Aus dem Globalen Süden entsteht eine neue Weltordnung
Eine Chronologie
Das andauernde Töten in Gaza wird weltweit immer mehr angeprangert, während die
USA und der größte Teil Europas Israel blind unterstützen, „egal wie“. Den Menschen
wird gesagt, sie müßten sich für eine Seite entscheiden: Wer für Israel sei, müsse
den Völkermord an den Palästinensern gutheißen; oder wer für Gaza sei, müsse
automatisch ein Terrorist oder ein Unterstützer von Terroristen sein.
Aber was ist in den drei Monaten zuvor in der Welt passiert? Im Juli, August und
September fanden mehrere wichtige Gipfeltreffen unter Beteiligung fast aller Länder
des Globalen Südens statt, auf denen das Ende des Kolonialismus ausgerufen wurde.
Wichtig zu erwähnen ist, daß diese Foren zu einem Zeitpunkt stattfanden, als klar
wurde, daß die vielgepriesene Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte komplett
gescheitert ist.
Was waren das für internationale Foren, die das Ende des Kolonialismus und
Neokolonialismus markierten, der 600 Jahre lang die Weltpolitik bestimmte?
1. Das Russisch-Afrikanische Wirtschafts- und Humanitäre Forum am
27. und 28. Juli in St. Petersburg, an dem 49 Delegationen aus fast allen
afrikanischen Ländern teilnahmen. Im Kommuniqué verpflichteten sie sich gemeinsam,
„eine stabile und gerechte internationale Ordnung zu fördern, die auf den allgemein
anerkannten Prinzipien und Normen des Völkerrechts beruht, wie sie in der Charta der
Vereinten Nationen verankert sind“.
Es wurden Vereinbarungen über die Beteiligung Rußlands an 30 Energieprojekten in
16 Ländern getroffen, darunter Wasserkraft-, Gas-, Öl- und Kernenergieprojekte.
Rußland verpflichtete sich außerdem, einigen der ärmsten afrikanischen Länder
kostenlos Getreide zu liefern.
2. Der BRICS-Gipfel in Johannesburg/Südafrika vom 22. bis 24.
August. Die fünf BRICS-Länder – Brasilien, Rußland, Indien, China und Südafrika –
hielten ihr 15. Gipfeltreffen ab, bei dem sechs Länder eingeladen wurden, der
Organisation ab dem 1. Januar 2024 beizutreten: Ägypten, Iran, Saudi-Arabien,
Äthiopien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Argentinien. 14 weitere Länder
haben ebenfalls schon die Mitgliedschaft beantragt. Die Erweiterung des bereits
mächtigen Bündnisses der wichtigsten Schwellenländer wurde weithin als Element im
Aufbau einer „multipolaren“ Weltordnung gepriesen, die die unipolare Weltordnung, die
im wirtschaftlichen und strategischen Chaos versinkt, ersetzen und den bisher
unterdrückten Stimmen des Globalen Südens mehr Gewicht verleihen soll.
Die neuen BRICS-11 werden 42% der Weltbevölkerung, 47% der Rohölförderung und 36%
des BIP der Welt verkörpern. Die von den BRICS gegründete Neue Entwicklungsbank (NDB)
erweitert ihre Kapazitäten zur Kreditaufnahme und -vergabe, auch in lokalen
Währungen, als Teil der Bemühungen der Länder des Südens, neue Handelsbeziehungen
aufzubauen, die sie von der Vorherrschaft des US-Dollars befreien können, der durch
Beschlagnahme von Staatsvermögen und Sanktionen gegen Dutzende Länder als Waffe
mißbraucht wird.
3. Das 43. Gipfeltreffen der ASEAN (Association of Southeast Asian
Nations) vom 4. bis 7. September in Jakarta/Indonesien. US-Präsident Biden blieb dem
Treffen fern, während die Staatsführer Chinas und Indiens eine wichtige Rolle
spielten. Viele Teilnehmer erinnerten an das Erbe des Asien-Afrika-Gipfels von
Bandung in Indonesien 1955, der ersten Konferenz der ehemals kolonialisierten
Nationen Asiens und Afrikas ohne ihre ehemaligen Kolonialherren.
4. Das Östliche Wirtschaftsforum in Wladiwostok/Rußland vom 10. bis
13. September mit 950 Rednern und 7000 Teilnehmern aus 68 Ländern. Der Schwerpunkt
des jährlich stattfindenden Forums liegt auf der Förderung ausländischer
Investitionen in die ehrgeizigen Pläne zur Entwicklung des riesigen russischen Fernen
Ostens.
5. Der G77-Gipfel in Havanna am 15. und 16. September mit 100
Delegationen, darunter 10 Staatschefs. Thema: „Herausforderungen für die Entwicklung:
Die Rolle von Wissenschaft, Technologie und Innovation in der Entwicklung“.
UN-Generalsekretär Antonio Guterres eröffnete das Forum mit einem Aufruf zur
Schaffung einer neuen globalen Finanzarchitektur und sagte, daß Institutionen wie der
UN-Sicherheitsrat, der IWF und die Weltbank eine „vergangene Ära“ widerspiegeln, in
der viele Entwicklungsländer „durch koloniale Vorherrschaft in Ketten gelegt
wurden“.
Diese Ereignisse sind typisch für die laufenden Veränderungen in der Welt, wie sie
sich im Vorfeld des Krieges in Israel und Gaza abgespielt haben. Die alten
Kolonialmächte weigern sich allerdings anzuerkennen, daß eine neue multipolare Welt
aus dem Globalen Süden entsteht, die von den BRICS und insbesondere von der
Zusammenarbeit Rußlands und Chinas mit den Entwicklungsländern vorangetrieben wird
und anstelle von Krieg und Sanktionen aus Washington und London echte Entwicklung
durch die Gürtel- und Straßen-Initiative bietet. Diese alten Kräfte sind eher bereit,
einen Krieg und sogar einen Weltkrieg zu provozieren, als diese neue Realität
anzuerkennen.
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