Westafrika droht Destabilisierung
Mali. Statt die Unterstützung der islamistischen Terroristen
durch Großbritannien, Saudi-Arabien und Katar abzuschneiden, will Obama in
Mali noch einen weiteren Drohnenkrieg wie in Pakistan und Jemen beginnen.
Erst nach mehr als einer Woche hat US-Präsident Barack Obama widerstrebend
zugegeben, daß Botschafter Christopher Stevens im libyschen Bengasi von
Terroristen (hinter denen die britischen Verbündeten stehen) gezielt ermordet
wurde. Jetzt fällt es Obama plötzlich auf, daß Al-Kaida - seine Verbündeten in
Libyen und Syrien - in Mali operiert, und er sucht die Gelegenheit, in diesem
Land einen Krieg zu führen, der sich dann auf ganz Westafrika ausdehnen
könnte. Unterdessen haben Frankreich und Großbritannien gerade Flottenmanöver
im Mittelmeer abgehalten, kurz nach den großen westlichen Manövern im
Persischen Golf vor der iranischen Küste.
Die Vorbereitung der Regierung Obama auf eine mögliche Militärintervention
in Mali begann öffentlich sichtbar, als der für Afrika zuständige
Staatssekretär im State Department, Johnnie Carson, am 1. Oktober erklärte,
die USA könnten nicht zulassen, daß Mali gespalten wird und ausländische
Terroristen wie Al-Kaida im Islamischen Maghreb (AKIM) und Ansar Al-Dine im
Norden des Landes ein Kalifat gründen. Nach einem Putsch Mitte März hatten mit
sezessionistischen Tuareg verbündete Dschihad-Aufständische die
Tuareg-Rebellion vereinnahmt und in Nordmali in der Sahara ein Gebiet von der
Größe Frankreichs erobert.
AKIM steht im Bündnis mit Ansar Al-Dine, heute eine nominell salafistische
Tuareg-Gruppe. Ihr Anführer Iyad Ag Ghali ist eine schillernde Figur. Früher
war er ein notorischer Whiskeytrinker, der sich auf alle erdenklichen
kriminellen Aktivitäten einließ, wenn sie nur ihm und seiner Gruppe Geld
einbrachten. Häufig diente er als Mittelsmann bei Verhandlungen mit
europäischen Ländern über die Freilassung entführter Europäer. Um ihn aus dem
Land wegzuhaben, gab ihm die frühere Regierung Malis 2008 einen
Diplomatenposten in Saudi-Arabien. Nach kurzem Aufenthalt in Saudi-Arabien kam
Ghali zu dem Schluß, daß er am leichtesten reich werden konnte, wenn er
Salafist wurde - die Voraussetzung dafür, von den Saudis Geld zu bekommen.
Nun ist Ag Ghali zurück in Nordmali und Südalgerien, trägt einen langen
Bart und fordert die Einführung der Scharia-Gesetzgebung in ganz Mali.
Eine andere mit AKIM verbündete kleine Gruppe, die Bewegung für Vereinten
Dschihad in Westafrika (MUJAO), gilt unter gutinformierten afrikanischen
Beobachtern als besonders gefährlich. Viele Mitglieder verfügen über eine gute
Ausbildung in den Kampfmethoden von Sondereinsatzkommandos, der Anführer kommt
aus dem Tschad. Dies ist auch die Einheit, von der aus die
Boko-Haram-Offensive gegen Nigeria organisiert wird.
Der Vizepremier und Außenminister der Republik Niger, Mohamed Bazoum, hat
in einer Rede am 21. Mai in Washington erklärt, Niger habe Informationen
darüber, daß im Norden Malis auch pakistanische und andere ausländische
Kämpfer aktiv seien.
Die Erklärung von Staatssekretär Carson am 1. Oktober war ein Kurswechsel
des US-Außenministeriums. Vorher hatten er und Außenministerin Hillary Clinton
geäußert, bevor die USA eine westafrikanische Militärintervention in Mali
unterstützen könnten, müsse sich erst die chaotische Lage in der Hauptstadt
Bamako bessern. Diese Position vertritt der Chef des US-Afrikakommandos,
General Carter F. Ham, immer noch. Er sagte dies ausdrücklich in einer
Pressekonferenz in Algier am 30. September, als er eine Reise in mehrere west-
und nordafrikanische Staaten unternahm, um über die Krise in Mali zu sprechen.
Er betonte auch erneut, es würden keine US-Soldaten nach Mali entsandt.
Carson und die Regierung Obama änderten ihre Linie zu Mali erst, nachdem
die Regierung zugeben mußte, daß Botschafter Stevens und drei andere
Amerikaner in Libyen von Al-Kaida ermordet wurden.
Heute gibt es in Mali keine Armee und keine funktionierenden staatlichen
Institutionen. Unter dem Druck des westafrikanischen Staatenbündnisses ECOWAS
wurde zwar eine schwache Übergangsregierung gebildet, aber die ursprünglichen
Putschisten, die Präsident Touré stürzten, haben weiter starke Unterstützung
in der Bevölkerung.
Wer sind die Dschihad-Kämpfer?
Der Norden Malis ist seit langem ein Hauptumschlagspunkt für den
Drogenschmuggel aus Südamerika in westafrikanische Länder. Dies war die
Haupteinnahmequelle für örtliche kriminelle Netzwerke - hinzu kamen Lösegelder
für entführte europäische Touristen oder Arbeitskräfte.
Der entscheidende Machtzuwachs für die Dschihadis in Mali kam durch die
Entfesselung der Dschihadis in Libyen, die den Kern der Hilfstruppen für die
amerikanisch-britisch-französische Koalition zum Sturz Muammar Gaddafis
bildeten. Nach ihrem „Sieg“ in Libyen gingen diese Rebellen in andere Länder,
um afrikanische Staaten zu destabilisieren oder um sich der bewaffneten
Opposition gegen Syriens Präsidenten Assad anzuschließen. Ähnlich wie die
verantwortlichen Netzwerke des 11. September 2001 erhalten diese Gruppen
massive finanzielle und andere Unterstützung vom saudischen Königshaus und von
Katar, und viele von ihnen, wie die Islamische Kampfgruppe Libyens (LIFG),
wurden jahrzehntelang in London auf ihren Einsatz vorbereitet (Insider nennen
es „Londonistan“).
Im Norden Malis liegen drei Flughäfen, auf denen regelmäßig Maschinen aus
Katar landen, Landverbindungen existieren durch die herrenlose südlibysche
Wüste. Mit dem Geld von Saudis und Kataris werden junge Rekruten für den
Dschihad angeworben. Einem Bericht zufolge bietet man Teenagern aus
westafrikanischen Ländern 500 Dollar Sold im Monat an. In einem anderen
Bericht wurde dies präzisiert: In dem konkreten Fall bot man dem 16jährigen
Heranwachsenden 30 Dollar in der Woche und dazu 400 Dollar monatlich für seine
Familie. Wenn sie einmal im Kriegshandwerk ausgebildet sind (so wie die
LIFG-Mitglieder durch den Kampf in Afghanistan ausgebildet wurden), können
diese Kämpfer nach ihrer Rückkehr zum Kern einer Dschihad-Truppe in ihren
Heimatländern werden. Genauso war es mit den LIFG-Mitgliedern, die aus
Afghanistan nach Libyen zurückkehrten.
Am anfälligsten für die Dschihad-Gefahr in Westafrika ist nach Einschätzung
eines afrikanischen Experten die Republik Niger, wegen ihrer langen,
unbewachten Grenze zu Algerien, Libyen und der Wüstenregion des Tschad,
zusätzlich zur Grenze mit Mali. Die westafrikanischen Staaten suchen daher
dringend Unterstützung für eine ECOWAS-Interventionstruppe gegen diese
ausländische Dschihad-Offensive. Ohne solche Hilfe können sie keine
Intervention durchführen, denn sie können zwar Soldaten stellen, benötigen
aber Geld, um den Einsatz zu bezahlen, sowie Logistik und Luftunterstützung.
Die Westafrikaner haben sich schon um eine Genehmigung des UN-Sicherheitsrats
für eine solche Operation bemüht. Aber der erste Antrag kam gar nicht erst zur
Abstimmung, weil China und Rußland wegen der chaotischen Verhältnisse in
Bamako und wegen der Einmischungen Frankreichs ihre Ablehnung signalisierten.
Chinesen und Russen haben nicht vergessen, wie sie im letzten Jahr hinters
Licht geführt wurden, als sie die Sicherheitsratsresolution 1973 für eine
Flugverbotszone in Libyen tolerierten und diese dann als Vorwand für den Krieg
gegen Libyen diente.
Frankreich hat schon sehr früh logistische Unterstützung für ein
militärisches Eingreifen angeboten, aber Rußland, China und einige
Nachbarstaaten Malis wie Mauretanien und Algerien befürchten, daß die
Einrichtung einer solchen Truppe Frankreich zuviel Einfluß in der Region
verschaffen würde.
So steht wegen dieser regionalen Komplikationen und des Widerstrebens
Chinas und Rußlands eine von der UN autorisierte Truppe nicht unmittelbar in
Aussicht. Nun ist die größte unmittelbare Gefahr, daß Präsident Obama nach
seinem Ansehensverlust durch die Verschleierung der Wahrheit über den
Dschihad-Mord an Botschafter Stevens in Nordmali ohne UN-Autorisierung einen
Drohnenkrieg beginnt, so wie er ihn schon seit längerem in Pakistan und im
Jemen führt.
Ein solcher Angriff auf Mali nach der Jemen-Taktik würde aber den Ursprung
des Terrorismus in Libyen gar nicht treffen, sondern wäre nur ein Vorwand für
eine weitere Ausdehnung des „weltweiten Kriegs gegen den Terrorismus“.
Ende September berichteten mauretanische Zeitungen, die NATO bereite auf
einer Luftwaffenbasis auf den Kanarischen Inseln Logistik für eine mögliche
Militärintervention in der Sahelzone vor.
Douglas DeGroot