Ukraine: Vom Abgrund der Selbstvernichtung
zu Prosperität und Fortschritt
Von Natalia Witrenko
Natalia Witrenko, Doktor der Wirtschaftswissenschaften,
Parlamentsabgeordnete (1994-2002) und Vorsitzende der Progressiven
Sozialistischen Partei der Ukraine, hielt bei der Konferenz des
Schiller-Instituts den folgenden Vortrag über „Chinas Initiative: vom Abgrund
der Selbstvernichtung zu Prosperität und Fortschritt. Eine Sicht aus der
Ukraine“.
Die bisherige Weltordnung ist Vergangenheit. Solange sie
noch weiterexistiert, droht der Menschheit eine Ausweitung der Konflikte im
Nahen Osten, der Ukraine und in Nordkorea zu einem nuklearen Weltkrieg, und
auch ein Crash des weltweiten spekulativen Finanzsystems, der genauso
destruktiv sein dürfte. Die internationalen Institutionen der Globalisierung,
die von den führenden kapitalistischen Ländern unter der Ägide der USA
geschaffen wurden - Internationaler Währungsfonds, Welthandelsorganisation,
NATO, Weltbank und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE)
- haben keines der akutesten Probleme der Menschheit gelöst: Hunger, die
Unzugänglichkeit medizinischer Versorgung und Bildung für Milliarden Menschen,
Drogenabhängigkeit, Handel mit Menschen und ihren Organen und blindwütiger
Terrorismus auf allen Kontinenten der Erde. Aus diesem Grund haben 15.000
Wissenschaftler aus 184 Ländern ihre zweite Warnung an die Menschheit
verbreitet (die erste stammte von 1992), worin sie die globalen Bedrohungen
ansprechen und Lösungen vorschlagen.
In diesem Zusammenhang wird es keinem vernünftigen Menschen
schwerfallen, die Notwendigkeit einer radikalen Wende im Paradigma der
internationalen Beziehungen und dem Modell der Globalisierung zu erkennen. Im
Laufe der jüngsten Geschichte fiel es China zu, das neue Paradigma
vorzuschlagen. Diese antike, 5000 Jahre alte Zivilisation hat schöpferisch das
neueste Modell einer sozialistischen Ökonomie übernommen.
Die Volksrepublik China mit der größten Bevölkerung der
Erde, starken Einkommensunterschieden in den Regionen, einem niedrigen
Lebensstandard und wirtschaftlicher und militärischer Rückständigkeit hat es
innerhalb unglaublich kurzer Zeit geschafft, sich in eine starke
agroindustrielle Macht zu verwandeln. Sein BIP hat das der USA überholt. China
liegt vor den USA und der EU in der Geschwindigkeit und Größenordnung seiner
Entwicklung. China erforscht mit seinem ehrgeizigen Mondprogramm nicht nur
zukunftsweisend den Weltraum, sondern es kann der ganzen Welt auch
unbestreitbare Erfolge bei der Lösung sozialer Probleme vorweisen. Während in
China noch vor fünf Jahren 100 Mio. Menschen in tiefer Armut lebten, waren es
2017 nur noch 43 Mio., und bis 2020 soll die Armut nach den Plänen der
Kommunistischen Partei Chinas ganz verschwunden sein.
Der chinesische Präsident Xi Jinping stärkt aktiv die
internationalen Beziehungen, findet neue Märkte für chinesische Produkte, deren
Herstellung mit schnellsten Raten in der Welt wächst. Die chinesische Regierung
hat ein deutliches Interesse daran, solide Wirtschaftsallianzen und gute
diplomatische Beziehungen zu schaffen. Dazu braucht man eine konstruktive
Entwicklungsperspektive mit Zusammenarbeit statt gnadenloser Konkurrenz,
Intrigen und Finanzspekulation.
Vor diesem Hintergrund hat Xi Jinping im September 2013 die
chinesische Initiative vorgestellt, um unter der Bezeichnung „Ein Gürtel, eine
Straße“ das Wirtschaftsmodell der Neuen Seidenstraße in beispiellosem Umfang zu
schaffen. In das Projekt sollen 3 Bio. $ fließen, und es umfaßt bereits etwa
100 Länder auf verschiedenen Kontinenten. Der chinesische Präsident gab diese
Parameter auf dem besonderen Gürtel-und-Straße-Forum bekannt, das im Mai 2017
in Beijing stattfand. Teilnehmer dieses Forums waren die Staats- oder
Regierungschefs von über 30 Ländern, Vorsitzende nationaler und internationaler
öffentlicher Institutionen und Geschäftsleute - insgesamt über 1200 Teilnehmer.
Bis 2030, so versprach Xi, werde das Projekt fertig sein. Das wird die
Zivilisation transformieren - eine Veränderung der Welt zum Besseren.
Braucht die Weltgemeinschaft dies? Ja, sehr dringlich.
Deswegen ist es für Regierungsmitglieder, Politiker, Experten und Diplomaten so
wichtig, die chinesische Initiative zu unterstützen.
Wird es, oder vielmehr, gibt es bereits Widerstand gegen
diese Initiative? Ohne Zweifel gibt es diese und wird es weiter geben. Die
Anhänger der alten Weltordnung werden mit aller Macht dagegen ankämpfen. Schließlich
bietet das jetzige System der Globalisierung komfortable Bedingungen für
Finanzspekulanten jeder Art, für Drogenhändler, korrupte Amtsträger,
Kriegsfalken, die den mächtigsten militärisch-industriellen Komplex auf der
Welt repräsentieren, und die Terroristen, die sie hervorbringen.
Eine Waffe in ihrem Arsenal der Möglichkeiten zur
Destabilisierung der Lage auf verschiedenen Kontinenten ist die Schaffung von
Selbstmordstaaten, Staaten, die sich selbst zerstören, die ihre eigene
Souveränität und wirtschaftliche Basis zerstören, ihre Bevölkerung und ihre
Wissenschaft und Kultur, um Brutstätten für Spannungen, Zonen blutiger
Konflikte zu schaffen und gewaltige Mittel aufwenden, um Kriege zu provozieren
und zu führen. In solchen Ländern wird die Macht von bewaffneten Stellen
(staatlichen und nichtstaatlichen) ausgeübt, die die Budgets ihrer eigenen
Länder ausbluten und die Menschen unvorstellbaren Leiden aussetzen.
Ein anschauliches Beispiel für diesen Kampf der alten
Weltordnung gegen die neue ist die Ukraine. Es ist kein Zufall, daß genau im
Herbst 2013, als Xi Jinping der Welt das Projekt der Neuen Seidenstraße
verkündete, auch der Putsch in der Ukraine begann. Der gesamten Welt ist
inzwischen bekannt, daß dieser nach den Plänen, unter Anleitung und mit starker
informeller, finanzieller und organisatorischer Unterstützung der Vereinigten
Staaten ablief.
Die Lage in der Ukraine
Abb. 1: Die Wirtschaftslage der Ukraine: Die ukrainische
Griwna wurde seit 2013 um rund als 70% abgewertet, der Preis von Erdgas für
Privathaushalte hat sich fast verdreifacht, gegenüber 2013 ist das BIP auf die
Hälfte, der Mindestlohn auf 80% und die Mindestrente auf 46% abgesunken.
Die Graphik (Abbildung 1) zeigt das Ergebnis der von
der Ukraine nach dem Putsch betriebenen Politik, nämlich der Integration in EU
und NATO und der kriegerischen Haltung gegen Rußland - alles unter der äußeren
Steuerung der USA.
Das reale BIP sank nach Angaben der Weltbank von 2014-2016
um die Hälfte, auf 50,9% des Standes von 2013. Selbst das vorhergesagte
BIP-Wachstum von 2% in 2017 wird dieses nur um 1 Prozentpunkt gegenüber dem
Stand von 2013 erhöhen (51,9%).
Ich sollte anmerken, daß das liberale Wirtschaftsmodell, das
seit 1992 nach den Vorschriften des IWF und mit dessen Krediten eingeführt
wurde, für die Ukraine bereits zuvor ruinös war. Mit einem realen BIP von 261,9
Mrd.$ 1990 war die Ukraine beim BIP pro Kopf eines der zehn führenden Länder
auf der Welt. 2016 lag das reale BIP nur noch bei einem Drittel des Standes von
1990 (93,3 Mrd.$). In den letzten drei Jahren ging es wegen des rasanten
Industrieabbaus im Land noch steiler bergab.
Gestern hörten wir auf der Konferenz von den Plänen für die
Industrialisierung Afrikas. Als ich da saß und das hörte, war ich den Tränen
nahe. Wir sprechen über die Industrialisierung Afrikas, vor dem Hintergrund der
Deindustrialisierung der Ukraine. Für Afrika ist das eine große Wohltat, aber
für die Ukraine ist es eine Katastrophe.
Entscheidend für diesen Prozeß der Deindustrialisierung und
das Kollabieren des BIP war die Ideologie der „Eurointegration“ für die
Ukraine, welche zur Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens der Ukraine mit
der EU 2014, zur Unterbrechung der industriellen Zusammenarbeit mit Rußland und
zum Verlust der riesigen russischen Märkte für ukrainische Industrieprodukte
führte. Ganze Bereiche unserer Volkswirtschaft gingen dadurch verloren:
Raketenbau, Schiffsbau, die Luftfahrtindustrie und die Autoindustrie. Der
Maschinenbau war einmal der starke Industriekern in der sowjetischen Ukraine,
der 1990 30,5% der gesamten Industrieerzeugung ausmachte. 2013 ist dieser
Anteil auf 10% gefallen, und 2016 auf 5,8% einer gesamten Industrieerzeugung,
die selbst seit 2014 um 25% gesunken ist. Nach Schätzungen von Ökonomen wird
der Maschinenbau bei anhaltenden Trends 2020 nur noch 2% der Industrieerzeugung
ausmachen.
In diesem Umfeld ist natürlich die Arbeitslosigkeit und die
Zahl der Arbeiter, die das Land verlassen, stark gestiegen. Noch vor den
Kämpfen im Donbaß haben über 4 Mio. Menschen das Land verlassen, um Arbeit in
Rußland zu suchen, und mehr als 2 Mio. sind in EU-Staaten abgewandert. Der
Putsch, der Krieg im Südosten der Ukraine, die politische Repression und der
massive Industrieabbau haben genauso zu einem großen Bevölkerungsabfluß
beigetragen. Mit der Einführung des visafreien Reiseverkehrs in die EU seit
Juni 2017 wird dies nur noch zunehmen.
Nehmen wir das Beispiel Polen: 2013 gab es 9800 ukrainische
Bürger, die mit gültigen Arbeitsvisa in Polen arbeiteten. Im ersten Quartal
2017 verzehnfachte sich diese Zahl auf 98.000. Überdies arbeiten etwa 1 Mio.
Ukrainer mit befristeter Arbeitserlaubnis in Polen. Der polnische Außenminister
Waszcykowski sagte, daß 2017 1,3 Mio. Visas mit Arbeitsberechtigung an Ukrainer
vergeben wurde, und 2018 werden es noch einmal halb so viele sein!
Und ich möchte gar nicht erwähnen, wie viele meiner
Mitbürger durch Not und Arbeitslosigkeit gezwungen sind, nach Tschechien,
Ungarn, Deutschland, Spanien, die Slowakei und andere Länder zu fliehen!
Der Grund dafür ist, daß die Lebensbedingungen im Land immer
untragbarer werden. Die Menschen haben keine normalen Arbeitsbedingungen oder
für ihre eigene Sicherheit. Ein Beispiel dafür ist, daß die ukrainische
„Lehrerin des Jahres 2016“ aus dem Land geflohen ist. Sie erhielt den Titel
„Beste Lehrerin“ und emigrierte kurz darauf nach Italien. Dort arbeitet sie für
wohlhabende ältere Leute.
Schauen wir uns die Graphik an (Abbildung 1). In den
drei Jahren (2014-2016) wurde unsere Landeswährung (die Griwna) um fast das
Dreieinhalbfache abgewertet (von 8 Griwnas zum Dollar auf 26,5 Griwnas zum
Dollar). [Die obere Linie der Graphik zeigt Griwnas zum Dollar: Wenn diese
steigt, fällt die Währung.] Nach amtlichen Statistiken stiegen die Preise in
der Ukraine im gleichen Zeitraum um einen Faktor 2,72 - fast eine
Verdreifachung. Klar ist, daß ausländisches Kapital aus dieser Art Abwertung
unserer Arbeitskraft, der ukrainischen Industrieerzeugung und unseren
Bodenschätzen großen Nutzen zieht. Es gibt offene und versteckte Ausplünderung,
eine erbarmungslose, unwürdige Ausbeutung der ukrainischen Arbeiter.
Betrachten wir die Veränderungen des monatlichen
Mindestlohns. Obgleich Preise und Tarife ins Uferlose stiegen, betrug der
Mindestlohn 2015-16 nur die Hälfte des Wertes von 2013. Erst am 1. Januar 2017
wurde er leicht angehoben (auf 3200 Griwnas oder 123 $), was immer noch 20%
unter dem Stand von 2013 liegt. Das gesamte Lohnsystem in der Ukraine ist
vollkommen verzerrt. Die Vorstände der nationalen Gasgesellschaft Naftogaz, der
Nationalbank, der Bahngesellschaft u.a. beziehen monatliche Gehälter von
Hunderttausenden oder gar Millionen Griwnas (Zehntausenden Dollar), während die
große Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung ihr Dasein mit erbärmlichen 100 oder
200 $ im Monat fristen muß. Die Menschen müssen ihre Gesundheit aufs Spiel
setzen und auf Freizeit und Urlaub verzichten, während sie zwei oder drei Jobs
haben, um ihre Familie zu ernähren. Oder sie verzichten auf Kinder oder gehen
ins Ausland.
Die Lage der Rentner ist noch schlimmer. Wie die Graphik
zeigt [die unterste, hellblaue Linie], ist die monatliche Mindestrente, die das
Euromaidan-Regime festgelegt hat, über all die Jahre bei weniger als der Hälfte
des Standes von 2013 verblieben. Die Hälfte der 11,8 Mio. Rentner in der
Ukraine beziehen diese Mindestrente. Und die vom IWF verlangte Rentenreform,
die letzten Monat beschlossen wurde, hat die Lage noch weiter verschlechtert:
Sie erhöht das Renteneintrittsalter, senkt den tatsächlichen Rentenbetrag und
bringt Millionen von Beschäftigten um ihre Rentenleistungen.
Deswegen stirbt die Bevölkerung der Ukraine in
erschreckender Weise weg. Die Ukraine steht in Europa an erster Stelle bei
psychischen Erkrankungen und der Sterblichkeit. Nach amtlichen Statistiken sind
von der Bevölkerung von 52 Mio. 1990 heute nur noch 42 Mio. übrig. Aber
entgegen internationaler Praxis, alle zehn Jahre eine Volkszählung
durchzuführen, ist dies in der Ukraine seit 2001 nicht mehr geschehen. Dahinter
steckt Absicht. Das Regime will sich nicht für den Völkermord verantworten
müssen und will Wahlbetrug begehen können, indem man Millionen tote Seelen
registriert. Auf Grundlage des Brotverbrauchs haben Ökonomen geschätzt, daß
heute in der Ukraine nicht mehr als 25 Mio. Menschen leben. Da 6 Mio. des
Bevölkerungsrückgangs dem Verlust der Krim und jenen, die in den
selbsternannten Donbaß-Republiken leben, geschuldet sind, bedeutet dies, daß
die Ukraine seit 1990 durch Auswanderung und durch den Überschuß von
Sterbefällen gegenüber den Geburten 21 Mio. Menschen verloren hat.
Vom ägyptischen Redner hörte ich, daß deren natürliches
Bevölkerungswachstum 1,85% beträgt. Der Bevölkerungsrückgang in der Ukraine ist
doppelt so hoch - fast 4%.
Wie im Weltentwicklungsbericht 2017 der Vereinten Nationen
festgestellt wird, ist die Ukraine vom 50. Platz auf dem Index menschlicher
Entwicklung 2015 auf den 84. Platz 2016 zurückgefallen.
Das amerikanische Gallup-Institut hat diesen Monat eine
Studie veröffentlicht, worin die Ukraine neben Haiti und Südsudan als eines der
drei Länder mit den höchsten „Leidensraten“ geführt wird. Die Umfrage zeigt,
daß sich nur 9% der ukrainischen Bevölkerung als gutgehend betrachten, 41% sind
notleidend und 50% liegen dazwischen.
Einer der Faktoren für die Notlage der ukrainischen Bevölkerung
ist der wahnsinnige Anstieg der Versorgungstarife.
Die Steigerung der Gaspreise in den letzten drei Jahren, wie
sie aus der Graphik hervorgeht (zweite Linie von oben), ist ein gutes Beispiel.
Diese Tarife haben sich nahezu verdreifacht! Wenn wir das in Griwnas ausdrücken
- und wir erhalten unsere Löhne und Renten in Griwnas - dann beträgt die
Erhöhung mehr als das Zehnfache. Doch am 3. November 2017 hat der IWF vier neue
Auflagen erlassen, um die nächste Tranche seiner Anleihe an die Ukraine
auszuzahlen. Eine davon ist, die Gaspreise für Haushalte erneut anzuheben. Und
das, obwohl die Ukraine eine eigene Gasproduktion hat (etwa 20 Mrd. m3
jährlich), die völlig ausreicht, um die gesamte Bevölkerung zu versorgen. Einer
der Euromaidan-Führer, Arsenij Jazenjuk, hatte damals die Vorgängerregierung in
dieser Frage lautstark angegriffen und versprochen, daß die Gaspreise deutlich
gesenkt werden würden. Man höre: Tatsächlich gesenkt! Als Ministerpräsident der
Ukraine hat Jazenjuk sein Versprechen jedoch geflissentlich vergessen und nur
noch an die Steigerung seines eigenen Wertes gedacht.
Präsident Poroschenko hat seine Versprechen ebenso
vergessen. Er benannte den Bruderkrieg in der südöstlichen Ukraine in
„Anti-Terror-Operation“ (ATO) um - eine vollkommen falsche Definition - und
versprach, diese innerhalb von Tagen zu beenden. Allerdings hält sie bereits
seit dreieinhalb Jahren an! Nach UN-Angaben vom Mai 2017 wurden dabei über
10.000 Menschen getötet, darunter 3000 Zivilisten. Darüber hinaus wurden
Zehntausende verwundet oder verletzt, und mehr als 3 Mio. haben die Gegend als
Flüchtlinge verlassen - entweder nach Rußland oder in andere Gegenden der
Ukraine.
Die Militärausgaben der Regierung belaufen sich inzwischen
auf 5% des jährlichen BIP - kein europäisches Land hat etwas Ähnliches.
Schätzungen für die gewaltigen Kosten zum Wiederaufbau des zerstörten Donbaß
haben bereits 50 Mrd.$ erreicht. Das entspricht zwei Dritteln des ukrainischen
Haushalts für 2018!
Anstatt Kiew zu zwingen, seinen Teil des Minsker Abkommens
vom Februar 2015 zu erfüllen, das nach der UN-Sicherheitsratsresolution vom 17.
Februar 2015 ein völkerrechtliches Dokument und damit für alle Parteien bindend
ist, verschließen die USA und die führenden EU-Länder ihre Augen vor der
kriegerischen Position des ukrainischen Regimes, das - so behaupte ich - ein
direktes Interesse an der Fortführung des Blutbades hat. Denn wenn der Krieg
endete, müßte das ukrainische Regime die Infrastruktur und die Industrie des
Donbaß wiederaufbauen, die sie selbst zerstört hat, und sich vor der
Bevölkerung vor allem der Regionen Donezk und Lugansk dafür verantworten, warum
sie den sozialen Verpflichtungen des Staates nicht nachgekommen ist, und für
den Völkermord an der ukrainischen Bevölkerung.
Jede öffentliche Meinungsumfrage zeigt, daß mindestens zwei
Drittel der ukrainischen Bevölkerung ein Ende des Krieges im Südosten unseres
Landes verlangen. Aber es gibt andere Kräfte, die die menschenverachtende
Ideologie des Nazismus predigen. Dazu gehören verschiedene Neonazi-Parteien und
-Bewegungen, Freiwilligenbataillone und Nichtregierungsorganisationen. Sie
werden großzügig von ukrainischen Oligarchen und Geldgebern aus dem Westen
finanziert, während die Präsidenten und andere führende Kreise in den USA und
den EU-Ländern die Augen vor dem offenen Faschismus verschließen.
Diese Leute verbergen ihre Positionen oder ihre Ideologie
keineswegs! Sie haben Straßen und Plätze nicht nur in Kiew, sondern überall in
der Ukraine nach ihren Idolen Bandera, Schuchewitsch und Konowalez benannt, die
Kollaborateure und Agenten der Abwehr waren. Der Slogan „Ruhm der Ukraine - den
Helden Ruhm!“ war im April 1941 auf der Zweiten Großen Versammlung der
terroristischen Organisation Ukrainischer Nationalisten, der OUN(b) - die
damals mit Hitler im Kampf gegen die UdSSR verbündet war - eingeführt worden
und fungierte als Ruf-Antwort-Form wie „Heil Hitler - Sieg Heil!“ Nach dem
Maidan-Putsch wurde dieser Slogan in der Ukraine zu einer offiziellen
Grußformel gemacht.
Die Nazis sind völlig hemmungslos - sie machen sich nicht
nur den Zustand der Gesetzlosigkeit zunutze, sondern werden sogar noch vom
Regime unterstützt, und sie richten im ganzen Land Chaos und Verwüstung an. Sie
organisierten die Blockade der Kohlelieferungen aus dem Donbaß; sie überfallen
wie Verbrecher Banken, Betriebe, Geschäfte, Büros von Geschäftsleuten und
politischen Parteien; sie zwingen Künstler, die sie nicht mögen, dazu, ihre
Tourneen abzusagen; sie üben auf eklatante Weise Druck auf die Gerichte aus;
und sie verprügeln friedliche Demonstranten, um so die gesamte Bevölkerung
einzuschüchtern. Unsere Partei, die Progressive Sozialistische Partei der
Ukraine, und ich persönlich als die Vorsitzende, haben dies am eigenen Leib
verspürt.
Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, um allen Freunden der
LaRouche-Bewegung und des Schiller-Instituts meinen aufrichtigen Dank zu sagen
dafür, daß Sie auf verschiedene Weise - mit Artikeln, Erklärungen,
Demonstrationen und Anfragen im Europaparlament - den Kampf unserer Partei für
eine progressive Neugestaltung der Welt und für die Umwandlung der Ukraine in
ein demokratisches und prosperierendes Land unterstützt haben.
Im Oktober 2017 wurde bekannt, daß sich die Ukraine trotz
alledem dem Projekt der Neuen Seidenstraße anschließen wolle, indem chinesische
Güterzüge auf der Fahrt in die EU durch ukrainisches Territorium fahren dürfen,
und indem China Lebensmittel wie Mehl, Süßwaren, Wodka, Speiseöl usw.
importiert. Als Bürgerin meines Landes, als Politikerin und Wissenschaftlerin
war ich aufrichtig froh, zu hören, daß die Ukraine von diesem
Jahrhundertprojekt nicht ausgeschlossen sein würde.
Leider ist mir jedoch auch bewußt, daß in einem
desintegrierenden Land mit einer rückständigen Wirtschaft, einer verrohten
Bevölkerung und randalierenden bewaffneten Banden immer die Gefahr besteht, daß
ernsthafte internationale Projekte abgewürgt werden. Was ist, wenn
Neonazi-Banden die ukrainischen Kernkraftwerke oder Chemiegroßanlagen besetzen?
Was geschieht mit den Verkehrskorridoren und den dort bewegten Frachten? Die
Normalisierung der Lage in der Ukraine, eine Ende des Bruderkriegs, die
Ausschaltung paramilitärischer Gruppen und ein Verbot der Neonazi-Ideologie
sowie sämtlicher Parteien und Bewegungen, die diese verbreiten - all diese
Schritte sind unmittelbar nötig, nicht nur für die Ukraine selbst, sondern für
die gesamte Weltgemeinschaft, die nach Fortschritt und Entwicklung strebt.
Nur dann kann dieses Schwarze Loch auf dem eurasischen
Kontinent beseitigt werden. Nur dann können Bedingungen geschaffen werden, um
für die Ukraine ein festes wirtschaftliches Fundament und Millionen neue,
moderne Arbeitsplätze zu schaffen. Dann können die Emigranten in ihr Land
zurückkehren, dann können die Einkommen und die Lebensqualität der Menschen
stetig steigen, und die Ukraine kann ganz in ein neues, progressives Modell der
Weltzivilisation aufgenommen werden, in der - wie China es vorschlägt - gilt:
Frieden statt Krieg,
Zusammenarbeit statt Konkurrenz,
Respekt statt Erniedrigung,
Überfluß statt Hunger.
Das wünsche ich mir für die Ukraine. Danke.
Der Artikel ist zur Veröffentlichung freigegeben.
|