Die Neue Seidenstraße – ein neues Modell für die internationalen Beziehungen
Von Helga Zepp-LaRouche
Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zu dieser Konferenz des
Schiller-Instituts. (Im Publikum sind viele Ehrengäste, die wir im Lauf der
Veranstaltung noch begrüßen werden. Aber lassen Sie mich stellvertretend den
äthiopischen Generalkonsul besonders willkommen heißen.)
Ich möchte mit einer Idee von Gottfried Wilhelm Leibniz beginnen. Er sagte,
daß wir tatsächlich in der besten aller möglichen Welten leben. Das ist ein
ganz fundamentales ontologisches Konzept. Es ist die Idee, daß wir in einem
Universum leben, das sich entwickelt – daß das, was das Universum zum besten
aller möglichen macht, sein enormes Potential für Entwicklung ist. Es ist so
geschaffen, daß jedes große Übel die Entstehung eines noch größeren Guten
bewirkt
Ich denke, wenn wir über die Neue Seidenstraße sprechen und über die
gewaltigen Veränderungen, die in der Welt geschehen sind, besonders in den
letzten vier Jahren, dann ist das die Wirkung genau dieses Prinzips. Denn es
war der absolute offensichtliche Mangel an Entwicklung in der alten
Weltordnung, was dafür sorgte, daß sich der Impuls aus China und der Geist der
Neuen Seidenstraße so durchsetzten, so daß heute viele Nationen der Welt fest
entschlossen sind, durch wirtschaftliche Entwicklung allen ihren Menschen ein
besseres Leben zu verschaffen. Ich denke, die Neue Seidenstraße ist ein
typisches Beispiel einer Idee, deren Zeit gekommen ist. Und sobald eine Idee
in dieser Weise materielle Realität wird, wird sie eine physische Kraft im
Universum.
Ich hatte persönlich das große Glück, die Evolution dieser Idee
mitzuerleben, die in vieler Hinsicht im Grunde mit diesem großen Mann anfing –
meinem Ehemann Lyndon LaRouche –, der vor vielen Jahrzehnten, vor fast einem
halben Jahrhundert, die Idee einer gerechten neuen Weltwirtschaftsordnung
hatte. Das wurde deutlicher sichtbar in den 70er und 80er Jahren, besonders
aber 1991, als die Sowjetunion zerfiel, wurde diese Idee der Schaffung einer
gerechten neuen Weltwirtschaftsordnung sehr prominent.
Ich konnte persönlich erleben, wie sich das ausweitete, nachdem Xi Jinping
2013 in Kasachstan die Neue Seidenstraße ankündigte. 2014 fuhr ich nach China,
und zu dem Zeitpunkt waren es noch sehr wenige offizielle Vertreter, die
darüber sprachen; aber dann verbreitete es sich sehr schnell. Es gab
Industriemessen in allen Städten in China und Hunderte internationale
Symposien. Die BRICS-Länder begannen sich im gleichen Geist zu verbinden, auch
die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, insgesamt waren es mehr als
hundert Länder und große internationale Organisationen. Es erweiterte sich mit
dem Gürtel- und Straßen-Forum im Frühjahr im Mai, wo 29 Staatsoberhäupter
sprachen und 110 Nationen teilnahmen. Und ich denke, diese Entschlossenheit
der Chinesen, eine neue Weltwirtschaftsordnung ins Leben zu rufen, wurde auf
dem 19. Nationalen Kongreß der Kommunistischen Partei im Oktober noch einmal
auf ganz neue Weise konsolidiert.
Eine optimistische Perspektive
Das bewirkt eine ganz optimistische Perspektive. Xi Jinping hat
angekündigt, daß China bis 2020 ein Land sein wird, in dem die Armut völlig
ausgerottet ist. Ich finde das wundervoll! Und es ist auch absolut
glaubwürdig, weil China ein unglaubliches Wirtschaftswunder hatte und 700
Millionen Menschen aus der Armut erhob. Jetzt sind nur noch 42 Millionen Arme
übrig, warum auch sollten sie es nicht erreichen, daß es bis 2020 keiner mehr
ist? Bis 2035 soll China ein großes, modernes sozialistisches Land mit
chinesischer Ausprägung sein – was meiner Ansicht nach vor allem
konfuzianische Ausprägung bedeutet. 2050 wird China, Xi Jinping zufolge, ein
großes, modernes sozialistisches Land mit chinesischer Ausprägung sein,
wohlhabend, stark, demokratisch, kulturell fortgeschritten, harmonisch und
schön. Die Chinesen sollen dann glücklicher sein und ein sichereres und
gesünderes Leben haben. Aber auch die Menschen der anderen Länder der Welt
sollen ein besseres und gesünderes und glücklicheres Leben haben.
Die chinesischen Medien haben sehr stolz angekündigt, daß dies eine große
Vision für die Zukunft ist, daß eine neue Ära eingeläutet wurde. Xinhua schrieb, China werde einen neuen und größeren Beitrag zu der edlen Sache
von Frieden und Entwicklung für die ganze Menschheit leisten. Das können die
Chinesen sehr leicht verstehen, weil das ganze Land schon um diese Mission
vereint ist.
Der Geist der Neuen Seidenstraße ergreift auch die mehr als 70 Länder, die
sich daran beteiligen. Auch viele im Westen haben das verstanden; entweder
weil sie in China investiert haben, oder weil sie wissen, daß die Neue
Seidenstraße das größte Infrastrukturprogramm der Geschichte ist. Es ist schon
jetzt 12mal oder vielleicht sogar 20mal größer als der Marshall-Plan der
Nachkriegszeit – aber ohne den militärischen Beigeschmack. Es begeistert
jeden, der das Projekt kennt.
Ablehnung im Westen
Aber es gibt natürlich auch diejenigen im Westen, die völlig dagegen sind.
Es läuft jetzt der Kampf zwischen dem alten Paradigma der Geopolitik und dem
Neuen Paradigma der einen Menschheit. Die Vertreter des alten Paradigmas
sagen: „Ach, was Xi Jinping sagt, ist bloß leere Propaganda. Die wahre Absicht
der Chinesen ist es, die Vereinigten Staaten als Hegemon abzulösen. Xi Jinping
ist ein Diktator; er will nur ein System, das eine Gefahr für das westliche
Modell der marktorientierten Demokratie ist. Deshalb ist es schlecht.“ Der
Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, erklärte sogar in seiner
sog. „Rede zur Lage der Union“, die EU sei entschlossen, chinesische
Investitionen in Europa unter allen möglichen Vorwänden zu blockieren. Viele
Denkfabriken wie MERICS oder die Rhodium Group sehen es im Grunde nur als
geopolitische Herausforderung. Der Spiegel hatte letzte Woche eine
große Titelstory mit chinesischen Schriftzeichen auf der Titelseite: Xing
lái, „Aufwachen!“, einen Artikel über den erwachenden Riesen, wo es hieß,
als Trump vor zwei Wochen nach China fuhr, habe er einen Kotau gemacht; es sei
seine Abschiedsrede der Führung der Welt gewesen, die er an China übergeben
habe. Der Westen müsse dringend aufwachen und sich gegen ein aufsteigendes
China wehren; Chinas Errungenschaften seien eine Bedrohung der Werte und des
Systems des Westens.
Ist das nicht lustig? Heute besagen die Schlagzeilen, der Kollaps von
Chinas Banken und Chinas Wirtschaft werde einen globalen Finanzkollaps
auslösen; und morgen schreiben dieselben Zeitungen, China stehe kurz davor,
die Welt zu übernehmen. Offensichtlich drehen einige dieser Kritiker völlig
durch darüber, daß die alte Ordnung – die Idee einer unipolaren Welt und
geopolitischer Kontrolle auf der Grundlage der anglo-amerikanischen
Sonderbeziehung in der Tradition von Churchill und Truman in der
Nachkriegszeit und dem, was die Neokonservativen nach dem Kollaps der
Sowjetunion aufbauten – daß dieses System eindeutig nicht funktioniert.
Das sieht man an der Revolte gegen das System: der Brexit, die Niederlage
Hillary Clintons bei US-Wahl, das Nein beim Referendum in Italien, das
erbärmliche Zusammenbrechen der Verhandlungen über die Jamaika-Koalition in
Deutschland – der Grund dafür war, daß keine der beteiligten Parteien eine
Vision für die Zukunft oder irgendwelche substantiellen Ideen hatte. Diese
Parteien verstehen nicht die sich rasch verändernde strategische Orientierung
auf der Welt.
Der gemeinsame Nenner aller dieser Phänomene ist, daß das westliche,
neoliberale, linksliberale Establishment völlig unfähig und nicht gewillt ist,
über die Ursachen des Niedergangs dieses westlichen Systems nachzudenken.
Nämlich: die absurde Einkommensschere, wo acht einzelne Personen genauso viel
besitzen wie die Hälfte der Menschheit und die Schere zwischen reich und arm
in jedem Land größer wird; die Politik der Regimewechsel, Farbenrevolutionen;
die unsägliche Lage bei der Flüchtlingskrise.
Die Menschen haben auch erfahren, daß das, wofür wir buchstäblich
jahrhundertelang gekämpft haben, hinsichtlich der Bürgerrechte, fast ohne
Diskussion weitgehend verschwunden ist. Es gibt die totale Überwachung durch
die NSA, den CGHQ – den britischen Geheimdienst. Die westlichen Werte der
Demokratie sind in Scherben. Wenn die Führung der Demokraten ein Jahr vor dem
Parteikonvent entscheidet, wer der Kandidat sein soll, und dann die Wahl ein
Jahr lang gegen Bernie Sanders manipuliert, ist das kein schönes Bild von
Demokratie. Da gibt es die illegalen Absprachen der amerikanischen
Demokratischen Partei mit dem britischen Geheimdienst MI-6, um das
„Russiagate“ gegen Trump zu erfinden. Da sind die illegalen Absprachen von
Obamas Geheimdienstchefs gegen den gewählten Präsidenten der Vereinigten
Staaten.
Und wenn man sich die berühmten „Menschenrechte“ des Westens ansieht: Sogar
die UN-Menschenrechtskommission verurteilt das, was die Troika in Ländern wie
Griechenland tut, als krassen Verstoß gegen die Menschenrechte. Es herrscht
eisiges Schweigen über den Völkermord im Jemen, den die Briten und Saudis
anrichten. Auch die Art, wie die EU die Flüchtlinge behandelt, wurde von den
Vereinten Nationen als Menschenrechtsverletzung bezeichnet.
Wenn diese Leute China kritisieren, sieht man nur, daß sie ihre eigenen
Absichten und Sichtweisen auf China und die Neue Seidenstraße projizieren.
Diese Leute im Westen, die China angreifen, können sich nicht vorstellen, daß
es eine Regierung gibt, die wirklich dem Gemeinwohl und einer harmonischen
Entwicklung aller Menschen verpflichtet ist; denn sie denken, daß die Welt ein
Nullsummenspiel ist, wo einer nur gewinnt, wenn der andere verliert. Daß sie
die Regeln machen müssen, damit sie das Spiel zu ihren Gunsten manipulieren
können, und wer das nicht kann, der verliert.
Dies alles führt zu ganz absurden Schlußfolgerungen. So veröffentlichte
beispielsweise 1995 Lester Brown, damals Präsident des Earth Policy Institute,
eine große Schauergeschichte: „Wer wird China ernähren?“, worin er sagte, die
wachsende Zahl der Menschen in China werde eine wachsende Nachfrage nach
Nahrungsmitteln bedeuten, so daß die Nachfrage das Angebot an Nahrungsmitteln
auf der Welt übersteigen werde. Dies ist natürlich nur die alte
malthusianische Vorstellung, daß die Zahl der Menschen schneller steigt als
die Menge der Nahrungsmittel. Aber wenn man China heute sieht, kann man dort
1,4 Milliarden Menschen sehr wohl ernähren, und ich kann Ihnen versichern: mit
ausgezeichnetem Essen! Viele Länder sollten neidisch sein, daß es dort so
gutes Essen gibt – z.B. die Briten. China produziert heute 30% der
Weltwirtschaft. Die Realität ist also durchaus anders, als es die westlichen
Medien darstellen.
2014 veröffentlichten wir die Studie Die Neue Seidenstraße wird zur
Weltlandbrücke. Und das ist genau das, was jetzt passiert. Was mit der
alten Seidenstraßen-Verbindung zwischen China und Europa begann, entwickelt
sich jetzt sehr schnell zu sechs großen Entwicklungskorridoren. Es gibt
bereits 40 Bahnstrecken, auf denen jede Woche Güterzüge von China nach
verschiedenen europäischen Orten fahren. Die 16+1-Länder, d.h. die ost- und
mitteleuropäischen Länder, veranstalten gerade eine Konferenz in Budapest, sie
sind ganz an Bord bei der Neuen Seidenstraße. Es gibt eine neue
Balkan-Seidenstraße. Der Präsident von Panama war gerade in China aus dem
Anlaß, daß Panama seine diplomatischen Beziehungen von der Bindung an Taiwan
wechselte, es ist jetzt mit Festlandchina verbündet. Panamas Präsident sagte,
ganz Lateinamerika werde sich der Neuen Seidenstraße anschließen, und dies sei
nicht gegen die Vereinigten Staaten gerichtete, weil die auch eingeladen sind,
sich zu beteiligen. Die Neue Seidenstraße hat auch Afrika erreicht und hat
dort die Stimmung in unglaublicher Weise verändert. Es herrscht dort jetzt ein
großer Optimismus.
Neuausrichtung der Vereinigten Staaten
Aber die wichtigste Wende ist natürlich die der Vereinigten Staaten in
ihrem Verhältnis zu China. Bei der jüngsten Reise von Präsident Trump, der
dort einen zweitägigen Staatsbesuch machte, war das offensichtliche Resultat
besonders folgenreich. Denn wenn die beiden größten Volkswirtschaft der Welt
ein gutes Verhältnis haben, dann bewegt sich der Weltfrieden in eine sehr
positive Richtung.
Erinnern wir uns, daß Obamas Politik der sog. „Schwenk nach Asien“ und das
Freihandelsabkommen TPP war, das war die Idee der Einkreisung Chinas und
Ausschließung Chinas. Es gibt immer noch ein Element von Geopolitik, man muß
also wachsam sein, wenn der Begriff „indo-pazifisch“ benutzt wird – das ist
die Idee, Japan, Australien und Indien als Gegengewicht zu China zu
benutzen.
Aber der große Durchbruch kam, als Trump China besuchte, wo Xi Jinping ihn
in unglaublicher Weise empfing – er nannte das einen „Staatsbesuch-plus-plus“.
Es wurde sogar die ganze Verbotene Stadt einen Tag lang geschlossen. Die
Verbotene Stadt ist die größte Ansammlung von Palästen, wo die chinesischen
Kaiser seit dem 17. Jahrhundert lebten. Sie ist unglaublich schön,
majestätisch, wirklich atemberaubend. Xi Jinping benutzte also den ganzen Tag,
um Trump und der First Lady einen Kurs in chinesischer Geschichte zu geben.
Sie hatten ein schönes Galadinner, es wurden drei Pekingopern aufgeführt.
Ich möchte Ihnen einige Äußerungen Präsident Trumps darüber vorlesen, von
denen ich denke, daß Sie sie kennen müssen, weil die westlichen Medien
natürlich kein Wort darüber berichten.
Trump kommentierte am nächsten Tag seinen Empfang und sagte:
„Gestern besuchten wir die Verbotene Stadt, ein stolzes Symbol von Chinas
reicher Kultur und majestätischem Geist. Ihre Nation ist ein Zeugnis von
Jahrtausenden pulsierender, lebendiger Geschichte. Und heute war es eine
außergewöhnliche Ehre, von der chinesischen Delegation hier an der Großen
Halle des Volkes begrüßt zu werden. Dieser Augenblick der Geschichte bietet
unseren beiden Nationen eine unglaubliche Gelegenheit, Frieden und Wohlstand
zu fördern, an der Seite anderer Nationen in aller Welt. Wie ein chinesisches
Sprichwort sagt: ,Wir müssen die Sache weiterführen und den Weg in die Zukunft
bahnen.’ Ich habe großes Vertrauen, daß wir diese wundervolle Vision
verwirklichen können, eine Vision, die für China wie für die Vereinigten
Staaten so gut und, jawohl, so großartig sein wird.
Obwohl wir aus verschiedenen Orten und weit voneinander entfernten Ländern
kommen, gibt es vieles, was den Osten und den Westen miteinander verbindet.
Unsere Länder wurden beide aufgebaut von Menschen mit großem Mut, starker
Kultur und einem Antrieb, sich mit dem Treck durch das Unbekannte in große
Gefahr zu wagen. Aber sie haben sie überwunden. Das Volk der Vereinigten
Staaten hat tiefsten Respekt vor dem Erbe Ihres Landes und den edlen
Traditionen seines Volkes. Ihre alten Werte vereinen Vergangenheit und Zukunft
in der Gegenwart. Wie schön! Es ist meine Hoffnung, daß der stolze Geist des
amerikanischen und des chinesischen Volkes unsere Bemühungen inspirieren wird,
eine gerechtere, sicherere und friedlichere Welt zu erringen – eine Zukunft,
die den Opfern unserer Vorfahren und den Träumen unserer Kinder würdig
ist.“
Ich bin sicher, daß Sie das nicht in der Bildzeitung über Trump
lesen werden, es wird niemals berichtet, was Präsident Trump wirklich tut.
Der chinesische Botschafter in Washington, Cui Tiankai, wies kürzlich
darauf hin, daß in der Weltgeschichte 16 mal ein aufsteigendes Land das bis
dahin vorherrschende Land ablöste. In 12 Fällen führte das zum Krieg, und in
vier Fällen übernahm das aufsteigende Land friedlich die Vorherrschaft. Er
sagte, China wolle keines von beiden, sondern es wolle ein ganz anderes System
einer „Win-win“-Beziehung mit Gleichheit und gegenseitigem Respekt.
Offensichtlich ist, wenn man darüber nachdenkt, die wichtigste strategische
Frage heute, daß wir die „Thukydides-Falle“ vermeiden. Das war die Rivalität
zwischen Athen und Sparta im 5. Jahrhundert v.Chr., die zum Peloponnesischen
Krieg und zum Niedergang des antiken Griechenland führte. Daß das heute, im
Zeitalter thermonuklearer Waffen, zwischen den Vereinigten Staaten und China
geschehen sollte, wird sich kein Mensch wünschen, der bei Verstand ist.
Deshalb sollten alle wir sehr froh sein, daß Trump und Xi Jinping diese
sehr wichtige Beziehung entwickelt haben. Ich habe mich in den Vereinigten
Staaten im Februar weit hinausgewagt und gesagt, wenn Präsident Trump es
schafft, ein gutes Verhältnis der Vereinigten Staaten zu China und zu Rußland
aufzubauen, dann wird er als einer der größten amerikanischen Präsidenten in
die Geschichte eingehen. Darüber waren natürlich alle ganz entsetzt, weil das
nicht das Bild ist, das die Leute von Trump haben sollen. Aber ich denke, wenn
Sie sich ansehen, was geschieht, dann werden Sie sehen, daß Trump auf gutem
Wege ist, genau das zu erreichen.
Er kam von dieser Asienreise zurück mit Wirtschaftsgeschäften mit China im
Umfang von 253 Mrd. Dollar. Ich habe die Pressekonferenz des Gouverneurs von
West-Virginia, Jim Justice, gesehen, wo er sagte, daß es jetzt dank China in
West-Virginia Hoffnung gibt. West-Virginia ist ein Bundesstaat in einer
totalen Wirtschaftsdepression, mit hoher Arbeitslosigkeit und einer
Drogenepidemie. Aber er sagte, jetzt können wir Mehrwert-Produktion haben, wir
werden eine glänzende Zukunft haben. So hat der Geist der Neuen Seidenstraße
sogar West-Virginia erfaßt.
Offensichtlich haben die Vereinigten Staaten einen enormen Bedarf an
Infrastruktur, besonders jetzt nach den Zerstörungen durch die Hurrikans.
Allein das wiederherzustellen, was dadurch zerstört wurde, erfordert 200
Mrd.$, von Katastrophenschutz ganz zu schweigen. Das ist also alles auf gutem
Wege, daß China in die Infrastruktur in den Vereinigten Staaten investieren
wird und umgekehrt US-Firmen bei Projekten der Gürtel- und Straßen-Initiative
kooperieren werden.
Alles dies hat eine strategische Neuorientierung zur Folge. Das Verhältnis
zwischen den Präsidenten Xi und Putin ist das beste in der Geschichte [beider
Nationen]. Sie haben eine enge Freundschaft entwickelt, und das weitet sich
jetzt schnell aus mit der Integration der Neuen Seidenstraße und der
Eurasischen Wirtschaftsunion.
Hoffnung für den Nahen Osten und Afrika
In einer separaten, aber doch verwandten Entwicklung gab es gerade einen
historischen Besuch des Präsidenten Baschar al-Assad aus Syrien in Sotschi,
der sich mit Putin traf. Was wirklich geschah, ist genau das Gegenteil von
dem, was man in den Medien liest. Die sagen: dieser Diktator Putin und dieser
schreckliche Assad. Aber was geschah, war das Gegenteil. Putin stellte Assad
die russische Militärführung vor, und Assad dankte ihnen dafür, daß sie Syrien
gerettet haben.
Man erinnere sich: Als Putin vor gut zwei Jahren entschied, daß das
russische Militär in Syrien intervenieren wird, um ISIS zu besiegen, befand
sich das Land in völliger Auflösung. Die Lage war hoffnungslos, gegen al-Kaida
und ISIS etc. Jetzt sind sie militärisch besiegt, und der Wiederaufbau kann
beginnen. Assad lud die Flüchtlinge ein, zurückzukehren, um beim Wiederaufbau
des Landes zu helfen. Die Seidenstraße wird auch nach Afghanistan erweitert,
in den Irak und hoffentlich alle anderen Länder dort. Es gibt einen großen
Plan Putins mit dem Astana-Prozeß. Er bindet die Türkei und Jordanien ein und
versucht sogar, Saudi-Arabien auf einen anderen Kurs zu bringen.
Die Idee, die Neue Seidenstraße nach Südwestasien zu verlängern, haben wir
schon seit langem vertreten. Aber 2012 hatten wir eine Konferenz des
Schiller-Instituts in Frankfurt, wo wir sagten, der einzige Weg, den
Terrorismus zu stoppen und Entwicklung und Frieden im Nahen Osten zu schaffen,
besteht darin, daß alle großen Nachbarn, Rußland, China, Indien, Iran, die
Vereinigten Staaten und auch europäische Länder, gemeinsam die wirtschaftliche
Entwicklung vorantreiben. Das ist jetzt dank der russischen
Militärintervention und der chinesischen Verlängerung der Seidenstraße eine
realistische Möglichkeit.
In diesem Kontext ist auch das Verhältnis zwischen Putin und Trump auf
einem viel besseren Weg. Nach Assads Besuch führten sie ein
anderthalbstündiges Telefongespräch, und Leute in Rußland auf verschiedenen
Ebenen – in der Duma, im Föderationsrat – äußerten sich hinterher sehr
optimistisch, daß das Verhältnis zwischen Rußland und den Vereinigten Staaten
jetzt viel fruchtbarer und besser werde könne.
Denken Sie einmal darüber nach – fast alles, was ich sage, widerspricht
allem, was Sie in den westlichen Medien hören. Aber von wem kommt der Impuls
für Frieden und Entwicklung? Kommt er von denen, die Putin, Xi und Trump
attackieren? Und die auf Obamas Seite stehen? Es ist offensichtlich an der
Zeit, daß die Menschen überdenken, was der westliche Standpunkt in allen
diesen Dingen ist, oder die Welt durch eine ganz andere Brille betrachten.
Neben den Veränderungen im Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und
China in Südwestasien gibt es die größte Veränderung zum besseren als Resultat
der Neuen Seidenstraße in Afrika. China investiert in Afrika in Eisenbahnen,
sie haben eine Bahnstrecke von Dschibuti nach Addis Abeba gebaut, sie bauen
andere Bahnen von Kenia, die bis nach Ruanda gehen sollen, Dämme mit
Wasserkraftwerken, Industrieparks etc. Besonders in den letzten vier Jahren
hat sich die Sicht der meisten Afrikaner völlig verändert, denn sie sehen zum
erstenmal, daß ohne die Unterdrückung des Kolonialismus und die Verweigerung
von Entwicklung durch die IWF-Konditionalitäten es möglich ist, den Kontinent
wirklich wirtschaftlich zu entwickeln. Sie wollen nicht mehr belehrt werden
über gute Regierungsführung („Governance“), Menschenrechte und Demokratie ohne
Entwicklung – also das, was die Europäer gewöhnlich anbieten –, sondern sie
wollen als gleichberechtigte Partner behandelt werden.
LaRouches großer Entwurf 1980
Lassen Sie mich die Person würdigen, die diese Vision über Afrikas
Entwicklung schon vor mehr als 40 Jahren hatte: wieder einmal mein lieber
Ehemann. [Applaus] Er schrieb 1980 als Zusatz zum Lagos-Aktionsplan der OAU
eine Schrift mit dem Titel „Stoppt den Völkermord des IWF in Afrika – ein
kritischer Kommentar als Anhang zum Lagos-Aktionsplan“. Darin beschreibt er
eine schöne Vision, ein Grand Design für die Entwicklung Afrikas auf der
Grundlage von LaRouches wissenschaftlicher Methode der physikalischen
Ökonomie, die wiederum auf Leibniz und Alexander Hamiltons Kreditpolitik
beruht. LaRouche hat dem natürlich sehr viel hinzugefügt. Er schrieb:
„Das kompetente Konzept ökonomischer Prozesse erwächst ursprünglich aus
einem moralischen Prinzip, das jedem vernünftigen Erwachsenen oder
Heranwachsenden in jedem Teil der Welt, egal wie gebildet oder ungebildet,
unmittelbar zugänglich ist: Um meinem Modell individueller Existenz einen Wert
zu geben, wie entwickele und informiere ich mein Handeln, um etwas zum Wohle
der Entwicklung zukünftiger Generationen zu erschaffen?“
Lyn definiert Wirtschaftswissenschaft als untrennbare Facette der
Wissenschaft, die man gewöhnlich Staatskunst nennt; dazu gehören die
Entwicklung des Rechts und der kulturelle Fortschritt der Menschen, die
Entwicklung des einzelnen, um die gesetzmäßigen Prinzipien der Komposition des
Universums zu meistern. Er beschrieb das genaue Gegenteil des Club of Rome mit
dessen angepaßter Technologie und nachhaltiger Entwicklung, was nur eine
andere Bezeichnung für gar keine Entwicklung ist. Er schlug vor, die
Arbeitskräfte ständig für höhere Produktionsmethoden zu qualifizieren, indem
man große Teile der Beschäftigung von ländlichen auf städtische produktive
Beschäftigung umlenkt, deren Produktionsmethoden ständig höhere
Energieflußdichten verwenden.
Als Bezugspunkt für die Entwicklung Afrikas nahm er die Entwicklung der
Vereinigten Staaten, wie etwa der US-Landwirtschaft: Ende des 18. Jahrhunderts
arbeiteten 98% der Amerikaner in der Landwirtschaft, aber heute weniger als
4%, die offensichtlich viel mehr Nahrungsmittel als damals erzeugen. Diesen
Weg müsse Afrika gehen. Dazu gehört der Bau von Straßen, Kanälen, Eisenbahnen,
die Spezialisierung von Farmern, Produktivitätsanstieg in Landwirtschaft und
Industrie, ein Übergang weg von arbeitsintensiven zu kapitalintensiven
Produktionsmethoden, bessere Bildung, die Entwicklung der Fähigkeit der
Bevölkerung zu materiellen Umgestaltungen der Natur mit steigender
potentieller relativer Bevölkerungsdichte und höherer Energieflußdichten.
Er sagte: „Die Entwicklung Afrikas muß sich daran orientieren, was Nationen
Afrikas bis zum Jahr 2000 und 2020 werden sollen.“ Dies schrieb er 1980, das
sind also zwei Generationen. „Das notwendige Konzept ist eines der Entwicklung
der Produktivkräfte der Gesamtbevölkerung über die zwei Generationen
umspannende Entwicklungsperiode.“
Neben der grundlegenden Infrastruktur – d.h. ein kontinentales Netz von
Eisenbahnen, Wasserwegen, Autobahnen – schlug er eine Kette neuer Städte von
250.000 bis maximal 2 Millionen Einwohnern vor. Im Stadtkern jeder neuen Stadt
wäre eine Ausbildungskomplex, mit pädagogischen Museen, Bibliotheken,
Kulturzentren, Parks, Forschungs- und Lehrinstituten, darunter medizinische
Forschungsinstitute. Er schlug ein Verbundsystem für schnellen Transport von
Personen und Gütern vor, dazu den Übergang von einer kostengünstigen
Transportart zur anderen. Weiterhin Verteilung von Gütern in der Innenstadt
von Lagern in der Stadt, tägliche Lieferung leicht verderblicher Güter wie
Nahrungsmittel. Und um diesen Kern des Bildungskomplexes herum liegen dann
Wohngebiete, Industrie- und Geschäftszonen.
Die Städte sollten nicht nur funktional gut entworfen, sondern auch schön
sein, unter Verwendung der Prinzipien der platonischen Verhältnisse in der
Architektur, wie z.B. die Methoden, die bei gotischen Kathedralen oder der
Architektur der Goldenen Renaissance in Italien verwendet wurden. Dazu gehörte
auch die Vorstellung vieler Bäume und Pflanzen, damit die Menschen glücklich
wären und das Klima abgemildert würde. Er sagte: „Das wesentliche, was die
Bürger einer solchen Stadt im Laufe der stufenweisen Fertigstellung der Stadt
erfahren müssen, ist ein Eindruck ständigen Fortschritts der
Perfektionierung.“
Dazu sollte ein Technologietransfer aus den entwickelten Ländern
stattfinden, der durch Beihilfen finanziert wird. Er betonte richtig, daß der
Technologietransfer aus Europa und den Vereinigten Staaten nach Afrika die
Wirtschaft in den exportierenden Nationen ankurbeln und ihre Steuereinnahmen
erhöhen würde. Die Entwicklungsländer, die Beihilfen erhalten, würden zu den
Kunden der nächsten Generation für Käufe auf Kreditbasis. Die exportierenden
Nationen würden sich auf diese Weise wohlhabende Kunden von morgen heranziehen
und hätten einen beschleunigten Umsatz von Realkapital. Zudem würden die
exportierenden Länder ihre Produktivität und somit ihren nationalen und
Pro-Kopf-Besitz erhöhen.
Das ist offensichtlich das genaue Gegenteil von dem, was der IWF getan hat,
der Länder in die Schuldenfalle lockte, wie John Perkins in seinem Buch
Bekenntnisse eines Economic Hit Man recht dramatisch beschrieben
hat.
Andererseits sagte Lyn, die technologieexportierenden Nationen müßten
diejenigen Arbeitskräfte in den Entwicklungsländern finden, die unmittelbar
für produktive Beschäftigung fortgebildet werden können, in der sie die
fortgeschrittensten importierten Technologien anwenden, die aus den
Industrieländern als Erweiterung des Grundkapitals geliefert werden. Die
Arbeitskräfte könnten sich an die modernen Technologien anpassen, und das
müsse stetig ausgeweitet werden. Dies erfordere Methoden zur Förderung des
Entwicklungspotentials der Bevölkerung auf Massenbasis. Die Investitionen in
die Infrastruktur und in die Entwicklung der Bevölkerung müßten also
gleichzeitig geschehen. Er schreibt: „Jedes Kind, das in irgendeinem Teil der
Welt geboren wird, hat das Potential, seine Geisteskräfte auf das Niveau zu
entwickeln, das für eine direkte kompetente Nutzung moderner Technik
ausreicht. Dieses Entwicklungspotential ist die einzige Quelle des Wohlstands.
Für einen wirklich klugen Kreditgeber ist diese Entwicklung ein kreditwürdiges
Gut.“
Was geschieht nun an dem Punkt, wo die wirtschaftliche Entwicklung den
Großteil der Bevölkerung der Welt erfaßt hat? Bis dahin braucht man einen so
hohen Anstieg der Rate der Entwicklung von Technologie, daß wir nicht länger
darauf angewiesen sind, die Wirtschaft quantitativ zu vergrößern. Wenn dieser
Übergang zu einer Neuen Weltwirtschaftsordnung vollzogen ist, werden immer
mehr Mitglieder der Gesellschaft als Künstler leben und arbeiten – als Goldene
Seelen, wie Plato sie beschreibt; als „schöne Seelen“, von denen Schiller
spricht; als junzi, die konfuzianische Idee des edlen Menschen; oder
die Menschen auf der Ebene von Dantes Paradies in seiner Commedia; oder
wie Wladimir Wernadskij sagt, daß die Noosphäre, der Teil des physischen
Universums, der von der schöpferischen Aktivität des Menschen geprägt ist,
immer mehr der Biosphäre übernimmt.
Was jetzt geschieht, geht in diese Richtung. Was Xi Jinping als ein Ziel
für 2050 für China und den Rest der Welt definiert hat, ist ein besseres und
glücklicheres Leben, Überwindung der Armut, Menschen, die ihr Leben sinnvollen
Zwecken widmen können – das geht tatsächlich sehr stark in diese Richtung.
Ist das realistisch? Ich höre schon das Protestgeschrei der Neoliberalen
wie der Neokonservativen im Westen: „Was ist mit westlichen Werten? Was ist
mit unserer Freiheit? Was mit der Demokratie?” – oder besser „marktkonforme
Demokratie“, wie Frau Merkel es gerne formuliert.
Wir sollten lieber darüber nachdenken, wohin uns diese Werte in Europa
gebracht haben. Europa ist völlig zerstritten. Wir stehen kurz vor dem
Ausbruch einer schlimmeren Finanzkrise als 2008. Die EU hat gerade Richtlinien
fertiggestellt, die jede Möglichkeit der Bankentrennung ausschließen, während
China diese gerade bekräftigt hat. Die rechten Bewegungen werden stärker. Die
Flüchtlingskrise hat Europas Ruf in der Welt völlig ruiniert. Es gibt eine
gefährliche Stimmung gegen Immigranten. Das ganze soziale und politische
Gewebe Europas löst sich auf, denn Europa in seiner gegenwärtigen Form der
Europäischen Union ist wie ein riesiger Turm von Babylon – der Versuch einer
Vermischung von Kulturen, Sprachen und Geschichte, der zu immer mehr
Spannungen zwischen der supranationalen Integration und dem Selbstinteresse
dieser Nationen Europas führt. Ganz zu schweigen von der schlimmsten
Regierungskrise seit 1949, seit der Gründung der Bundesrepublik
Deutschland.
Leibniz über Europa und China
Nun ist es nicht das erste mal, daß Europa in schlechtem Zustand ist.
Gottfried Wilhelm Leibniz befaßte sich damit 1670 in einem politischen
Memorandum, worin er die Herausforderungen seiner Zeit aufzählt: schlecht
aufgestellter Handel und Fabrikation, eine völlig entwertete Währung,
rechtliche Unsicherheit und Verschleppung aller juristischen Handlungen, eine
wertlose Bildung, zunehmender Atheismus, schreckliche Moral, als wären die
Menschen von einer fremden Seuche befallen, ein erbitterter religiöser
Konflikt, der uns schwächt und am Ende völlig ruinieren kann. Das war also die
Lage, die Leibniz sah, das waren noch die Folgen der 150 Jahre langen
Religionskriege in Europa.
Er kam auf die Idee, daß die Lösung in einer Verbindung der alten
chinesischen natürlichen Theologie und der europäischen Kultur läge. Er nannte
es einen glücklichen Zufall, daß die beiden entwickeltsten Kulturen der Welt
quasi an zwei Polen lagen und Europa und China einander die Hände reichen.
Durch einen Austausch zwischen ihnen könne die Zivilisation die nächsthöhere
Stufe in der Menschheitsgeschichte erreichen.
Im Vorwort zu seiner Schrift Novissima Sinica – Das Neueste aus China – brachte er diese Absicht zum Ausdruck. Leibniz verfolgte alle
Nachrichten aus China genau; er hatte einen lebhaften Austausch mit vielen
Jesuitenmissionaren, die ihn über alle Entwicklungen in der Wissenschaft
informierten, ebenso wie über den berühmten Rechtsstreit, in dem er sich auf
die Seite von Leuten wie Matteo Ricci stellte. Er sagte, der Konfuzianismus
habe weit mehr zu bieten als jedes andere Glaubenssystem seiner Zeit. „Die
Chinesen sollen Missionare nach Europa schicken, so daß wir von ihnen
natürliche Religion lernen können, die wir fast verloren haben.“ Er schlug
einen Austausch kultureller Botschafter vor, eine für seine Zeit sehr moderne
Idee. Er sagte: „Es gibt in China eine in vieler Hinsicht bewundernswerte
öffentliche Moral, verbunden mit einer philosophischen Doktrin oder besser
einer altehrwürdigen natürlichen Theologie, die seit etwa 3000 Jahren
etabliert und autorisiert ist, lange vor der Philosophie der Griechen.“
Für Leibniz bewies die Wesensverwandtschaft von Konfuzius und dem
Christentum trotz aller kulturellen Unterschiede, daß die Menschheit die
Vernunft als universelle Eigenschaft hat. Die Tatsache, daß Kaiser Kung-Xi und
er, Leibniz, sich die gleichen mathematischen Lösungen anhörten, bewies für
ihn den universellen Charakter der menschlichen Vernunft und Gattung. Er
betonte, daß das Li in der chinesischen Philosophie sich auf die
höchste Ordnung des Universums bezieht, in der Harmonie herrscht, wenn jedes
Wesen seine gesetzmäßige Funktion an seinem angemessenen Ort ausübt. Und
zusammen mit dem Begriff des Ren, was annähernd dem christlichen
Begriff agape – (Nächsten-)Liebe – entspricht, werden zwar
unterschiedliche Terminologien und Konzepte verwendet, aber sie haben eine
Analogie und Wesensverwandtschaft, die Leibniz in seiner Monadologie beschreibt. Wie Leibniz schreibt:
„Gott hat das Universum über eine prästabilierte Harmonie geschaffen, wo
der Bereich der spirituellen und materiellen Welt, die Seele und der Körper,
in völliger Übereinstimmung sind. Das ist so, weil Gott – in seiner göttlichen
Vorhersehung – die materielle und spirituelle Substanz in einer so geordneten
Weise und mit solcher Präzision geschaffen hat, daß selbst wenn sie ihrer
eigenen, in ihre Natur eingebetteten Gesetzmäßigkeit folgen, es dennoch eine
solche Kohäsion gibt, als existierte zwischen ihnen eine gegenseitige
Folgerichtigkeit. Und als wirkte Gott, abgesehen von seinem allgemeinen
Beitrag, in jedem einzelnen Augenblick. Jede Monade, jede uniforme Substanz,
spiegelt im Keim das ganze Universum insgesamt wider. Aber sie beziehen sich
nur aufeinander, weil sie am absoluten Wesen Gottes teilhaben.“
Wenn man diese innere Übereinstimmung zwischen der alten chinesischen
Philosophie, und insbesondere ihrem konfuzianischen Ausdruck, und den Ideen
von Leibniz versteht, dann überrascht es nicht, daß er diese Affinität nicht
nur erkannte, sondern auch konkret überzeugt war, daß ein wechselseitiger
Austausch zwischen beiden Kulturen zu einem noch höheren, fortgeschritteneren
Niveau der Zivilisation führen würde.
Zu Leibniz’ Plänen für dieses Projekt gehörte u.a. die Schaffung einer
Weltsprache, wofür er die chinesische Sprache und Schrift als die geeignetste
betrachtete; die Schaffung einer Weltakademie der Wissenschaften, in der
chinesische und westliche Wissenschaftler zusammenarbeiten; die Schaffung
eines Weltbürgertums, das es allen Menschen erlaubt, alle Kulturen der Welt in
sich aufzunehmen. Die zukünftige Rolle Rußlands wäre die, zwischen China und
dem Westen zu vermitteln; die Entwicklung Sibiriens ebenso wie die
Nordafrikas. Peter der Große, mit dem er in Kontakt stand, befahl 1712 die
Expedition von Vitus Jonassen Bering, nach dem die Beringstraße benannt ist.
Vergleichende Sprachstudien sollten den gemeinsamen Ursprung der menschlichen
Sprachen finden, was später Philologen wie Humboldt und andere
weiterverfolgten. Eine chronologische Studie der Geschichte des Westens und
Chinas. Das einzige Museum, wo ich so etwas gesehen habe, ist das Museum in
Taipeh, wo es eine wunderschöne Ausstellung gibt, in der man oben die
Geschichte Chinas sieht und darunter das, was zur gleichen Zeit in der
westlichen Kultur geschah – was einen ganz anderen Weg eröffnet, die
Universalgeschichte zu betrachten. Auch das binäre System, das zur Grundlage
von Computern und ähnlichem wurde. Die Entwicklung eines Notenschlüssels, der
es erleichtern würde, die chinesische Sprache zu lernen. Ich denke, jeder, der
versucht hat, Chinesisch zu lernen, wäre für einen solchen Schlüssel sehr
dankbar. Die Entwicklung einer Methode, um die Unterschiede zwischen der
westlichen und der chinesischen Kultur zu studieren. Die Prinzipien eines
neuen Moralkodex für westliche Staatsmänner und Politiker. Eine Analyse des
Konfuzianismus auf der Grundlage westlicher Methoden, in der Absicht, dessen
Nähe zum westlichen Christentum aufzuzeigen.
Wenn man diese Pläne von Leibniz betrachtet, dann ist absolut erstaunlich,
wie sehr sie dem ähneln, was Xi Jinping heute mit der Strategie der Neuen
Seidenstraße tut, die Aspekte alle dieser Pläne enthält. Warum fällt es dann
so vielen Menschen im Westen so schwer, das Angebot einer
„Win-Win-Kooperation“ zwischen allen Nationen anzunehmen, die so
offensichtlich im Interesse aller Menschen wäre?
Der Kulturkrieg des CCF
Lassen Sie mich zurückgehen zum Ende des Zweiten Weltkriegs, um die Wurzeln
dieses Problems zu suchen. Franklin D. Roosevelt hat in seiner berühmten
Debatte mit Churchill in Casablanca ein Ende des Kolonialismus und die Hilfe
der Vereinigten Staaten bei der Entwicklung der Entwicklungsländer
versprochen. Churchill hingegen sagte, die Briten führten den Zweiten
Weltkrieg nicht, um ihr Empire zu beenden.
Leider starb Roosevelt in einem sehr ungünstigen Moment, und Truman, der
ein sehr kleiner Geist war, übernahm das Weiße Haus. Erinnern Sie sich daran,
was Lyn immer wieder berichtet hat, wie schockiert die Menschen waren, als er
in Indien war, daß Roosevelt zu diesem Zeitpunkt starb.
Roosevelt, der im Zweiten Weltkrieg mit der Sowjetunion verbündet war,
lebte also nicht mehr. Churchill füllte dieses Vakuum und hielt im März 1946
in Fulton/Missouri seine berüchtigte Rede über den „Eisernen Vorhang“, mit der
er den Kalten Krieg eröffnete. Er schlug ein neues Bündnis vor, das auf der
Sonderbeziehung zwischen den Vereinigten Staaten und dem Britischen Empire
beruhte. Diese Rede Churchills in Fulton veränderte die Ansichten der
Amerikaner über die Sowjetunion. Im März 1947 folgte dann die Truman-Doktrin,
die solche Schrecklichkeiten ermöglichte wie die Hexenjagden von Senator
Joseph McCarthy in Amerika gegen jeden, der im Verdacht stand, ein Kommunist
zu sein. Unter jedem Bett wurde ein Kommunist vermutet. Das ist genau das, was
jetzt auch in der Hexenjagd gegen Trump geschieht.
Was geschah in Europa? Kürzlich gab es einen erstaunlichen Artikel in der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), in dem über eine Ausstellung
berichtet wurde, die gerade in Berlin stattfindet, anläßlich des 50.
Jahrestags des Skandals über den Kongreß für kulturelle Freiheit (CCF). Der
Kongreß für kulturelle Freiheit, der von 1950 bis 1967 bestand, war ein
gigantisches Programm der CIA zur kulturellen Kriegsführung, mit dem
ausdrücklichen Ziel, Linke, Kommunisten, in den Kalten Krieg gegen die
Sowjetunion hineinzuziehen.
Tatsächlich wollten sie die Axiome in der Bevölkerung beseitigen, die
Franklin D. Roosevelt möglich gemacht hatten. Denn die Wall Street war wütend
darüber, daß Roosevelt das Glass-Steagall-Trennbankengesetz eingeführt hatte,
den New Deal, das Bündnis mit der Sowjetunion. Das war der Moment, als Truman
in Kohäsion mit den Briten die Idee hatte, einen Paradigmenwandel in der
Bevölkerung herbeizuführen. Und genau das wird in dem Artikel der FAZ
gesagt: Es sei nicht der Plan der CIA gewesen, reaktionäre Bewegungen
hervorzubringen, sie haben vielmehr jene links-liberale Haltung erzeugt, die
noch heute in Europa die herrschende „politisch korrekte“ Sichtweise ist.
Ich denke, es lohnt sich wirklich, darüber nachzudenken, denn das ist genau
das, was unter den Dulles-Brüdern und dem Kommando des Hochkommissars John Jay
McCloy geschah. Wenn man sich diese Operation anschaut – sie war gewaltig, sie
umfaßte 35 Länder und 20 Zeitschriften. Sie steuerten praktisch jede
Kunstausstellung, jede Kulturveranstaltung. In Europa gab es nur sehr wenige
Schriftsteller, Dichter, Musiker, Historiker, Kritiker und Journalisten, die
nicht mit diesem Projekt verbunden waren – einige wissentlich, andere ohne es
zu wissen. Es war ein Teil des Kalten Krieges, für die „Befreiung des
menschlichen Geistes“ zu kämpfen.
Der CCF arbeitete wie ein Kartell, er beherrschte die gesamte
Kulturindustrie und gründete sich auf den Mythos einer freiheitsorientierten
Weltanschauung. Man erinnere sich, daß die CIA zur gleichen Zeit, als sie so
vorgab, für die Freiheit einzutreten, einen Putsch gegen Mossadegh
durchführte, die Schweinebucht-Operation, die Operation Phoenix in Vietnam und
ähnliche Dinge.
Das wurde zum Teil mit Geld aus dem Marshallplan finanziert, das zum CCF
umgeleitet wurde, aber auch von insgesamt 170 Stiftungen. Einer der
wesentlichen Ideologen, George Kennan, entwickelte im Dezember 1947 in einer
Rede vor der Nationalen Kriegshochschule die Strategie der „notwendigen Lüge“.
Dies wurde zu einem wesentlichen Teil der US-Außenpolitik, niedergelegt in der
Direktive NSA-48 und später einer weiteren für Operationen zur psychologischen
Kriegführung, und es blieb Jahrzehnte. Die Idee der fake news, die
Bevölkerung durch Lügen zu manipulieren, ist also nichts neues, sie kam nicht
plötzlich mit Trump.
Die Ziele des CCF waren auch die der Frankfurter Schule. Sie wollten den
Idealismus zerstören, die klassische Kultur. Adorno beispielsweise
argumentierte, der Idealismus führe zum Nazismus, weil er zu radikalen
Ansichten führe, und deshalb müsse er ausgerottet werden, um sowohl die
Überreste des Nazismus als auch die sowjetische Diktatur zu beseitigen. Adorno
sagte, dazu müsse die Schönheit vollkommen aus der Kunst ausgemerzt
werden.
Erinnern Sie sich daran, daß Schiller sagte, Kunst, die nicht schön sei,
sei auch keine Kunst. Dem stimme ich vollkommen zu, denn die Kunst muß die
Menschen veredeln und ihren Geist erheben. Und wenn sie nicht schön ist, dann
tut sie das nicht.
In der Musik startete der CCF eine bösartige Kampagne gegen Furtwängler,
und anstelle der klassischen Komponisten förderten sie die Zwölftonmusik,
Alban Berg, Schönberg, Webern. Und sie beseitigten die Idee der polyphonen,
harmonischen Komposition. Die berühmte Autorin Susan Sonntag sagte: „Wir
wußten, daß man von uns erwartete, häßliche Musik als angenehm zu
akzeptieren.“ Das geschieht heute, wenn man in Konzerte geht, im
Rheingau-Musik-Festival und anderen: Da hat man nach Beethoven immer Berg oder
einen anderen modernen Komponisten. Man kann gar nicht mehr in ein klassisches
Konzert gehen.
Sie machten auch Listen der erlaubten Schriftsteller – Ibsen, Shaw, O’Neil,
Wilder, Steinbeck. Sie verboten bestimmte Stücke von Shakespeare und Kleist,
und sie erfanden das berühmte Regietheater, bei dem die Idee ist, die
klassischen Kompositionen von Schiller, Shakespeare vollkommen zu zerstören.
Jeder moderne Regisseur kann seine eigene Interpretation hineinbringen, bis an
den Punkt, daß man das Stück überhaupt nicht mehr wiedererkennt.
Eine große Rolle spielte dabei das Museum of Modern Art in New York, das
die moderne Malerei förderte – Kubismus, Futurismus, Dadaismus,
Expressionismus, abstrakte Kunst, Serialismus usw.
Eine Schriftstellerin namens Eva Cockcroft schrieb im Magazin
ArtForum: „Der abstrakte Expressionismus war eine Waffe des Kalten
Krieges.“ Die Verbindung zwischen dem Kalten Krieg und dem Expressionismus war
absolut kein Zufall, denn er sollte die Fähigkeit des Geistes zerstören, Dinge
zu verstehen. Ausgerechnet Harry Truman ging gerne in die Nationale
Kunstgalerie in den Vereinigten Staaten, um dort Holbein und Rembrandt
anzuschauen. Er sagte: „Welch ein Genuß, und welch ein Unterschied zu unseren
modernen Schmierfinken [mucky pups].“
Der Einfluß des CCF endete somit nicht 1967. Die Sache endete damals, als
das herauskam, mit einem großen Skandal, aber es wirkt bis heute weiter.
Deshalb haben die Leute heute diese links-liberale Ideologie, das ist es, was
hinter der Interventionspolitik, den Farbenrevolutionen, dem Export der
Demokratie, der „Schutzverantwortung“ steht. Das ist es, was Rußlands
Außenminister Lawrow als die „post-christlichen Werte“ bezeichnet. Er sagte:
„Die westlichen Werte sind nicht mehr die Werte, die uns von unseren
Großvätern, von Generation zu Generation, überliefert wurden. Sondern sie sind
verdrängt worden durch ,alles ist erlaubt’, einen völligen Hedonismus, in dem
Freiheit mißverstanden wird als das Recht, daß jeder seine Gelüste im Hier und
Jetzt auslebt. Tue, was du willst.“ Diese Häßlichkeit sieht man heute in den
meisten Filmen, in den Videospielen, in der Kunst, der Jugendkultur, mit allen
Charakteristiken eines Kults der Häßlichkeit. In diesem Sinne war der CCF also
eine sehr erfolgreiche Operation.
Eine neue Renaissance durch einen Dialog der Kulturen
Wir haben also ein großes kulturelles Problem im Westen. Es gibt eine
gewaltige Drogenepidemie in den Vereinigten Staaten, unkontrollierte Gewalt,
fast jede Woche Amokläufe an Schulen, Terrorismus. Aber die gute Nachricht
ist, daß die Lösung zur Überwindung dieser Probleme leicht zugänglich ist. Als
wir das Schiller-Institut vor inzwischen mehr als 33 Jahren gründeten, sagten
wir von Anfang an, daß eine Neue Gerechte Weltwirtschaftsordnung mit einer
Renaissance der klassischen Kultur verbunden sein muß. Deshalb haben wir bei
allen unseren Konferenzen stets auch ein Konzert, in dem dieser Dialog der
klassischen Kulturen zum Ausdruck kommt.
Wir brauchen ganz neue internationale Beziehungen. Wir müssen die
Geopolitik überwinden, und wir brauchen ein System gegenseitiger Beziehungen
mit einem absoluten Respekt für Souveränität, Nichteinmischung, Respekt für
die verschiedenen gesellschaftlichen Systeme, eine „Win-Win-Kooperation“ im
gegenseitigen Interesse aller, und die Perspektive der einen Menschheit.
Nikolaus von Kues, der die Methode des Coincidentia Oppositorum
entwickelte, die Idee des Zusammenfallens der Gegensätze, argumentierte, daß
das Eine eine höhere Macht hat, eine höhere Größenordnung, als das Viele. Also
die Idee, daß Harmonie im Makrokosmos nur möglich ist, wenn man die beste
Entwicklung aller Mikrokosmen hat. Diese Entwicklung darf nicht statisch oder
linear sein, sie wirkt vielmehr wie eine kontrapunktische Fuge, in der jede
Entwicklung die Entwicklung des nächsten Abschnitts fördert, geeint durch ein
höheres Konzept der Komposition.
Wir müssen ein Netz völlig neuer internationaler Beziehungen aufbauen, in
dem jeder Nation erlaubt ist, Staatskunst zu üben und das schöpferische
Potential aller ihrer Bürger zu ermöglichen; ein Austausch zwischen den
Nationen, in denen sich jeder auf die besten kulturellen Traditionen und
Potentiale des anderen konzentriert. China belebt neu den Konfuzianismus und
seine Philosophie der philosophischen, klassischen Kunst in der Dichtung,
Musik und Malerei. In Europa müssen wir genau das gleiche tun. Die Griechen
tun das bereits mit der klassischen Periode des antiken Griechenland, sie
hatten dazu kürzlich eine Konferenz, im wesentlichen über die zehn ältesten
Zivilisationen, und sie beleben diesen Geist wieder. In Italien gibt es die
Goldene Renaissance, in Spanien die Andalusische Renaissance und andere große
Denker. In Frankreich gibt es die Tradition von Ludwig XI., Jeanne d’Arc, die
École Polytechnique. In Deutschland haben wir einen gewaltigen Reichtum an
Philosophen, Komponisten und Dichtern wie Schiller und Beethoven. In Amerika
gibt es die amerikanische Verfassung und das Amerikanische System der
Ökonomie.
Alle diese Schätze gibt es, sie müssen nur wiederbelebt werden. Wenn wir
das, was der CCF angerichtet hat, rückgängig machen und die klassische Kultur
aller Nationen wiederbeleben, und in einen wunderschönen Dialog zwischen ihnen
eintreten, dann wird die Menschheit eine neue Renaissance erleben und die
enorme Kreativität der menschlichen Gattung wie nie zuvor entfesseln.
Es ist also sehr gut, in diesem Augenblick der Geschichte zu leben und dazu
beizutragen, daß die Welt ein besserer Ort wird. Und das ist möglich, denn das
Neue Paradigma entspricht der Gesetzmäßigkeit des physischen Universums in der
Wissenschaft, der klassischen Kunst und deren Prinzipien. Neoliberalismus und
Linksliberalismus sind veraltet und werden verschwinden wie damals die
Scholastiker, die darüber diskutierten, wie viele Engel auf einer Nadelspitze
sitzen können. Was sich durchsetzen wird, ist das Selbstverständnis der
menschlichen Gattung als die schöpferische Gattung im Universum.
[Applaus]
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