Die Zukunft muß die Gegenwart bestimmen:
Die Menschheit an der Wegscheide zum Neuen Paradigma
Von Helga Zepp-LaRouche
Die Vorsitzende des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche,
hielt am 17. November im Rahmen der Feiern zum 259. Geburtstag des Dichters
Friedrich Schiller in New York City den folgenden Vortrag. Er wurde für den
Abdruck aus dem Englischen übersetzt.
Lassen Sie mich zunächst feststellen: Es besteht ein Potential, daß wir
schon viel schneller, als es die meisten Menschen ahnen, sehr bewußt den
Beginn einer neuen Epoche der Menschheit erleben könnten, in der wir die
Kriegsgefahr hinter uns lassen, in der unsere Nationen in einem völlig neuen
Rahmen internationaler Beziehungen auf der Grundlage von Win-Win-Kooperation
zusammenarbeiten, und in der wir alle unsere Ressourcen, sowohl unsere
Kreativität als auch unsere physischen Ressourcen, dazu einsetzen, Probleme zu
lösen, wie das Problem der Armut und die wissenschaftlichen Herausforderungen
für die nächsten Schritte und Durchbrüche in unserem Wissen über das
Universum. Ich kann mir vorstellen, daß all das schon sehr bald geschehen
wird.
Die Beziehungen zwischen Präsident Trump, Präsident Xi und Präsident Putin
sind entscheidend, um solch eine Lösung zu erreichen, so unwahrscheinlich das
einigen erscheinen mag. Wir könnten sogar schon innerhalb eines Jahres oder
weniger Jahre eine große Wende erleben, die uns aus dem gegenwärtigen
finsteren Zeitalter herausführt, das wir vor allem im Westen derzeit erleben,
und die ebenso fundamental und bahnbrechend sein könnte wie die Goldene
Renaissance im Italien des 15. Jahrhunderts, die das schreckliche finstere
Zeitalter des 14. Jahrhunderts ablöste. Ich möchte Sie alle daran erinnern,
daß es damals möglich war, ein solches finsteres Zeitalter zu überwinden und
etwas zu schaffen, was die Grundlage für die folgenden 600 Jahre der
Menschheitsgeschichte gelegt hat.
Ich denke, daß das heute absolut möglich ist. Ich bin sogar überzeugt, daß
ich keineswegs zu optimistisch oder in utopischen Ideen gefangen bin, wenn ich
mir absolut sicher bin, daß das Ziel, das wir uns vorgenommen haben, als wir
1984 das Schiller-Institut gründeten, erreicht werden kann – nämlich, eine
neue, gerechte Weltwirtschaftsordnung auf diesem Planeten zu schaffen, in der
alle Nationen, alle Zivilisationen, alle Kulturen der Welt ihre besten
Traditionen einbringen und zusammenarbeiten, um eine neue, höhere Renaissance
für die gesamte Menschheit hervorzubringen; wobei klar ist, daß dies nur
möglich sein wird, wenn wir das mit einer Renaissance der klassischen Kultur
verbinden. Das war das Ziel des Schiller-Instituts, und ich halte es für sehr
gut möglich ist, daß es sich erfüllt.
Nachdem ich nun aber mit absoluter Sicherheit gesagt habe, daß das möglich
ist, möchte ich hier ebenso klar sagen, daß auch die Gefahr besteht, daß wir
wie Schlafwandler in einen neuen Weltkrieg taumeln, so wie das vor und im
Ersten Weltkrieg geschehen ist.
Der Grund, warum diese Gefahr absolut gegeben ist, ist eng verwandt mit den
Gründen für den Ersten Weltkrieg. In der gegenwärtigen Lage gibt es zwar viele
Unterschiede und neue Faktoren, aber es gibt auch fundamentale Parallelen.
Denn es waren die geopolitischen Theorien des Britischen Empire vor dem Ersten
Weltkrieg, wie sie beispielsweise von Harold Mackinder ausgedrückt wurden, der
die Vorstellung entwickelte, daß derjenige, der das „eurasische Herzland“
beherrscht, letztendlich die ganze Welt beherrschen, die Hegemonie über die
Welt haben würde – und daß dies zum Nachteil der Seemächte ausschlagen würde,
vor allem des Britischen Empire.
Ich will hier nicht auf die komplizierte Geschichte des Ersten Weltkriegs
eingehen – wenn Sie anfangen, sie zu studieren, werden Sie sehen, daß das
tatsächlich eine hochinteressante Lage war, und alle Länder, vor allem die
sechs hauptbeteiligten Imperien und Nationen, haben lange Dokumentationen
darüber erstellt, wie es zum Ersten Weltkrieg kam. Jedes hat eine eigene
Sichtweise. Und man müßte schon außerordentlich lange leben, um das alles zu
studieren, denn es sind viele Biographien und Notizen und Dokumente usw. Aber
die Parallelen zu heute sind trotzdem sehr sichtbar.
Wenn Sie dieses geopolitische Denken anwenden, dann ging es damals um den
Bau der Transsibirischen Eisenbahn, um die Rolle Rußlands, um die mögliche
Zunahme der Bedeutung des eurasischen Kontinents im Vergleich zu den
Seemächten. Heute ist das ganz klar die Politik der Belt & Road Initiative
(BRI), für die China wirbt, die schon mehr als hundert Länder begeistert und
in die Kooperation einbezieht. Und natürlich ist es der Aufstieg Rußlands als
globale Macht unter Putins Führung, der als ein sehr wichtiger strategischer
Faktor in dieser Lage aufkommt. Es geht auch um das, was oft als die Gefahr
der „Thukydides-Falle“ bezeichnet wird, nämlich, daß die bis dahin
vorherrschende Macht, in diesem Fall die Vereinigten Staaten, von einer
aufstrebenden zweiten Macht, nämlich China, überflügelt wird.
Die Idee der unipolaren Welt
Nun, wie sind wir an diesen Punkt gekommen? Als die Sowjetunion
auseinanderbrach, beschlossen die Neokonservativen in den Vereinigten Staaten
zusammen mit ihren Gesinnungsgenossen in Großbritannien, daß nun, angesichts
der Tatsache, daß der Kommunismus besiegt war, die Zeit gekommen sei, eine
unipolare Welt zu schaffen, in der sie auf der Grundlage der Sonderbeziehung
zu Großbritannien die Welt nach ihren Prinzipien und Neigungen beherrschen
würden. Sie erinnern sich, daß der Historiker Fukuyama damals das „Ende der
Geschichte“ ausrief – von nun an würde auf der ganzen Welt die Demokratie
herrschen, und es würde keine konkurrierenden Systeme mehr geben, sondern
alles würde dem westlichen Modell folgen.
Für Rußland wollte man das durch die sog. „Schocktherapie“ erreichen, die
Idee, die frühere Supermacht Sowjetunion in ein rohstoffexportierendes Land
der Dritten Welt zu transformieren. Unter Jelzin und in Kollaboration mit dem
Westen wurde Rußland ausgeplündert, und Rußlands industrielles Potential wurde
von 1991-94 auf nur noch 30% reduziert. Es war für Rußland im Grunde ein
Jahrzehnt des Völkermords, des demographischen Kollapses, aber Rußlands
Bedeutung als Weltmacht wurde offensichtlich beseitigt.
Dann folgte etwas später die Idee, China in die Welthandelsorganisation
(WTO) aufzunehmen, was ebenfalls mit der Idee verbunden war, daß man China als
kommunistische Macht ausschalten würde und China durch die Öffnung gegenüber
der WTO letztendlich nicht nur den Freihandel, sondern auch westliche Werte
wie Demokratie und Menschenrechte übernähme und im Grunde irgendwann nicht
mehr anders wäre als der Westen.
Gegen die übrigen Länder, die noch nicht auf Linie waren, gab es
Regimewechsel, Farbenrevolutionen, man sprach von der „Achse des Bösen“, um
alle Länder loszuwerden, die nicht dem westlichen Modell folgen und sich den
„westlichen Werten“ nicht unterwerfen wollten.
Damit verbunden war natürlich die Vorstellung, daß man alle
merkantilistischen Tendenzen oder staatlichen Steuerungssysteme in der
Wirtschaft beseitigen wollte und die neoliberalen Ideen sich durchsetzen
würden. Es gab eine Kampagne für die Deregulierung der Finanzmärkte.
Infolgedessen vergrößerte sich der Abstand zwischen reich und arm.
Das ging eine ganz Weile so weiter, aber am Ende führte es zu einer
globalen Rebellion gegen die geopolitische, neoliberale Politik. Als Folge
davon haben wir die Rebellion des Brexit gesehen, den Wahlsieg von Trump gegen
Hillary Clinton, die Wahl einer neuen italienischen Regierung, die alle diese
Werte zurückweist, und etlicher anderer Regierungen in Europa auf der gleichen
Linie.
China folgt in seinem Verhalten diesem Skript nicht, sondern hat seine
eigenen Wurzeln entdeckt und kehrte zur Politik der asiatischen Seidenstraße
zurück, indem es die Neue Seidenstraße auf die Tagesordnung setzte. Das war
nur ein Element in der Tradition Chinas, aber ich denke, die Belt & Road
Initiative war, auch in Kooperation mit anderen Ländern der BRICS und vor
allem mit anderen asiatischen Staaten, auch eine Reaktion auf die „Asienkrise“
von 1997. Mein Ehemann hatte damals gewarnt, das sei keine Asienkrise, sondern
der Beginn einer globalen Finanzkrise, die sich einfach in verschiedenen
Phasen entwickle, die aber allesamt Teil des gleichen Prozesses seien.
Der Auslöser dieser „Asienkrise“ waren die Spekulationsgeschäfte von George
Soros, der gegen die asiatischen Währungen spekulierte, die dann innerhalb
einer Woche um bis zu 80% abstürzten. Aber letztendlich stärkte das die Idee,
daß die sogenannten Entwicklungsländer einen Widerstand formieren müssen und
daß sie sich auf eine andere Politik verlegen müssen.
China, vor allem Xi Jinping, machte sich nicht nur daran, den schrecklichen
Mangel an Entwicklung in Industrie und Infrastruktur nach 500 Jahren
Kolonialismus zu überwinden, sondern auch das Regime, das über die negativen
Aspekte des Bretton-Woods-Systems durchgesetzt wurde, wie es Truman und
Churchill beabsichtigt hatten – womit Franklin Roosevelts Hoffnung, durch das
Bretton-Woods-System den Kolonialismus abzuschaffen, sich nicht erfüllte.
Statt dessen führten sie die schreckliche Ungerechtigkeit gegenüber dem
Entwicklungssektor ein, denn wenn die Weltbank und der Weltwährungsfonds (IWF)
für die Kredite und die Festlegung ihrer Konditionen zuständig waren,
bedeuteten diese Konditionen eine Schuldenfalle.
Diese Konditionen verhinderten den Aufbau von Infrastruktur, Investitionen
in die Sozialsysteme und in die Bildung. Auf diese Weise hinderten sie die
Entwicklungsländer daran, jemals den Sprung zu schaffen, Industrieländer zu
werden. Und wenn es dem IWF nicht gelang, so besorgte die bösartige Ideologie
des Club von Rom den Rest, der hartnäckig behauptete, daß wir auf einem
Planeten mit begrenzten Ressourcen leben und daß nur „nachhaltiges Wachstum“
erlaubt sei, also im Grunde Bevölkerungsreduktion und gar keine Entwicklung.
Auch der World Wildlife Fund förderte diese Idee, indem er behauptete,
Schnecken und Spinnen seien wichtiger als Menschen, und deshalb dürften
Staudämme und Wasserregulierungen und alle diese Dinge nicht zugelassen
werden.
So gab es ein schreckliches Vakuum, und deshalb folgte innerhalb kurzer
Zeit eine Explosion von Entwicklung – in den nur fünf Jahren, seit Xi Jinping
die Belt & Road Initiative ankündigte. Mehr als hundert Länder wurden vom
Geist der Seidenstraße erfaßt, er gab den Entwicklungsländern zum erstenmal
Hoffnung, die Armut zu überwinden, industrialisierte Länder zu werden, und
dabei nicht nur die Entwicklung zu wiederholen, die die industrialisierten
Länder vor ihnen hatten, sondern gleich zu den fortgeschrittensten Bereichen
von Forschung und Technologie zu springen, vor allem mit Hilfe von China, aber
auch Rußland und in geringerem Maße Indien, Japan und anderen Ländern.
Der Westen und die Thukydides-Falle
Das geschah ab 2013, und etwa vier Jahre lang haben die westlichen Medien
und Denkfabriken fast völlig ignoriert, daß sich dieses neue System der BRI
entwickelte und äußerst schnell heranwuchs. Schon das an sich ist unglaublich,
schließlich handelt sich hier um das größte Infrastrukturprogramm, das jemals
in der Geschichte unternommen wurde. Schon jetzt ist es 20 Mal so groß wie der
Marshallplan, und es ist unbegrenzt. Aber die westlichen Medien entschieden,
es mehr oder weniger zu ignorieren. Es gab keine objektive Berichterstattung,
keine Dokumentationen, keine Berichte darüber in den westlichen Medien.
Dann aber, vor etwa einem Jahr, gab es plötzlich eine Welle von Angriffen
auf China. Die Denkfabriken warfen China vor, einen neuen Kolonialismus zu
betreiben, die Länder des Entwicklungssektors in eine Schuldenfalle zu locken,
ein proletarisches System zu sein.
In den Ländern, die sich an der Belt & Road Initiative beteiligen,
spottet man darüber, viele Staatschefs der Dritten Welt, in Lateinamerika,
Asien und Afrika, wiesen diese Behauptungen entschieden zurück und sagten,
jetzt hätten sie dank der Kooperation mit China zum erstenmal die Chance, sich
zu entwickeln. Sie wollten als gleichrangige Partner behandelt werden, statt
sich länger die Moralpredigten des Westens anzuhören, der von Demokratie und
Menschenrechten redet, aber keine Entwicklung bringt.
Die falsche Propaganda gegen China kam in den Entwicklungsländern überhaupt
nicht gut an, aber sie hat natürlich die Bevölkerung in den Vereinigten
Staaten und in einigen europäischen Ländern verwirrt und verstört, weil die
Menschen nicht wissen, was wirklich geschieht. Und wenn man nur die
Darstellung der westlichen Medien kennt, dann ist es sehr schwer, das
herauszufinden.
Das gleiche geschah im Grunde auch gegenüber Rußland. Es gab eine völlige
Dämonisierung Rußlands, indem man ein völlig falsches Narrativ erfand. Dieses
Märchen begann mit der angeblichen russischen „Annexion der Krim“. Plötzlich
wurde völlig aus dem Gedächtnis und Bewußtsein der Menschen gestrichen, wie
der Westen sich in den 90er Jahren an der Plünderung Rußlands beteiligte, und
daß es in Rußland nur deshalb immer noch Oligarchen gibt, weil die von einigen
westlichen Mächten unterstützt werden. Das falsche Narrativ tat auch so, als
sei Gorbatschow und Rußland zur Zeit des Zusammenbruchs der Sowjetunion bzw.
sogar schon vorher, zur Zeit der deutschen Wiedervereinigung, niemals
versprochen worden, daß die NATO nicht bis an die Grenzen Rußlands expandieren
werde. Das wurde alles vollkommen vergessen.
In Wirklichkeit wurde die Krise in der Ukraine natürlich nicht dadurch
ausgelöst, daß Rußland die Krim „annektierte“, sondern vielmehr, wie Helmut
Schmidt einmal sagte, durch den Maastricht-Vertrag der EU, in dem beschlossen
wurde, wie Robert Cooper damals sagte, die EU in ein „Empire“ zu verwandeln
und durch die Aufnahme von Ländern nach Osten vorzurücken. Und tatsächlich
expandierten die NATO und die EU immer weiter bis an Rußlands Grenzen und so
weit wie möglich nach Osten.
All das wurde vollkommen ausgeklammert und vergessen, und das
EU-Assoziationsabkommen wurde praktisch aus dem Gedächtnis gestrichen, genauso
wie der Nazi-Putsch in Kiew und das Resultat des Referendums auf der Krim, das
eine freie Entscheidung der Menschen auf der Krim war. Plötzlich schien es so,
als habe die Geschichte erst danach begonnen. Wie Putin mehrmals sagte: Wenn
es nicht die Ukraine gewesen wäre, dann hätten sie irgendeine andere
Geschichte erfunden.
Inzwischen hat das Pentagon die Nationale Sicherheitsstrategie der USA
vorgelegt. Erst vor zwei Tagen wurde vom Prüfungsausschuß des Kongresses für
die Nationale Verteidigung unter der Führung von Eric Edelman ein Bericht
vorgelegt, der ganz im Geiste von John McCain ist. Was besagt er? Ich will
Ihnen ein Zitat daraus vorlesen, damit Sie einen Eindruck davon bekommen. In
der Zusammenfassung heißt es:
„Die Sicherheit und das Wohl der Vereinigten Staaten ist größeren Risiken
ausgesetzt als irgendwann in den letzten Jahrzehnten. Amerikas militärische
Überlegenheit – das harte Rückgrat seines globalen Einflusses und seiner
nationalen Sicherheit – ist in gefährlichem Maße erodiert. Rivalen und Gegner
fordern die Vereinigten Staaten an vielen Fronten und in vielen Bereichen
heraus. Amerikas Fähigkeit, seine Verbündeten, seine Partner und seine
lebenswichtigen Interessen zu verteidigen, ist zunehmend in Frage gestellt.
Wenn die Nation nicht sofort handelt, um diesen Umständen abzuhelfen, dann
werden die Konsequenzen schwerwiegend und dauerhaft sein...
Heute vermindern die Veränderungen zuhause und im Ausland die militärischen
Vorteile der USA, und sie bedrohen lebenswichtige Interessen der USA.
Autoritäre Konkurrenten – vor allem China und Rußland – streben regionale
Hegemonie an und die Mittel, ihre Macht weltweit zu projizieren...
Diese Trends untergraben die Abschreckung von Gegnern der USA und das
Vertrauen von Amerikas Verbündeten und erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit
militärischer Konflikte. Das US-Militär könnte in seinem nächsten Konflikt
inakzeptabel hohe Verluste und hohe Kapitalwertverluste erleiden. Es hätte
Schwierigkeiten, einen Krieg gegen China oder Rußland zu gewinnen, oder würde
vielleicht sogar verlieren. Den Vereinigten Staaten droht die Gefahr,
überwältigt zu werden, wenn sein Militär gezwungen wäre, gleichzeitig an zwei
oder mehr Fronten zu kämpfen.“
Das entspricht ganz und gar der Sicht der Neokonservativen, es ist die
Vorstellung, daß die Welt für immer in Blöcke geteilt sein wird und daß die
Idee einer multipolaren Welt völlig inakzeptabel sei. Die Neocons geben
offensichtlich nicht auf; trotzdem stehen sie in völligem Widerspruch zu dem,
was Präsident Trump immer wieder sagt, nämlich, daß er die Beziehungen zu
Rußland und China verbessern will, und daß es nichts schlechtes ist, sondern
eine gute Sache ist, gute Beziehungen zu diesen beiden Ländern zu haben.
Während diese Neocons in den Vereinigten Staaten mobilisieren, fordert
gleichzeitig Frankreichs Präsident Macron eine europäische Armee außerhalb der
NATO. Er hat die Gedenkfeier für den Ersten Weltkrieg dazu mißbraucht, die
eine echte Chance gewesen wäre, über die Zukunft der Zivilisation
nachzudenken, und darüber, wie wir sicherstellen können, daß es nie wieder
Kriege gibt. Macron hat praktisch Trump angegriffen und die Bühne der
internationalen Aufmerksamkeit dazu benutzt, sich als den Gegenpol zu den
„Nationalisten“ und „Populisten“ zu präsentieren. Er forderte mehr
Unabhängigkeit vom Dollar, ohne zu sagen, wie die desolate EU das bewirken
soll, und er forderte eine europäische Armee gegen die Bedrohung durch
Rußland, China und die Vereinigten Staaten. Einen Tag später forderte der
französische Finanzminister Le Maire, Europa müsse ein „Empire“ werden wie die
Vereinigten Staaten oder China.
Es ist unglaublich, daß jemand in Zeiten wie diesen die Unverfrorenheit
besitzt, die Nationalstaaten vom Standpunkt des Empires anzugreifen, als wäre
das eine überlegene Regierungsform. Meiner Meinung nach leiden Herr Macron und
seine Regierung unter einem Übermaß an „Grandeur“ [Selbstherrlichkeit],
angesichts des unbestreitbaren Zustands der Europäischen Union. Macrons
Popularität fällt wie ein Stein. Gerade heute gab es überall in Frankreich
große Demonstrationen, bei denen die Menschen die Straßen blockierten und
durch ihren Protest gegen die hohen Treibstoff- und Benzinpreise und gegen
Macrons Sparpolitik den Verkehr vollkommen zum Erliegen brachten. Es herrscht
also eine Massenstreikstimmung in Frankreich, was schon in naher Zukunft sehr
interessante Folgen haben kann.
Gleichzeitig ist die EU am Auseinanderbrechen. Die EU-Kommission und die EU
befinden sich in einer Konfrontation mit der italienischen Regierung, die sich
weigert, weiter die Anweisungen der EU zu befolgen und Sparmaßnahmen zum
Schaden der eigenen Bevölkerung zu verhängen. Sie sagt, sie wolle nicht die
Fehler von Griechenland und Spanien wiederholen und statt dessen eine Politik
für Investitionen und Wachstum haben.
Auch in Deutschland ist die sogenannte Große Koalition unter Frau Merkel
gar nicht mehr so groß. Sie ist eine kleine Koalition von nur noch 40%, wenn
jetzt Wahlen wären, hätte sie keine Mehrheit mehr. Merkel könnte schon sehr
bald stürzen, denn wenn Seehofer geht, wahrscheinlich Anfang des Jahres,
könnte es zu einer Regierungsumbildung kommen, und dann könnte Merkel draußen
sein.
Aber die Lage in Deutschland ist eine echte Krise, denn einer der möglichen
Nachfolger Merkels ist der CDU-Politiker Merz, ein völliger Neocon, er ist
neoliberal, und er will eine Koalition mit den Grünen. Er spricht sogar von
einem grünen Bundeskanzler. Beide Optionen bedeuteten das Ende Deutschlands
als Industrienation. Denn die Grünen fordern die völlige Dekarbonisierung der
Wirtschaft, ausgehend von der Vorstellung, daß CO2-Emissionen den
Klimawandel und die globale Erwärmung verursachen, was ein großer Schwindel
ist, wenn man die Tatsache betrachtet, daß alle menschlichen Aktivitäten in
den letzten 100 Jahren nur eine Wirkung von 0,2% auf den Klimawandel hatten,
und die Temperaturen seit der letzten sogenannten kleinen Eiszeit in der Mitte
des 19. Jahrhunderts nur um 0,8°C angestiegen sind. Damals gab es sehr tiefe
Temperaturen, wo die Ostsee und der Bodensee vollkommen zugefroren waren. Es
war also im Grunde gar kein so schrecklicher Temperaturanstieg.
Wenn Deutschland, das töricht aus der Kernkraft ausgestiegen ist, ohne
einen Ersatz dafür zu haben, unter einer Führung von CDU und Grünen die
Dekarbonisierung anstreben würde – was bedeutet: keine Kohle, keine fossilen
Treibstoffe, nur „alternative“ Energien –, dann wäre das schlimmer als der
Morgenthauplan. Es bedeutete den völligen Zusammenbruch der deutschen
Wirtschaft, und angesichts der Rolle der deutschen Wirtschaft in Europa
bedeutete dies den Kollaps ganz Europas. Abgesehen davon ist es eine Form des
Ökofaschismus, denn jedermann – sogar der frühere Leiter des Potsdam-Instituts
für Klimafolgenforschung, Schellnhuber – gibt zu, wenn man die Weltwirtschaft
dekarbonisiert, daß dann nur noch eine Milliarde Menschen auf der Erde
versorgt werden können. Die große Frage ist natürlich, was soll mit den
übrigen sechs Milliarden geschehen?
Ein Neues Bretton Woods
Ich wollte hier nur in groben Zügen ein Bild der strategischen Lage
zeichnen, um zu unterstreichen, daß angesichts dieser strategischen Lage der
Vorschlag meines Ehemanns Lyndon LaRouche die einzige Möglichkeit ist, wie wir
aus dieser gegenwärtigen Krise und der Gefahr, in einen neuen Krieg zu
schlittern, herauskommen können: ein Vier-Mächte-Abkommen zwischen den
Vereinigten Staaten, Rußland, China und Indien – das nicht exklusiv wäre,
sondern eine offene Koalition, der sich weitere Nationen, weitere Länder
anschließen können. Der unmittelbare Schritt, den diese vier Regierungen tun
müssen, ist es, ein Neues Bretton-Woods-Kreditsystem zu schaffen.
Wir haben derzeit nicht nur eine Krise in Europa, das sich in einem
zentrifugalen Auflösungsprozeß befindet, wir sind auch mitten in einer
europäischen Bankenkrise, wir stehen am Rande eines neuen Finanzkrachs. Es
besteht die Möglichkeit, daß sich der Krach von 2008 wiederholt, nur diesmal
in einem viel größeren Maßstab. Alle Parameter, die zur Krise von 2008
führten, sind um 40% gestiegen. Vor allem die Unternehmensschulden sind eine
tickende Zeitbombe, die das System jederzeit sprengen kann. Auch die Menge des
spekulativen Geldes, das heute täglich um die Welt fließt, ist auf ein
Mehrfaches angewachsen, derzeit fließen jeden Tag fünf Billionen Dollar an
spekulativen Geldern, die zum Teil in Nanosekunden rund um den Globus
geschickt werden. Aber die Werkzeuge der Zentralbanken sind verbraucht, man
kann nicht endlos weiter Quantitative Erleichterung betreiben. Wir sitzen im
Grunde auf einem Vulkan.
Die unmittelbare Lösung für diese Welt wäre, daß diese vier Länder für ein
Neues Bretton-Woods-System kooperieren. Natürlich wäre es eigentlich die
Aufgabe der G-20, aber angesichts der Tatsache, daß der G-20 mehrere Länder
angehören, die völlig gefangen in dem alten, geopolitischen, neoliberalen
Paradigma sind, kann es nur durch einen Diskussionsprozeß zwischen den
Präsidenten Putin und Trump und Xi Jinping entstehen, indem sie über ein Neues
Bretton-Woods-System sprechen, das einen globalen Glass-Streagall-Ansatz [ein
Trennbankensystem] umfaßt. Dazu würden Nationalbanken für jedes Land gehören.
Es wäre ein internationales Kreditsystem zur Finanzierung langfristiger
internationaler Investitionen in Projekte der Belt & Road Initiative und
für die Kooperation in der Neuen Seidenstraße auf einer Win-Win-Basis.
Dazu ist offensichtlich eine bewußte Entscheidung notwendig, die
Thukydides-Falle zu vermeiden und die anderen Länder nicht als Konkurrenten
und Gegner zu betrachten, sondern auf einer Win-Win-Basis zu kooperieren. Für
die Vereinigten Staaten hieße dies, daß sie, anstatt ihr Militärbudget weiter
zu vergrößern, obwohl es schon jetzt 700 Mrd.$ umfaßt und zehnmal so groß ist
wie das von Rußland, sondern statt dessen mit anderen zusammenarbeiten, um die
amerikanische Wirtschaft wieder aufzubauen.
Spätestens dann, wenn katastrophale Brände in Kalifornien beispiellose
Schäden auslösen und gleichzeitig die Ostküste unvorbereitet von Winterstürmen
überrascht wird, sollte für jeden offensichtlich sein, daß der jahrzehntelange
Mangel an Infrastrukturinvestitionen, der Mangel an Wasserregulierung in den
Vereinigten Staaten unbedingt angepackt werden muß, wenn diese ganze Frage des
Wettbewerbs zwischen den Systemen nicht durch einen wirtschaftlichen Kollaps
der Vereinigten Staaten völlig irrelevant werden soll.
Anfang 2018 hatte China bereits 22.000 km an Hochgeschwindigkeitsbahnen.
Bis Ende des Jahres werden sie den größten Teil der Schnellbahnverbindung
zwischen Beijing und Hongkong fertiggestellt haben, das sind 2230 km. In zwei
Jahren will China alle bedeutenden Städte durch ein Netz von
Hochgeschwindigkeitsbahnen miteinander verbinden. Die Vereinigten Staaten
haben nur eine einzige kurze Strecke von 200 km für Schnellzüge und keinen
einzigen Kilometer Bahnstrecke für Geschwindigkeiten über 250 km/h, während
die Schnellzüge in China 350 km/h fahren. Wenn die Vereinigten Staaten mit
China kooperieren würden, um in ein Schnellzugnetz in Amerika zu investieren,
die physische Wirtschaft wieder aufzubauen und das Handelsdefizit durch
gemeinsame Unternehmungen in Lateinamerika, Asien und insbesondere zur
Entwicklung Afrikas zu überwinden, dann kann unsere Welt schon in naher
Zukunft ganz anders aussehen.
Wir setzen uns mit dem Schiller-Institut weltweit dafür ein, einen völlig
neuen Rahmen der internationalen Beziehungen zu schaffen, besonders durch
unseren Appell an die vier Staatschefs von Rußland, China, Indien und den
Vereinigten Staaten. Dazu muß man die Welt vom Standpunkt der Zukunft aus
betrachten. Wie soll die Welt in hundert Jahren ausschauen?
Wenn wir die gegenwärtigen Gefahren vermeiden, dann werden wir die
kommerziell nutzbare Kernfusionsenergie haben, wir werden als Resultat der
Fusion und der Plasmafackel-Technologie praktisch unbegrenzte Energie- und
Rohstoffvorräte zur Verfügung haben – in der ersten Phase durch Deuterium und
Tritium, das in den Ozeanen praktisch unbegrenzt vorhanden ist, und in der
zweiten Generation durch Helium-3 als Brennstoff für den Fusionsprozeß.
Wir werden Siedlungen auf dem Mond haben, wir werden den Mond
industrialisieren für gemeinsame Missionen zum Mars und schon bald auch zu
anderen Himmelskörpern, und wir werden eine Kooperation von der Art haben, wie
wir sie gerade gestern gesehen haben, als Roskosmos erfolgreich eine
Sojus-FG-Trägerrakete mit einem MS-10-Progress-Raumfahrzeug startete, das
Nachschub zur internationalen Weltraumstation ISS transportiert, und heute
wurde ein Cygnus-NG-10-Raumfahrzeug mit einer Antares-Rakete vom
Raketenstartplatz Wallops in Chincoteague/Virginia zur ISS gestartet. Diese
Form der Kooperation im Weltraum ist wirklich das Vorbild für die zukünftigen
Beziehungen zwischen den Nationen.
Nun, ich bin auch überzeugt, wenn man sieht, was sich beispielsweise in
China vollzieht – wo Xi Jinping sehr großen Wert auf die ästhetische Erziehung
des Menschen legt, weil es das Ziel ist, schöne Geister und Seelen in den
Schülern und Studenten zu wecken und ihnen die Tradition des Konfuzius und der
5000jährigen Geschichte Chinas zu vermitteln –, und in vielen anderen Ländern,
die auf ihre eigenen, besten Traditionen zurückschauen, wie in Rußland, in
Afrika und anderen Ländern in aller Welt: wenn wir im Westen zu den Ideen
Friedrich Schillers zurückkehren, zu der Idee, daß man eine ästhetische
Erziehung zur Veredelung der eigenen Bevölkerung braucht, dann können wir
tatsächlich entdecken, wieviel Schönes diese Universalgeschichte bisher schon
hervorgebracht hat.
Und ich bin überzeugt, daß wir in den Vereinigten Staaten wie in
Deutschland dringend dem gegenwärtigen Verfall unserer Kultur entgegenwirken
müssen, der Drogenepidemie, der Gewalt an den Schulen, den Massakern, den
Selbstmorden aus Verzweiflung, vor allem aber der zunehmenden Gewalt und
Perversion in allen Formen unserer Jugendkultur. Wir müssen dringend auf die
Ideen von Konfuzius, von Schiller und anderen großen Geistern anderer Länder
zurückblicken, um unsere Bevölkerung zu veredeln. Sonst brauchen wir uns über
den „Systemwettbewerb“ mit anderen Kulturen wie China oder Rußland gar keine
Gedanken zu machen, denn wenn wir im Westen uns nicht zusammenreißen und zu
unseren eigenen hohen Traditionen und Kulturen zurückkehren, dann werden wir
sowieso sehr bald zusammenbrechen.
Aber ich bin optimistisch, und ich bin überzeugt, das Potential dazu ist
absolut vorhanden. Und da Präsident Trump den Angriff des Britischen Empires
und den Putschversuch gegen ihn auf wundersame Weise überstanden hat und bei
der Kongreßwahl sogar noch Sitze im Senat hinzugewonnen hat, halte ich es
unbedingt für möglich, eine solche Mobilisierung zu starten, um in ein neues
Paradigma zu gelangen.
Aber dazu brauche ich Ihre Unterstützung. Sie in den Vereinigten Staaten
müssen mit uns zusammenarbeiten, und wir brauchen dringend eine Mobilisierung,
um dieses Neue Paradigma zu erreichen, denn die Menschheit steht an einer
Wegscheide wie noch nie zuvor in der Geschichte.
Vielen Dank.
|