Konferenz des Schiller-Instituts öffnet Tür zum Neuen Paradigma
Von Alexander Hartmann
Bei der Konferenz des Schiller-Instituts am 30.6./1.7. 2018
kamen herausragende Experten zu Wort, darunter hochrangige Berater der
Regierungen Rußlands, Chinas und der USA.
Der Zeitpunkt für die jüngste Konferenz des Schiller-Instituts, die am
30.6./1.7. 2018 in Bad Soden am Taunus stattfand, hätte nicht besser gewählt
werden können, denn sie fand zu einem Zeitpunkt statt, an dem sich das Momentum
für die Konsolidierung eines neuen Paradigmas unter dem Einfluß der mit Chinas
Wirtschaftsgürtel-Initiative (BRI) verbundenen Diplomatie und
Wirtschaftspolitik verstärkt.
In den letzten Monaten vollzogen sich wesentliche Veränderungen, und eine
wachsende Zahl von Nationen bewegt sich in Richtung der neuen strategischen
Geometrie eines Bündnisses zwischen Rußland, China und den Vereinigten Staaten,
das sich trotz des massiven Widerstands britischer und amerikanischer
Netzwerke, die die alte, gefährliche Weltordnung der Geopolitik erhalten
wollen, weiter ausbildet. China und Rußland arbeiteten mit US-Präsident Trump
zusammen, ebenso mit dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe und
Südkoreas Präsident Moon Jae-in, um das erfolgreiche Gipfeltreffen zwischen
Trump und dem nordkoreanischen Präsidenten Kim Jong-un am 12.6. in Singapur
zustande zu bringen, was die Stärke dieses neuen Bündnisses zeigt.
Der Erfolg des Singapur-Gipfels half, den Weg für das Treffen zwischen Trump
und Rußlands Präsidenten Wladimir Putin zu bereiten, das am 16.7. in Helsinki
stattfinden wird. Neben dem Trump-Kim-Gipfel gab es weitere Veranstaltungen,
die dieses Bild abrunden, darunter die Konferenz der Shanghaier Organisation
für Zusammenarbeit, die am 10.6. in Qingdao in China begann und bei der die
enge Zusammenarbeit zwischen Putin und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping
ein zentraler Aspekt der Beratungen war.
Während diese Treffen zeigten, wie vielversprechend diese Veränderungen
sind, erweisen sich die Institutionen des alten Paradigmas als Hindernis für
diese neue Dynamik. Das Treffen der G-7 endete mit einer schockierenden
Paralyse, als Trump vorzeitig abreiste und zu seinem Treffen mit Kim nach
Singapur aufbrach, nachdem er die Teilnehmer des Gipfels bereits mit der
Forderung provoziert hatte, Rußland wieder in ihren Kreis aufzunehmen. Auch die
EU erwies sich als unfähig, sich auf eine positive Lösung für die
Flüchtlingskrise und ihre wirtschaftliche Krise zu einigen, während viele
EU-Mitgliedstaaten die Kooperation mit China und der BRI immer mehr als einen
möglichen Ausweg aus der Existenzkrise der EU betrachten.
Diese Entwicklungen veranlaßten die Gründerin und Präsidentin des
internationalen Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, am 17.6. ein
Memorandum zu veröffentlichen („Geschichte wird jetzt in Asien geschrieben:
EU-Gipfel muß dem Beispiel von Singapur folgen!“, siehe Neue Solidarität
25/2018), in dem sie die Mitgliedstaaten der EU auffordert, den Geist von
Singapur und den Organisationsprozeß, der zu ihm führte, zu übernehmen, um die
Fehler zu überwinden, unter denen Europa derzeit leidet. Dieser Ansatz war das
zentrale Thema der Konferenz des Schiller-Instituts, die mit mehr als 300
Teilnehmern aus 35 Ländern in Bad Soden bei Frankfurt stattfand.
Das Zusammenfallen der Gegensätze – die Welt von Morgen
Helga Zepp-LaRouche hielt die Eröffnungsrede zum Thema „Das
Zusammenfallen der Gegensätze – die Welt von Morgen“. Sie äußerte die Hoffnung,
daß bei dem bevorstehenden Treffen zwischen Trump und Putin in Helsinki die
Schaffung eines neuen Paradigmas auf die Tagesordnung gesetzt wird, um den
neoliberalen Dogmen ein Ende zu setzen, die die Welt in die Katastrophe geführt
haben. Die 68 Mio. Flüchtlinge, die für Ende 2017 von den Vereinten Nationen
gemeldet wurden, seien eine Illustration der Brutalität, mit der im Westen in
den letzten Jahren der Austeritätspolitik Vorrang vor dem Gemeinwohl eingeräumt
wurde. Die Neue Seidenstraße biete einen Ausweg, sie sei die Fortsetzung eines
Prozesses, der 1975 mit Lyndon LaRouches Vorschlag für eine Internationale
Entwicklungsbank begann. Die Neue Seidenstraße finde bei der Mehrheit der
Menschen Anklang, indem sie den Aufbau einer „Gemeinschaft der gemeinsamen
Zukunft der gesamten Menschheit“ ermöglicht, und tatsächlich hätten sich
bereits 140 Nationen angeschlossen, die schon jetzt die Mehrheit der
Weltbevölkerung repräsentieren und die aus dem Win-Win-Prinzip Nutzen ziehen
werden.
Geopolitik und Kriegsgefahr überwinden
Das Thema des anschließenden ersten Konferenzabschnitts lautete „Die
Geopolitik und die Gefahr eines neuen Weltkriegs überwinden“. Erster Redner war
Wladimir Morosow, der Programmkoordinator des Russischen Rats für
Internationale Angelegenheiten (Russian International Affairs Council, RIAC),
einer führenden Denkfabrik, die mit dem russischen Außenministerium verbunden
ist. Er sprach über „Rußlands Rolle in der Neuen Weltordnung“ – einer
Weltordnung, die auf der Wiederherstellung des gegenseitigen Vertrauens
zwischen Mächten beruht, die bisher nur ihre eigenen Interessen verfolgten.
Diese Änderung werde nicht über Nacht erfolgen. Es sei keine Lösung, die
unipolare Welt durch eine multipolare Welt zu ersetzen, sagte Morosow, man
brauche vielmehr einen Multilateralismus, die Zusammenarbeit in Organisationen
wie UN, SCO, BRICS und EAEU, mit einer Agenda des globalen Abbaus der
Nuklearwaffen und Entwicklungsinitiativen. Rußland werde vor allem inneren
Frieden und Stabilität anstreben, aber dazu werde es eine wichtige konstruktive
Rolle in der BRI spielen. Ein kollektives Sicherheitssystem für den Nahen
Osten, Frieden in Syrien, Fortschritte in der Krise in der Ukraine und
Einhaltung des Abkommens über die Mittelstreckenraketen seien Bereiche, die
beim Treffen zwischen Trump und Putin auf die Tagesordnung kommen könnten. Er
erwarte keine unmittelbaren Ergebnisse von dem Treffen, aber schon sein
Stattfinden sei ein Durchbruch nach sechs Jahren, in denen es kein solches
Treffen gegeben hatte.
Dr. Xu Jian, Vizepräsident und Senior Research Fellow des China
Institute of International Studies (CIIS) sowie Direktor des Akademischen Rats
des CIIS sprach über „Die Umkehrung der Globalisierung und die Herausforderung
für Chinas Außenpolitik in der Neuen Ära“. Die Veränderungen in der Weltordnung
werfen eine Reihe fundamentaler Probleme auf, die das System der Globalisierung
und der Marktwirtschaft hinterlassen hat. Die Finanzkrise von 2008 habe den
Abstand zwischen den Entwicklungsländern und den Schwellenländern nur noch
vergrößert. China sei dem Prinzip des Friedens und der Entwicklung
verpflichtet, aber nun sei es mit drei gefährlichen „Fallen“ konfrontiert: der
Thukydides-Falle (nach Joseph Nye, wenn ein Land zu stark auftritt), der
Kindleberger-Falle (wenn es zu schwach auftritt), die beide zu Chaos und Krieg
führen können wie in den 1930er Jahren, und die Falle des Kalten Krieges. China
schlage vor, eine Gemeinschaft der gemeinsamen Zukunft der gesamten Menschheit
zu schaffen, eine Form der internationalen Beziehungen, die auf gegenseitigem
Respekt und Win-Win für alle Seiten beruhe, der Entwicklung einer realen
wirklichen Partnerschaft. Diese Neue Weltordnung sei noch lange nicht erreicht,
aber das sollte die Menschheit nicht daran hindern, darauf hinzuarbeiten.
Dritter Redner der Runde war Landessenator Richard Black aus Virginia
(USA), der an die Konferenz eine Videobotschaft über „Das wahre Interesse der
Vereinigten Staaten“ übermittelt hatte. Black verurteilte den „unerklärten
Krieg“, den die Vereinigten Staaten gegen Syrien führen, das eine zentrale
Rolle im Kampf gegen den internationalen Terrorismus spiele. Die USA hätten
Dschihadisten ausgebildet, bewaffnet und finanziert, um einen Regimewechsel in
Syrien zu erzwingen, der nicht im Interesse der USA sein könne. Er sei zutiefst
besorgt über eine US-Außenpolitik, die Syrien zerstört habe, das bis 2012 zu
den fünf sichersten Ländern der Welt gehörte. Das syrische Volk stehe hinter
seinen gewählten Führern und habe 90% des Landes befreit, aber Unterstützer der
Dschihadisten – die USA, Großbritannien, Saudi-Arabien und Katar – wollten den
Nordosten des Landes abspalten. Das sei die Politik einer Fremdenlegion, die
man mieten kann, aber keine Politik im Interesse der Vereinigten Staaten.
Nationen, die zwischen den Bomben der USA und Chinas Straßen wählen müßten,
würden den nichtaggressiven Ansatz der Chinesen vorziehen.
Der frühere Luftwaffenpilot und NATO-Planer Oberstleutnant a.D. Ulrich
Scholz sprach über „Interessen-Monster: Demokratie, Menschenrechte und
andere Heucheleien“. Menschlichkeit und menschliche Interaktion seien
Prinzipien, die in der heutigen Politik völlig fehlen, Politiker sprächen von
„Werten“ und „Menschenrechten“, um Kriege zu rechtfertigen, aber tatsächlich
dienen die Kriege nur der Durchsetzung von Interessen. Anstelle der
Einschüchterungsstrategien, die heute in der westlichen Politik vorherrschen,
müsse ein Ausgleich auf der Grundlage des Respekts vor den Interessen des
anderen gefunden werden, man müsse über Menschenrechte nicht nur reden, sondern
sie auch praktizieren. Wenn man an der Politik der Angst, der Kriege und der
Einschüchterung festhalte, dann werde dies zum Nuklearkrieg führen.
Der Vortrag von Oberst a.D. Alain Corvez, ehemaliger Berater des
französischen Verteidigungs- und des Innenministeriums, hatte das Thema: „Die
amerikanische Verweigerung einer multipolaren Welt macht den Übergang
schmerzhaft“. Präsident Trump habe den Staat im Staat in den Vereinigten
Staaten herausgefordert, jene verdeckte Oligarchie, die ihn gezwungen habe, die
Militärinterventionen fortzusetzen. Diese brutale Politik sei nicht im
Interesse des „Europa der Nationen“, wie es de Gaulle nannte. Für Frankreich
sei die Frage, wann es endlich Saudi-Arabien und Katar wegen deren
Aggressionspolitik im Nahen Osten, gegen Syrien und Jemen, verurteilen werde?
Auch die von der EU verhängten Sanktionen gegen den Iran seien nicht im
Interesse des wahren Europa. Das jüngste Treffen der SCO habe eine Alternative
zum G-7-Gipfel der Mächte des alten Paradigmas aufgezeigt.
Die Runde wurde abgeschlossen mit einer Videobotschaft von Roger
Stone, der per Live-Schaltung zugeschaltet war. Stone ist politischer
Stratege des Trump-Flügels in der Republikanischen Partei der USA, sein Vortrag
hatte den Titel: „Der Präsident Trump, den die Europäer nicht kennen.“ Das
Problem der Vereinigten Staaten sei das „üble Zwei-Parteien-Duopol“, die
Parteien der Bushs und der Clintons. Schließlich hätten die acht Jahre unter
Obama die amerikanische Bevölkerung so empört, daß sie einen Außenseiter ins
Weiße Haus wählten. Der sog. „Russiagate“-Skandal diene dazu, davon abzulenken,
daß der Mißbrauch der staatlichen Macht gegen einen Präsidentschaftskandidaten
schon im Mai 2016 begann, als Trumps Wahl noch lange nicht feststand. Die
Kollusion des Duopols werde immer noch fortgesetzt, wie man an Stones eigenem
Fall sehen könne, der von Sonderermittler Robert Mueller – der schon in den
1980er Jahren gegen LaRouche eingesetzt wurde – daran gehindert wurde, in
Person an der Konferenz teilzunehmen.
Wie Gürtel und Straße Afrika und Südwestasien verändern
Der zweite Konferenzabschnitt war den Änderungen gewidmet, die die BRI
auslöst, als dem einzig menschlichen Weg, mit der Flüchtlingskrise umzugehen.
Hussein Askary, der Südwestasien-Koordinator des Schiller-Instituts,
betonte in seiner Einleitung zu den Vorträgen, daß die Lösung aller dieser
vielen Flüchtlingskrisen nicht darin liegen könne, nur die Symptome zu lindern,
indem man den Flüchtlingen hilft, was natürlich notwendig sei und geschehen
müsse, sondern darin, die Ursachen aller dieser Krisen zu bekämpfen. Und das
könne nur durch die Schaffung einer neuen, gerechten Weltordnung geschehen.
Wang Hao, der 1. Sekretär für Wirtschaft und Handel an der Botschaft
der Volksrepublik China in der Bundesrepublik Deutschland, forderte die EU auf,
sich der Neuen Seidenstraße anzuschließen. „Als größter Handelspartner Chinas
sollte die EU sich an der BRI beteiligen.“ China habe nur begrenzte Ressourcen
und brauche die anderen, darunter auch Deutschland und Europa. 19 Länder
Europas seien Mitglieder der AIIB, Deutschland sei der größte nichtasiatische
Partner. Europäische Unternehmen sollten ihre eigenen Projekte verfolgen. Die
Kooperation zwischen China und Europa werde beiden Seiten helfen -
wirtschaftlich, in den Lebensbedingungen und bei der Sicherheit.
S. E. Yusuf Maitama Tuggar, Botschafter der Bundesrepublik Nigeria in
Deutschland, betonte in seinen Ausführungen: „Betrachten Sie nicht alles durch
die binäre Linse China contra Europa, ein Überbleibsel des Kalten Krieges. Wir
brauchen die Kooperation aller drei. Afrika sitzt mit am Tisch, und muß immer
bei den Diskussionen über Infrastruktur, Entwicklung und Migration vertreten
sein.“ Als Beispiel nannte er das Projekt, den Tschadsee wiederaufzufüllen:
„Das ist ein Transformationsprojekt von der Art, die wir für eine nachhaltige
Entwicklung brauchen, und wir müssen es finanzieren und unterstützen. Es wird
gelingen, wenn alle ihre Hände und Köpfe zusammentun.“
Mohammed Bila, Experte des Tschadsee-Observatoriums der Kommission
für das Tschadseebecken, erläuterte das Transaqua-Projekt und seinen
derzeitigen Stand, nachdem die acht Staats- und Regierungschefs der
Mitgliedstaaten bei ihrem jüngsten Treffen im März 2018 in Abuja dem
Transaqua-Projekt zugestimmt hatten. Es wird sieben beteiligten Staaten
unmittelbar und indirekt fünf weiteren Ländern wirtschaftliche Entwicklung
bringen und die Sicherheit verbessern. Bila erklärte, wie der ökonomische Wert
des Wassers auf dem Weg zum Tschadsee steigt. Das Konzept des geteilten Nutzens
könnte auch den regionalen Handel steigern, neue wirtschaftliche Infrastruktur
wie Binnenhäfen, Containerterminals, agroindustrielle Zonen und neue Straßen
entlang der 2400 km langen Wasserstraße schaffen.
Der Historiker Amzat Boukari-Yabara, Generalsekretär der
Panafrikanischen Liga Umoja, verwies auf die langen Beziehungen zwischen China
und Afrika. Die Kritik der westlichen Medien an Chinas Präsenz in Afrika, sagte
er, sei eher motiviert vom Rückgang des euro-amerikanischen Einflusses auf
Märkten, die sie für ihre eigenen gehalten hatten, als von einem wirklichen
Interesse an der Zukunft der Afrikaner. Für diese könne es nicht darum gehen,
einen Kolonialismus durch einen anderen zu ersetzen, sondern nur darum, wie sie
ihre Souveränität zurückgewinnen. Wenn China oder andere mit afrikanischen
Ländern verhandeln, dann müßten Afrikaner das Interesse ganz Afrikas
berücksichtigen. Dazu müsse die nationale Politik in Übereinstimmung mit einer
kontinentalen Politik gebracht werden. Abdullatif Elwashali und Aiman
Al-Mansour von der jemenitischen Vereinigung INSAN für Menschenrechte und
Frieden berichteten dann über die schreckliche Lage in ihrem Land, die durch
den Krieg der saudisch geführten Koalition herbeigeführt wurde. Nach drei
Jahren Krieg sei das Land zerstört, es gebe bisher 36.000 Zivilopfer, darunter
14.000 Tote. Die Infrastruktur sei zerstört, durch die Luft- und Seeblockade
werde ein Wirtschaftskrieg gegen das Land geführt. 55% der medizinischen
Einrichtungen seien ganz oder teilweise zerstört, ebenso 896 Schulen. Millionen
Menschen fehle medizinische Versorgung, Nahrungsmittel, Trinkwasser, humanitäre
Hilfe gelangen nicht in das Land und die internationale Gemeinschaft schaue nur
zu. Den Saudis gehe es nur darum, die jemenitischen Streitkräfte zu schwächen
und die Kontrolle über das Land zu gewinnen und dessen geopolitische Lage zu
nutzen. Sie wollten nicht, daß die Jemeniten selbst entscheiden. Diese
humanitäre Krise müsse gelöst werden, bevor das Land sich an der Neuen
Seidenstraße beteiligen könne. Saudi-Arabien und die Emirate müßten dazu
gebracht werden, daß sie den Jemen in Ruhe lassen.
Hussein Askary schloß die Vortragsrunde mit der Vorstellung eines
neuen Berichts über die „Operation Felix“. Das Ziel der Operation Felix sei es
nicht, den Jemen so wiederherzustellen, wie er vor dem Krieg war – als das
ärmste Land der Region –, sondern eine „Wirtschaftsplattform“ für ein blühendes
und fortschrittliches Land zu schaffen und es an die BRI anzuschließen. Askary
zeigte, wie die jemenitische Volkswirtschaft über 30 Jahre unter dem Diktat des
IWF und der Weltbank zerstört wurde, und beschrieb dann Schritte, mit denen
diese Entwicklung rückgängig gemacht werden kann, wie die Gründung einer
Jemenitischen Nationalbank für Wiederaufbau und Entwicklung, um den
Wiederaufbau des Landes und den Bau von Entwicklungskorridoren zu finanzieren,
die den Jemen mit Afrika und über Oman und den Iran mit der Neuen Seidenstraße
zu verbinden.
Den Abschluß des Tages bildete ein musikalischer „Dialog der Kulturen“
(siehe unseren Bericht in dieser Ausgabe).
Die Zukunft der europäischen Nationen
Den dritten Abschnitt der Konferenz am Sonntagvormittag bildete eine
optimistische und enthusiastische Diskussion über die notwendigen Reformen und
Änderungen, die notwendig sind, wenn Europa sich an der „Win-Win“-Diplomatie
und der wirtschaftlichen Entwicklung des Neuen Paradigmas beteiligen soll.
Jacques Cheminade, Präsident der Partei Solidarité et Progrès und
dreifacher Kandidat für das Amt des französischen Staatspräsidenten, eröffnete
die Runde mit der Herausforderung, daß Europa wieder zu der Idee zurückkehren
müsse, etwas zur „menschlichen Zivilisation“ beizutragen. Europa habe sich dem
Empire der Londoner City und der Wall Street unterworfen, das die Nationen
Europas und ihre Nachbarn in Afrika und im Nahen Osten zerstöre. Das Scheitern
des EU-Gipfels am 28./29.6. im Umgang mit der Flüchtlingskrise beruhe darauf,
daß die EU-Politik „keinen wirklichen Wohlstand erzeugt, sie erzeugt keine
Kinder und sie begrüßt keine Ausländer, weil sie die Regeln des
Nullsummen-Universums akzeptiert“. Wie könne man unter diesen Umständen
moralisch und kulturell optimistisch sein? Dazu brauche man ein „neues Modell
der Beziehungen zwischen den großen Mächten – das Modell der Neuen
Seidenstraße“. Aber anstatt das harmonische Modell der Seidenstraße zu
betrachten, laufe Europa Gefahr, „aus Mangel an Kreativität im Nichts zu
verschwinden“. Das könne verhindert werden, wenn man die besten Traditionen der
europäischen Kultur wiederbelebe.
Auf Cheminade folgte Dr. Hans Köchler, Professor für Philosophie und
Präsident der International Progress Organization (IPO), der über „Die
Wiederherstellung des Völkerrechts“ sprach. Warum, sagte er, wurden in der Ära
seit 2003, die von zerstörerischen Kriegen und Regimewechseln charakterisiert
war, die verantwortlichen Nationen und deren Führer nicht zur Verantwortung
gezogen? Wenn Rechtsnormen verletzt werden, müsse dies geahndet werden. Haben
wir heute Normen des Völkerrechts, die auch durchgesetzt werden? Die Antwort
laute „Nein.“ In zahlreichen internationalen Dokumenten seien der Einsatz und
die Androhung von Gewalt verboten worden, aber das werde nicht durchgesetzt,
weil die fünf permanenten Mitglieder des Rates Veto einlegen können, wenn es
darum geht, ihre eigenen aggressiven Akte zu sanktionieren. Das müsse
korrigiert werden – und wenn dies nicht möglich sei, dann müsse man darüber
nachdenken, die UN durch eine neue Institution abzulösen.
Der italienische Europaparlamentarier Marco Zanni sprach dann über
das Scheitern der EU im Umgang mit der Banken- und Finanzkrise,
Sicherheitsfragen und dem Flüchtlingsproblem. Seit 2010 habe sich die EU „als
unfähig erwiesen, das Wirtschaftswachstum wieder herzustellen“, und sie habe
statt dessen „makroökonomische Ungleichgewichte und wachsende Spaltungen in der
EU geschaffen“. Europa sei wirtschaftlich und in der Sicherheit zu stark von
anderen abhängig. Als Alternative schlug Zanni vor, Europa zu einer „Brücke
zwischen den USA und den aufstrebenden Mächten des Ostens“ zu machen. Dies sei
mit der Regierung Trump möglich. Die Regierungen in der EU müßten die richtigen
Fragen stellen. „Was sind die Gemeinsamkeiten? Welche Politik bringt
gemeinsamen Nutzen?“ Die EU müsse China als Modell betrachten, vor allem in der
Kreditpolitik, und die Flüchtlingskrise anpacken. Das gegenwärtige System
funktioniere nicht. Das Ziel der neuen italienischen Regierung sei es, die EU
zu reformieren, und sie werde ein Beispiel liefern, wie man mit China
zusammenarbeiten könne.
Der letzte Vortrag dieser Runde kam von Dr. Armin Azima von der
Universität Hamburg, der kurz und treffend den Unsinn der EU-Politik der
„Erneuerbaren Energien“ aufzeigte und statt dessen vorschlug, die
Kernfusionstechnik zu meistern, „die das Tor für eine neue und wunderbare Welt
mit Möglichkeiten schafft, die derzeit noch undenkbar sind“. Das Problem der
nuklearen Abfälle sei durch einen neuen Reaktortyp gelöst, der jetzt in Rußland
in Betrieb genommen wurde (BN-800) und der „Atommüll“ verbrennen könne, „als
wäre es konventioneller Kernbrennstoff“. Abschließend stellte er die Frage, was
wir tun könnten, „wenn Strom extrem billig wäre und wenn Energie im Überfluß
vorhanden wäre“, was möglich sei, wenn wir die Kernfusion entwickeln.
Wirtschaftliche und politische Potentiale von Gürtel und Straße
In der letzten Vortragsrunde der Konferenz sprachen Redner aus Deutschland
und mehreren südosteuropäischen Nationen über die Potentiale, die durch den
Beitritt zur BRI erschlossen werden.
Elke Fimmen vom Schiller-Institut eröffnete die Debatte mit dem
Vortrag „Ein neuer Bauplan für die Zukunft – wie Ost- und Südosteuropa an der
Schaffung eines neuen globalen Wirtschaftswunders teilhaben können“. Sie
forderte die westeuropäischen Länder auf, „ihre Hausaufgaben zu machen und zu
erkennen, daß langfristige Prosperität, Stabilität und Frieden nur durch
Kooperation mit Chinas Seidenstraßen-Projekt, mit Rußland und der Eurasischen
Wirtschaftsunion erreicht werden können“. Der wahre Reichtum der Nationen liege
in der Entwicklung der Kreativität der Bevölkerung. Sie berichtete über die
Fortschritte, die im Kontext der „16+1“-Kooperation zwischen China und dem
Mittel- und Osteuropäischen Ländern erreicht wurden, als Beispiel für das, was
getan werden müsse. „Die europäischen Nationen können und dürfen die zweite
Chance nach 1989 nicht wieder verpassen.“
Der bulgarische Abgeordnete Prof. Ivo Christov sprach über das „Neue
Paradigma aus der Sicht des Balkan“. Er begann seinen Vortrag mit dem
geopolitischen Satz: „Geographie ist Schicksal“, und zeigte dann die wichtige
Position der Balkan-Region mit ihrer interessanten Geschichte, Wirtschaft und
Kultur als Tor zu Europa für die Land- und Seerouten der Neuen Seidenstraße.
Hier kollidieren die Interessen der Vereinigten Staaten, Rußlands, der Türkei
und Chinas. Christov verwies auf den US-Stützpunkt Camp Bondsteel im Kosovo,
der den anderen Mächten den Zugang zum Balkan verwehrt.
Der bekannte deutsche Ökonom Folker Hellmeyer sprach über „Die
Integrationsoptionen der Eurasischen Zoll- und Wirtschaftsunion und der OBOR
Initiative Chinas“ und sagte, die neuen Strukturen für die Kooperation zwischen
den Nationen, über die mehrere seiner Vorredner gesprochen hatten, kämen als
Ersatz für die alten, versagenden Strukturen des Westens – wie die EU – in
Betracht, insbesondere die Eurasische Zoll- und Wirtschaftsunion (EAEU) komme
als Ersatz, Partner oder Brücke in Betracht, um Europa in eine Kooperation mit
der BRI zu führen.
Prof. Duško Dimitrijević vom Institut für Internationale Politik
und Wirtschaft in Belgrad behandelte „Chinas Neue Seidenstraße –
Errungenschaften und Aussichten der Wirtschaftskooperation zwischen Serbien und
China“. Chinas BRI-Strategie biete den Nationen Wohlstand anstelle
geopolitischer Spaltung. China entwickle freundschaftliche Beziehungen zu
Entwicklungsländern wie Serbien, eine kleine, landeingeschlossene und
militärisch neutrale Nation, und sei daher ein wichtiger Partner. China glaube,
daß der Weg zum Aufbau der chinesisch-europäischen Beziehung durch Osteuropa
führe. Serbien sei Partner der 16+1-Gruppe und auch ein Partner der BRI. China
helfe Serbien, Mitglied der EU zu werden. Serbiens Kooperation mit China sei
ein gutes Beispiel für einen konstruktiven Umgang zwischen Ost und West.
Hans von Helldorff, Sprecher des Bundesverband Deutsche
Seidenstraße Initiative, sprach über „Notwendige ordnungspolitische
Rahmenbedingungen für Investitionen der deutschen und europäischen
mittelständischen Wirtschaft in Volkswirtschaften entlang der neuen
Seidenstraße“. Die Neue Seidenstraße sei ein Friedensprojekt von gewaltigen
Dimensionen, aber in Deutschland dominiere Skepsis. Diese Haltung führe zu
Irritationen in China und Rußland. Er kritisierte die Passivität der deutschen
Regierung und nannte als Beispiel die Sanktionen gegen Rußland die die deutsche
Wirtschaft und hier insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen
träfen.
Leonidas Chrysanthopoulos, ehemaliger Generalsekretär der
Organisation für Schwarzmeer-Wirtschaftskooperation (BSEC), sprach über „Die
Integration des Eurasischen Kontinents“ und hob die Bedeutung der positiven
Wirkung der Wirtschaftsprojekte beim Umgang mit den Schwierigkeiten der
Zusammenarbeit zwischen früheren Gegnern hervor. Als Beispiel dafür nutzte er
das Projekt der Ringautobahn um das Schwarze Meer, mit der er als BSEC-Sekretär
befaßt war, um zu zeigen, daß die wirtschaftlichen Vorteile oft die vorhandenen
Probleme überwogen. Sein zweiter Punkt war die Kritik an der EU, die sich der
wirtschaftlichen Entwicklung widersetze, den Kontakt zur Bevölkerung vollkommen
verloren habe und nur für den Schutz der Banken arbeite.
Prof. Nuraly Bekturganov, der Vizepräsident der Akademie der
Naturwissenschaften von Kasachstan, schloß die Vortragsrunden mit einer
Videobotschaft zum Thema „Der Eurasien-Kanal und die Neue Seidenstraße“. Das
Projekt schaffe die Möglichkeit, mit Frachtschiffen bis zu 100.000 t
Tragfähigkeit vom Kaspischen Meer durch das Schwarze Meer zum Mittelmeer und zu
den Weltmeeren zu gelangen, und werde einen neuen Korridor für den Transport
durch Eurasien schaffen.
Es folgte eine 90minütige Debatte zwischen den Rednern der Konferenz und dem
Publikum über eine Vielzahl der angesprochenen Themen. Helga Zepp-LaRouche
beschloß die Konferenz, indem sie nochmals auf den Unterschied zwischen den
„westlichen Werten“ und dem chinesischen Denken hinwies. In China würden die
Menschen dazu angehalten, sich für das Gemeinwohl einzusetzen, China strebe
danach, die Armut zu beseitigen, auf der Grundlage des Konfuzianismus. Im
Westen dagegen versuchten die Menschen, sich die Taschen zu füllen, und die
Armut wachse. Aber es gebe im Westen ein Äquivalent zum Konfuzianismus -
Friedrich Schiller. Wie der Konfuzianismus und die indische Philosophie strebe
Schiller danach, die Emotionen zu erziehen. Schillers Idee war es, die Menschen
in ihrer Muße zu fassen und durch Schönheit zu erziehen. „Wir haben die enorme
Wirkung gesehen, die die klassische Musik auf junge Menschen hat, die sie noch
nicht kennen. Wir haben studiert, wie die Renaissance die Welt aus dem
finsteren Zeitalter geführt hat – wie durch das Wiederaufgreifen großer Ideen
und großer Kunst die Renaissance in Gang gesetzt wurde. Es gibt vieles, was wir
tun können. Wir sollten froh darüber sein. Wir leben in einer Zeit, in der wir
die Dinge ändern können. Schließen Sie sich uns an!“
(Zu diesem Bericht haben Harley Schlanger, Rainer Apel, Michelle
Rasmussen, Ulf Sandmark und Gerry Rose beigetragen.)
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