Helga Zepp-LaRouche im Dialog mit Dr. Patrick Ho
Nach dem Vortrag von Dr. Patrick Ho bei der New Yorker
Konferenz des Schiller-Instituts am 14. April (siehe Neue Solidarität
18/2017) kam es zu dem folgenden Gedankenaustausch zwischen Helga
Zepp-LaRouche und Dr. Ho.
Helga Zepp-LaRouche: Vielen Dank, Dr. Ho – Patrick, ich
denke, das war sehr informativ, Sie haben uns ein sehr reiches Bild
vermittelt.
Ich möchte dazu aber noch etwas bemerken, aus dem Grund, aus dem ich diese
Konferenz überhaupt vorgeschlagen habe: Ich glaube, daß Sie, wenn Sie von der
„westlichen Zivilisation“ sprechen, die westliche Zivilisation meinen, wie sie
heute ist, während ich deutlich machen wollte, daß es zwei Traditionen gibt –
die oligarchische Tradition und das, was ich die republikanische Tradition für
das Gemeinwohl nenne. Und ich denke, es ist sehr wichtig, das zu
unterscheiden, denn wir wollen die Werte des gegenwärtigen Systems
zurückweisen. Wenn man nur von „der westlichen Zivilisation“ spricht, wird das
dem nicht gerecht.
Patrick Ho: Helga, da haben Sie absolut recht, denn das, was
man heute gewöhnlich unter „Modernisierung“ versteht, das ist eigentlich
„Verwestlichung“. Viele Menschen im Osten betrachten diese beiden Begriffe als
gleichwertig und meinen, Modernisierung sei Verwestlichung, und das sei der
einzige Weg, sich zu modernisieren. Aber das ist nicht wahr.
Gleichzeitig sollte man aber die Verwestlichung nicht komplett zurückweisen
und das Kind mit dem Bade ausschütten. Es gibt auch Gutes darin. Was wir
wirklich brauchen, ist eine Verbindung der östlichen Tugenden mit den
westlichen Tugenden, und wir müssen etwas finden, was über beides hinausgeht
und besser ist als beides zusammen.
Es gibt vieles, was wir voneinander lernen können, und ich denke, in der
Zukunft werden wir einen solchen Trend sehen. Denn in den letzten hundert
Jahren wurde die Welt von einem kleinen Teil der menschlichen Zivilisation
beherrscht, nämlich gemeinsam von Europa und Amerika. Aber heute sind da die
wirtschaftlichen Schwellenländer und aufstrebenden Mächte aus den
Entwicklungsländern – in Asien, China, Indien, Brasilien, Länder im Nahen
Osten, die ASEAN-Staaten, die afrikanischen Staaten –, wir hören immer mehr
von Zivilisationen, die man bisher nicht beachtet hatte. Und man wird immer
mehr über die Bedürfnisse, Forderungen und Hoffungen anderer Völker erfahren,
von deren Existenz wir bisher kaum wußten, die wir nicht ernst nahmen, auf die
wir bisher nicht geachtet hatten. Aber sie werden eine immer größere Rolle
spielen.
Als Humanist begrüße ich diese Veränderung. Das ist die eigentliche
Demokratisierung – die Humanisierung – der Menschheit, und es ist eine
Plattform für die Welt, die eine gemeinsame Zukunft der Menschheit ist, weil
letztendlich alle in einem Boot sitzen. Wir teilen ein gemeinsames Schicksal.
Wir haben nur einen Planeten, und das ist die Erde. Es gibt keinen Planeten
B.
Im weiteren Verlauf wurde das Thema nach einer Frage aus dem Publikum
nochmals aufgegriffen:
Helga Zepp-LaRouche: Vielen Dank für diese Frage... In der
Geschichte des Westens gab es bis ins 15. Jahrhundert nur die Oligarchie. Es
gab immer eine kleine Elite, die versuchte, die Menschen rückständig zu
halten, sie wollte ihre Privilegien nutzen. Der deutsche Philosoph Nikolaus
von Kues war dann der erste, der die Idee des repräsentativen Systems
entwickelte, und die Idee, daß der Staat dem Gemeinwohl verpflichtet ist.
In Frankreich gab es Ludwig XI. In seiner 20jährigen Herrschaft verdoppelte
sich der Lebensstandard der Menschen, und es gab die Anfänge des modernen
Nationalstaats; die Idee, daß man Wissenschaft und Technik braucht, um die
Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Seit dem 15. Jahrhundert ist es
in Europa immer hin und her gegangen. Manchmal gab es Regierungen, die für das
Gemeinwohl eintraten. In jüngster Zeit, würde ich sagen, waren Adenauer und de
Gaulle bis zu einem gewissen Grad Ausdrücke dieser Tendenz. Und es gab
Rückfälle, wie Nixon, der zwar das Tor zu China öffnete, aber sonst einen
furchtbaren Rückschritt bedeutete, weil er versuchte, die Bürgerrechtsbewegung
ungeschehen zu machen, zurück zu den Konföderierten.
Es gab also diese Kämpfe, und man kann immer sehr klar feststellen, ob eine
Regierung sich dem Fortschritt der Zivilisation verpflichtet sah, oder ob sie
für das oligarchische System stand. Und damit einher gingen entsprechende
Philosophen, Denker und Wissenschaftler. Es gab also einen Kampf um Ideen.
(An Dr. Ho gerichtet:) Vielleicht können wir bei einer anderen Gelegenheit
noch genauer darauf eingehen, aber meine bescheidene Meinung ist, daß der
Taoismus immer mehr mit den rückständigen Tendenzen in der europäischen
Geschichte verbunden war, und mit der Idee der Selbstgenügsamkeit, daß man
sich nur auf seine eigene, innere Entwicklung konzentriert. Deshalb war ich
schon immer überzeugt, daß Konfuzius wirklich und absolut das Gegenstück zu
Platon, zu Cusa, zu Leibniz und zu Schiller ist.
Ich denke, wenn wir einen Ausweg aus der Krise wollen, dann müssen wir
einen aktiveren Dialog zwischen diesen positiven Traditionen entwickeln, und
dann in einer ganz anderen Weise in die Zukunft voranschreiten, zur
gemeinsamen Erforschung des Weltraums. Denn wir müssen die Gegenwart aus der
Sicht der Zukunft definieren, um Lösungen zu finden. Wir können das heute
offensichtlich nicht erschöpfend behandeln, aber ich denke, das ist ein
Dialog, den wir vertiefen sollten.
Dr. Ho: Das machen wir beim nächsten Mal.
Zepp-LaRouche: Okay.
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