"Nichts mehr davon, ich bitt euch. Zu essen gebt ihm, zu wohnen.
Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst."
Friedrich Schiller
  Afrika

Nukleartechnologie für Afrikas Agenda für nachhaltige Entwicklung

Von Princy Mthombeni

Princy Mthombeni ist Kommunikationsspezialistin und Gründerin von Africa4Nuclear, Südafrika. In der Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 9. April hielt sie den folgenden Vortrag.

Meine Damen und Herren,

ich grüße Sie alle. Mein Name ist Princy Mthombeni, und ich berichte live aus einem wunderschönen Land namens Südafrika.

Ich bin Spezialistin für nukleare Kommunikation und Gründerin von Africa4Nuclear, einer Organisation, die sich für die Nutzung der Kernenergie als wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Agenda 2063 der Afrikanischen Union einsetzt. Dabei handelt es sich um eine Blaupause und einen Masterplan, um Afrika in ein globales Kraftzentrum der Zukunft zu verwandeln.

Zunächst möchte ich dem Schiller-Institut meinen aufrichtigen Dank für die Einladung aussprechen, diesen Vortrag zu halten. Das ist wirklich eine Ehre.

Bevor ich mit meinem Vortrag beginne, möchte ich den ersten demokratisch gewählten Präsidenten Südafrikas, Tata Nelson Mandela, zitieren. Er sagte:

    „Wie die Sklaverei und die Apartheid ist auch die Armut nicht natürlich. Sie ist von Menschen gemacht und kann durch menschliches Handeln überwunden und ausgerottet werden. Solange Armut, Ungerechtigkeit und grobe Ungleichheit in unserer Welt existieren, kann sich niemand von uns wirklich ausruhen.“

Afrika heute

Meine Damen und Herren, mein heutiger Vortrag trägt den Titel „Nukleartechnologie für Afrikas Agenda für nachhaltige Entwicklung“. Ich wurde in einem der Dörfer in KwaZulu-Natal, einer der Provinzen hier in Südafrika, geboren. In dieser Gegend gab es keine Elektrizität, also benutzten wir Substanzen wie Petroleum, Brennholz, Holzkohle, Kerzen und sogar Kuhdung, um unseren Energiebedarf zu decken, z. B. zum Kochen und Heizen der Häuser im Winter.

Im Alter von neun Jahren mußte ich drei Kilometer zu Fuß gehen, um sauberes Wasser zu holen, und ich stand um vier Uhr morgens auf, weil wir Wasser aus dem Brunnen holen mußten, während es draußen noch dunkel war. Meine Grundschulzeit habe ich im selben Dorf verbracht. Dort mußte ich vier Kilometer zur Schule laufen und dabei den Fluß überqueren. Ich mußte meine Hausaufgaben immer kurz vor Sonnenuntergang machen, weil wir zu Hause nur wenige Kerzen hatten.

Warum ich diese Geschichte mit Ihnen teile? Damit Sie das Leben eines „typischen Afrikaners“ verstehen können.

Auch wenn sich die Situation für viele von uns in Südafrika geändert hat, bleibt sie für viele Afrikaner unverändert. Die Energiearmut ist in allen 55 afrikanischen Ländern immer noch sehr hoch. Schätzungen zufolge haben mehr als 640 Millionen Menschen in Afrika immer noch keinen Zugang zu Elektrizität und leben daher im Dunkeln. Das geht aus Angaben der Afrikanischen Entwicklungsbank hervor. Ich spreche von dem Kontinent, auf dem fast ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt, auf den aber weniger als 4% des weltweiten Stromverbrauchs entfallen.

Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen ein einfaches Szenario vor Augen führen, das die Realität einiger Afrikaner verdeutlicht:

  • Ein Wasserkocher, den eine Familie in Großbritannien zweimal am Tag benutzt, verbraucht fünfmal so viel Strom wie eine Person in Mali pro Jahr.

  • Ein Äthiopier braucht 87mal länger, um 150 kWh Strom zu verbrauchen, als jemand im Vereinigten Königreich.

  • Ein Tansanier braucht acht Jahre, um so viel Strom zu verbrauchen, wie ein Amerikaner in einem Monat verbraucht.

  • Ein Gefrierschrank in den Vereinigten Staaten verbraucht 10mal mehr Strom als ein Liberianer in einem Jahr.

Das ist die wirkliche Realität in Afrika.

Der Zugang zu Energie ist also von entscheidender Bedeutung, und zwar nicht nur für die Verbesserung von Gesundheit und Bildung, sondern auch für die Erschließung des wirtschaftlichen Potentials Afrikas und damit für die Befreiung vieler Menschen aus der Armut.

Ein weiterer Bereich, den wir als Afrikaner meiner Meinung nach ernsthaft entwickeln sollten, ist die Nuklearmedizin. Derzeit ist Südafrika das einzige Land des Kontinents, das über eigene Produktionsmittel für Radioisotope und den Vertrieb von Radiopharmazeutika verfügt. Alle anderen afrikanischen Länder importieren ihre Radiopharmaka nach wie vor hauptsächlich aus Europa.

Die Nuklearmedizin in Afrika ist völlig unzureichend. In einigen Ländern müssen die Patienten beträchtliche Entfernungen zurücklegen, um eine Behandlung zu erhalten. Ich würde es daher begrüßen, wenn die Regierungen Anstrengungen unternehmen würden, um die Zahl dieser Einrichtungen auf dem gesamten Kontinent in naher Zukunft zu erhöhen. Dies würde es den Bürgern ermöglichen, diese sehr wichtige diagnostische und therapeutische Behandlungsmethode leichter in Anspruch zu nehmen.

Kerntechnik in Afrika

Jetzt möchte ich Ihnen einen Überblick über die jüngsten Entwicklungen im Bereich der Kernenergie hier in Afrika geben:

  • Ich fange mit Ghana an, das im Juni letzten Jahres eine Informationsanfrage gestellt hat, um die auf dem Markt verfügbaren Kernkraftwerkstechnologien bewerten zu können. Daraufhin haben 15 Anbieter aus China, Frankreich, Kanada, Korea, Rußland, den USA usw. auf die Anfrage geantwortet.

  • Kürzlich wurde berichtet, daß Kenia zwei Standorte ausgewählt hat, die sich am besten für sein Programm zum Bau von Kernkraftwerken eignen.

  • Die nigerianische Regierung hat fünf kerntechnische Vorschriften für den Bau von Kernkraftwerken genehmigt und in Kraft gesetzt. Außerdem hat sie vor kurzem ein Angebot für den Bau eines 4-GW-Kernkraftwerks abgegeben.

  • Südafrika hat seine Pläne für ein neues Kernkraftwerk mit einer Leistung von 2.500 MW bekräftigt und will das Vergabeverfahren bis 2024 abschließen.

  • Die Strahlenschutzbehörde gab im Oktober letzten Jahres bekannt, daß sie bereit ist, die Nutzung der Kerntechnik in Sambia zu beaufsichtigen.

  • Ruanda plant, einen Vertrag für Machbarkeitsstudien in naher Zukunft zu unterzeichnen.

  • Und schließlich hat Niger bestätigt, daß es sich nachdrücklich für ein Kernenergieprogramm einsetzt, das in alle seine politischen Entwicklungsprogramme aufgenommen werden soll. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Alle Plattformen nutzen

Was sind nun die wichtigsten Punkte, die wir heute berücksichtigen sollten?

Vor kurzem habe ich an der Nuclear Technology Imbizo [Imbizo = Xhosa-Wort für „Gedankenaustausch“] teilgenommen, die vom Verband der Kernkraftindustrie Südafrikas (NIAWA) in Zusammenarbeit mit Women in Nuclear South Africa (WiNSA) und der South African Young Nuclear Professionals Society (SAYNPS) hier in Kapstadt in Südafrika organisiert wurde. Das Thema der Veranstaltung lautete „Förderung globaler Partnerschaften zur Unterstützung des südafrikanischen Nuklearprogramms“. An der Veranstaltung nahmen Regierungsbeamte und Experten der Nuklearindustrie aus dem In- und Ausland teil.

Die stellvertretende Ministerin des Ministeriums für Bodenschätze und Energie hier in Südafrika hielt eine Grundsatzrede. In ihrer Rede betonte sie die Notwendigkeit, alle uns zur Verfügung stehenden Kommunikationsplattformen zu nutzen, um die Südafrikaner zu inspirieren und ihnen die Hoffnung zu vermitteln, daß die Kernenergie zur Verbesserung unseres sozioökonomischen Lebens eingesetzt werden kann, anstatt in die Hoffnungslosigkeit zu geraten.

Ich denke, dies sollte auch für alle anderen afrikanischen Länder gelten. Denn die sozioökonomischen Herausforderungen, mit denen der Kontinent konfrontiert ist, zwingen uns in der Tat, daß wir einen Strommix anstreben sollten, der die Kernenergie einschließt.

Länder wie Mosambik verfügen über Gasvorkommen, was aus Sicht des Kohlenstoffhaushalts wirklich positiv ist. Es wird jedoch nicht vollständig genutzt, und außerdem müssen einige Länder eine Infrastruktur aufbauen, die derzeit nicht ausreichend entwickelt ist, um Gas über Pipelines an Kraftwerke in Ländern zu liefern, die kein Gas haben.

In Südafrika wird erwartet, daß nach 2030 zwischen 10 und 24 GW an Energiekapazität stillgelegt werden. Dies ist vor allem auf veraltete Kohlekraftwerke zurückzuführen, was für das Land ein Problem darstellt, denn diese müssen durch andere Grundlastkraftwerke ersetzt werden. In einem Land, in dem Wasserknappheit eine große Herausforderung darstellt, ist die Nutzung von Wasserkraft nahezu unmöglich. Damit bleibt dem Land nur noch die Kernenergie als eine der Optionen.

Meine Damen und Herren, es ist wirklich interessant zu sehen, daß viele afrikanische Staaten die Kernenergie als Schlüssel zur Verwirklichung von Afrikas Agenda für nachhaltige Entwicklung betrachten. Denn ehrlich gesagt kann man nicht von nachhaltiger Entwicklung oder gar von Zivilisation sprechen, wenn Millionen von Menschen immer noch in Armut leben und ohne Strom und sauberes Wasser auskommen müssen. Daher ist die Kernkraft gut geeignet, um zur Bewältigung dieser Herausforderungen beizutragen.

Ich halte es für wichtig, die Fähigkeiten Afrikas im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Kerntechnik hervorzuheben. Es heißt, die Fertigstellung von Nuklearprojekten dauere ewig lange, was sie für Investoren unattraktiv mache. Und begründet wird diese Auffassung in der Regel mit dem „Mangel an Fähigkeiten“, insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent.

Doch schauen Sie sich das neue Kernkraftwerk Barakah in den Vereinigten Arabischen Emiraten an; das ist ein Land, das keine Erfahrung mit der Kernenergie hat, keine Erfahrung mit der Erteilung von Genehmigungen, keine Erfahrung mit der Standortwahl und absolut keine Erfahrung mit dem Betrieb von kerntechnischer Infrastruktur. Der Bau des Kraftwerks begann im Juli 2012 und wurde im Dezember 2018 abgeschlossen. Es dauerte nur 78 Monate für ein Land, das keine Erfahrung mit Kernkraft hat. Das ist wirklich sehr erstaunlich.

Nun zum Fall Afrika. Südafrika beherrscht die meisten, wenn nicht sogar alle der oben genannten Punkte. Das Land betreibt den Kernforschungsreaktor SAFARI-1 seit über 50 Jahren. Damit gehört das Land zu den weltweit führenden Produzenten von Nuklearmedizin. Auch das Kraftwerk Koeberg ist seit 1984 in Betrieb. Dies verschafft dem Land und dem Kontinent einen Wettbewerbsvorteil in Bezug auf seine Fähigkeiten.

Nachhaltige Kerntechnik

Die Welt spricht von „Netto-Null-Kohlenstoff-Emissionen bis 2050“, und zwar gemäß den Zielen für nachhaltige Entwicklung der UNO. Besorgniserregend ist, daß viele Industrienationen den afrikanischen Staaten die Last aufbürden, die „Herausforderungen der Umweltverschmutzung zu bewältigen“. Und diese Länder drängen unsere Führer, in unseren Ländern aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen, insbesondere aus der Kohle. In ihren eigenen Ländern haben sie dies jedoch nicht getan.

Noch schlimmer ist, daß sie uns die Art der erneuerbaren Energiequellen diktieren, die wir einsetzen sollen, und zwar vermittelst der Finanzierungsbedingungen. Und die am meisten empfohlenen Quellen sind Wind und Sonne. Ich habe absolut kein Problem mit Wind- und Solarenergie, aber diese Technologien allein werden das Problem der mangelnden Infrastruktur und Entwicklung in Afrika nicht lösen.

Ich bin zwar auch der Meinung, daß die Probleme des Klimawandels angegangen werden müssen, aber nicht auf Kosten der armen Afrikaner. Es ist unfair, die Energieauswahl armer Länder einzuschränken, die ständig in Armut, sozioökonomischen Problemen und Unterentwicklung gefangen sind.

Afrika hat es satt, im Dunklen zu tappen

Abschließend möchte ich folgendes feststellen:

Es wird die Zeit kommen, in der Afrika viel mehr Energie verbrauchen wird. In der Zwischenzeit, insbesondere in Südafrika, ist die Kohle unsere Gegenwart und die Kernenergie die Zukunft.

Deshalb möchte ich die Welt dazu aufrufen, uns beim Bau von Kernkraftwerken zu unterstützen, die für die Energiesicherheit und den wirtschaftlichen Nutzen sowie für die Bewältigung des Klimawandels unerläßlich sind.

Afrika ist es einfach leid, im Dunkeln zu tappen. Ich denke, es ist an der Zeit, daß unsere Staats- und Regierungschefs entschlossene Maßnahmen ergreifen und dieses Bild umkehren, um Afrika mit Energie zu versorgen, den wirtschaftlichen Wandel zu beschleunigen und die dringend benötigte Industrialisierung voranzutreiben, um Arbeitsplätze zu schaffen.

Bei der Agenda 2063 der Afrikanischen Union geht es darum, Afrika in das globale Kraftzentrum der Zukunft zu verwandeln. Ohne das Energiedefizit zu beheben, sind daher weder Wirtschaftswachstum noch nachhaltige Entwicklung und die Verbesserung des Wohlergehens der Bürger möglich. Und ich glaube, daß der Bau von Kernkraftwerken in vielen Teilen Afrikas der wirksamste Weg zur Lösung des Energiemangels sein wird.

Nur so kann der Kontinent sein Ziel erreichen, „ein wohlhabendes Afrika auf der Grundlage von integrativem Wachstum und nachhaltiger Entwicklung“ zu werden – das Afrika, das wir wollen.

Ich danke Ihnen, daß Sie sich die Zeit genommen haben, und es war mir eine große Ehre, diese Rede zu halten. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.