„Auf zu den Sternen – raus aus Aberglauben und Geopolitik!“
Von Alexander Hartmann
Mitglieder und Unterstützer des Schiller-Instituts befaßten
sich bei einem „Renaissance-Wochenende“ zwei Tage lang intensiv mit den großen
Ideen in der Wissenschaft und Kultur, die die menschliche Zivilisation in den
letzten 2500 Jahren vorangebracht haben.
Zu einem „Renaissance-Wochenende“ in der Nähe von Meißen hatte das
Schiller-Institut eingeladen, und rund 70 Aktivisten und Freunde kamen vom
31.5.-2.6. 2019 zusammen, um sich einmal weniger mit den tagespolitischen
Problemen und statt dessen mit den Grundlagen der philosophischen Methode
auseinanderzusetzen, die die menschliche Zivilisation vorangebracht hat – mit
dem Schwerpunkt auf den Durchbrüchen und dem Lebenswerk von Lyndon LaRouche.
Dabei ging es um die grundlegende Hypothese, daß der Mensch „die Krone der
Schöpfung“ ist, und nicht ihr Untergang, wie es von den heutigen
Klima-Fanatikern behauptet wird. „Kreativität und Entwicklung sind die
Prinzipien unseres Universums – und der menschlichen Gattung. Statt nach immer
mehr ,künstlicher Intelligenz’ zu rufen, sollten wir unsere eigene Intelligenz
endlich entwickeln! Statt immer mehr Häßlichkeit und Brutalität in der
Gesellschaft brauchen wir Schönheit und eine Entwicklung der eigenen Emotionen
im Sinne von Schiller oder auch Konfuzius. Wie wir das neue optimistische
Paradigma weltweiter ,Win-Win’-Kooperation schaffen können, darum wird es in
Vorträgen und Workshops zu den Themen Raumfahrt, klassische Musik, Neue
Seidenstraße etc. gehen“, hieß es in der Einladung.
Die Vorträge des Wochenendes gruppierten sich in drei Themenbereiche –
Vorträge zur Wissenschaft, zur Kultur und zur Ökonomie –, in den Pausen
dazwischen hatten die Teilnehmer auch Gelegenheit, im Rahmen einer kleinen
pädagogischen Ausstellung verschiedene Experimente, beispielsweise mit einem
Monochord, mit Seifenlauge oder einer Kette, durchzuführen und geometrische
Aufgaben zu lösen, und alle Teilnehmer waren eingeladen, an einer Chorprobe
teilzunehmen. Nach jedem Vortrag gab es Gelegenheit zur Diskussion, die von
den Teilnehmern ausgiebig genutzt wurde.
Das Wochenende begann am 31. Mai nach dem Abendessen mit einer Einführung
der Gründerin und Vorsitzenden des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche,
über „Die Irrtümer der eurozentristischen Sicht auf die Welt“. Sie berichtete
über ihren jüngsten Besuch in China, wo sie an der Konferenz über den Dialog
der Asiatischen Zivilisationen teilgenommen und dort eine Rede beigetragen
hatte. Das Ziel müsse es sein, nicht nur einen, sondern Hunderttausende oder
besser noch Millionen qualifizierte Kanzlerkandidaten zu haben, so wie es in
Schillers Don Carlos heißt: „Seien Sie ein König von Millionen
Königen.“
Im Anschluß gab es eine kurze Chorprobe, in der geübte und weniger geübte
Chorsänger eingeladen waren, gemeinsam das Kyrie aus Franz Schuberts Messe Nr.
2 in G-Dur (D 167) einzustudieren, bevor der Abend im lockeren Gespräch
ausklang.
Platon
© alle Bilder: Schiller-Institut
Martin Kaiser
Die ersten Vorträge des Seminars am Samstagvormittag befaßten sich mit
Themen zur Wissenschaft. Dabei stand, wie angekündigt, die Frage der
Herangehensweise – die Denkmethode – im Mittelpunkt, am Beispiel einiger
Denker in der Geschichte, auf die sich Lyndon LaRouche immer wieder bezogen
hat.
Martin Kaiser eröffnete die Runde mit einem Vortrag über „Platon – die
Quelle der westlichen Zivilisation“. Er beschrieb den kulturellen und
moralischen Verfall Athens nach dem Sieg über die Perser und das Aufkommen der
Sophisten, die stolz darauf waren, mit bloßer Rhetorik „alles beweisen oder
widerlegen zu können“. Wenn diese Denkweise vorherrscht, wird das Streben nach
Wahrheit zu einer lebensgefährlichen Angelegenheit, wie es Sokrates am eigenen
Leibe erlebte. Auch Lyndon LaRouche stand vor 30 Jahren vor einer ähnlichen
Herausforderung, als die US-Regierung gegen ihn vorging, um seinen
unerwünschten Einfluß zu neutralisieren.
Am Beispiel des berühmten „Höhlengleichnisses“ beschrieb Martin Kaiser die
platonische Sichtweise: Die Sinneseindrücke liefern uns nur Abbilder der
Realität, wie die Schatten an der Wand einer Höhle. Die Prozesse, die diese
Schatten hervorrufen, liegen außerhalb der Höhle, und nur wer die Höhle
verläßt, kann die realen Prozesse erkennen und verstehen. Die Wahrheit liegt
also im Bereich der Ideen.
Das Streben nach Wahrheit ist dabei auch immer ein Streben nach dem Guten,
der Weise sucht das Gute in der Mathematik, der Geometrie, der Musik. Die
Verwandtschaft von Musik und Astronomie provoziert die Suche nach einer
höheren Wissenschaft, die die beiden verbindet. Die Art und Weise, wie man
denkt, entscheidet auch darüber, ob es mit der Gesellschaft weitergeht oder ob
sie untergeht.
Johannes Kepler
Michael Gründler
Michael Gründler befaßte sich dann mit Johannes Kepler und dem „kreativen
Prinzip“. Um das Besondere an Keplers Herangehensweise zu verdeutlichen,
präsentierte er zunächst mithilfe von Animationen die Vorstellungen von
Keplers Vorgängern Ptolemaios, Nikolaus Kopernikus und Tycho Brahe über die
Bewegungen der Planeten in unserem Sonnensystem – die, wie Kepler selbst
enttäuscht feststellte, sich zwar in der Herangehensweise unterscheiden, aber
zu den gleichen mathematischen Ergebnissen führen. Man konnte also auf diesem
Wege nicht entscheiden, welches dieser drei Modelle das richtige ist, sondern
nur anhand von Beobachtungen, ob sie entweder alle drei richtig oder – wie
Kepler dann feststellte – allesamt falsch waren.
Der Fehler seiner Vorgänger lag darin, daß sie nur versuchten, auf der
Grundlage feststehender Axiome – insbesondere der Vorstellung, daß die
Planeten gleichförmigen Kreisbewegungen folgen – Modelle zu erstellen, die ein
annäherndes Abbild der Beobachtungen liefern, anstatt zu versuchen, die
physikalischen Ursachen der Bewegungen festzustellen. Um ihre Modelle mit den
tatsächlichen Beobachtungen in Übereinstimmung zu bringen, erfanden sie daher
mathematische Hilfskonstrukte wie den Epizykel oder den Äquanten. Die Ursachen
der Bewegungen der Planeten lagen für sie völlig außerhalb der Sphäre des
Menschen – sie glaubten, die Planeten würden von Gott oder Geistern am
Firmament hin und hergeschoben.
Kepler hingegen stellte die Sonne als physisch wirkende Kraft in den
Mittelpunkt des Sonnensystems – und gelangte auf dieser Grundlage zu der
Einsicht, daß die Bewegungen der Planeten nicht kreisförmig, sondern
elliptisch sind, und daß sie sich nicht gleichförmig auf diesen Bahnen
bewegen, sondern die jeweilige Geschwindigkeit vom jeweiligen Abstand von der
Sonne abhängt.
Damit änderte sich auch die Rolle des Menschen im Universum; plötzlich
konnte der Mensch die Ursachen der Planetenbewegungen begreifen, sie waren nun
für ihn zugänglich. Man kann sagen, daß Kepler und Kopernikus in verschiedenen
Universen lebten.
Alexander von Humboldt
Alexander Hartmann
„Alexander von Humboldt – Motor der wissenschaftlichen Revolution“ lautete
das Thema des nächsten Vortrags von Alexander Hartmann. 1799 trat Humboldt
seine große Forschungsreise an, die ihn nach Süd-, Mittel- und Nordamerika
führte und fünf Jahre später mit einem reichen Schatz an Sammlungen,
Aufzeichnungen und Meßwerten nach Europa zurückbrachte.
Aber viel wichtiger als die zahlreichen konkreten Meßwerte, die er von
jener Reise zurückbrachte, war das weltweite Netzwerk wissenschaftlicher
Kontakte, das er durch diese Reise und im Anschluß daran entwickelte, um seine
Ergebnisse in 20jähriger Arbeit in Zusammenarbeit mit den besten
Wissenschaftlern seiner Zeit auszuwerten. Denn Humboldt ging es nicht um die
Daten an sich, sein Ziel war es, „die Erscheinungen der körperlichen Dinge in
ihrem allgemeinen Zusammenhange, die Natur als ein durch innere Kräfte
bewegtes und belebtes Ganzes aufzufassen“.
Daraus ergab sich die Erkenntnis, daß man nur auf der Grundlage ständiger
und systematischer exakter Beobachtungen eine solide Grundlage für das
Erkennen natürlicher Gesetzmäßigkeiten gewinnt – und dazu braucht man ein
globales Netzwerk gut ausgebildeter und ausgerüsteter Wissenschaftler, die
diese Daten ständig erfassen und auswerten.
Aber dazu mußte zunächst der Geist, der die Ausbildung der Wissenschaftler
an den Universitäten bestimmte, geändert werden, denn dort herrschte noch Ende
der 1820er Jahre die Naturphilosophie vor, die die Erkenntnisse über die
Gesetzmäßigkeiten der Natur allein aus philosophischen Überlegungen ableiten
wollte.
Humboldt nutzte sein großes Ansehen und seine Stellung als Kammerherr des
preußischen Königs, um etliche Forschungsprojekte wie den „magnetischen
Verein“ oder die Gründung wissenschaftlicher Institute anzustoßen, und um
zahllose talentierte Wissenschaftler (wie z.B. den jungen Justus Liebig) an
die Universitäten zu vermitteln, wo sie als Forscher und Lehrer halfen, das
Wissen um die Natur zu vertiefen und die Kader für eine massive Ausweitung der
exakten Wissenschaften auszubilden. Die Flut der dadurch ausgelösten
wissenschaftlichen Erkenntnisse war gleichzeitig eine wesentliche treibende
Kraft bei der Entwicklung völlig neuer Industriezweige, wie der chemischen
Industrie oder der Elektrotechnik.
Wladimir Wernadskij
Andrea Andromidas
Andrea Andromidas präsentierte dann „Das optimistische
Weltbild von Wladimir Wernadskij“, der über Humboldt hinausgehend die
biogeochemische Welt und die Wechselwirkungen zwischen der (unbelebten)
Geosphäre, der (belebten) Biosphäre und dem Wirken der Menschheit (Noosphäre)
in ihnen und auf sie in ihrer Gesamtheit betrachtete. Als Beispiel erläuterte
sie Wernadskijs Konzept der Wanderung der Atome, die sich, im Lauf der Zeit
von unterschiedlichsten geologischen und biologischen Prozessen erfaßt, in
ständiger Bewegung befinden. Das Ergebnis all dieser Prozesse ist ein
ständiger Evolutionsprozeß, in dem die Biosphäre die Geosphäre immer weiter
umgestaltet und in ihre Prozesse einbezieht, während die Noosphäre ihrerseits
sowohl die Geosphäre als auch die Biosphäre erfaßt, umgestaltet und
weiterentwickelt.
Anhand der Evolutionsspirale zeigte Andrea Andromidas auf, wie
sich die lebenden Prozesse aus ganz einfachen Anfängen im Laufe von Milliarden
von Jahren immer weiter entwickelt haben und immer wieder höherentwickelte
Gattungen neben oder an die Stelle der zuvor existierenden Gattungen
traten.
Indem sie zunehmend in die Prozesse in der Geosphäre und
Biosphäre eingreift und diese steuert und beschleunigt, wird die Menschheit in
ihrer Gesamtheit zu einer „geologischen Kraft“, die die Welt irreversibel
verändert und weiterentwickelt. Wernadskij war der Ansicht, daß die
Menschheit, wie wir sie heute kennen, noch nicht die Krone der Schöpfung ist,
sondern sich weiter auf höhere Ebenen entwickeln wird.
Kernfusion
Dr. Wolfgang Lillge
Nach diesem Rückblick auf die Entwicklung der Wissenschaften
in der Vergangenheit richtete Dr. Wolfgang Lillge den Blick auf die Zukunft
und befaßte sich mit der „neuen universellen Plattform der Kernfusion“, wobei
er zunächst die Konzepte der Energiedichte und Energieflußdichte erläuterte.
Als Beispiel dafür verwies er auf den Unterschied zwischen der
Energiegewinnung aus Holz, Kohle, Öl oder Gas und der Energiegewinnung durch
Kernspaltung und Kernfusion, bei der die Energiedichte (gemessen in Joule pro
Gramm des Brennstoffs) millionenfach höher liegt, während die sog.
„Erneuerbaren“ dagegen mit so geringen Energiedichten arbeiten, daß sie gar
nicht mehr vergleichbar sind.
Als Beispiel, was mit den hohen Energiedichten der Kernfusion möglich wird,
erläuterte er die sog. „Plasmafackel“, mit der beliebige Stoffe in einen
Plasmazustand versetzt werden können, der es erlaubt, auch minderwertige Erze
oder Abfallstoffe in ihre atomaren Bestandteile zu zerlegen und als
Rohstoffquelle zu nutzen.
Die Kernfusion ist auch eine unverzichtbare Voraussetzung für die
Erforschung und Besiedelung des Weltraums. Lillge zitierte hierzu Krafft
Ehrickes „Fundamentalsätze der Astronautik“ sowie Lyndon LaRouche, der sich in
zahlreichen Schriften mit dem Projekt der Erschließung und Besiedelung von
Mond und Mars beschäftigte. Zum Abschluß berichtete er dann über die jüngsten
Erfolge der Weltraumforschung, insbesondere Chinas Mondmission Chang’e-4.
Ästhetische Erziehung
Helga Zepp-LaRouche
Helga Zepp-LaRouche eröffnete die nächste Vortragsrunde, die sich mit der
klassischen Kultur befaßte, und sprach über das Thema „Ästhetische Erziehung
in Deutschland und China“, und über Wege, sich anderen Kulturen anzunähern.
Tatsächlich gibt es etliche Prinzipien, die in vielen Kulturen in gleicher
oder sehr ähnlicher Form vorhanden sind.
So ist das Ziel in der chinesischen Gesellschaft nach der konfuzianischen
Vorstellung die moralische Verbesserung der Menschheit und die Überwindung
schlechter Charaktereigenschaften (wie z.B. Egoismus oder Zorn). Diese Idee
lag auch dem kaiserlichen Prüfungssystem zugrunde.
Der Verlust bzw. das Fehlen jeglicher höherer Idee, wie wir es auch heute
wieder in der westlichen Welt erleben, führte in Preußen und in China jeweils
zum Untergang des Staates – in Preußen durch Napoleon, in China durch die
Opiumkriege und den Einfluß der europäischen Kolonialmächte. Als Reaktion auf
diesen Zusammenbruch studierte der chinesische Gelehrte Cai Yuanpei die
Blütezeiten der europäischen Geschichte und stieß dabei auf die erstaunlichen
Parallelen zwischen dem konfuzianischen Verständnis und Friedrich Schillers
Konzept der Ästhetischen Erziehung, das von Wilhelm von Humboldt in dessen
Bildungsideal aufgegriffen wurde und dessen Reformen zugrunde lag. Dabei ist
das Ziel die umfassende Entwicklung der eigenen Persönlichkeit.
Zepp-LaRouche hob das Harmoniestreben als wesentlichen Aspekt der
chinesischen Kultur hervor: Glück des einzelnen gibt es nur, wenn der Staat
glücklich ist. Gleichzeitig legen die Chinesen sehr großen Wert auf Schönheit
in der Öffentlichkeit und auf Ästhetik im Alltag. Das Ziel ist es, die
Menschheit zu etwas Harmonischem zu entwickeln. Insbesondere spielen Metaphern
eine große Rolle in der chinesischen Kultur und im chinesischen Denken.
Für Cai Yuanpei ist der Staat so etwas wie eine große Familie, und sein
Ziel war es, eine große Gemeinschaft der Welt zu schaffen, in der das
Interesse der einzelnen Staaten dem Interesse der gesamten Welt nicht
widersprechen darf.
Die Zauberkraft der Poesie
Christa Kaiser
Christa Kaiser überschrieb ihren Vortrag mit der provozierenden Frage: „Ist
Poesie noch zeitgemäß?“ Sie erklärte, daß Menschen schon immer neben dem
Nützlichen das Schöne gesucht haben, und dazu gehört nicht zuletzt die Poesie.
Gute Dichtung, wie z.B. Aischylos und Schiller, trägt dazu bei, eine
moralische Gesellschaft zu schaffen und zu erhalten. Die heutige Kultur ist
jedoch meist banal und häßlich – als Beispiel rezitierte sie ein typisches
postmodernes Gedicht, das die „Sinnlosigkeit“ des Lebens propagiert.
Klassische Poesie dagegen, sei es im Gedicht oder auf der Theaterbühne, dient
der Veredelung des Charakters, indem der Mensch jenseits der Ebene der
sinnlichen Erfahrung auf der Ebene des Denkens angesprochen wird. Sie zitierte
Schiller, die wahre Kunst solle den Menschen „in der Tat frei machen, indem
sie eine Kraft in ihm erweckt, übt und ausbildet, die sinnliche Welt in eine
objektive Ferne zu rücken und das Materielle durch Ideen zu beherrschen“. Ein
Mittel dazu sei ein Überraschungseffekt, ähnlich wie bei einem guten Witz. Am
Ende gelangt der Zuschauer oder Zuhörer zu einer Erkenntnis, die „über den
Worten“ liegt.
Sie rezitierte Friedrich Schillers Gedicht „Breite und Tiefe“ und schloß
dann ihren Vortrag mit einem Audiomitschnitt von Schillers packender Ballade
„Die Kraniche des Ibykus“, eine Aufnahme von Maria Becker.
Die Renaissance in Deutschland
„Wie die Renaissance nach Deutschland kam“, erläuterte dann Alexander
Hartmann. Er berichtete über die Impulse, die von Nikolaus von Kues ausgingen:
seine Verhandlungen über die Beendigung des Schismas, die zur Entsendung einer
großen Delegation der griechisch-orthodoxen Kirche zum Konzil von Florenz und
zur Wiederentdeckung der klassischen griechischen Schriften führte, und sein
Anstoß zu den Entdeckungsreisen des Kolumbus, die zur Entdeckung Amerikas
führte. Und von Cusanus kam vermutlich auch der Anstoß zur Entwicklung der
Druckkunst.
Nürnberg als Zentrum der Metallverarbeitung spielte eine wichtige Rolle bei
der Herstellung der wissenschaftlichen Instrumente, die für die Seefahrt und
für astronomische Beobachtungen benötigt wurden, was den Mathematiker und
Astronomen Regiomontan – der in Wien und in Italien eng mit Kardinal
Bessarion, einem Mitstreiter von Cusanus, und Georg von Peuerbach
zusammengearbeitet hatte –, dazu veranlaßte, sich in Nürnberg „Unter der
Veste“ anzusiedeln. Und in diesem Stadtviertel entwickelte sich ein Kreis
wohlhabender Bürger, die im späten 15. Jahrhundert daran gingen, ihre
Zeitgenossen über die neuesten Entdeckungen über die wahre Gestalt der Erde
aufzuklären und so das vorherrschende Weltbild zu verändern. Durch Projekte
wie die Schedelsche Weltchronik – einen gedruckten Bildband mit 1800
handgefertigten Abbildungen – und den Behaimschen Globus demonstrierten sie
den Menschen, daß die Erde keine flache Scheibe ist.
Zur jüngeren Generation dieses Nürnberger Kreises gehörten der
„Dichterkönig“ Conrad Celtis, von dem die Anregung zur Gründung einer
„Poetenschule“ kam, um die jungen Menschen Griechisch, Latein und Redekunst zu
lehren, damit sie die durch das Konzil von Florenz wieder zugänglich gemachten
Schriften der alten Griechen studieren konnten; Willibald Pirckheimer, der
viele klassische Schriften aus dem Griechischen und Lateinischen übersetzte
und als Rat der Stadt Nürnberg den Projekten der Humanisten politischen
Geleitschutz gab; und der Maler Albrecht Dürer, der schon als 14jähriger
Lehrling an den Illustrationen der Weltchronik mitarbeitete und dessen
Kupferstiche und Radierungen erstmals die Produkte der großen Kunst für die
breite Masse erschwinglich machten.
LaRouche und die Musik
Die Musik – bzw. Lyndon LaRouches Gedanken über die Rolle der Musik als
Baustein einer neuen Renaissance – war Gegenstand eines von Sergej Strid
produzierten 15minütigen Videos mit Ausschnitten aus Interviews mit Lyndon
LaRouche und Helga Zepp-LaRouche und Musikern wie Norbert Brainin (dem
Primarius des Amadeus-Quartetts), Raymond Björling (dem Enkel des Tenors Jussi
Björling) und anderen über solche Aspekte der klassischen Musik wie die
Belcanto-Gesangstechnik, die Geschichte der Motivführung oder die besondere
Rolle des Künstlers als Vermittler der musikalischen Ideen, die man nur
„hinter den Noten“ findet.
Den Abschluß des Tages bildete dann ein Musik- und Poesieabend; er begann
mit der Darbietung des am Abend zuvor eingeübten Kyrie aus der
Schubert-Messe in G-Dur. Weitere musikalische Beiträge waren das Lied „Von
ewiger Liebe“ von Johannes Brahms, vorgetragen von Portia Tarumbwa-Strid, die
Arie der Marzelline aus Beethovens Fidelio, gesungen von Leona
Meyer-Kasai, und Friedrich Schillers Ballade „Die Bürgschaft“ in der Vertonung
von Franz Schubert, gesungen und selbst am Klavier begleitet von Werner
Hartmann.
Zwischen den verschiedenen Musikstücken wurden klassische Gedichte
vorgetragen, darunter klassische Lyrik wie Friedrich Schillers „Der Antritt
des neuen Jahrhunderts“, „Das Mädchen aus der Fremde“, Balladen wie Schillers
„Der Ring des Polykrates“, „Der Handschuh“ und „Pegasus im Joche“ sowie
Adelbert von Chamissos „Die Sonne bringt es an den Tag“, aber auch kleinere
Gedichte wie „Das ist’s eben“ und „Genug gewandert“, ebenfalls von
Chamisso.
Die Weltlandbrücke
Stephan Ossenkopp
Die letzten Vortragsrunde am Sonntagmorgen, die sich mit Konzepten zur
Gestaltung der Wirtschaft befaßte, wurde von Peter Møller mit dem zweiten Satz
der berühmten „Pathétique“, Beethovens Klaviersonate Nr. 8, musikalisch
eröffnet.
Stephan Ossenkopp berichtete dann über die Entwicklungsgeschichte der Idee
der Neuen Seidenstraße, „Vom Produktiven Dreieck zur Weltlandbrücke“.
Ausgehend von Lyndon LaRouches Rolle in den Verhandlungen zwischen der
Regierung Reagan und der Sowjetunion über die SDI berichtete er, daß LaRouche
den wirtschaftlichen Zusammenbruch der COMECON-Länder schon 1983 für „in etwa
fünf Jahren“ vorhergesagt hatte, und daher vom Fall der Berliner Mauer 1989
keineswegs überrascht war, sodaß er sofort (aus dem Gefängnis heraus) konkrete
Vorschläge für einen schnellen wirtschaftlichen Aufbau in Osteuropa machen
konnte. So entstand das Konzept des „Produktiven Dreiecks Paris-Berlin-Wien“:
die Idee, Mitteleuropas Wirtschaftskraft zu mobilisieren, um
Infrastrukturkorridore zu den übrigen Bevölkerungszentren Europas aufzubauen
und dieses Aufbauprogramm zur „Runderneuerung“ der produktiven Wirtschaft in
Süd- und Osteuropa bis hin nach St. Petersburg, Moskau und Kiew zu nutzen.
Diese Idee wurde jedoch nicht realisiert und Osteuropa statt dessen einer
„Schocktherapie“ unterzogen, die seine produktive Wirtschaft brutal
dezimierte. Schon 1991 erfolgte der Zusammenbruch der Sowjetunion.
Wiederum reagierte LaRouche auf diese Krise mit einer Weiterentwicklung
seiner Vorschläge: Die Idee des „Produktiven Dreiecks“ wurde erweitert zum
Konzept der „Eurasischen Landbrücke“, das vom Schiller-Institut in Hunderten
von Vorträgen, Seminaren und Konferenzen weltweit propagiert wurde. Auch diese
Idee wurde von den westlichen Regierungen zurückgewiesen, und anstelle der
physischen Wirtschaft, die in eine Dauerkrise verfiel, wuchsen
Finanzblasen.
China hingegen erklärte die „Eurasische Landbrücke“ zum Teil seiner
Politik. Nachdem Präsident Xi Jinping 2013 seine „Seidenstraßen-Initiative“
verkündet hatte und damit den anderen Nationen das Angebot machte, ihre
wirtschaftliche Entwicklung durch eine „Win-Win-Kooperation“ im Rahmen des
Aufbaus der Wirtschaftskorridore der Seidenstraße zu fördern, veranlaßte Helga
Zepp-LaRouche die Ausarbeitung und Veröffentlichung der Studie „Die Neue
Seidenstraße wird zur Weltlandbrücke“, in der das Konzept der Eurasischen
Landbrücke zu einem globalen Infrastrukturnetz erweitert wird, das sämtliche
Nationen der Welt miteinander verbindet und in diesen wirtschaftlichen Aufbau
mit einschließt. Ossenkopp schloß seinen Vortrag mit einem Überblick über die
Fortschritte, die dieses Aufbauprogramm in den letzten Jahren gemacht hat.
Geschichte und Zukunft der deutschen Industrie
Rainer Apel berichtete über die „Deutsche Industriegeschichte und die
Zukunft der deutschen Wirtschaft“. Er begann seinen Vortrag mit Lyndon
LaRouches berühmter „Tripelkurve“, um den derzeitigen Stand der Dinge zu
charakterisieren: Anstelle der produktiven Wirtschaft werden gigantische
Finanzblasen aufgebaut – bis der Punkt erreicht ist, an dem diese platzen.
Als Kontrast dazu berichtete er über die Frühzeit der industriellen
Entwicklung Deutschlands, über das Wirken Friedrich Lists, des
Industriepioniers Friedrich Harkort sowie des Schaafhausenschen Bankvereins.
Dieser wurde nach einer durch Spekulationen ausgelösten Krise durch Garantien
des preußischen Staats gerettet und ganz auf die Förderung der produktiven
Wirtschaft ausgerichtet – so, wie dies heute auch mit der Deutschen Bank
geschehen sollte –, und spielte dann eine wesentliche Rolle bei der
Finanzierung des Aufbaus zahlreicher führender Industrieunternehmen.
Rainer Apel und Elke Fimmen
Schließlich zeigte Apel anhand einiger Beispiele – wie z.B. in Deutschland
entwickelte Schienenlegemaschinen, Anwendungen von Plasmatechnologien zur
Entwicklung von Nanospeichern oder in der Medizintechnik sowie die Rolle
deutscher Unternehmen in der Weltraumtechnik –, daß die deutsche Industrie
auch heute noch in vielen Bereichen zur Weltspitze gehört und durchaus eine
Zukunft haben wird – wenn es gelingt, die Mißstände etwa im Finanzsektor, in
der Infrastruktur und im Bildungssystem abzustellen.
Friedrich List in China
Elke Fimmen schloß dann den Reigen der Vorträge ab mit einem Bericht über
die besondere Rolle Friedrich Lists als einem der wichtigsten Vertreter des
„Amerikanischen Systems“ der politischen Ökonomie, dessen Konzepte auch von
Lyndon LaRouche vertreten und weiterentwickelt wurden. Auch in China, wo Deng
Xiaoping 1976 eine gezielte Aufbaupolitik begann, ist der Einfluß von
Friedrich List zu erkennen.
Heute ist diese Schule im Westen jedoch kaum bekannt. In der neuen
Richtlinie des European Research Council sind auch gar keine Mittel für die
Forschung und Lehre zur Wirtschaftsgeschichte mehr vorgesehen. Aber noch in
den 1970er Jahren betrachtete der Council on Foreign Relations in seinem
„Projekt für die 1980er Jahre“ den Merkantilismus – die Tradition von Leibniz,
Hamilton und List – als eine der drei Hauptrichtungen der wirtschaftlichen
Systeme (neben dem Sozialismus und dem Liberalismus, dem der CFR zur
Vorherrschaft verhelfen wollte). Auch wenn der CFR dabei LaRouche namentlich
nicht nannte, war klar, daß sich die Argumentation des CFR gegen ihn und seine
Bewegung richtete.
Die westlichen Eliten begannen dann den langen Marsch in die
nachindustrielle Gesellschaft – mit dem Erfolg, daß heute der Westen
vollständig bankrott ist. China hingegen vollzog fast zum selben Zeitpunkt,
nach der Kulturrevolution, einen ganz anderen Kurswechsel, nämlich einen
zielgerichteten, langfristigen technologischen und wissenschaftlichen Aufbau.
Dieser Aufbau orientiert sich an der Verwirklichung der Vision, die der
Staatsgründer Sun Jat-sen für China entworfen hatte, welcher wiederum durch
seine Reisen in den USA und Europa, u.a. auch Deutschland, stark von den Ideen
des Amerikanischen Systems und Friedrich Lists beeinflußt war.
List betrachtete die Entwicklung des geistigen Potentials einer Nation und
die Entwicklung der menschlichen Arbeitskraft als die höchste Aufgabe; für ihn
war der Bau von Eisenbahnen ein Instrument der kulturellen Entwicklung. List
konzipierte ein eurasisches Eisenbahnnetz, um die Länder vom Einfluß des
britischen Imperialismus zu befreien. Seine Schriften fanden große Beachtung,
sie wurden in Rußland, Japan, Indien und China in die Landessprachen übersetzt
und hatten großen Einfluß auf die Politik von Graf Witte in Rußland, die
Meiji-Restauration in Japan, die Ziele der Unabhängigkeitsbewegung in Indien
und die Anführer der Revolution in China um Sun Jat-sen. So antwortete der
später sehr einflußreiche Ökonom Ma Yinchu 1922 auf die Frage, wer besser zu
China passe, Marx oder List, klar mit der Feststellung, List passe besser,
weil er sich mit der Frage der industriellen Entwicklung befaßt habe, während
Marx’ Lehren eine industrielle Entwicklung voraussetzen, die in China noch gar
nicht stattgefunden habe. Fimmen nannte auch eine Reihe weiterer chinesischer
Ökonomen, die Lists Ideen aufgegriffen haben, und zitierte aus Sun Jat-sens
Schrift „Die Internationale Entwicklung Chinas“, um die Übereinstimmung mit
Lists Ideen deutlich zu machen.
LaRouche muß rehabilitiert werden!
In ihrem Schlußwort betonte Helga Zepp-LaRouche, daß ein wirklicher
Durchbruch für alle diese Ideen, die an diesem Wochenende präsentiert wurden,
nur dann möglich sein wird, wenn es gelingt, die vollständige Rehabilitierung
von Lyndon LaRouche durchzusetzen, denn nur dann werde es für die Menschen
möglich, sich unvoreingenommen mit seinen Ideen auseinanderzusetzen. Die
jüngsten Enthüllungen im sog. Muellergate in den USA – dem Skandal um die
britische Einmischung in die amerikanische Präsidentschaftswahl und den
Versuch, Präsident Donald Trump zu stürzen – bieten eine hervorragende
Gelegenheit, für LaRouches Rehabilitierung zu wirken, da eben jener Robert
Mueller schon vor 30 Jahren eine führende Rolle in der juristischen Hexenjagd
gegen LaRouche gespielt hatte.
Das Problem in Deutschland sei, daß es zuwenig Staatsbürger gibt, die
Menschen trauen sich nicht, ihre Meinung zu sagen, und das müsse sich
ändern.
Impressionen des Seminars
Werner Hartmann mit Chor
Portia Tarumbwa-Strid
Werner Hartmann
Der Chor sang beim Musikabend das „Kyrie“ aus Schuberts Messe in G-Dur.
Portia Tarumbwa-Strid sang das Lied „Von ewiger Liebe“ von Johannes Brahms, Leona Meyer-Kasai, die Arie der Marzelline aus Beethovens Oper „Fidelio”; begleitet wurden sie von Sergej Strid am Klavier.
Werner Hartmann sang Schillers „Bürgschaft“, vertont von Franz Schubert.
Leona Meyer-Kasai
Christa Kaiser
Martin Kaiser
Elke Fimmen
Christa und Martin Kaiser und Elke Fimmen rezitierten Gedichte von Schiller und Chamisso.
Außerdem hatten die Teilnehmer Gelegenheit zu kleinen geometrischen und physikalischen Experimenten – und viel Spaß daran.
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