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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Auf dem Gipfel des Berges

Diane Sare berichtet über eine Gedenkveranstaltung für Martin Luther King in Manhattan.

Am 9. April, dem 50. Jahrestag der Beerdigung von Dr. Martin Luther King, beteiligte sich der Öffentliche Chor des Schiller-Instituts in New York an einer Gedenkveranstaltung, die von der Stiftung für die Wiederbelebung der Klassischen Kultur in Manhattan veranstaltet wurde. Etwa 700 Menschen nahmen an der Veranstaltung in der vollbesetzten St. Bartholomew Episcopal Church teil. Im Publikum waren Schüler und Lehrer verschiedener Schulen, Menschen aus verschiedenen Kirchengemeinden der Stadt, Angehörige und Freunde der Chormitglieder, Passanten, die durch Flugblätter oder Plakate von der Veranstaltung erfahren hatten, und nicht zuletzt Freunde der Musiker, darunter die mehr als 90 Jahre alten Lehrer des Baßbaritons Simon Estes und der Mezzosopranistin Elvira Green, die beide mitwirkten.

Die Veranstaltung begann mit einem Grußwort des Harlem Opera Theater, gefolgt von einer Vertreterin der Kirchengemeinde, einer Schülerin von Kings Weggefährten Bernard Lafayette – bekannt für seine Grundsätze der „kreativen Gewaltlosigkeit“ –, die eine Grußbotschaft Lafayettes an die Veranstaltung verlas. Weitere Grußworte sprachen die Leiterin der Stiftung für die Wiederbelebung der Klassischen Kultur, Lynn Yen, sowie Dennis Speed vom Schiller-Institut, der auch eine Grußbotschaft von Helga Zepp-LaRouche, der Präsidentin des Schiller-Instituts, verlas. Sie lautet:

    „In diesem Moment, wo dank Chinas Initiative der Neuen Seidenstraße, an der sich bereits mehr als 140 Nationen beteiligen, insbesondere die Entwicklungsländer die Hoffnung haben, Armut und Unterentwicklung zu überwinden – wofür Martin Luther King am Ende seines Lebens kämpfte –, haben die Vertreter des oligarchischen Systems eine Serie von Provokationen in Gang gesetzt, die unvorhersehbare Konsequenzen haben könnten.

    Während Sie hier versammelt sind, hat in den letzten Stunden die Gefahr eines Krieges oder sogar thermonuklearen Krieges zugenommen. Die Vereinten Nationen trafen sich, um über Syrien zu diskutieren. Die Existenz der weltweiten Zivilisation hängt nun davon ab, daß die Staatsführer der Welt, vor allem in China, Rußland und den Vereinigten Staaten, gemeinsam einen Ausweg aus dem alten Paradigma der Kriege und der Geopolitik finden.

    Die Vertreter dieses alten Paradigmas versuchen derzeit, ein Klima zu schaffen, in dem es den Vereinigten Staaten unmöglich erscheint, mit Rußland und China zusammenzuarbeiten, um die existentiellen Probleme der Menschheit zu überwinden.

    Aber in den dunkelsten Stunden des Kalten Krieges, 1963, fand Präsident John F. Kennedy, nachdem er in der Kubakrise gerade noch einen Atomkrieg vermeiden konnte, einen Ausweg: Die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten sollten gemeinsam den Weltraum erforschen. Er sagte: ,Die Menschheit muß dem Krieg ein Ende setzen, oder der Krieg wird der Menschheit ein Ende setzen.’

    Vor 50 Jahren sagte ein großer Mann, Papst Paul VI., wirtschaftliche Entwicklung sei der neue Name des Friedens. Wir können den 50. Jahrestag der Ermordung von Dr. Martin Luther King nur angemessen begehen, indem wir diesen Kampf zwischen dem alten Paradigma, dessen Vertreter Dr. King ermordeten, und dem neuen Paradigma erkennen und dann alles in unserer Macht stehende tun, damit dieser kostbare Moment, in dem alle seine Träume erfüllt werden können, nicht versäumt wird.“

Speed verlas auch einen Brief von Martin Luther King an den Chirurgen Dr. Emil Naclerio, der King rettete, indem er die Klinge eines Brieföffners entfernte, die ihm eine verrückte Frau 1958 bei einer Buchsignierung in die Brust gestoßen hatte; Dr. Naclerios Sohn war bei der Gedenkveranstaltung anwesend.

Die Veranstaltung war weniger ein Konzert als vielmehr eine musikalische Erzählung, an der neben Elvira Green und Simon Estes – die sowohl sangen als auch sprachen – auch der bekannte Schauspieler Ed Asner mitwirkte. Ein teilnehmender Musiker bemerkte nach der Veranstaltung, es sei eigentlich „eine Passion für Martin Luther King“ gewesen.

Der Chor konnte mit dem Dirigenten und Komponisten Roland Carter zusammenarbeiten, was eine begeisternde Wirkung auf die Sänger hatte. Carter stammt direkt aus der Schule des afro-amerikanischen Komponisten Nathaniel Dett, den er zwar nicht mehr persönlich kennenlernen konnte, dessen Schüler aber Carters Mentoren wurden. Er führt Detts Mission weiter, auf der Grundlage der Spirituals eine amerikanische Schule der klassischen Musik zu schaffen, so wie es der Brahms-Freund Antonin Dvorak amerikanischen Musikern wie Harry Burleigh vorgeschlagen hatte. Dr. Carter ist einer der wenigen heute lebenden Musiker, die sich unermüdlich dafür einsetzen, die Spirituals richtig aufzuführen. Und er führte den Chor streng, aber mit Humor – beispielsweise sagte er: „Ich bin ziemlich gut, ich denke also, ihr solltet auch mal aus den Noten herausschauen und sehen, was ich hier mache!“ Oder: „Ärgert euch nicht, wenn ich unterbreche, weil ihr einen Fehler gemacht habt. Ihr habt ja den Fehler gemacht!“ Aber er zeigte es auch, wenn etwas gut gelang, und warf den Musikern mitten während der Aufführung Kußhände zu! Es gelang ihm, aus dem Chor eine musikalische Qualität herauszuholen, wie sie die Sänger selbst nicht geahnt hätten.

Auch die Aufführung des Agnus Dei aus Beethovens C-Dur-Messe mit dem Chor unter der Leitung von John Sigerson gelang sehr gut, wobei die Soli von Chormitgliedern gesungen wurden. Sie war der Wendepunkt des zweiteiligen Programms und bildete den Übergang von einem historischen Überblick über Kings Mission zu der ganz persönlichen Zeit der Finsternis, die King im letzten Jahr vor seinem Tod am 4. April 1968 durchlebte. So wurde dieses Stück von Beethoven zum Angelpunkt der dramatischen Entwicklung der gesamten Aufführung.

Diane Sare