Notwendige Rahmenbedingungen für Investitionen des Mittelstands
entlang der Neuen Seidenstraße
Von Hans von Helldorff
Hans von Helldorff ist Sprecher des Bundesverband Deutsche
Seidenstraße Initiative (BVDSI). Den folgenden Vortrag hielt er am 1. Juli bei
der Bad Sodener Konferenz des Schiller-Instituts. Der vollständige Titel
seines Vortrags lautete: „Notwendige ordnungspolitische Rahmenbedingungen für
Investitionen der deutschen und europäischen mittelständischen Wirtschaft in
Volkswirtschaften entlang der Neuen Seidenstraße“.
Meine Damen und Herren, liebe Familie Zepp-LaRouche, auch ich schließe mich
natürlich mit tiefer Überzeugung dieser Dankbarkeit an, die hier schon
mehrfach ausgesprochen worden ist. Was ich bisher hier gesehen und gehört
habe, bestärkt mich nochmals in meinem Entschluß, hierher gekommen zu sein und
auch vor Ihnen eine Rede zu halten...
Ich möchte ein eventuell auftretendes Mißverständnis vorab einmal
aufklären. Wenn unser Name ist „Bundesverband Deutsche Seidenstraße
Initiative“, dann mag das so klingen, als wenn wir im Auftrag der chinesischen
Regierung handeln und vielleicht so etwas wie eine ausgelagerte chinesische
Regierungsinstitution sind: Nein, das ist mitnichten so.
Unsere Aufgabe besteht im wesentlichen aus zwei Dingen. Zum einen verstehen
wir uns als Kompetenzplattform – nicht als Kompetenzzentrum, sondern
als Kompetenzplattform – für alle Fragen, die die deutsche Politik aber auch
die deutsche und europäische Wirtschaft betreffen, rund um das Thema der „One
Belt, One Road“-Initiative (OBOR) der chinesischen Regierung. Und zum zweiten
verstehen wir uns natürlich als Interessenvertreter der deutschen und
europäischen mittelständischen Wirtschaft, in Bezug auf die Entdeckung und die
Wahrnehmung der unglaublich großen Chancen für die mittelständische
Wirtschaft. Auf dieses Thema werde ich gleich nochmal eingehen.
Lassen Sie mich an den Anfang meiner Rede zwei Thesen stellen, die Ihnen
sicherlich nicht neu sind, aber die mir sehr, sehr wichtig sind, um Ihnen
nochmal zu verdeutlichen, worum es eigentlich bei dem ganzen Thema „One Belt,
One Road“ geht. Zum einen etwas, was Folker Hellmeyer auch schon angesprochen
hat, nämlich die These, daß eine erfolgreiche und damit auf Kooperation
ausgerichtete Wirtschaftspolitik definitiv Friedenspolitik ist. Und zum
zweiten: Es ist leider so, daß das in den Köpfen der deutschen, europäischen,
aber auch der westlichen Politik immer noch nicht Eingang gefunden hat: Die
Königsdisziplin sämtlicher politischer Felder ist die Wirtschaftspolitik. Und
sonst gar nichts. Eine wirklich auf Prosperität, auf Kooperation, auf Zukunft
ausgerichtete Wirtschaftspolitik schafft die Voraussetzungen für die
erfolgreiche Umsetzung sämtlicher anderer Politikfelder, ob das zum Beispiel
die Gesundheitspolitik ist, ob das die Bildungspolitik ist – you name
it. Und das müssen wir uns jedesmal wieder international deutlich
machen.
Ein letztes Thema, das nicht hier im Skript steht (Entschuldigung, liebe
Übersetzer): Das Interessante im Zusammenhang mit der One Belt One Road
Initiative ist auch die Tatsache, daß diese Thesen, von denen ich gerade
gesprochen habe, am deutlichsten und am intensivsten von der kommunistischen
Regierung des bevölkerungsreichsten Landes der Erde begriffen wurden und
umgesetzt wurden – nicht von Amerika, nicht von der Europäischen Union und
nicht von anderen, westlich orientierten Regierungen in dieser Welt. Partiell,
ansatzweise vielleicht noch im Zusammenhang mit dem Thema, das Folker
Hellmeyer auch angesprochen hat, der Eurasischen Wirtschaftsunion, aber da,
wie gesagt, spreche ich nur von einer partiellen Umsetzung.
Chinas Rolle ändert sich
Jetzt komme ich zum eigentlichen Inhalt meiner Rede, nämlich zum Thema
„Notwendige ordnungspolitische Rahmenbedingungen für Investitionen der
deutschen und europäischen mittelständischen Wirtschaft in Volkswirtschaften
entlang der Neuen Seidenstraße“. Und ich sage extra, hier wird zwar viel Bezug
genommen auf die Landbrücke, aber das gilt natürlich gleichermaßen für die
Seidenstraße, die durch Afrika gehen wird oder an Afrika entlang bis hinüber
nach Südamerika, denn die Bedingungen sind ähnlich, die Spielregeln und
Mechanismen, dito.
Es ist tatsächlich so, daß die chinesische One Belt One Road Initiative
unzweifelhaft als das bisher global größte Investitionsprogramm bezeichnet
werden kann. Projekte in einer Größenordnung von bisher 900 Mrd. $, die sich
in der Realisierung befinden, sowie weitere geplante Projekte mit einem
Volumen von nahezu vier Billionen $ lassen keinen Zweifel aufkommen, wie ernst
es China mit seiner Absicht ist, die führende Wirtschaftsmacht der Erde zu
werden.
Natürlich kann man darüber diskutieren, ob China die Absicht hat, damit
hegemoniale Ziele zu verfolgen – und diese Diskussion kann man allerorten in
der öffentlichen Wahrnehmung feststellen –, oder aber ob es lediglich darum
geht, einer globalen Entwicklung zum Wohle vieler eine bisher ungeahnte
Dynamik zu verleihen. Sicher ist: Auch China hat nichts zu verschenken, und
ja, auch China handelt zuallererst im eigenen Interesse – was es nicht zu
kritisieren gilt.
Das seit langer Zeit stabile große Wachstum der chinesischen
Volkswirtschaft führte zu einer veränderten Rolle und zu einem veränderten
Selbstverständnis der chinesischen Wirtschafts- und Außenpolitik.
Genauer betrachtet kommt der Wandel von der Rolle einer Werkbank hin zu
einer führenden Technologienation nicht überraschend. Basierten erste Erfolge
in Richtung Know-How-Transfer zur Hochtechnologiebefähigung in den Anfängen
noch auf Joint Ventures oder zum Teil auch auf der, sagen wir mal, unerlaubten
Adaption von geistigem Eigentum westlicher Unternehmen, so investierte China
seit Mitte der 80er Jahre konsequent und überdurchschnittlich viel in
Ausbildung der nächsten jungen Generation, aber auch in Forschung und
Technologie. Zehntausende von Studenten wurden weltweit auf renommierte
Universitäten geschickt und nach erfolgreicher Ausbildung mit guten Positionen
in der eigenen Wirtschaft versorgt.
Diese Strategie zahlt sich im Verbund mit einer massiven Förderung der
Industrie und einer erfolgreichen Geld- und Finanzpolitik heutzutage sichtbar
aus.
Die massiven Devisenreserven Chinas ermöglichten es, nicht nur zum größten
Gläubiger der USA zu werden, sondern sie sind auch noch das Fundament einer
nicht mehr aufzuhaltenden, stark expansiven internationalen
Wirtschaftspolitik. Deren stärkstes Signal manifestiert sich derzeit in der
One Belt One Road Initiative.
One Belt One Road ist aus Sicht des BVDSI, also aus Sicht des Verbandes,
für den ich hier stehe, das strategische Tor zu einer neuen, gerechteren
Weltwirtschaftsordnung. Es ist aber auch eine Chance und ein Angebot an die
deutsche Volkswirtschaft, ihre enorme Leistungsfähigkeit und ihren großartigen
Ruf in die Waagschale zu werfen.
Leider ist es so, daß diese Sichtweise in der deutschen und in der
EU-Politik kaum vorhanden ist, vielmehr dominieren die Skeptiker. Sie
reklamieren mit einer merkwürdigen Melange von Argumenten die Deutungshoheit
in Bezug auf die Bewertung chinesischer Absichten und auch vermeintlicher
chinesischer Versäumnisse.
Dieses Verhalten führt bislang zu viel Irritationen in den Ländern Asiens,
Rußland und einigen EU-Mitgliedern, wie Ungarn, Griechenland, Tschechien und
der Slowakei, um nur einige zu nennen.
Die deutsche Außen- und Wirtschaftspolitik
Die Prämissen der deutschen Außen- und Wirtschaftspolitik orientieren sich
eher an ideellen und an moralischen Werten, wie den Menschenrechten, oder an
mehr Demokratie. Mit anderen Worten, die Interessen Deutschlands als stärkster
Exportnation der Welt werden hinten angestellt. Erreicht wird damit eine
Abkopplung der politischen von der wirtschaftlichen Geschwindigkeit.
Deutschland läuft somit Gefahr, innerhalb kurzer Zeit seinen Anspruch als
führende Wirtschaftsnation aufs Spiel zu setzen und sehr bald – und das muß
man sich wirklich bildhaft mal vorstellen – nur noch die Rolle als geduldeter
Zaungast einnehmen zu dürfen. Darüber möchte ich lieber nicht nachdenken, aber
die Gefahr ist real.
Diese einseitige Werte- und Westorientierung hat schon in jüngster
Vergangenheit zu keinem sinnvollen Ergebnis geführt. Als Beispiel sei nur die
Befürwortung Deutschlands und der EU für eine Verlängerung der Sanktionen
gegen Rußland zu nennen.
Rußland hat genügend eigene und partnerschaftliche Optionen, und ich
benutze diesen Terminus bewußt, also genügend eigene und partnerschaftliche
Optionen, um diese Sanktionen wegzustecken und damit umgehen zu können. Die
Alternativen der deutschen Wirtschaft dagegen sind überschaubar – besser kann
man das nicht beschreiben. Der Austausch von Waren und Dienstleitungen mit
Rußland ist spürbar zurückgegangen. Selbst wenn man dies ignorieren würde,
bliebe immer noch das Problem, die sehr schwer beschädigte Vertrauensbasis
zwischen der EU und Rußland wiederherzustellen.
Worauf ich hinaus will, ist folgendes: Das Spiel der wirtschaftspolitischen
Kräfte entwickelt sich immer dynamischer und verlangt eine ständige Anpassung
der eigenen Doktrin, mit anderen Worten, wirtschaftspolitisch besteht die
erste Aufgabe darin, ständig in den Spiegel zu gucken, wo ich eigentlich noch
stehe, und ob es da Verbesserungsoptionen gibt bzgl. der außenwirtschaftlichen
Ziele.
Diese Anforderungen verlangen allerdings eine Regierung, die einen klaren
Blick für Notwendigkeiten besitzt. Diese Anforderungen verlangen darüber
hinaus eine Regierung, die in der Lage ist, Politik klar und deutlich und wenn
nötig, auch visionär zu formulieren. Leider ist es so, meine Damen und Herren,
und das sage ich in aller Deutlichkeit bei jeder Gelegenheit, daß diese
Fähigkeiten in Deutschland seit 1983 ständig abnehmen. Und für diejenigen
unter Ihnen, die vielleicht in der deutschen Politik nicht so ganz stark
bewandert sind: 1983 war das Jahr, als Kanzler Schmidt durch ein konstruktives
Mißtrauensvotum durch Kanzler Dr. Helmut Kohl abgelöst wurde. Natürlich ist
Frau Merkel in seiner Tradition mit den gleichen Fähigkeiten ausgestattet,
oder ich weiß nicht, welche Strategie dahintersteckt, aber leider setzt sie
das fort.
Die Beschäftigung mit Problemen, deren Kleinteiligkeit nun wirklich
teilweise nicht mehr in den Bundestag gehört, hat zu einer Auflösung der
Glaubwürdigkeit der deutschen Volksparteien geführt, und das kann man ganz
klar ablesen, daß sich dieser Trend leider Gottes durch eine weitere
Zersplitterung und Zerfaserung fortsetzen wird. Ich habe schon vor 15 Jahren
gesagt, wir sind auf dem Weg zu italienischen Verhältnissen. Das hat sich da
Gott sei dank ein bißchen stabilisiert, aber wir sind nun wirklich kräftig
dabei, ähnliche Fehler zu wiederholen.
Herausforderungen und Chancen
Wenn wir diese Situation und deren Ergebnisse auf die Herausforderungen
übertragen, denen wir uns in Europa gegenübersehen, kommen schnell Zweifel
auf, ob und wie es die deutsche Politik bewerkstelligen will, dem Projekt One
Belt One Road auf Augenhöhe zu begegnen.
Mehr noch, woher soll die deutsche mittelständische Wirtschaft das
Vertrauen gewinnen, mit Hilfe und aktiver Unterstützung in den Ländern entlang
der Seidenstraße die nötige ordnungspolitische Unterstützung zu bekommen und
die nötigen ordnungspolitischen Rahmenbedingungen vorzufinden und zu
schaffen?
Allein in den Volkswirtschaften entlang der traditionellen Seidenstraße
besteht ein enormer Bedarf an z.B. Infrastrukturprojekten, an
Energieprojekten, der Entwicklung von mittelständischen Industrieclustern, an
Ausbildungsprojekten, an Gesundheitsprojekten, usw. usw., diese Liste könnte
ich beliebig fortsetzen.
Die Chancen für die deutsche Wirtschaft dagegen sind enorm. Wir vom BVDSI
stellen bei vielen unserer Gespräche in den Botschaften dieser Länder unisono
fest, daß der Wunsch nach deutscher Beteiligung an Investitionen im Rahmen des
OBOR-Investments Chinas ständig wächst. Das Vertrauen in deutsche Technologie,
in deutsche Managementqualitäten, in deutsche kooperative Business-Kultur und
in deutsche Innovationsfähigkeit treibt diese Wünsche an. Hinzu kommen die in
vielen Ländern zwischenzeitlich gemachten Erfahrungen mit der chinesischen
Projektkultur, deren Stärke offensichtlich nicht mit dem Terminus
„Nachhaltigkeit“ umschrieben werden kann. Da besteht also auch auf
chinesischer Seite doch noch ein entsprechender Lernbedarf, ich bin aber
sicher, China wird lernen, und China wird das auch umsetzen.
Aber zurück zum Kern der Herausforderungen für die deutsche
mittelständische Wirtschaft und damit auch für die europäische
mittelständische Wirtschaft.
Wie Sie vermutlich wissen, verfügt Deutschland – und das hat Folker
Hellmeyer auch schon mehrfach betont – über eine sehr starke mittelständische
Wirtschaft, die zudem in großen Teilen aus Familienunternehmen besteht. Dieser
starke Nukleus der deutschen Wirtschaft hat enorm viel „hidden
champions“ in fast allen Branchen im Weltmarkt hervorgebracht. Diese
mittelständische Wirtschaft ist das Geheimnis des deutschen Exporterfolges und
der Innovations- und Investitionsfähigkeiten Deutschlands.
Es sind nicht in erster Linie die großen DAX-Unternehmen, die unbedingt
einer politischen Unterstützung bedürfen. Die sind in der Regel überall gut
vertreten und setzen ihre Interessen auch ganz alleine durch und auch um.
Familienunternehmen brauchen Schutz
Nein, es sind die mittelständischen Familienunternehmen, die der
politischen Unterstützung bedürfen, und genau für diese Zielgruppe haben wir
den Bundesverband Deutsche Seidenstraßen-Initiative auf den Weg gebracht.
Diese Familienunternehmen müssen sich ordnungspolitisch in einigermaßen
gesichertem Fahrwasser bewegen, und dazu gehören nun mal bi- oder
multinationale Abkommen über den Schutz von Investitionen und den Schutz von
geistigem Eigentum. Dazu gehören auch klare, nachvollziehbare Maßnahmen gegen
Korruption und staatliche Willkür – ja, meine Damen und Herren, es gibt sie
noch auf dieser Welt! Ebenso gehören dazu Garantien für den freien Waren- und
Kapitalverkehr. Nicht zuletzt müssen Sicherheit gewährleistende Regelungen in
Sachen Schadensregulierung und Schadensersatz festgeschrieben werden.
Spezielle Export- und Projektfinanzierungen sind ein weiteres Feld von
OBOR-adäquaten Unterstützungsleistungen, die auf den Weg gebracht werden
müssen, will Deutschland weiterhin die Chancen im internationalen Vergleich
behalten.
Erfreulicherweise gibt es schon Beispiele für die Schaffung von wichtigen
ordnungspolitischen Rahmenbedingungen. Kasachstan – auch das hat Folker
Hellmeyer angesprochen – z.B. hat eine beeindruckende Gesetzeslandschaft
geschaffen, die in großen Bereichen der deutschen Gesetzgebung entspricht oder
sich mindestens an ihr orientiert. Rußland hat umfangreiche Garantiepakete und
Schiedsstellen geschaffen, mit denen sich die deutsche Wirtschaft in Rußland
durchaus wohl fühlt.
Gleichwohl – es bleibt immer noch sehr viel zu tun.
Die gilt insbesondere in den Bereichen Korruption und Behördenwillkür. Die
EU und Deutschland haben enorme Erfahrungen mit der Entwicklung, Vereinbarung
und Festschreibung solcher Regelungen und Verfahren. Diese stammen aus den
Beitrittsvereinbarungen zur EU, genauso wie aus den Vereinbarungen
binationaler oder trinationaler Abkommen. Es kann also nicht am mangelnden
Know-How liegen, wenn die notwendige politische Dynamik noch nicht erkennbar
ist. Hier muß dringend ein neuer Geist her.
Bei allen zu treffenden Vereinbarungen mit den Ländern der Seidenstraße,
bei allen zu würdigenden Interessen der Beteiligten muß eines klar sein: Es
geht für Deutschland und die EU weder um eine Abgrenzung und schon gar nicht
um eine Konfrontation zur One Belt One Road Initiative. Nur ein
kooperativer Ansatz gewährleistet wirklich eine Perspektive.
Es geht um Teilhabe, es geht um Prosperität und um Partnerschaft.
Deutschland hat innen- und außenpolitisch die Pflicht, sich neuen globalen
Initiativen zuzuwenden. Andernfalls verspielen wir in Europa unsere Chance auf
Teilhabe an der Gestaltung einer neuen Weltwirtschaftsordnung. Das aber wäre
dann wirklich nicht China vorzuwerfen, sondern ausschließlich dem eigenen
politischen Versagen.
Ich danke Ihnen.
eir
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