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Friedrich Schiller



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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Weltweite Aufbruchstimmung mit der Neuen Seidenstraße!
Welche Rolle spielt Deutschland?

Von Helga Zepp-LaRouche

Bei der Münchner Konferenz zum 100. Geburtstag des deutsch-amerikanischen Raumfahrtpioniers Krafft Ehricke am 25. März 2017 hielt Helga Zepp-LaRouche den folgenden Vortrag.

Die Schönheit der chinesischen Musik1 hat uns, glaube ich, wohl gestimmt, Krafft Ehrickes Geburtstag zu gedenken und auch zu feiern. Denn Krafft Ehricke ist ohne Zweifel - das ist zumindestens meine bescheidene Meinung - einer der größten Deutschen, die jemals gelebt haben. Denn er hat eine Vision entwickelt, wo die Menschheit hingelangen kann, und ich betrachte es als ein sehr großes Privileg, daß ich ihn persönlich kennenlernen durfte. Ich hatte 1982 die Chance, mit ihm gemeinsam in verschiedenen Städten in Deutschland einige Vorträge zu halten, und ich kann das Bild, das seine Tochter so ungeheuer liebevoll gezeichnet hat,2 aus eigener Anschauung bestätigen: Er war ein unglaublich humanistischer Mensch, enorm gebildet in der klassischen Kultur, er war ein Genie, er war so sprudelnd voller Ideen, daß es wirklich eine der Sternstunden des Lebens ist, eine solche Persönlichkeit kennenzulernen. Und ich möchte Sie alle ermuntern: Es gibt zum Glück noch einige Videopräsentationen von ihm, die im Internet zu sehen sind, und ich möchte Sie alle wirklich motivieren, daß Sie sich selber mit ihm bekannt machen.3

Ich bin auch sicher, wenn Krafft Ehricke heute hier wäre bzw. in unserer Zeit heute leben würde, daß er unglaublich optimistisch wäre, daß seine Vision, die in seiner Lebenszeit oftmals bekämpft wurde - nicht nur seine Lebensvision, sondern überhaupt die Fortführung der Raumfahrt hatte mit unheimlichen Widersprüchen und Widerborstigkeiten zu kämpfen -, verwirklicht wird. Er würde erkennen, daß wir heute wirklich die strategische Konstellation haben, die die Realisierung seiner Vision in greifbare Nähe bringt. Es wurde schon über das chinesische Raumfahrtprogramm gesprochen, das vielleicht wirklich jetzt schon der „Frosch“ ist,4 denn Chinesen haben die Vision, Helium-3 auf der Rückseite des Mondes abzubauen für die zukünftige Kernfusionsökonomie auf der Erde. Das wird zwar auch bei der ESA diskutiert, aber ich glaube, daß China die meisten Forscher und Wissenschaftler im Bereich der Raumfahrt weltweit ausbildet, und deshalb bin ich optimistisch, daß dieses „leap-frogging“, also diese Froschsprünge, durchaus weitergehen werden.

Auch wenn man die Zusammenarbeit der BRICS-Staaten im Bereich der Raumfahrt sieht: Indien wurde auch erwähnt, es hat ja auch schon erfolgreiche Mars-Missionen gemacht, und das, wie (Ministerpräsident) Modi sagte, zu einem Zehntel der Kosten, die die NASA dafür gebraucht hat. Es sind also unglaubliche Entwicklungen im Gang.

Die Idee von Krafft Ehricke, daß die Erforschung und Besiedelung des Weltraums eine evolutionäre Notwendigkeit ist, ohne die die Menschheit nicht auf Dauer existieren kann, das ist der andere Punkt. Es ist nicht eine Option, nicht eine freiwillige Sache, sondern wir müssen es tun, weil spätestens in zwei Milliarden Jahren die Sonne nicht mehr so gemütlich sein wird, so daß wir bis dahin andere Lösungen gefunden haben müssen.

Aber das wichtigste an Krafft Ehricke, warum er so ungeheuer modern und ungeheuer wichtig ist: Seine Vision, und natürlich die Raumfahrt insgesamt, aber besonders seine Vision, impliziert die Idee einer offenen Welt - daß die Welt eben kein geschlossenes System mit begrenzten Ressourcen ist, sondern ein integraler Teil des Universums, und daß die menschliche Kreativität in diesem Universum eine gestaltende, physische Kraft ist.

Epochenwechsel

Ich behaupte, daß wir gerade jetzt einen Epochenwechsel erleben, wo diese Idee sich durchzusetzen beginnt, d.h., es ist eine weltanschauliche Revolution im Gang. Die haben Sie bestimmt noch nicht festgestellt, wenn Sie nur den „Sonntags-Stammtisch“ im Bayerischen Rundfunk kucken oder die Bild-Zeitung oder den Spiegel oder die FAZ lesen, das heißt aber nicht, daß die Realität nicht so ist. Wir haben, das ist meine These, im Augenblick einen Epochenwandel mitten im Gang, der nicht weniger fundamental ist als der Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit.

Wenn Sie sich die Axiomatik des Mittelalters kurz vergegenwärtigen: Die bestand aus der Scholastik, den Peripatetikern, Aberglaube und ähnlichen Axiomen, und dann kam eine Renaissance, die italienische Renaissance im 15. Jahrhundert, durch Denker wie Nikolaus von Kues, Brunelleschi, die Renaissance des gesamten Platon-Werkes, das 1700 Jahre in Europa total vergessen gewesen war.

Damit entstand ein völlig neues Weltbild, das das Individuum, die Rolle des Menschen, vollkommen anders verstand, aber auch die Grundlagen schaffte für die Entstehung der modernen Naturwissenschaft, der klassischen Kunst, des souveränen Staates und ähnlicher Entwicklungen, von denen wir eigentlich in den letzten 600 Jahren gezehrt haben.

Einen solchen oder vielleicht noch dramatischeren Epochenwandel erleben wir jetzt gerade, und ich wage die Prognose, daß alle Axiome, die mit diesem alten Paradigma zu tun haben - wie die Idee der Grenzen des Wachstums, die neoliberale Idee, daß Geld das gleiche sei wie Reichtum, daß der Mensch eigentlich nur eine Belastung für die Umwelt darstellt und je weniger da sind, um so besser, die neokonservative Idee der Geopolitik, daß Außenpolitik immer ein Nullsummenspiel sein müsse, wo, wenn der eine gewinnt, der andere verliert - daß alle diese Ideen sehr bald in der Mülltonne der Geschichte landen werden und ein neues Paradigma dabei ist, zu entstehen, nämlich das Ideal der geeinten Menschheit. Daß die Menschheit, zumindestens in großen Teilen, dabei ist, eine gemeinsame Ebene der Vernunft zu etablieren, wo vor den nationalen Interessen die gemeinsamen Ziele der Menschheit definiert werden. Und es gibt im Augenblick zwei wesentliche Dynamiken, wo diese neue Sicht der Dinge dabei ist, sich zu verwirklichen.

Das eine ist, da werde ich gleich ausführlicher darüber sprechen, Chinas Politik der Neuen Seidenstraße, was schon jetzt, nach dreieinhalb Jahren, das größte Infrastrukturprogramm in der Geschichte der Menschheit ist, das schon 70 Nationen umfaßt, 4,5 Milliarden Menschen. Es ist schon jetzt zwölfmal so groß wie der Marshallplan nach dem Zweiten Weltkrieg, und es ist unbegrenzt in seinem Wachstum.

Dieses neue Paradigma der „One Belt, One Road Initiative“ oder der Neuen Seidenstraße hat schon jetzt bei vielen Völkern in der Welt zu einem beispiellosen Optimismus geführt, z.B. in Afrika, wo die Menschen zum ersten Mal die berechtigte Hoffnung haben, daß sie ihre Unterentwicklung mit der Hilfe Chinas bald überwinden können.

Dieses neue Paradigma, eben weil es auf einer Win-Win-Kooperation basiert, wo der eine - China - zwar Vorteile hat, aber die anderen, kooperierenden Staaten ebenso, ist langfristig die Basis für einen dauerhaften Weltfrieden, eben gerade deshalb, weil es im Interesse eines jeden Staates ist, daß sich die anderen auch entwickeln, weil sonst die eigene Entwicklung gefährdet ist.

Die neue US-Präsidentschaft

Die zweite Dynamik, die zu diesem Optimismus Anlaß gibt - und das wird jetzt einige überraschen und einige werden mir erstmal nicht zustimmen, aber die bitte ich um Geduld, wenn ich mich jetzt einmal in die Niederungen der amerikanischen Politik begeben muß: Der zweite Punkt ist der Wahlsieg von Donald Trump. Und ich möchte Sie wirklich bitten, daß Sie erst einmal alles vergessen, was Sie in der Bild-Zeitung auf Seite 2 jemals gelesen haben, denn das ist psychologische Kriegsführung, es ist schwarze Propaganda, wie es eigentlich nur in Kriegszeiten über den Gegner gemacht wird - gegen Präsident Trump, gegen den die Repräsentanten des untergehenden Paradigmas, des neoliberalen Paradigmas - die Medien, die Geheimdienste und das Britische Empire - absoluten Krieg führen.

Ich möchte jetzt nur auf einige Aspekte seiner jüngsten Reden eingehen, die er in Detroit, Tennessee, Kentucky und Washington gehalten hat, wo er ganz emphatisch den Aufruf macht, daß die USA zum Amerikanischen System der Ökonomie zurückkehren sollen. Insbesondere hat er den ersten republikanischen Präsidenten, Lincoln, zitiert, der schon als junger Kongreßabgeordneter oder Kandidat für das Amt des Kongresses mit 23 Jahren, 1832, in der Wahlkampagne, für den Bau einer Eisenbahn in Amerika warb, ohne daß er jemals auch nur eine Dampfmaschine zu Gesicht bekommen hatte. Er hat dann später, 30 Jahre später, als Präsident das Gesetz für die Transkontinentale Eisenbahn unterzeichnet, die die Ostküste und die Westküste [der Vereinigten Staaten] miteinander verbunden hat.

Dann zitiert Trump in ähnlicher Weise Präsident Eisenhower, der als Offizier nach dem Ersten Weltkrieg in einem militärischen Konvoi entlang des Lincoln Highway reiste, was einen so großen Eindruck auf ihn machte, daß er ebenfalls 30 Jahre später als Präsident das Gesetz für das Interstate Highway System unterschrieb. Und dann sagt Trump: Wir brauchen heute wieder das Amerikanische System, die Politik von George Washington, Alexander Hamilton, Henry Clay, Lincoln.

Es ist den meisten Leuten nicht bekannt, was dieses Amerikanische System ist, aber das war die Gründungsidee Amerikas, gegen das Britische Empire.

Andere Ideen, die Trump erwähnt hat: daß er eine Billion in Infrastruktur investieren will, daß er keine Interventionskriege mehr führen will wie Bush und Obama, daß er die Beziehungen zu Rußland und China auf Kooperation und Zusammenarbeit stellen will, und ähnliches mehr. Das sind eigentlich Ziele, wie Frieden mit Rußland und China, worüber sich doch jeder in Deutschland absolut freuen müßte und sagen, endlich gibt es eine Hoffnung, daß diese Kriegsgefahr überwunden werden kann!

Woher kommt aber dann diese unglaubliche Aufregung? Woher kommt es, daß das gesamte Establishment im Schockzustand ist? Obwohl Trump jetzt schon vier Monate gewählt ist, findet jetzt praktisch ein Krieg statt, von Hillary Clinton, von der Demokratischen Partei, von den Neocons, die jetzt eine sogenannte narrative, ein Narrativ oder Lügenmärchen, erfunden haben, warum Hillary Clinton die Wahl verloren hat: Daß sie eben nicht, wie es wirklich der Fall war, die Wahl verloren habe, weil sie dieses alte Paradigma repräsentiert, was einen Großteil der Menschen abhängt, weil sie zu arrogant war, zu den „Bedauerungswürdigen“ im rust belt, also im Rostgürtel, überhaupt auch nur hinzufahren - sondern die Narrative ist, daß Trump die Wahl gewonnen habe, weil Putin ihm dazu verholfen habe, daß russische Hacker die E-Mails der Demokratischen Partei manipuliert hätten. Darüber geht natürlich verloren, was in den E-Mails stand, daß nämlich die Demokratische Partei Bernie Sanders benachteiligt hat und Hillary völlig illegal bevorzugt hat. Und natürlich auch die Rede, die Hillary vor den Wall-Street-Banken gehalten hat, das wurde damit überhaupt erst bekannt.

Jetzt haben aber viele Mitglieder der Geheimdienste, sogenannte „Whistleblower“, wie Binney - der derjenige war, der die NSA-Ausspähprogramme entwickelt hat, also jemand, der wirklich genau weiß, wie das funktioniert - und einige andere gesagt: Nein, es ist völlig klar, wenn es Rußland gewesen wäre, hätte man den Server absolut einwandfrei identifizieren können. Es handelt sich vielmehr um Leaks, d.h. um die Veröffentlichung, das an die Öffentlichkeit Spielen von geheimgehaltenen Informationen, und die Frage ist, wer kann das überhaupt?

Die amerikanischen Geheimdienste haben dann ganz offensichtlich mit Hilfe des britischen Geheimdienstes, also nicht nur dem ehemaligen MI-6-Agenten Christopher Steele, Dossiers über Trump verfaßt, die dann auch an die Öffentlichkeit geleakt wurden. Jetzt wird untersucht, daß das britische Äquivalent der NSA, das GCHQ, diese Arbeiten für die amerikanischen Geheimdienste ausgeführt hat. Das wird jetzt alles im Kongreß untersucht, und der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, Nunes, hat gerade gesagt, es gibt bisher nur eine einzige kriminelle Handlung, die man sich anschauen kann, und das sind die illegalen Veröffentlichungen. Und nicht etwa Hacking. Wenn Sie die Bild-Zeitung lesen, lesen Sie genau das Gegenteil, daß jetzt ein Watergate ins Haus steht und ähnliches. Das wird aber weiter untersucht, am kommenden Dienstag [28.3.] wird Nunes ein geschlossenes Hearing abhalten, wo er mit der Kooperation der NSA und der Nicht-Kooperation des FBI und der CIA weitere Untersuchungen machen wird.

Mir hat vor wenigen Tagen ein führender Journalist von einem öffentlich-rechtlichen Sender gesagt, daß es intern die Parole gibt, daß keine Sendung über Trump anmoderiert werden darf, ohne daß man abfällige Bemerkungen macht.

Woher kommt diese ganze Dynamik? Ist es so, wie der französische Geheimdienst nach der Wahl von Trump vermutete, daß es nur das alte Establishment ist, das Angst hat, seine Privilegien zu verlieren, und damit natürlich Einkommen? Oder gibt es eine tiefere Dynamik? Und natürlich bin ich der zweiten Auffassung, daß es bei diesem Konflikt um das geht, was Friedrich List, der deutsche Ökonom, der einige Jahre in Amerika verbracht hat, damals als die totale Auseinandersetzung zwischen dem „Britischen System der Ökonomie“ und dem „Amerikanischen System der Ökonomie“ bezeichnet hat.

Denn das englische System basiert auf Freihandel, billig einkaufen, teuer verkaufen, Kontrolle von Rohstoffen, möglichst billige Arbeitskräfte, möglichst wenig Sozialausgaben, Kontrolle des Handels. Demgegenüber ist das Amerikanische System, was wesentlich zurückgeht auf Alexander Hamilton, die Idee, daß die einzige Quelle des Reichtums die Kreativität der Arbeitskraft ist, und daß es deshalb für eine Ökonomie notwendig ist, den Binnenmarkt mit protektionistischen Maßnahmen zu schützen, um die Entwicklung der eigenen Arbeitskraft zu maximieren.

Dazu gehören auch die von Alexander Hamilton geschaffene Nationalbank und ein Kreditsystem, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind, dazu gehören Investitionen in die Realwirtschaft wie z.B. Infrastruktur und wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt, mit dem Ziel der Steigerung der Produktivität. Das ist exakt die Politik, die von Washington, Alexander Hamilton, John Quincy Adams, Lincoln und Franklin D. Roosevelt verwirklicht wurde und auf die sich Trump jetzt explizit bezieht.

Man sollte sich daran erinnern: Die Amerikanische Revolution oder der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg wurde ja geführt gegen das Britische Empire mit dem Ziel, das Recht auf die eigene Manufaktur durchzusetzen, was die Kolonialherren damals verweigert hatten. Und das Britische Empire hat den Verlust seiner wichtigsten Kolonie, nämlich Amerikas, nie verwunden, sondern mit allen Mitteln immer versucht, diesen Vorgang rückgängig zu machen, erst durch den Krieg von 1812 militärisch, dann durch den Bürgerkrieg gegen Lincoln, bei dem England bzw. Großbritannien mit den Südstaaten alliiert war, die es auch finanziert hat. General Lee hat direkt Gelder bezogen über Banken in Boston und Philadelphia.

Dann, nachdem der Bürgerkrieg gegen Lincoln verloren wurde, hat man überlegt, daß man militärisch die Kolonien nicht mehr zurückgewinnen könne, sondern man es jetzt durch Subversion versuchen müßte oder, anders ausgedrückt, durch die „Offene Verschwörung“, wie H.G. Wells das genannt hat: daß man nämlich das amerikanische Establishment überzeugt, zusammen mit Großbritannien auf der Basis der „anglo-amerikanischen Sonderbeziehung“ eine unipolare Welt zu errichten, ein world empire. Und das war die Lage zwischen Churchill und Truman, zwischen Bush senior und Thatcher, Blair und Bush, Cameron und Obama.

In Deutschland ist diese Thematik ebensowenig bekannt wie die Tatsache, daß Bismarck auf der Basis des Amerikanischen Systems der Ökonomie Deutschland von einem Feudalstaat innerhalb von wenigen Jahren zur Industrienation entwickelt hat, weil er von den Theorien von Henry C. Carey erfahren hatte. Denn der damalige Vorsitzende des deutschen Industrieverbandes (Centralverband Deutscher Industrieller), Wilhelm von Kardorff, war ein glühender Anhänger von Friedrich List und Henry Carey, und er nahm das Beispiel der amerikanischen Industrialisierung unter Lincoln zum Vorbild für die Verwandlung von Deutschland. Er schrieb damals ein kleines, aber sehr lesenswertes Buch, das hieß Gegen den Strom, wo die Unterschiede zwischen dem Amerikanischen und dem Britischen System sehr gut erklärt sind.

Abb. 1: Die Infrastrukturkorridore der vom Schiller-Institut vorgeschlagene Weltlandbrücke







Abb. 2: Die Korridore der Gürtel- und Straßen-Initiative zur See und auf dem Land

Die Neue Seidenstraße

Das ist also die eine Dynamik, daß nämlich, wenn Amerika zu seinen Wurzeln zurückkehrt und vor allen Dingen das Verhältnis zu Rußland und China auf eine gute Basis stellen will, daß dann im Grunde alles möglich sein wird. Und das ist als Potential absolut da, denn wie gesagt, die Neue Seidenstraße ist keineswegs nur eine Verbindung von Chongqing nach Duisburg oder von Yiwu nach Hamburg, sondern es ist viel mehr in der Planung.

Wir sind da kein passiver Zuschauer, wir erheben schon den Anspruch, daß die Neue Seidenstraße auch unser „Baby“ ist. Denn das ist die Konzeption, die wir nach dem Kollaps der Sowjetunion 1991 vorgeschlagen haben und an der wir die letzten 26 Jahre gearbeitet haben (Abbildung 1).

Die Neue Seidenstraße wird zur Weltlandbrücke - das ist der Name einer Studie, die wir inzwischen auf Englisch, auf Arabisch, auf Chinesisch veröffentlicht haben und sehr bald auch auf Deutsch veröffentlichen werden. Und wenn man sich jetzt anschaut, wie dieses Konzept, das Xi Jinping 2013 zum ersten Mal in Kasachstan als Idee und Programm präsentiert hat, wie dieses Konzept in den letzten dreieinhalb Jahren sich explosionartig ausbreitet, dann sieht man, daß da eine totale Transformation stattfindet.

Zu der Seidenstraße (Abbildung 2) gehört die „Maritime Seidenstraße des 21. Jahrhunderts“ in der Tradition von Admiral Zheng He, der im 15. Jahrhundert schon Reisen nach Venedig, nach Afrika, in den asiatischen Pazifik gemacht hat. Heute verbindet sie die Häfen aller dieser asiatischen Staaten miteinander und weiter bis nach Hamburg und Rotterdam.

Dazu gehören inzwischen sechs Wirtschaftskorridore, es nehmen inzwischen über 70 Nationen teil, 4,4 Milliarden Menschen, und insgesamt sind 21 Billionen Dollar an Investitionen geplant.


Abb. 3: Der Wirtschaftskorridor China-Mongolei-Rußland








Abb. 4: Die bereits bestehenden Strecken der „Eisernen Seidenstraße“, auf denen regelmäßig – zum Teil täglich – Güterzüge zwischen China und Europa verkehren



Abb. 5: Der Wirtschaftskorridor China-Zentral- und Westasien entlang der historischen Seidenstraße


Abb. 6: Der Wirtschaftskorridor Bangladesh-China-Indien-Myanmar

Abb. 7: Die Neue Eurasische Landbrücke.

Die verschiedenen Korridore wachsen mit großer Geschwindigkeit. Das (Abbildung 3) ist ein Abkommen zwischen China, der Mongolei und Rußland, es wurde beim SCO-Meeting 2016 beschlossen und umfaßt 32 Projekte. Dies (Abbildung 4) sind die inzwischen zum Teil täglich stattfindenden Seidenstraßen-Züge von verschiedenen chinesischen Städten, von Yiwu, Xi’an, Chongqing und verschiedenen anderen, nach Duisburg, Lyon, Hamburg, Rotterdam. Inzwischen fährt täglich ein Zug von Chongqing nach Europa.

Das (Abbildung 5) war die ursprüngliche Idee, China mit den zentral- und westasiatischen Staaten zu verbinden, das (Abbildung 6) ist ein Korridor durch Bangladesch, Indien, China, Myanmar, was eine totale Transformation dieser Region der Welt bedeutet, und das (Abbildung 7) ist die neue Eurasische Landbrücke.


Abb. 8: Das von dem italienischen Ingenieurbüro Bonifica ausgearbeitete Transaqua-Projekt soll das Austrocknen des Tschadsees rückgängig machen, die Machbarkeit wird jetzt vom chinesischen Wasserbaukonzern Power China geprüft.


Abb. 9: Die Ende der 1970er Jahre von Lyndon LaRouche vorgeschlagenen Infrastrukturkorridore für Lateinamerika (blau), und die heute von China vorgeschlagenen Projekte (rot).

Also, es gibt verschiedene Komponenten, die alle wahnsinnig schnell wachsen.

Nun, für Afrika ist das ein absolutes Novum, denn gerade auch die Banken, die von China und den BRICS-Staaten gegründet worden sind, wurden geschaffen mit dem expliziten Ziel, den Mangel an Investitionen in Infrastruktur, der in den letzten Jahrzehnten von IWF, Weltbank usw. bestand, zu kompensieren, und diese Banken dienen ausschließlich für Investitionen in Infrastruktur und nicht für Spekulationen.

Vor etwa vier Wochen wurde die erste Eisenbahnlinie von Äthiopien - Addis Abeba - nach Dschibuti in Betrieb genommen, die war schon im letzten Herbst fertig, aber sie wurde dann noch einmal mit Sicherheitsmaßnahmen überarbeitet. Inzwischen ist eine weitere Eisenbahn im Bau, von Ruanda nach Uganda bis zum Kongo...

Das hier (Abbildung 8) ist ein anderes Projekt, das ist Transaqua, ein Projekt, für das Lyndon LaRouche und das Schiller-Institut sich schon seit 40 Jahren einsetzen. Es wurde ursprünglich von italienischen Ingenieuren entwickelt und ist die Idee, wie man das Austrocknen des Tschadsee umkehren kann. Der Tschadsee ist nämlich bis auf 10% seiner ursprünglichen Wassermenge ausgetrocknet. Und dies ist die Idee, daß man die ungenutzten Wassermengen aus der Kongoregion in etwa 500 m Höhe - also nicht den eigentlichen Kongo-Fluß, sondern die Zuflüsse zum Kongo - durch ein Fluß- und Kanalsystem zum Tschadsee umleitet und damit für zwölf Anrainerstaaten landwirtschaftliche Produktion durch Bewässerung mit Kanalisierung der Flußsysteme schafft, und daß man die Industrialisierung von Afrika damit vorantreiben kann. Das wird jetzt zum ersten Mal durch eine chinesische Firma geprüft, nämlich Power China, das ist die gleiche Firma, die auch den Drei-Schluchten-Damm verwirklicht hat. Die haben jetzt eine Machbarkeitsstudie im Gang, und das wird sehr bald dazu führen, daß pro Jahr 100 Mrd. m3 Wasser in den Tschadsee fließen können.

Das (Abbildung 9) ist das Gesamtprogramm für Südamerika. Die blaue Linie ist ein Programm, das Lyndon LaRouche schon Ende der 1970er Jahre zusammen mit Lopez Portilla, dem damaligen Präsidenten von Mexiko, vorgehabt hat, was aber durch die Sabotage von Brasilien und Argentinien damals nicht vollendet wurde, aber jetzt gehört auch diese transkontinentale „Biozeanische Eisenbahn“ nach Peru zum Netzwerk der Neuen Seidenstraße. Ein positiver Punkt ist, daß sich jetzt zum ersten Mal auch Deutschland am Ausbau einer anderen Strecke über Bolivien mit Investitionen beteiligen will. Das ist also ein kleiner Lichtblick.

Diese Gesamtkonzeption hat in den letzten sechs Monaten explosionsartig zugenommen. Denn am Anfang war Rußland sehr skeptisch gegenüber der Neuen Seidenstraße. Die zentralasiatischen Staaten waren skeptisch oder haben sich gestritten: Sollen die Eisenbahnen von West nach Ost bzw. Ost nach West gebaut werden - oder von Nord nach Süd? Aber inzwischen hat sich das alles in Wohlgefallen aufgelöst. Am 2. und 3. September vorigen Jahres hat auf dem großen Wirtschaftsforum in Wladiwostok die Integration der Neuen Seidenstraße mit der Eurasischen Wirtschaftsunion stattgefunden, dazu hat sich jetzt auch Japan hinzugesellt mit riesengroßen Investitionen im Fernen Osten Rußlands. Dieser Prozeß ging weiter auf dem G-20-Gipfel in Hangzhou Anfang September, dann ging es weiter mit dem ASEAN-Treffen in Laos.

China hat in diesem Prozeß die klare Führung übernommen, schon beim G-20-Gipfel, wo sie gesagt haben, daß sie ab sofort die Weltwirtschaft auf Innovation gründen wollen und Entwicklungsländer an den wissenschaftlichen und technologischen Durchbrüchen beteiligen wollen, um deren Entwicklung nicht länger aufzuhalten. China hat es zur Absicht erklärt, die Armut auf dem ganzen Planeten bis zum Jahr 2025 zu überwinden.

Es ging dann weiter mit dem APEC-Treffen in Lima im November letzten Jahres, und inzwischen ist sogar auch einigen (westlichen) Denkfabriken klar geworden, daß die frühere negative Haltung nicht mehr angebracht ist. Z.B. hat PricewaterhouseCooper eine umfangreiche Studie gemacht, wo sie sagen, inzwischen ist die chinesische Wirtschaft längst die Lokomotive der Weltwirtschaft, und das wird auch so bleiben. Forbes Magazine hatte etwa sieben relativ objektive Artikel über die ganzen Projekte. Es setzt sich inzwischen die Einsicht durch, daß damit eine Dynamik entsteht, die nicht mehr aufzuhalten ist.

Und wie gesagt, am 6.-7. April hat Präsident Trump Präsident Xi Jinping auf sein Anwesen nach Mar-a-Lago in Florida eingeladen, und alles spricht dafür, daß die Chinesen große Investitionen in den Aufbau der Infrastruktur in Amerika machen. Es gab eine Konferenz in Hongkong, wo chinesische Ökonomen gesagt haben, der Bedarf in Amerika für Infrastruktur ist nicht eine Billion, sondern acht Billionen. Japan hat schon gesagt, daß sie sich dort mit 150 Milliarden an einem Ausbau von Schnellbahnen beteiligen wollen, China hat mehrfach gesagt – z.B. (die Vizeaußenministerin) Madame Fu Ying, die praktisch die wichtigste Frau in China ist –, daß die Seidenstraße die Brücke zwischen Amerika mit der amerikanischen Infrastrukturentwicklung und der eurasischen Seidenstraße werden kann. Also es sind sehr, sehr hoffnungsvolle Dinge im Gang.

Eine Frage des Menschenbilds

Warum ist das so ungeheuer wichtig? Die gesamte transatlantische Welt wurde in den letzten Jahrzehnten von dem Paradigma eines geschlossenen Systems und Nullwachstum dominiert.

Noch einen Schritt zurück: In den 1950er und 1960er Jahren galt es als vollkommen selbstverständlich, daß die Armut in der Dritten Welt irgendwann einmal überwunden werden würde. Es gab damals die UN-Entwicklungsdekaden, wo man alle zehn Jahre festsetzen wollte, wieviel hat man erreicht, wieviel muß man in den nächsten zehn Jahren erreichen, um schließlich die Armut, die Unterentwicklung auf diesem Planeten vollkommen zu eliminieren.

Aber diese normale, menschlichen Orientierung wurde unterbrochen durch eine ganze Reihe von Propagandamaßnahmen. Die vielleicht gravierendste war die Veröffentlichung des Buchs Grenzen des Wachstums 1972 durch den Club of Rome. Mit ihrem Computermodell haben die Autoren Forrester und Meadows einfach ein erwünschtes Ergebnis festgesetzt und dann das Programm so programmiert, daß genau das herauskam, Und sie haben mathematische lineare Gleichungen benutzt, um dieses Ergebnis zu kriegen. und haben einen absoluten Schwindel angewandt, sie haben nämlich die Idee des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts und die dadurch ausgelöste Neubestimmung dessen, was Rohstoffe und andere Produktionsmethoden sind, vollkommen herausgelassen.

Dieses Buch wurde mit großem Propagandaaufwand in alle Sprachen übersetzt und verteilt, und es hatte die Grundidee: Bis 1971 hat sich die Welt entwickelt, und jetzt haben wir ein Gleichgewicht erreicht, wir nähern uns dem asymptotisch an, und jetzt müssen wir nachhaltig sein. Jetzt müssen wir sparen, vor allem Energie müssen wir sparen, und es gibt keinen technologischen Fortschritt mehr, sondern „angemessene“, „appropriate technology“, was dann übersetzt heißt: gar keine Technologie.

Damit einher ging auch die Idee, daß wir ein erdgebundenes System sind und Überbevölkerung das größte Problem ist, daß Menschen eigentlich Parasiten sind, die die Umwelt belasten, und je weniger Menschen, desto besser.

Nun, ganz neu waren diese Ideen auch nicht, denn das war implizit schon das Thema der Amerikanischen Revolution. Benjamin Franklin hatte 1751 ein Essay geschrieben „Beobachtungen bezüglich des Bevölkerungswachstums“,5 wo er argumentierte: Je mehr Menschen da sind, desto besser, denn jeder Mensch bringt sein eigenes kreatives Potential mit zur menschlichen Gesellschaft und macht die Gesellschaft deshalb insgesamt reicher.

Die Gegenseite verkörperte damals Thomas Malthus, der schrieb „Das Bevölkerungsgesetz“6, und der hatte bekanntlich die Idee, daß immer zu viele Menschen da sind, als daß man sie durch Landwirtschaft ernähren kann, und man deshalb auch die Bevölkerung reduzieren muß. Und er stand genau wie alle anderen britischen Ökonomen - Adam Smith, Jeremy Bentham, John Stuart Mill, Richard Riccardo - im Dienste der British East India Company, die bekanntermaßen ihren Reichtum durch Sklavenhandel und den Opiumhandel weltweit verdiente.

Also, worum es eigentlich geht, damals und ganz besonders heute, das ist das Menschenbild. Lyndon LaRouche hat darüber unendlich viel geschrieben, und ich möchte Sie auch alle bitten, die Artikel meines Ehemanns zu lesen, denn er hat im Grunde am klarsten ausgearbeitet, worin dieses kreative Potential des Menschen besteht. Im Unterschied zu allen anderen Lebewesen und Tieren, die zwar auch intelligent sind, ist der Mensch die einzige Gattung, die ständig die Grundlagen ihrer Existenz durch wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt erneuern kann.

LaRouche hat den Bezug hergestellt zwischen der relativen potentiellen Bevölkerungsdichte und der jeweiligen Energieflußdichte, die im Produktionsprozeß benutzt wird. Da kann man ganz klar sehen, daß seit der Zeit, als die Menschen noch Jäger und Sammler waren und die Energieflußdichte noch extrem gering war, nämlich Sonnenenergie und Windenergie, der Mensch sich inzwischen durch eine Erhöhung der Energieflußdichte um mehrere Größenordnungen vermehren konnte und einen viel besseren Lebensstandard hat, höhere Lebenserwartung, insgesamt menschlichere Möglichkeiten. Und es ist jetzt schon in Reichweite, da China auch an dem Programm mit dem EAST-Fusionsprogramm führend forscht und diese Idee hat, daß sehr bald Helium-3 als Treibstoff für die kommende Fusionsökonomie auf der Erde auf dem Mond abgebaut wird.

Ehricke und die nächste Stufe der Evolution

Was hat das alles mit Krafft Ehricke zu tun? Krafft Ehricke hat sehr klar gesagt, daß die Erschließung des Weltraums und seine Besiedelung die notwendige nächste Stufe der Evolution der Menschheit sei. Er hat wirklich sehr, sehr phantastisch entwickelt, wie sich das menschliche Leben oder überhaupt Leben zunächst einmal von den Ozeanen auf die Kontinente ausgebreitet hat, mit Hilfe der Photosynthese, was er interessanterweise als die „erste industrielle Revolution“ bezeichnet hat, wo die Grenzen des Wachstums durchbrochen wurden, und wie sich dann durch die Evolution jeweils höhere Lebewesen entwickelt haben, deren Metabolismus jeweils eine höhere Energieflußdichte hatte, bis schließlich der Mensch erschien.

Und der Mensch ist eben absolut verschieden von allen früheren Lebensformen, weil er, so Krafft Ehricke, etwas hat, was er den „Informations-Metabolismus“ nennt: die Fähigkeit des Menschen, Informationen aufzunehmen, darin verschiedenen Aspekte durch Abstraktion zu differenzieren, sie dann sowohl im Geist als auch in Maschinen zu akkumulieren und nutzbar zu machen.

Er betont also, kein Zweifel, daß Tiere intelligent sind, daß sie sogar unglaubliche Dinge lernen können, wie z.B. den Menschen zu manipulieren, was ja eine hohe Intelligenz voraussetzt. Aber das Tier ist eben nicht in der Lage zur Abstraktion, während der Mensch jede Begrenzung überwinden kann. Und seine drei Grundgesetze zur Astronautik wurden ja heute morgen schon erwähnt: Das erste Gesetz ist, daß unter dem Naturrecht dieses Universums nichts und niemand dem Menschen irgendwelche Beschränkungen auferlegt, außer er selbst.

Das ist sehr, sehr wichtig, denn das ist ein Menschenbild, das eigentlich einmal das normale Menschenbild in Europa war. Das ist identisch mit dem Humanismus, der Klassik, das ist identisch mit der platonischen Philosophie und dem Christentum, das den Menschen als ungeschränkt vervollkommnungsfähiges Wesen betrachtet, und zwar sowohl in Bezug auf seine geistigen Fähigkeiten, als auch in Bezug auf seinen Charakter, in Bezug auf seine Emotionen, seine ästhetische Entwicklung, da gibt es eben genauso wenig Schranken. Das war mal das normale Menschenbild, wenn Sie z.B. Platon lesen, Augustinus, Nikolaus von Kues, Leibniz, Kepler, dann finden Sie genau dieses Menschenbild.

Es ist heute leider nicht mehr selbstverständlich, aber Krafft Ehricke sagte eben, daß der menschliche Geist unermüdlich Informationen metabolisieren kann, „vom unendlich Kleinen bis zur Unendlichkeit, der die Infrastruktur des Wissens aufbaut und seine moralischen und sozialen Hoffnungen für eine größere und bessere Welt verfolgt, gegen viele Widerstände. Durch Intelligenzen wie wir selbst bewegt sich das Universum - und wir darin - in den Mittelpunkt der Selbsterkenntnis. Metallerz verwandelt sich in informationsverarbeitende Computer, Satelliten und Raumsonden, und Atome werden verschmolzen wie in den Sternen.“ Und dann sagt er: „Ich kann mir keine düsterere, apokalyptischere Vision der Zukunft vorstellen als eine mit kosmischen Kräften ausgestattete Menschheit, die zur Isolationshaft auf einem kleinen Planeten verdammt ist.“ Das ist sehr richtig.

Inspiriert wurde Krafft als zwölfjähriger Junge, als er den Film von Fritz Lang Die Frau im Mond sah. - Der hat im übrigen auch meinen Ehemann enorm inspiriert, der hat dann eine andere Dokumentation gemacht, Die Frau im Mars. - Es war diese Idee, daß der Mensch die Erdoberfläche verlassen kann, ins Weltall reisen und andere Himmelskörper besiedeln kann, die ihn faszinierte.

Es wurde schon erwähnt, daß er dann in Peenemünde - damals war er auch erst 25 Jahre alt - anwesend war, als am 3. Oktober 1942 die erste Rakete erfolgreich von der Erde abhob und in den Weltraum geschickt wurde. Er war nur hundert Meter entfernt, beobachtete den Countdown, die Zündung, und wie dann diese Rakete mit einem Riesengedröhn abhob. Und er sagte: „Das war ein unbeschreibliches Gefühl, was wir alle hatten, es war uns absolut bewußt, das ist der Beginn eines neuen Zeitalters, der erste Tag des Raumzeitalters, der Beginn einer völlig neuen Ära.“

Krafft Ehricke definierte den „extraterrestrischen Imperativ“ als die wahre Identität der Menschheit. Er sagte, die Besiedelung des Mondes ist der offensichtliche erste Schritt, denn der ist ganz nah, man braucht nur zwei oder drei Tage, inzwischen sogar weniger, um dahin zu kommen, und wir können quasi auf dem Mond üben, was wir später auf anderen Planeten machen. Und was wir auf dem Mond machen können, können wir überall machen.

Er meinte, daß die Besiedelung des Mondes genau die umgekehrte Richtung einnehmen wird wie die Evolution auf der Erde, wo sich erst die Biosphäre entwickelt hat und dann in einer späten Phase der Mensch aufgetaucht ist, während auf dem Mond es eben umgekehrt sein würde: erst die Ankunft des Menschen, und dann die Bedingungen für seine Existenz. In der ersten Phase würde der Mensch Materialien von der Erde zum Mond mitbringen, in der zweiten Phase die Industrialisierung des Mondes unter Nutzung vorhandener Ressourcen erfolgen, und die dritte Phase wären interplanetare Reisen, wo neue menschliche Zivilisationen entstehen, mit vollkommen anderen Charakteristika als die Zivilisation auf der Erde.

Und er hat dann das Beispiel seiner eigenen, wie er es nannte, „Extraeuropäisierung“ angeführt, um diesen Unterschied zu verdeutlichen. Er sagt, er sei in Deutschland aufgewachsen, er hätte in Deutschland eine wunderbare klassische Erziehung bekommen. Europäische Kultur war das, was ihn geprägt hat, und als er dann mit seiner Ehefrau in die USA ausgewandert ist, ist er dort auf einen völlig anderen Menschenschlag getroffen, Amerikaner. Seine Kinder wurden dann schon ganz gut amerikanisiert, hatten aber noch Merkmale der Kultur der Eltern aus Deutschland, aber schon die Enkel waren vollkommen amerikanisiert, und man hat keinen Unterschied mehr festgestellt.

Und er sagt, genauso wird es bei den zukünftigen Zivilisationen im Weltraum sein: Die Bevölkerung auf dem Mond wird vollkommen andere physiologische und immunologische Charakteristika haben als die Menschen auf der Erde.

Das neue Paradigma

Also, worum es geht, ist wirklich das neue Paradigma, das von der kontinuierlichen Weiterentwicklung der menschlichen Gattung ausgeht. Der chinesische Präsident Xi Jinping hat es oftmals als „Schicksalsgemeinschaft für die Zukunft der Menschheit“ bezeichnet, wo die gemeinsamen Ziele der Menschheit zuerst stehen, und danach erst das Interesse der einzelnen Nationen kommt.

Das ist genau das Prinzip der „Win-Win-Kooperation“, das zusammenwächst, die verschiedenen Korridore haben ein Interesse daran, daß es allen partizipierenden Staaten besser geht, weil es keinen Sinn macht, eine Eisenbahn von einer Stadt zur anderen zu bauen, und dann hört es auf, sondern es ist etwas, was davon lebt, daß sich diese Systeme integrieren zum Vorteil aller. Chinas Staatsrat Yang Jiechi hat kürzlich anläßlich des Nationalen Volkskongresses in Beijing gesagt, die Neue Seidenstraße ist kein Solo für China, sondern es ist eher vergleichbar einer Sinfonie, bei der alle teilnehmenden Völker und Nationen mitspielen.

Und das ist meine absolute Überzeugung, die ich gewonnen habe, weil ich vielleicht den Vorteil habe, daß ich 1971 zum ersten Mal in China war, mitten in dieser Kulturrevolution, die wirklich furchtbar war und die Menschen sehr unglücklich gemacht hat. Und wenn man das vergleicht, sieht man die enorme Entwicklung, die China in den letzten 40 oder vor allem den letzten 30 Jahren vorgenommen hat, wo es eine Entwicklung, die in den anderen Industrienationen 200 Jahre gedauert hat, in 30 Jahren repliziert hat. Und dieses chinesische Modell der Wirtschaft ist so erfolgreich, daß es jetzt als Neue Seidenstraße allen anderen Staaten angeboten wird, daß sie das replizieren. Damit besteht zum ersten Mal die Chance, daß wir Armut und Begrenzungen überwinden.

Das alles basiert auf den Ideen von Konfuzius. Ich bin wirklich absolut überzeugt, daß China 95% konfuzianisch ist und vielleicht noch 5% marxistisch oder kommunistisch, aber daß die Wesenheit Chinas, des chinesischen Systems, konfuzianische Gedanken sind. Dazu gehört z.B. die lebenslange Vervollkommnung, das lebenslange Lernen; daß jeder Mensch das Bestreben haben sollte, ein „Shunze“ zu werden, ein Weiser, und die Weisen eigentlich auch die Regierung angeben sollen. Daß Harmonie in der Entwicklung aller stattfinden soll, in der Familie, im Staat und zwischen den Staaten.

Das sind keine Ideen, die nur chinesisch sind, sondern die auch zur besten europäischen Tradition gehören, also z.B. zu Nikolaus von Kues, dem Begründer der modernen Naturwissenschaften im 15. Jahrhundert, der schon damals die Idee hatte, daß Harmonie im Makrokosmos nur existieren kann, wenn sich alle Mikrokosmen harmonisch entwickeln und jeder Mikrokosmos es als eigenen Vorteil sieht, die anderen Mikrokosmen auf die bestmögliche Weise zu befördern.

Und das ist das Konzept. Das heißt, daß die Geopolitik wirklich überwunden werden kann, indem Entwicklung aller auf die Tagesordnung kommt. Ich bin absolut überzeugt, daß wenn es zwischen Trump und Xi Jinping und Trump und Putin zu einem guten Verständnis kommt – und das ist die erklärte Absicht von Trump, und das wurde von russischer und chinesischer Seite ganz klar signalisiert –, daß wir uns dann wirklich in einer neuen Phase der menschlichen Gattung befinden und eine neue Ära erleben werden.

Bild: Öst. Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres

Abb. 10: Flüchtlinge werden an der griechisch-makedonischen Grenze zurückgewiesen.

Die Rolle Deutschlands

Die Frage ist: Welche Rolle soll Deutschland in diesem Prozeß spielen?

Nun, diejenigen von Ihnen, die in Deutschland wohnen oder leben, wissen natürlich, daß das nicht das Denken ist, was hier dominiert. Aber ich denke, daß die Neue Seidenstraße so eine Hebelkraft hat, daß entweder Deutschland sich besinnt und einklinkt, oder Deutschland und die Europäer werden vollkommen belanglos werden.

Und das ist das, was die Afrikaner schon heute sagen: „Die Chinesen, die Inder, die Japaner investieren alle in Afrika, Europa hingegen kommt und hält uns Sonntagsreden und macht moralische Vorhaltungen, redet über Demokratie und Menschenrechte, aber sie investieren eben nicht in diese Projekte.“

Ich will vielleicht dieses Bild (Abbildung 10) noch einmal hier aufrufen: Die Flüchtlingskrise sollte der moralische Motor sein, daß wir uns dieser Entwicklungsperspektive anschließen. Denn nur wenn wir Afrika entwickeln - zusammen mit Rußland, China, Indien, anderen Staaten, hoffentlich Amerika -, nur wenn wir den Nahen Osten und Mittleren Osten und Südwestasien wirtschaftlich vollkommen entwickeln, als Teil der Neuen Seidenstraße, haben wir irgendeine Hoffnung, die Flüchtlingskrise auf eine humane Weise zu lösen, und eben nicht durch Internierungscamps in der Türkei oder in Ägypten oder in Tunesien, wie Frau Merkel das versucht.

Die Frage ist ja auch: Will Frau Merkel wirklich die Führerin des „freien Westens“ sein, weil jetzt Trump in Amerika Präsident ist? Will sie die Konfrontation gegenüber Rußland weiterführen, wenn Trump die Aussöhnung will? Will sie weiter die Konfrontation bis an die Grenzen Rußlands vorantreiben? Will sie weiter sich an Interventionskriegen beteiligen, um „die Demokratie zu retten“? Was uns im übrigen niemand mehr glaubt. Die Länder Asiens und Afrikas glauben längst nicht mehr, daß die Demokratie, die Menschenrechte in Europa oder das Modell der EU so besonders vorzeigefähig wären.

Oder können wir nicht hoffen, daß Deutschland eine positive Rolle übernimmt beim Ausbau der Neuen Seidenstraße? Ich denke, daß Krafft Ehricke, das Menschenbild und die Zukunftsvision, die er repräsentiert, das beste Beispiel für die Zukunft Deutschlands sein sollte. Denn Deutschland ist einmal das Volk der Dichter, Denker und Erfinder gewesen. Und all die vielen positiven Beiträge dieser vielen, vielen großen Denker sind eingeflossen in die deutsche Wirtschaft, in den Mittelstand, in unseren Lebensstandard, in die Kultur. Und es war diese Kultur, die Krafft Ehricke hervorgebracht hat.

Warum sollte es nicht möglich sein, daß man diese Ideen wieder lebendig macht? Die Ideen von Nikolaus von Kues, Kepler, Leibniz, Gauß, Riemann, Bach, Beethoven, Schubert, Schumann, Brahms, Lessing, Mendelssohn, Schiller, der Humboldts und die klassische Kultur, die Krafft Ehricke repräsentiert hat, wiederbeleben! Und das nicht nur für Deutschland, sondern in einem Dialog der Kulturen, wo die jeweils schönste Ausformung, die höchste Form, in einen Dialog tritt mit den anderen. Wir haben das heute morgen gehört durch deutsche klassische Musik, durch chinesische klassische Musik, und das ist eigentlich das, was auch zu diesem neuen Paradigma gehört, daß jedes Kind sehr bald die gesamte Universalgeschichte in all ihren besten Erscheinungsformen kennenlernt und dann Rassismus und Chauvinismus und Begrenztheiten aller Art für immer verschwinden werden.

Vielen Dank.


Anmerkungen

1. Unmittelbar vor Beginn des Vortrages hatte Feride Istogu-Gillesberg ein chinesisches Liebeslied vorgetragen.

2. Zuvor war eine Grußbotschaft von Krafft Ehrickes Tocher Krista Ehricke an die Konferenz verlesen worden.

3. Siehe „Krafft Ehricke zum extraterrestrischen Imperativ“, https://www.youtube.com/watch?v=9UznFry-Y9s, „Krafft Ehricke: “Lunar Industrialization & Settlement – Birth of Polyglobal Civilization”, https://www.youtube.com/watch?v=-ZuSnPgHnjs

4. Jacqueline Myrrhe hatte zuvor in ihrem Vortrag über die Entwicklung des chinesischen Weltraumprogramms die Frage gestellt, ob es eher dem Hasen oder dem Igel gleiche, und es am Ende mit dem Frosch verglichen, der sich mit großen Sprüngen seinem Ziel nähert.

5. “Observations Concerning the Increase of Mankind, Peopling of Countries, etc.”, Philadelphia 1751.

6. “An Essay on the Principle of Population”, London 1798.