Chinesische Investitionen und amerikanische Infrastruktur
unter neuen Beziehungen zwischen China und den USA
Von Prof. Jiong Gong
Jiong Gong ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der
Universität für internationalen Handel und Wirtschaft in Beijing. Die Rede
wurde aus dem Englischen übersetzt, Zwischenüberschriften wurden
hinzugefügt.
Sehr geehrte Frau Helga Zepp-LaRouche, sehr geehrter Vorstand des
Schiller-Instituts, meine Damen und Herren,
Es ist mir eine große Ehre, zur Konferenz des Schiller-Instituts in
Morristown in New Jersey eingeladen zu werden – einer schönen Stadt im Norden
New Jerseys, die mir so vertraut ist. Nicht weit von diesem Hotel entfernt
liegt das Morristown Green, man nimmt die zweite Ausfahrt in die South Street,
fährt keine zwei Meilen bis zur 445 South Street: Das ist der Komplex, in dem
ich sieben Jahre lang jeden Wochentag bis 2001 tätig war, als ich als Forscher
für Bell Communications Research arbeitete. Heute bin ich in China und
unterrichte Wirtschaftswissenschaften an der Universität für internationalen
Handel und Wirtschaft in Beijing. In gewisser Weise zeugen meine persönlichen
Erfahrungen sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in China davon, wie
sehr unsere beiden großen Nationen miteinander verbunden und unsere beiden
großen Volkswirtschaften miteinander verflochten sind.
Ich möchte mit einer Einschätzung des aktuellen Status der Beziehungen
zwischen China und den USA beginnen. Zunächst einmal wissen wir alle, daß wir
uns leider in einem Handelskrieg befinden. Am 6. Juli, zwei Tage nach dem
amerikanischen Unabhängigkeitstag, wurden offiziell Zölle auf chinesische
Exporte im Wert von 34 Mrd. Dollar erhoben. Es folgten mehrere Runden von
Zöllen auf beiden Seiten, bis sich die beiden Präsidenten am 1. Dezember 2018
beim G20-Gipfel in Argentinien trafen, wo ein Waffenstillstand erreicht wurde,
um Zeit für weitere Verhandlungen zu gewinnen. China verpflichtete sich,
amerikanische Agrar- und Energieprodukte im Wert von mehreren Milliarden
Dollar zu kaufen, davon einige sofort, während die US-amerikanische Seite
zusagte, die Erhöhung der Zölle von 10 auf 25% um 90 Tage zu verschieben.
Bisher fanden drei Verhandlungsrunden in Washington und in Beijing statt.
Erst gestern endete eine Gesprächsrunde mit der amerikanischen Delegation
unter Leitung des US-Handelsbeauftragten Lighthizer und des Finanzministers
Steven Mnuchin, die auch von Präsident Xi freundlich empfangen wurde, was ein
sehr gutes Zeichen ist. Laut Präsident Trumps Tweet ist das Gespräch sehr gut
gelaufen. Ich bin weniger besorgt über die Chancen, ein Handelsabkommen zu
erzielen.
Als größte Handelsnation und zweitgrößte Volkswirtschaft kann China es sich
nicht leisten, in eine alte Welt zurückzukehren, die vom globalen System des
Handels und der Kapitalinvestitionen abgeschnitten ist. Auf amerikanischer
Seite gibt es zwar Leute im Umfeld des Präsidenten, die in diesen destruktiven
Zöllen das ultimative Mittel für eine Strategie totaler Abkopplung sehen, aber
ich bin überzeugt, daß mindestens Präsident Trump selbst anders denkt und daß
er das braucht, was er als „das größte Handelsabkommen der Geschichte“
bezeichnet – so lautet die in der Washington Post veröffentlichte
Abschrift eines privaten Telefongesprächs mit Bob Woodward vor dem Erscheinen
Woodwards Buch Fear (Angst). Nach drei Runden von Gesprächen auf
Ministerebene wird es immer noch einige heikle Themen geben, die Präsident
Trump und Präsident Xi persönlich klären müssen, damit irgendwie beide Seiten
den Sieg verkünden können. Es kann noch vor der Frist am 1. März passieren
oder es kann einige Wochen danach sein. Das ist keine große so Sache.
Müssen Amerika und China Gegner sein?
Mehr Sorgen mache ich mir jedoch über das Verhältnis zwischen China und den
USA insgesamt. Abgesehen von der Aussicht auf ein historisches Handelsabkommen
steht dieses Verhältnis vor langfristigen Schwierigkeiten, die unseren
künftigen Wirtschaftsbeziehungen starke Einschränkungen auferlegen.
Oberflächlich betrachtet scheint es bei dem Streit um das Handelsdefizit
der Vereinigten Staaten von Amerika mit China zu gehen, das laut
US-Statistiken 2017 bei 375 Mrd. Dollar lag. Aber wie wir alle wissen, steht
im Mittelpunkt der Angelegenheit Amerikas Sorge um die Zunahme von Chinas
nationaler Macht insgesamt, einschließlich Wirtschaftsmacht – „Soft Power“ im
chinesischen Vokabular, „Sharp Power“ im amerikanischen Vokabular oder was
auch immer die Definition von Machtexperten sein mag. Und ich wage noch einen
Schritt weiter, indem ich feststelle, daß das Herzstück der Angelegenheit die
Sorge Washingtons ist, seinen technologischen Vorsprung an China zu verlieren,
und, vielleicht noch wichtiger, die Gründe, die man in Amerika für diesen
Trend verantwortlich macht.
Die gängige amerikanische Darstellung, die im Kongreß über Parteigrenzen
hinweg ein breiter Konsens ist, besagt, daß China vor allem aufgrund eines
„staatlich gesteuerten Kapitalismus“ schnell Fortschritte machen kann,
beispielsweise in Bezug auf Industriepolitik, staatliche Subventionen,
Unterstützung öffentlicher Unternehmen und andere strittige strukturelle
Fragen. Was Technologie und Innovation angeht, so komme China vor allem durch
Diebstahl geistigen Eigentums und Erpressung voran. Alle diese Fragen machen
Washington Sorge, doch das weitaus wichtigste Thema ist Technologie und
Innovation. In dieser Hinsicht ist die Aufrechterhaltung eines technologischen
Vorsprungs von entscheidender Bedeutung für die Erhaltung guter amerikanischer
Arbeitsplätze und für Amerikas Überlegenheit im Verteidigungsbereich.
Schön und gut, ich denke, es ist in der Tat eine legitime Forderung, daß
die Achtung der geistigen Eigentumsrechte ein unverzichtbarer Bestandteil
eines fairen und gerechten globalen Wettbewerbs sowohl zwischen Unternehmen
als auch zwischen Nationen sein sollte. Matt Pottinger, der Leitende Direktor
für asiatische Angelegenheiten im Nationalen Sicherheitsrat, sagte bekanntlich
über den Wettbewerb zwischen China und den USA, ich zitiere: „In Amerika ist
Wettbewerb kein Schimpfwort.“
Aber ich bin nicht sicher, ob ein Land nur durch Diebstahl und Erpressung
die Technologieleiter erklimmen kann. Ich habe Dutzende von Unternehmen in
China besucht, die nie einen Technologietransfer gekannt haben und die heute
auf dem Weltmarkt blühen und gedeihen. Zum Beispiel sagte mir der Technische
Leiter von Sany Heavy Industry, das Unternehmen sei vom ersten Tag an indigen
gewesen und Innovationen hätten ihm schon immer in den Genen gelegen.
Aber unabhängig davon, ob all diese Vorwürfe im Zusammenhang mit den
geistigen Eigentumsrechten wahr sind oder nicht – sprechen wir über
Möglichkeiten, amerikanische Bedenken auszuräumen, damit die beiden großen
Nationen die Thukydides-Falle, die wir in der Geschichte auf tragische Weise
gesehen haben, vermeiden können.
Heute bezeichnet Amerika China als Konkurrenten, als Rivalen oder
gegnerischen Staat. Es wurde noch nicht zum Feindstatus erhoben. Lassen Sie
mich einen Punkt in der neuen Nationalen Geheimdienststrategie von 2019
zitieren, der von Dan Coats, dem derzeitigen Nationalen Geheimdienstdirektor,
der den Nachrichtendiensten aus 16 Bundesbehörden vorsteht, herausgegeben
wurde: „Chinas militärische Modernisierung und fortgesetztes Streben nach
wirtschaftlichem Einfluß und darüber hinaus sind nach wie vor ein Problem. Es
besteht jedoch die Möglichkeit, mit Beijing in Fragen von gemeinsamem
Interesse zusammenzuarbeiten, wie Nordkoreas Aggression und Streben nach
Nuklear- und ballistischer Raketentechnik.“
Diese harte Aussage setzt unsere Beziehungen noch immer auf eine
hoffnungsvolle Grundlage. Der Absatz über Rußland hat das nicht. Die Aussicht,
daß China die USA als größte Volkswirtschaft mit der damit einhergehenden
weiteren Macht überholt, macht vielen in Washington Angst.
Gestatten Sie mir jedoch, als Ökonom in Frage zu stellen, ob diese
amerikanische Besorgnis über Chinas Aufstieg berechtigt ist. In der Wirtschaft
gibt es die Konvergenztheorie, die postuliert, daß die Wachstumsraten der
fortgeschrittenen Volkswirtschaften irgendwann zusammenlaufen werden und die
Größe der Wirtschaft dann im wesentlichen von der Bevölkerungszahl abhängt.
Derzeit wächst China immer noch schneller als die USA, mit etwas mehr als 6%
und damit etwa 2% mehr als die BIP-Wachstumsrate in den USA. Ich sehe jedoch
nicht, daß die Tage mit einer Wachstumsrate von über 6% in China noch sehr
lange dauern werden. Wir werden schnell den Wachstumsbereich von 5%
erreichen.
Die Bevölkerungsentwicklung ist noch offenkundiger. In China wird sie
höchstwahrscheinlich abnehmen, während sie in den USA stark steigt. Bis 2050
wird die Bevölkerung in den USA mit einer höheren Geburtenrate und unterstützt
durch Einwanderung wahrscheinlich auf fast 500 Millionen ansteigen, während
die Bevölkerung Chinas auf annähernd eine Milliarde sinken wird. Wenn wir also
lange genug geduldig und vorausschauend genug sind, bin ich nicht so sicher,
daß China die USA in nennenswerter Weise überholen wird. Ich sehe angesichts
der wirtschaftlichen und demographischen Entwicklung in beiden Ländern ein
Bild der Konvergenz hinsichtlich der Wirtschaftskraft. Ich sehe höchstens eine
bipolare Welt, wenn wir jemals soweit kommen werden, wo China und die
Vereinigten Staaten wahrscheinlich in den meisten Aspekten der Machtmetrik
vergleichbar sind. Und um ehrlich zu sein, glauben Sie mir, selbst dieses
Szenario ist noch viele Jahre entfernt.
Chinas Entwicklungsmodell
Die zweite amerikanische Sorge betrifft die Frage von Chinas
Entwicklungsmodell im Wettbewerb mit Amerikas hochverehrtem Modell des freien
Marktes. Das ist natürlich die Frage „Beijinger Konsens contra Washingtoner
Konsens“. China hat aufgrund seines einzigartigen politischen und
wirtschaftlichen Systems seine eigenen Beschränkungen im Austausch mit der
Welt. Ich glaube jedoch nicht, daß Beijing sein Modell international
verbreiten will, denn es hat in den 70er Jahren eine Revolution exportiert,
was sich, wie wir alle wissen, als totales Fiasko erwies. China hat diese
Lektion gelernt und wird keine Ideologie mehr exportieren.
Ich kann noch weitere Inspirationen aus der Geschichte anführen, um das
Vertrauen in diese Sichtweise zu stärken. Die chinesische Geschichte ist
zweifellos eher die eines Opfers der Aggression als die der Aggression. Selbst
zu der Zeit, in der die chinesische Flotte auf den Meeren die Oberhand hatte,
hatten wir in den Ländern, die unsere Schiffe erreichten, nie Böses im Sinn.
In der Ming-Dynastie unternahm ein königlicher Hofbeamter namens Zheng He ab
1405 innerhalb von 30 Jahren sieben Seereisen durch Südostasien, durch die
Straße von Malakka in den Indischen Ozean und bis nach Afrika an die Küste
Kenias. Das war 87 Jahre vor der historischen Reise von Christoph Kolumbus in
die Karibik. Während Kolumbus mit drei Schiffen segelte, bestand Zheng Hes
Flotte aus 317 Schiffen mit etwa 28.000 Mann Besatzung. Wir machten die Orte,
die wir erreichten, nicht zu Kolonien mit Zucker- und Kaffeeplantagen auf der
Grundlage afrikanischer Sklaverei, obwohl unsere Schiffe mindestens viermal so
groß waren wie die des Christoph Kolumbus, unsere Flotte war hundertmal größer
als seine und unsere Reise wurde 87 Jahre vor seiner unternommen. Und ja, wir
erreichten auch Afrika.
Das Regime in Peking ist nicht daran interessiert, bei der Verbreitung von
Ideologie mit Amerika weltweit zu konkurrieren. Ich möchte sogar noch einen
Schritt weiter gehen und kühn behaupten, daß die ideologischen Unterschiede
zwischen dem Konsens von Beijing und dem Washingtoner Konsens grob übertrieben
werden. Das chinesische Entwicklungsmodell, wie es von Deng Xiaoping zum
ersten Mal angekündigt wurde, ist flexibel, anpassungsfähig, und vor allem
legt es viel weniger Wert auf Ideologie. Manche behaupten sogar, das
chinesische Entwicklungsmodell bestehe im wesentlichen darin, gar kein Modell
zu haben. Meine eigene Schlußfolgerung ist, daß das chinesische
Entwicklungsmodell hauptsächlich die folgenden fünf Aspekte umfasst:
- die Rolle des Staates, einschließlich gezielter Industriepolitik und
öffentlicher Unternehmen;
- das Duo Export und ausländische Direktinvestitionen;
- unbedingte Priorität für wirtschaftliche Entwicklung;
- Institutionen für eine effiziente, aber nicht unbedingt liberale
Regierungsführung; sowie
- der flexible, stufenweise und experimentelle Ansatz bei der Einführung
von Reformen.
Vergleicht man die obigen Aspekte des chinesischen Entwicklungsmodells mit
den amerikanischen ideologischen Grundwerten, so findet man tatsächlich mehr
Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Als Beispiel nehme ich die Analyse der
amerikanischen ideologischen Grundwerte des Soziologen Robin Williams. Er
führte folgende auf: Freiheit, Individualismus, Idealisierung des Praktischen,
ehrenamtliche Tätigkeit, Mobilität, Patriotismus, Fortschritt und den
Amerikanischen Traum. Meiner Ansicht nach betrifft das einzige, was
grundsätzlich schwer in Einklang zu bringen ist, den Begriff der Freiheit.
Wenn ich Sie davon überzeugen kann, dann ist also die Beziehung zwischen
China und den USA bar ideologischer Konkurrenz, und von den amerikanischen
Besorgnissen bleiben nur noch Elemente einer von Geopolitik getriebenen
Realpolitik. Und die Grundlage davon ist im wesentlichen eine Sache
wirtschaftlicher Konkurrenz. Ein kurzer Rückblick auf die Geschichte
unterstreicht jedoch die Tatsache, daß die Volkswirtschaften Amerikas und
Chinas wesentlich miteinander verflochten sind und sich in ihrer Natur
grundlegend ergänzen. Das nordpazifische Handelsnetz, zu dem auch Japan und
Südkorea gehören, bildet die weltweit größte Wertschöpfungskette. Chinas
wirtschaftlicher Erfolg ist zum Teil eine Erfolgsgeschichte der Beteiligung
chinesischer Unternehmen an dieser von Amerika angeführten globalen
Wertschöpfungskette.
Darüber hinaus entspricht die Geschäftstätigkeit amerikanischer Unternehmen
in China einem kommerziellen Interesse von rund 400 Mrd. Dollar. Rund 40% der
Exporte Chinas hängen mit ausländischen multinationalen Unternehmen zusammen.
Auf der Liste der 20 größten Exporteure in China sind die Mehrheit entweder
Lizenzunternehmen von „Corporate America“ oder Corporate America selbst. Die
Volkswirtschaften Chinas und Amerikas ergänzen sich aufgrund ihrer natürlichen
und personellen Ressourcen. Amerikas Agrar- und Energieprodukte sind auf den
Weltmärkten sehr wettbewerbsfähig, ebenso die High-Tech-Sektoren. Chinas
effiziente Fertigung trägt zu den niedrigen Preisen bei Walmart und Amazon
bei. Waren und Dienstleistungen zusammengenommen, entspricht der Handelsfluß
über den Pazifik einem kommerziellen Interesse von fast 800 Mrd. Dollar –
potentiell hin zu einem Niveau, wo sie eins werden. Ist dieses wunderbare
hypothetische Unternehmen ein amerikanisches? Oder ist es ein chinesisches?
Das spielt keine Rolle. Ich würde es einfach als globales Unternehmen im
globalen Zeitalter bezeichnen.
China könnte auch von einer selektiven Ausrichtung seiner
industriepolitischen Ziele profitieren. Industriepolitik ist unter
Volkswirtschaftlern umstritten. Aber man muß zugeben, daß Amerika eine
beträchtliche eigene Industriepolitik hat, die sich von der chinesischen nur
vom Umfang her, aber nicht inhaltlich unterscheidet. Zum Beispiel haben die
USA das DARPA-Programm (die staatliche Agentur für Rüstungsforschung), die dem
Energieministerium unterstellten weltberühmten Nationalen Laboratorien, die
umfangreichen Forschungsgelder der Nationalen Gesundheitsbehörden (National
Institutes of Health) und die zahlreichen Zuschüsse aus den Programmen der
Nationalen Wissenschaftsstiftung (National Science Foundation). Erst vor
wenigen Tagen unterzeichnete Präsident Trump eine Anordnung zur Förderung der
Entwicklung künstlicher Intelligenz. Das riecht nach Industriepolitik.
Nichtsdestotrotz glaube ich jedoch, daß es Chinas Interessen nicht schadet,
sich als politisches Ziel darauf zu konzentrieren, in bestimmten Bereichen
hervorragende Leistungen zu erbringen, anstatt in allen Dingen mittelmäßig zu
sein. Zum Beispiel sind die Vereinigten Staaten stolz auf Boeing-Flugzeuge,
während China auf Hochgeschwindigkeitszüge stolz ist.
Eine Washingtoner Denkfabrik wirft China vor, es sei eine Autarkie für
Innovationen. Wenn jedoch ein autarker Ansatz vermieden werden soll, dann muß
langfristig ein strategisches Vertrauen zwischen beiden Seiten aufgebaut
werden. Und in dieser Hinsicht sind die jüngsten Maßnahmen aus Washington in
Bezug auf Huawei – insbesondere aus den Nachrichtendienst- und
Verteidigungskomplexen der Exekutive – sehr enttäuschend. In anderen Bereichen
hat Huawei in der Vergangenheit möglicherweise Fehler gemacht, aber es gab
niemals den geringsten Beweis dafür, daß das Unternehmen Geheimdienst- und
Spionagetätigkeiten für die chinesische Regierung betreibt.
Washingtons Vorverurteilung stützt sich auf eine Regelung in China, Artikel
7 des Nachrichtendienstgesetzes, der besagt, daß Unternehmen in China die
Verpflichtung haben, mit den Geheimdiensten der Regierung zusammenzuarbeiten.
Es gibt jedoch eine höhere Verfassung in China, die besagt, daß die Regierung
die Interessen privater Unternehmen schützt. Der Vorstandschef von Huawei,
Herr Ren Zhenfei, sagt sehr deutlich, daß er die Interessen seiner Kunden
niemals unter etwas anderes stellen würde, und seine Aussage hat eine
rechtliche Grundlage, die ich gerade nannte – der Punkt, daß die chinesische
Regierung laut Verfassung Huawei niemals auf dem Weltmarkt in Gefahr bringen
darf.
Eine weitere Dimension des Entkommens aus der wirtschaftlichen
Thukydides-Falle ist die geographische Dimension des Marktes. Die
amerikanischen Konzerne engagieren sich gewöhnlich nicht in Afrika. Die
Präsenz von Corporate America ist auf Südamerika, Südasien und Südostasien
begrenzt. Seine Stärke liegt in Europa und auf den nordamerikanischen Märkten.
Ich habe den chinesischen Managern schon immer geraten, nach Afrika zu gehen,
nach Südamerika, allgemein an Orte, wo es mehr Chancen als Konkurrenz gibt.
Durch eine freundschaftliche geographische Aufteilung des Weltmarktes können
sowohl Chinas Unternehmen als auch Amerikas Unternehmen für sich alleine
erfolgreich sein.
Chinesische Investitionen in den USA
Zum Schluß möchte ich noch auf die Gürtel- und Straßen-Initiative und ihre
möglichen Auswirkungen auf chinesische Investitionen in den USA eingehen.
Ausländische Direktinvestitionen zwischen den beiden Ländern stärken unsere
Wirtschaftsbeziehungen und bilden eine zusätzliche Ebene in der Gesamtheit
unserer Beziehungen. Bisher sind die ausländischen Direktinvestitionen
überwiegend eine Einbahnstraße von Amerika nach China. Das ist nur zu
verständlich, wenn man Amerikas Status als entwickelte Volkswirtschaft im
Vergleich zu China bedenkt.
In den letzten Jahren jedoch interessiert sich immer mehr chinesisches
Kapital für die USA, insbesondere im Süden, für Staaten wie Nord-Carolina,
Süd-Carolina und Georgia, wo Land- und Versorgungskosten günstiger sind als in
China und die Lohnkosten ziemlich akzeptabel sind. Dies gilt besonders bezogen
auf die neue Theorie der Wirtschaftsgeographie, die ein Wanderungsmuster der
Schwerpunktbildung industrieller Fertigung vorhersagt.
In der Vergangenheit wanderte diese von Europa nach Nordamerika, dann nach
Japan und Südkorea und dann nach China. Inzwischen befindet sie sich seit über
30 langen Jahren in China, so daß wir die Anfänge einer Welle ausländischer
Direktinvestitionen aus China sehen, ähnlich der Auslagerungstendenz
amerikanischer Unternehmen in den 90er Jahren. Hier in Amerika wünschen Sie
sich, daß in Verbindung mit der Bewegung von chinesischem Auslandskapital auch
einige dieser Unternehmen in die USA zurückkehren, da viele dieser Unternehmen
aktive Teilnehmer an globalen Wertschöpfungsketten quer über den Nordpazifik
sind.
Chinesische Kapitalinvestitionen in den USA können auch in Form von
Infrastrukturinvestitionen erfolgen, den Kontext dazu bildet Präsident Trumps
Kampagne „Amerika wieder großartig machen“. Dieser Slogan ist das
Markenzeichen von Präsident Trumps Wahlkampf. Bisher haben wir jedoch aus der
Regierung zum Ausbau der Infrastruktur noch nicht viele Aktivitäten gesehen
oder Einzelheiten erfahren, außer der Mauer an der Südgrenze. Präsident Trump
sagte, es werde ein Schwerpunkt der zweiten Hälfte seiner Amtszeit sein. Wir
werden sehen.
Infrastrukturaufbau ist eine große Stärke chinesischer Unternehmen.
Diejenigen von Ihnen, die China besucht haben, konnten feststellen, wie viele
Fortschritte China in den letzten Jahren gemacht hat. Nun hat sich dies auf
die Gürtel- und Straßen-Initiative ausgeweitet. Aber es gibt viel Verwirrung,
Mißverständnisse, Fehlinformationen und sogar böswillige Angriffe auf die
Initiative. Sie ist kein geopolitisches Spiel zur Stärkung des
Einflußbereichs. Es soll nicht der Machtprojektion dienen. Die Gürtel- und
Straßen-Initiative ist ehrlich davon motiviert, gemeinsame
Wirtschaftsinteressen zu suchen, und nicht davon, in Konkurrenz zu Amerika
eine Ideologie zu verbreiten. Diesen Punkt hat die chinesische Regierung oft
betont.
China hat riesige Devisenreserven, die hier in den USA brachliegen. Die
Bank of China und andere große chinesische Geschäftsbanken schwimmen in
Dollar-Bargeld und anderen liquiden Dollarwerten in Höhe von insgesamt über 3
Billionen Dollar, hauptsächlich in Form von US-Schatzwechseln und Anleihen.
Mit diesem Geld können chinesische Investoren am Infrastrukturboom Amerikas
teilnehmen. Damit meine ich, daß chinesische Investoren an diesen
Infrastrukturprojekten als aktive Kapitalanleger teilnehmen können,
möglicherweise gleichzeitig auch als Bauunternehmer oder Zulieferer.
Nennen Sie es Gürtel und Straße. Nennen Sie es Amerikas Gürtel und Straße.
Das spielt keine Rolle, solange Chinas Handelsbilanzüberschuß in eine Art
Kapitalkonto umgewandelt werden kann, in Form von Geld, das in Amerika
investiert wird – als dauerhafte Anteilseigner und wichtiger noch, als
dauerhafte Interessenvertreter stabiler und prosperierenden
chinesisch-amerikanischer Wirtschaftsbeziehungen. Dies könnte für beide Länder
ein Win-Win-Modell sein.
Zusammenfassend bin ich kurzfristig hinsichtlich der Handelsgespräche
optimistisch, aber auf lange Sicht besorgt über die vergiftete politische
Atmosphäre in Washington gegenüber China. Es gibt diese politischen Fraktionen
in den USA, diejenigen auf der Rechten, die den Komplex der Rüstungsindustrie
und der Geheimdienste vertreten, und diejenigen auf der Linken, die einen
imaginären ideologischen Kreuzzug führen und China zu Amerikas Staatsfeind
Nummer eins machen wollen. Das ist, gelinde gesagt, bedauerlich.
Glücklicherweise scheint Präsident Trump kein Teil davon zu sein. Eine gute
Beziehung zwischen unseren beiden Ländern – auch wenn sie von der Natur her
ein Wettbewerb ist, solange es nur ein friedlicher ist –, liegt in der Tat im
fundamentalen amerikanischen Interesse.
Vielen Dank für die Gelegenheit und ich wünsche Ihnen allen viel
Erfolg.
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