip dahinter richtig zu würdigen, brauchen wir eine neue Auffassung von Infrastruktur, ausgehend von LaRouches Wirtschaftswissenschaft – insbesondere ein Verständnis, was Infrastruktur wirklich bedeutet, nämlich die synthetische, vom Menschen geschaffene Umwelt, von der Jason vorhin gesprochen hat. Es geht um eine synthetische Plattform für höhere Ebenen der Zivilisation, um die Erschaffung solcher künstlicher Plattformen höherer Ordnung.

LaRouche erkannte, daß die Vorstellung der meisten Menschen von Infrastruktur weit dahinter zurückblieb, und führte deshalb 2010 dieses Konzept der ökonomischen Plattform ein. In seiner Schrift Was Ihr Buchhalter nie verstanden hat: Das Geheimnis der Wirtschaft schrieb Herr LaRouche 2010:

„Dabei sollte man erkennen, daß der Aufbau einer grundlegenden wirtschaftlichen Infrastruktur schon immer darauf hinauslief, anstelle einer vermeintlich ,natürlichen’ Umgebung eine ,bewohnbare’, ,künstliche’ Umgebung zu schaffen, um das menschliche Leben und Handeln zu bestimmten Zeiten der Existenz unserer Gattung zu verbessern oder sogar erst zu ermöglichen...

Der Mensch als schöpferisches Wesen im Abbild des großen Schöpfers verwirklicht sich darin, daß er ,künstliche Umgebungen’ schafft, die wir manchmal ,Infrastruktur’ nennen, wovon der Fortschritt und sogar schon der Fortbestand einer zivilisierten Gesellschaft abhängt.“

Davon ausgehend definierte LaRouche die Geschichte der Entwicklung der Menschheit neu aus der Sicht einer Abfolge ökonomischer Plattformen.

Von Sternenkarten zur Hochgeschwindigkeitsbahn

Vor sehr langer Zeit, vor Zehntausenden von Jahren, gab es alte, prähistorische Zivilisationen auf der Grundlage einer Kultur von Ozeanfahrern, das reicht zurück bis in die letzte Eiszeit, vor der zwischeneiszeitlichen Gletscherschmelze. Bei dieser frühen, maritimen Wirtschaftsplattform beschränkte sich die Interaktion der damals fortgeschrittensten Zivilisation mit der natürlichen Umwelt, also sozusagen die „ökologische Charakteristik der Menschheit“, auf gewisse Küstenregionen und schiffbare Flüsse.

Und dieses Verhältnis zur Umwelt beruhte nicht einfach nur auf den Techniken des Schiffbaus etc.; letztlich beruhte sie auf einem bestimmten Grundniveau wissenschaftlicher Entdeckung und damit verwandter kultureller Entwicklung. Im Mittelpunkt stand dabei die Erstellung anspruchsvoller Himmelskarten des nächtlichen Sternenhimmels, einschließlich der Kenntnis verschiedener Zyklen langfristiger Bewegungen der Himmelskörper. Es erforderte schon ein ziemlich anspruchsvolles Niveau früher wissenschaftlicher Einsicht, die eigene Position in Raum und Zeit aus winzigen Veränderungen der Sternenkarte auf die Erde zurückzuprojizieren.

Diese Himmelskarte war die erste Infrastrukturplattform, die eine neue Stufe im Verhältnis der Menschheit zu ihrem Planeten stützte. Diese Kulturen wurden von einer lokalen Existenz befreit, die transozeanische Zivilisation wurde möglich.

Die nächste große Revolution war dann der Bau schiffbarer Kanäle, als man große Flüsse zu integrierten Netzen von Binnenwasserwegen verband. In der europäischen Geschichte war Karl der Große der herausragende Pionier dieses Programms. Es wurde damit möglich, Binnenregionen auf ganz neue Weise zu erschließen, was Straßennetze ergänzten und unterstützten.

Dann folgte der Bau der Eisenbahnen und insbesondere der transkontinentalen Eisenbahnen. Bei dieser Pionierarbeit bildeten die Vereinigten Staaten die Speerspitze, von John Quincy Adams bis zu Abraham Lincolns großer Transkontinentaler Eisenbahn. Praktisch brachten künstliche Flüsse aus Eisen und Stahl jetzt die Zivilisation tiefer in und durch das Binnenland, wie es vorher nicht möglich gewesen war.

Hinsichtlich der Technik wurde dies durch die Erfindung und Konstruktion von Dampfmaschinen und entsprechenden Motoren möglich. Hinsichtlich der Wissenschaft ist diese ökonomische Plattform eng mit der Entwicklung einer neuen Stufe der physikalischen Chemie verbunden, ausgehend vom Periodensystem der Elemente, sowie mit den Wissenschaften zum Verständnis von Wärme, Energie und Thermodynamik.

Alles in allem schuf die Menschheit damit, wie gesagt, eine neue, synthetische Umwelt auf einer höheren Stufe, die eine neue Ebene von Bevölkerungszahl, Lebensstandard und Glückseligkeit tragen konnte.

Das bringt uns zur Einordnung der Neuen Seidenstraße und Weltlandbrücke in denselben Kontext.

Elektrifizierte Hochgeschwindigkeitenbahnen, besonders Magnetbahnen – plus Luftfahrt und Fernstraßen in einer untergeordneten Rolle – bilden eine höhere Plattform, die es dem Menschen erlaubt, ganze Landmassen weit weg von den Ozeanen zu erschließen, wie es vorher nicht möglich war.

Dabei geht es nicht nur um Eisenbahnen oder Verkehr. Ein integraler Bestandteil sind neue Energiequellen, man braucht Kernkraft für eine steigende Energieflußdichte, und bald auch Kernfusionskraft. Dazu gehören auch Wassersysteme in großem Maßstab, Entsalzung und Wetterbeeinflussung. Das erstaunliche chinesische Projekt „Wasser von Süden nach Norden“ ist ein integraler Bestandteil hiervon, ebenso wie das neuerliche Interesse am Transaqua-Plan zur Wiederauffüllung des Tschadsees in Afrika – kontinentweites Wassermanagement.

Zusammen mit den damit verbundenen Kommunikationsnetzen, Bildungs- und Gesundheitssystemen schafft die Weltlandbrücke als Plattform die nächsthöhere Stufe künstlich geschaffener Umwelt für Wachstum und Fortschritt der Menschheit.

Das Niveau der Wissenschaft ist dabei mehr oder weniger das der grundlegenden Entdeckungen von Albert Einstein und Max Planck – dem Verständnis des Quantums und der Prozesse im Atomkern, von Elektromagnetismus und Raumzeit.

Wir sehen also die Neue Seidenstraße und Weltlandbrücke nicht einfach nur als „Infrastruktur“ in dem Sinne, wie man das heute meist versteht, sondern als nächste Stufe in der natürlichen Entwicklung der Menschheit als einzigartige schöpferische Kraft in der Welt. Der Mensch als Schöpfer.

Um auf diese pädagogische Unterscheidung zwischen Mensch und Tier zurückzukommen: Jede dieser Stufen ist wie ein Übergang zwischen Gattungen in der Evolution – eine revolutionäre Veränderung der ökologischen Eigenschaften der Menschheit oder ihrer Beziehung zur natürlichen Umwelt.

Diese Transformation ist jedoch für die Menschheit nicht biologisch oder körperlich, wie bei der Evolution der Tiere; sie beruht auf der einzigartigen Fähigkeit der Menschheit zur schöpferischen wissenschaftlichen Entdeckung und zum kulturellen Fortschritt. Das ist das besondere, was den Menschen zum Menschen macht. Es sind solche revolutionären Fortschritte, die das Typischste am Menschen ausmachen. Dies ist Veränderung, zu der keine Tierart jemals fähig wäre.

Die Menschheit definiert sich nicht durch irgendeine spezielle Plattform oder Technik oder Kultur, sondern allein durch die Fähigkeit, immer wieder selbständig höhere Ebenen für die Menschheit zu erschaffen.

NASA

Abb. 4: Weltraumtechnik schafft die Infrastrukturplattform für die nächste Stufe der menschlichen Evolution:

1. Künstlerische Darstellung einer Anlage für Weltraumstarts mit magnetischer Beschleunigung in einer Vakuumröhre [oben links].
2. Entwurf eines „Scramjet”-artigen Weltraumfahrzeugs [oben rechts].

3. Künstlerische Darstellung der Förderung von Helium-3 auf dem Mond [unten links].

4. Künstlerische Darstellung der Entwicklung des Mondes [unten rechts].
University of Wisconsin, Fusion Technology Center

NASA

Die nächste große Herausforderung

Deshalb ist auch die Weltlandbrücke kein Selbstzweck, sondern nur ein weiterer Schritt im fortdauernden Prozeß des endlosen Fortschritts der Menschheit. Und wir müssen auf die nächsten Schritte blicken, die kommen werden – und das ist im Weltraum (Abbildung 4). Wir sollten davon ausgehen, eine Plattform menschlicher Wirtschaftsaktivität im System Erde-Mond zu schaffen: daß wir darüber hinausgehen, das Sonnensystem nur zu besuchen und zu erforschen, sondern mit realer wirtschaftlicher Entwicklung des Sonnensystems beginnen, angefangen mit dem Mond und dann dem Mars.

Wir stellen uns vor, die nötige Infrastruktur aufzubauen, um Reisen im Sonnensystem genauso leicht zu machen wie Reisen auf der Erde heute. Fusionsantrieb kann die Flugzeit zum Mars von Monaten auf Wochen, vielleicht sogar Tage reduzieren. Wiederverwendbare Raumflugzeuge in der Art des „Scramjet“ oder Startanlagen mit Magnetantrieb in Vakuumröhren könnten die Fahrtkosten in die Erdumlaufbahn enorm reduzieren.

Ein nächster Schritt ist es, Rohstoffe auf anderen Himmelskörpern zu erschließen, um nicht mehr alles von der Erde mitbringen zu müssen. Man kann Helium-3 – vielleicht der beste Fusionsbrennstoff – auf dem Mond abbauen und grundlegende Infrastruktur auf dem Mond und anderen Himmelskörpern errichten.

Diese definiert dann einige allgemeine Kategorien. Mit der Erfahrung aus der Arbeit an der Seidenstraße im Rücken sollten wir an die nächsten zukünftigen Schritte denken – uns darauf freuen, die Beziehung des Menschen zum All grundlegend zu verändern, so wie wir unsere Beziehung zum Inneren der Kontinente verändern. Und so erkennt man, daß nur dieser Prozeß ständiger, aufeinanderfolgender Entwicklung, wo jede Generation mit neuen, revolutionären Herausforderungen befaßt ist, uns mit unserer menschlichen Existenz glücklich und zufrieden macht.