Hintergrund Frieden durch Entwicklung

Die Industrialisierung Afrikas


Die Industrialisierung Afrikas

Die Rolle der Briten

Afrika Selbstachtung und Würde wiedergeben


Seit seiner Gründung hat sich das Schiller-Institut der Aufgabe der Industrialisierung Afrikas gewidmet, denn es ist eine Frage des subjektiven politischen Veränderungswillens, die Lage dort zum Guten zu wenden, alle objektiven Voraussetzungen sind vorhanden: Afrika ist reich an Rohstoffen, Wasser und Ackerland. Dies muß nur zum Wohl der Völker des afrikanischen Kontinents genutzt werden.

Noch aus der Kolonialzeit stammen die meisten Bahnstrecken und dienten nur zum Abtransport von Rohstoffen in die nächstgelegenen Häfen. Es gibt keine transkontinentalen Bahnlinien in Afrika. Diese müssen vordringlich geschaffen werden, um den innerafrikanischen Wirtschaftsaufbau zu unterstützen.

In Afrika liegen einige der fruchtbarsten natürlichen Nahrungsmittelanbaugebiete der Welt. Die landwirtschaftliche Erzeugung ist rückläufig, weil die internationalen Finanzinstitutionen die Entwicklung der landwirtschaftlichen Infrastruktur und Technologie bewußt blockieren.

Die geringen Erträge Afrikas sind Ausdruck der geringen Aufwendung pro Hektar, wozu Düngemittel, Pflanzenschutzmittel, Mechanisierung und insbesondere Wasser zur Bewässerung zählen. Dieses Wasser kann durch die Entwicklung der vielen ungenutzten wasserwirtschaftlichen Potentiale mithilfe von Staudämmen (Schaffung künstlicher Seen) und Kanälen verfügbar gemacht werden.


Die Rolle der Briten in Afrika

Auf einer internationalen Konferenz des Schiller-Instituts am 13. Dezember 1997 in Bad Schwalbach kam es zwischen mehreren afrikanischen Teilnehmern und Lyndon LaRouche zu einem interessanten Wortwechsel über die Rolle der USA bzw. Großbritanniens bei den Konflikten in Afrika. Die Debatte entzündete sich an einem Diskussionsbeitrag von Chief Abiola Ogundogun aus Nigeria, Herausgeber des Conscience International Magazine. Es folgen Abiolas Frage sowie die Antworten des amerikanischen Oppositionspolitikers Lyndon LaRouche und des ehemaligen ugandischen Präsidenten Godfrey Binaisa.

Chief Abiola: Vor kurzem erst habe ich in meinem Magazin ein interessantes Interview mit Lyndon LaRouche veröffentlicht, für das ich ihm herzlich danken möchte. Eine Woche nach diesem Gespräch (im Oktober 1997) setzte tatsächlich der von ihm vorhergesagte Finanzkollaps ein. Aber in einer Hinsicht teile ich seine Auffassung über Amerika und die britische Oligarchie, die in Afrika einen vorherrschenden Einfluß ausübt, nicht. Meinem Verständnis nach sind Amerika und Großbritannien gleichermaßen für das Schlimme verantwortlich, dem sich die Welt gegenübersieht.

Meine zweite Frage lautet: Gerade wir Westafrikaner waren besonders der Indoktrination durch britische Erziehung ausgesetzt, die uns auf bestimmte Rollen und "unseren eigenen Sonderweg" festlegen sollte. Aber viele meiner Mitmenschen sind nicht überzeugt, daß die britische Oligarchie die einzige Wurzel dieses Problems ist. Die USA sind gleichermaßen verantwortlich; letztlich ist Amerika ja auch nur eine britische Gründung. Amerika hat in allem, was die Weltmächte unternahmen, eine führende Rolle gespielt. Das gilt für den palästinensisch-israelischen Konflikt, wobei die USA lange Jahre die Rolle des Wachhundes der Weltgemeinschaft spielten und auf israelischer Seite standen; und es gilt für das Vorgehen gegen den Iran und den Irak. Man macht zwar die Briten für alles verantwortlich, aber die USA haben doch überall die Führung übernommen.

Ich möchte diese Punkte gerne klären, damit ich über meine Einflußmöglichkeiten LaRouches Ideen um so besser in Afrika an der Basis vermitteln kann.

Amerika und das britische Empire

Lyndon LaRouche: Was die meisten Leute aus den internationalen Medien über die USA erfahren, und was ich von Leuten aus Arabien oder Afrika hierüber höre, entbehrt schlichtweg jeder Realität. Gerade was die Nahostpolitik angeht, besteht das Problem nicht darin, daß die USA zuviel Einfluß hätten oder auf zu viele Interessen Rücksicht nähmen, sondern daß die USA in Afrika nicht genug eingreifen. Einige Ereignisse gehen nur scheinbar auf die USA zurück. Weder der frühere Afrika-Abteilungsleiter im US-Außenministerium Mooth noch seine von Präsident Clinton ernannte Nachfolgerin Susan Rice vertreten die Politik der Vereinigten Staaten, sondern eher das Gegenteil.

In den USA haben wir es traditionell mit drei oligarchischen Einflüssen zu tun: Der eine sind die Opiumhändler aus New England, die sogenannten "Blaublütler", die zweite Gruppe steht in enger Verbindung mit den Bankiers aus Manhattan. So war Aaron Burr [der Mörder Alexander Hamiltons] der Gründer der Bank of Manhattan, die heute allgemein als Chase Manhattan bekannt ist. Dazu gehören auch die Kreise um die Familien Morgan und Peabody, die der britischen Ostindiengesellschaft entsprungen sind, sowie ein gewisser britischer Agent namens August Belmont, der maßgeblich am Aufbau der Südstaatenkonföderation beteiligt war. Die dritte Bastion bilden die Südstaateninteressen, repräsentiert durch die Sklavenhalter.

Und diese drei Bastionen blieben zurück, als die Briten nach dem Unabhängigkeitskrieg aus den USA vertrieben wurden.

Roosevelt verfolgte vor seinem Tod eine Politik, die darauf abzielte, die Kolonialreiche der Briten, Franzosen, Portugiesen und Holländer abzuschaffen. Wäre er nicht bereits im Frühjahr 1945 gestorben, hätte man das britische Weltreich und die anderen Kolonialreiche unmittelbar nach Ende des Krieges abgeschafft. Umfassende Entwicklungsprogramme, die Roosevelt geplant hatte, wurden in Afrika in Angriff genommen, aber leider kam nach Roosevelts Tod Harry Truman an die Macht, ein korrupter und kleingeistiger Mensch.

Wie der ägyptische Präsident Hosni Mubarak im Zusammenhang mit dem Terroranschlag in Luxor betonte, geht dieser Anschlag auf das Konto einer Terrorgruppe, die von London aus operiert und von den britischen Geheimdiensten sowie dem Foreign Office unterstützt und gesteuert wird. 30 Terrororganisationen stehen auf der sogenannten "Watch List" der USA als gefährliche Terrororganisationen. Zehn davon haben ihr Hauptquartier in London, und insgesamt 22 der aufgeführten Organisationen unterhalten Stützpunkte und Unterstützernetzwerke in England. Von 30 Terrororganisationen weltweit beherbergt London also 26, wie aus Unterlagen des Parlaments und der britischen Krone hervorgeht. Diese Terroristen sind für praktisch alle Terroranschläge weltweit verantwortlich. Es stellt sich also die Frage, wenn die USA schon Sanktionen gegen den Sudan anstreben, weil dieser angeblich Terroristen Zuflucht biete, was nicht stimmt, warum fordern die USA dann nicht auch Sanktionen gegen England, das seine Unterstützung für Terroristen damit begründet, daß deren Aktionen nicht gegen britische Interessen gerichtet seien.

Der internationale Terrorismus ist noch nie eine eigenständige Kraft gewesen, sondern Terrorismus ist für viele Mächte ein Ersatzmittel für kriegerisches Vorgehen. Und hinter dieser Art Terrorismus stehen fast immer die Briten. In den arabischen Ländern heißt das folgendes: Die Briten organisieren den Terrorismus und erklären dann gegenüber den Arabern, die sich im Widerstand gegen die Israelis befinden: ,Wir helfen euch; ihr könnt euer Hauptquartier hier einrichten und wir schauen einfach weg." Daraus gewinnen die arabischen Organisationen den Eindruck, die Briten seien ihre Freunde und die Amerikaner ihre verhaßten Feinde. Dann legen die Briten noch eins nach und sagen, für alles, was Israel tut, seien ,die Juden' in den USA verantwortlich, was einfach falsch ist...

Hinter den schrecklichen Ereignissen im Gebiet der Großen Seen in Afrika standen u.a. das von der Queen persönlich geleitete "Corps of Commissioners" (CoC), das praktisch die Mutterorganisation aller Söldnertruppen in ganz Afrika ist, sowie das Unternehmen "Crown Agents". Ich habe diese Erkenntnisse an die engere Umgebung von Präsident Clinton weitergegeben. Die USA müßten die Briten endgültig aus Afrika verdrängen, erklärte ich, sonst käme es zu einem Völkermord in Afrika, für den dann die USA verantwortlich gemacht würden. Direktes Handelns sei erforderlich. Der Präsident entsandte Bill Richardson, der Mooth zur Räson bringen sollte, aber dieser machte so weiter wie bisher. Später wurde Mooth zwar entlassen, aber seine Nachfolgerin Susan Rice ist genauso schlecht wie Mooth. Als der Präsident und seine Umgebung noch weiter unter Druck gerieten, taten sie nichts. Gleiches gilt auch für die Ereignisse in Irland und im Nahen Osten.

Wahr ist, daß England internationale Terroristen beherbergt und für seine Interessen einsetzt. Der Präsident will keine Sanktionen gegen den Sudan, aber er glaubt, sich den britischen Befehlen in dieser Frage unterwerfen zu müssen. Die USA haben die Sanktionen gegen den Sudan nicht initiiert, das waren die Briten. Auch die Angriffe und die Sanktionen gegen den Irak wurden von britischer Seite betrieben.

Die USA tragen insofern eine Mitschuld, als sie nichts getan haben, um die Briten zu stoppen. Aber die USA sind nicht die Urheber dieser Politik<...

Jeder, der überleben will, muß eines verstehen: Dieser Planet wird nur dann sicher für alle sein und die Welt wird nur dann von Korruption befreit werden können, wenn wir das britische Empire ein für allemal loswerden. Die Nationen dieser Welt haben nur einen wirklichen Feind, und das ist das britische Empire, nicht das britische Volk. Wenn es mir nicht gelingt, die amerikanische Regierung dazu zu bewegen, die notwendigen Schritte unternehmen, gibt es kaum Hoffnung. Die Regierung der USA ist das Hauptinstrument, um die notwendigen Maßnahmen durchzusetzen -- so sollte man die Dinge betrachten.

Bresche für das Amerika Lincolns und M.L. Kings

Chief Abiola: Ich will noch weiter fragen: Welche Anstrengungen hat Lyndon LaRouche unternommen, um seine Vorschläge dem IWF und der Weltbank zur Kenntnis zu bringen<\!q>... Man muß über diese Dinge reden, auch wenn die Vorschläge abgelehnt werden. Meiner Ansicht nach sind IWF und Weltbank entschlossen, alle aus dem Weg zu räumen, mit Ausnahme derer, die von ihrer Politik profitieren. Meine zweite Frage bezog sich auf die Rolle Amerikas, das in vieler Hinsicht an führender Stelle an dieser destruktiven Politik beteiligt ist<\!q>... Immerhin hat Amerika die größte Konzentration an Schwarzen außerhalb Afrikas.

Martin Luther King war ein großer Kämpfer und ein Schwarzer -- er wurde in Amerika ermordet. James Brown, der größte afroamerikanische Musiker -- er wurde in Amerika zugrundegerichtet. Der Boxer Mike Tyson ist ein großer schwarzer Boxer; er wurde zugrundegerichtet; Mohammed Ali, ebenfalls ein großer Boxer, wurde kleingemacht -- alles in Amerika.

Wir stimmen darin überein, soweit es uns betrifft, daß England ein Feind der Schwarzen ist, denn es hat uns zu versklaven versucht und uns dann allein unserem Schicksal überlassen. Aber Amerika ist gleichermaßen schuldig, denn es will nicht, daß die Schwarzen an Einfluß gewinnen. Amerika unterstützt alle Feinde Nigerias. Und wir sind überzeugt, daß die Demokratie der Weißen nicht für die Demokratie der Schwarzen paßt<\!q>... Amerika hat die Verbesserung der Lage der Schwarzen niemals als etwas Gutes betrachtet. Sie wollen nicht, daß die Schwarzen so mächtig werden sollen wie Martin Luther King. Würde ein Schwarzer heute Präsident der USA, würden sie versuchen, ihn in kurzer Zeit zugrunde zu richten.

Lyndon LaRouche: Ich möchte Ihnen nur kurz entgegnen, Chief: das stimmt so nicht. Sie haben Mike Tyson und andere genannt; diese Fälle liegen etwas anders. Wir dagegen gehören der gleichen Bewegung an, der sich auch Martin Luther King zurechnete. Aber die amerikanische Politik im allgemeinen richtet sich -- von einigen Ausnahmen abgesehen -- nicht an Fragen der Rasse aus. Ein anderes Problem ist, daß die schärfsten antiamerikanischen Tiraden unter Afroamerikanern von denen stammen, die selbst die ärgsten Unterdrücker der Afroamerikaner sind.

Ich kenne die Propaganda, die weltweit verbreitet wird, der auch Sie wahrscheinlich ausgesetzt sind. Was geschah 1964 wirklich? Martin Luther King gewann an Einfluß. Seine Bewegung stammte praktisch aus meiner Generation, wenngleich er jünger als ich war, aber er gehörte in vieler Hinsicht meiner Generation an. Er war ein begabter Mensch, eine geniale, ungewöhnliche Persönlichkeit. Und der Erfolg seiner Bewegung hat viel mit dem Geist der Regierung Kennedy zu tun.

Wenn man die Geschichte der USA betrachtet, erkennt man, daß das Geheimnis des Zweiten Weltkrieges und der Regierung Franklin Roosevelt darauf beruht, daß wir alle bis vor kurzem unter amerikanischem Patriotismus die Tradition Lincolns verstanden. In meiner Kindheit lernte jedes Kind im Alter zwischen zehn und zwölf Jahren Lincolns Gettysburg-Rede auswendig. Wir wurden in der Tradition Lincolns erzogen, und Lincoln wurde mit den USA gleichgesetzt.

Die Bürgerrechtsbewegung und Martin Luther King standen in dieser Lincoln-Tradition. Er stand für die Prinzipien, die auch Lincoln verfochten hatte und kämpfte gegen die von Teddy Roosevelt bewirkte Wende in der amerikanischen Politik. Aber 1964 entstand innerhalb der afroamerikanischen Bewegung ein Gegenpol: Stokeley Carmichael. Carmichael steht für das gleiche Problem, das heute auch in Afrika vorherrscht. Er war ein Anhänger Franz Fanons, ein Protegé Jean-Paul Sartres. Im Geiste Fanons wurden an der Universität von Daressalam auch die Gruppe um Kabila, John Garang und die heutigen Diktatoren von Eritrea und Äthiopien ausgebildet. In die USA sickerte diese faschistische Ideologie im Gewande des sogenannten "schwarzen Nationalismus" ein, der die "weiße Gesellschaft" ablehnte. Damals strebten alle vernünftigen Afroamerikaner danach, was alle Menschen anstreben: die Verwirklichung des souveränen Selbst, das Recht, die gleichen Rechte wie alle zu genießen. Aber die schwarzen Nationalisten und die Anhänger Fanons lehnten dies ab.

Die heutige Weltanschauung der meisten Afroamerikaner hat nichts mehr mit dem Selbstverständnis Martin Luther Kings gemein. Heute dominieren die Gegner Kings. King repräsentierte unter den Afroamerikanern das gleiche Denken, das wir heute hier vertreten. Martin wollte die USA heilen, indem er wieder an die Tradition Lincolns anknüpfte. Sicher, in den USA gibt es große Ungerechtigkeit, und wir kämpfen dagegen an, aber man kann sie nicht mit Amerika schlechthin gleichsetzen.

Ein Vertreter der afrikanischen Unabhängigkeit

Godfrey Binaisa: Ich denke ein bißchen anders als mein afrikanischer Bruder hier, denn ich bin überzeugt, daß die Briten immer noch unser großes Problem sind. In Nigeria etwa, wo er herkommt, riefen Leute wie Dr. Nnambdi Azikiwe [er starb hochbetagt im vergangenen Jahr, d.Red.] die Afrikaner dazu auf, für ihre Unabhängigkeit zu kämpfen. Leute, die in England ausgebildet wurden, taten das nicht. Azikiwe erhielt seine Ausbildung an der Lincoln-Universität im US-Bundesstaat Pennsylvania. Auch Nkruma, der Anführer der Unabhängigkeitsbewegung in Ghana, wurde an dieser Universität ausgebildet. Vor ihm gab es in Ghana andererseits Leute wie Dr. Kwegyir Aggrey, denen in England beigebracht wurde, sich sehr britisch zu benehmen, die sich sogar die britische steife Oberlippe antrainierten. "Ach, wissen Sie, my dear", sagen sie mit angelerntem britischen Akzent, "Für uns sind alle Untertanen Ihrer Majestät gleich".

Die Briten sind große Manipulateure, und wenn wir nicht vorsichtig sind, haben sie weiter Erfolg damit. So haben sie auch unseren alten Mitstreiter Nelson Mandela in die Mangel genommen. In den Augen der afrikanischen Patrioten ist er am Ende. Er hat kürzlich den höchsten Ehrenorden der Queen erhalten, damit haben sie ihn neutralisiert. Das ist ihre typische Vorgehensweise.

Wir dürfen uns nicht wie der französische Bourbonenkönig Ludwig verhalten, von dem Voltaire sagte: "Sie vergessen nichts, weil sie nichts gelernt haben". Wir haben von den Briten gelernt<\!q>...

Viele afroamerikanische Politiker in den USA kümmern sich nicht viel um Afrika. Sie laufen lieber ihren Wählern hinterher, die oft nicht schwarz sind. Alle die großen Namen der schwarzen Abgeordneten, sie haben nichts für Nigeria getan, sie haben nichts gegen den Völkermord in Afrika unternommen. Daher kann es passieren, daß dann Leute wie Frau Albright in Uganda auftauchen und dort den afrikanischen Kriegstanz irgendwelcher Krieger kennenlernen wollen, anstatt sich mit dem Elend und dem Leiden dort auseinanderzusetzen.

Außerdem will ich zu Lyndon LaRouches Verteidigung bemerken, daß er nicht der US-Regierung angehört. Und alles, was er in bezug auf die Regierung Clinton tut, muß er genau abwägen und sich sehr diplomatisch verhalten.

Aber kommen wir nun zu den Europäern. Sie sagen einfach nichts. Vor allem in Deutschland hält man sich seit dem Zweiten Weltkrieg aus allem heraus. Es ist an der Zeit, dieses Schweigen zu brechen. Jedenfalls ist es an uns Afrikanern, das Wort zu ergreifen. Wir dürfen uns von den ehemaligen Kolonialmächten nicht länger manipulieren lassen, ob es nun die Engländer, die Franzosen oder die Portugiesen sind.

Und für eines muß ich die Amerikaner loben. Die jungen Afrikaner, die einige Jahre in Amerika gelebt haben, sind viel mutiger und kämpferischer als diejenigen, welche in England oder in Deutschland studiert haben. Die Europäer sind so zugeknöpft, daß man ebenfalls zugeknöpft bleibt. Das ist in Amerika ganz anders.

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Der frühere ugandische Präsident Dr. Godfrey Binaisa rief zur Gründung einer Afrikanischen Bürgerrechtsbewegung auf. Im Rahmen der Aktivitäten des Schiller-Instituts wurden viele Kontakte geknüpft und Fortschritte in dieser Richtung erzielt. Es folgt sein Aufruf im Wortlaut:

Afrika Selbstachtung und Würde wiedergeben

Dr. Godfrey Binaisa

Dreißig Jahre, nachdem die früheren Kolonien in Afrika ihre formelle Unabhängigkeit erlangt haben, sind die meisten Visionen und Träume der afrikanischen Bevölkerung noch immer weitgehend unerfüllt.
Vor allem die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) betriebene Politik der Strukturellen Anpassung (SAP) hat den afrikanischen Staaten unerträgliche wirtschaftliche und soziale Härten gebracht.
Der wirtschaftliche Niedergang bildete den Hintergrund zahlloser militärischer Konflikte, denen bis heute ganze afrikanische Staaten wie Somalia, Liberia, Angola, Ruanda und Sierra Leone zum Opfer fielen. Das gleiche Schicksal droht gegenwärtig Burundi. Andere Länder wie Mozambique oder Äthiopien wurden im Verlauf langanhaltender Bürgerkriege fast vollständig zerstört.


Wir, die Führer des afrikanischen Unabhängigkeitskampfes, müssen erkennen, daß die Politik der kolonialen Ausbeutung keineswegs abgeschlossen war, als die früheren Kolonialmächte ihre Flaggen einholten. Sie setzte sich vielmehr im Rahmen der ungerechten Währungs- und Wirtschaftsvereinbarungen von Bretton Woods fort, die Afrika niemals eine Chance zu wirklicher Entwicklung und Frieden ließen. Mit Ausnahme einer kurzen Periode Anfang der 60er Jahre wurde keines der Versprechen, die nach unserem Verständnis in der Atlantik-Charta 1941 für die Zeit nach dem Krieg enthalten waren, wonach ,,alle Menschen in allen Ländern ohne Furcht und Mangel leben können", jemals eingelöst. Statt dessen wurde der afrikanische Kontinent wie in der Kolonialzeit weiterhin seiner natürlichen und menschlichen Ressourcen beraubt. Rückblickend sehen wir mit großer Betrübnis, daß zu viele Mitglieder unserer eigenen Führungselite diesen Prozeß der Ausplünderung und Unterwerfung der afrikanischen Bevölkerung mit unterstützten. Zuerst im heutigen Zaire, dann 1966 mit dem Militärputsch in Nigeria wurden wir Opfer flagranter Eingriffe der Kolonialmächte in unsere Souveränität. Führende Politiker, die es wagten, die neuen kolonialen Arrangements in Frage zu stellen, wurden ermordet oder gestürzt - genau wie John F. Kennedy und Martin Luther King in Amerika ermordet wurden.

Heute erreicht dieser Angriff auf Afrika eine neue Dimension. Nachdem Westeuropa und Nordamerika mit rassistischer Propaganda einer angeblich notwendigen Bevölkerungskontrolle überflutet wurden, sind die Kolonialmächte jetzt dazu übergegangen, in Afrika gezielt Kriege zu schüren, denen Millionen Menschen zum Opfer fallen werden. Zuerst zerstört der IWF das soziale Gefüge eines Landes. Dann werden sogenannte Aufständische angestiftet und mit Waffen versorgt, um ethnische Auseinandersetzungen und Stammeskonflikte anzufachen. Um die wahren Schuldigen zu decken, wird der westlichen Öffentlichkeit das zynische Bild vermittelt, hier sehe man wieder die Rückständigkeit der Afrikaner, von denen es ohnehin zu viele gebe, die niemals in der Lage wären, ihre Angelegenheiten in die eigenen Hände zu nehmen. Die beiden schrecklichsten Beispiele dafür sind Somalia und Ruanda, mit nur geringem Abstand folgt Angola.

1992 sahen die Vereinten Nationen zu, wie mehr als eine halbe Million Menschen elendig verhungerten, nachdem der Generalsekretär den Abbruch aller UN-Hilfsaktionen in Somalia angeordnet hatte. Zwei Jahre zuvor war die ugandische Armee in das Nachbarland Ruanda einmarschiert und hatte dort die sogenannte Ruandische Patriotische Front (RPF) ins Leben gerufen. Uganda wurde dabei von der früheren britischen Kolonialmacht sowie von deren Anhängern in amerikanischen Regierungskreisen unterstützt, obwohl man sich darüber im klaren war, daß sich dieser Konflikt zu einer unkontrollierbaren Gewaltspirale zwischen rivalisierenden Gruppen entwickeln könnte. Während die eine Seite den demokratisch gewählten Präsidenten ermordete und ungezählte Massaker verübte, bereiteten Fanatiker auf der anderen Seite ebenfalls systematische Massenmorde vor, die sich zum Völkermord ausweiteten, als zwei weitere Präsidenten bei einem Flugzeugabsturz im April 1994 ums Leben kamen. Der Konflikt in Angola kostete ebenfalls mehrere hunderttausend Menschenleben, und eine internationale Waffenhändlermafia versorgte beide Seiten mit Waffen, um den Krieg zu verlängern und damit Milliarden Dollar zu verdienen.

Wir bedauern zutiefst, daß Schwarzafrikaner Apartheid gegenüber ihren Brüdern und Schwestern praktizieren. Das ist ein genauso schweres Verbrechen gegen die Menschheit wie die Apartheid, die bis vor kurzem in Südafrika von der weißen Minderheit gegenüber den Schwarzen erzwungen wurde. Die Bilder von Afrikanern, die ihre Mitbürger töten und mißhandeln, entsetzen uns zutiefst.

Aber wir sind nicht so naiv, die Tatsache zu übersehen, daß diese Verbrechen in Afrika von außerhalb des Kontinents begünstigt werden. Wir haben keine Illusionen darüber, daß die Familientraditionen, die ihre Wurzeln in den frühen Tagen des eurasischen Kolonialismus und Sklavenhandels haben, in den westlichen oligarchischen Eliten heute immer noch sehr lebendig sind. Die ,,Methoden des 18. Jahrhunderts" haben vor allem die Politik Londons gegenüber Afrika in den vergangenen 35 Jahren geprägt. Niemand sollte heute mehr irgendwelche Illusionen haben, ein britischer Premierminister habe es mit der Entkolonisierung ernst gemeint, als er einmal vom ,,frischen Wind der Veränderungen" sprach. Die Ausplünderung wurde damit nur unter neuer Verkleidung fortgesetzt. Auch haben wir keine Illusionen über Ihre Majestät, die die Ideale von Demokratie und Freiheit beschwört, während ihre Geheimdienste und ihre Regierung die alten geopolitischen Ziele mit der Strategie des "Teile und Herrsche" brutal durchsetzt.

Diese Ziele haben sich seit den Zeiten Cecil Rhodes, Lord Kitcheners und Gordon Paschas nur unwesentlich verändert. Afrika soll der ewige Rohstofflieferant bleiben, und nur so viele Afrikaner sollen am Leben bleiben, wie notwendig sind, um die Schuhe der Touristen zu putzen und deren Geländefahrzeuge durch die vom World Wide Fund for Nature (WWF) der Queen kontrollierten Wildparks zu steuern. Afrika dürfe seine Bevölkerung niemals entwickeln, und jede politische Konstellation, die das auf ihre Fahnen schriebe, müsse zerstört werden.

Aus diesem Grunde geriet Nigeria mit seinem gewaltigen Wirtschaftspotential ins Fadenkreuz britischer Versuche, einen zerstörerischen Bürgerkrieg auszulösen. Der Sudan, das produktivste Agrarland Afrikas, soll auseinandergebrochen werden. Gesamt Ostafrika und das Gebiet der Großen Seen sollen mittels ethnischer Kriege wie in Burundi weiter entvölkert und in die britische Einflußsphäre eingegliedert werden. Und schließlich könnte das neue Südafrika jederzeit erneut ins Chaos gestoßen werden.

Die Politik der kleinen Schritte und lokalen Verbesserungen, wie sie von einigen befürwortet wurde, ist gescheitert. Humanitäre Hilfe ist angesichts des Ausmaßes und der Anzahl der Katastrophen zunehmend überfordert. Deshalb fordern wir eine grundsätzliche Wende in der Afrikapolitik.

Weil wir das Recht auf Entwicklung als unveräußerliches Menschenrecht ansehen, fordern wir eine rasche realwirtschaftliche Entwicklungspolitik für unseren Kontinent. Das bedeutet den umfassenden Ausbau der gesamtafrikanischen Infrastruktur (Schienennetze, Autobahnen, Wasserwege sowie Energie, Erziehung und Gesundheitswesen) ebenso wie eine Perspektive für den raschen Aufbau einer modernen Landwirtschaft und Industrie, so daß wir uns aus eigener Kraft ernähren und unsere eigenen Rohstoffe verarbeiten können. Wir fordern ein Einfrieren der Auslandsschulden und die Einstellung aller Zahlungen bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir uns wirtschaftlich erholt und die legitimen von den illegitimen Schulden getrennt haben. Wir lehnen die Strukturanpassungsprogramme des IWF und die Privatisierung ab. Statt dessen sind wir uns mit denjenigen Kräften in Iberoamerika, der Ukraine und Rußland einig, die ein geordnetes Konkursverfahren für die zusammenbrechende Weltwirtschaft sowie eine neue und gerechte Weltwirtschaftsordnung fordern.

Wir, die Bevölkerung Afrikas, müssen endlich das Joch des neuen Kolonialismus abwerfen und unsere Souveränität ausüben, indem wir uns für die ,,Ideen des 20. Jahrhunderts" zur schnellstmöglichen Entwicklung entscheiden. Damit legen wir die Grundlage für einen dauerhaften Frieden auf unserem Kontinent, denn, wie Papst Paul VI. zu Recht erklärte: ,,Der neue Name für Frieden ist Entwicklung".

Wir lehnen den von der UNO verfügten Zuschnitt von Gerechtigkeit ab, der nur neue Ungerechtigkeiten hervorruft, wie sich jetzt am Beispiel Ruandas zeigt. Wenn Gerechtigkeit herrschen soll, dann auf allen Seiten; und dann müssen auch diejenigen, die von außen Verbrechen begünstigen, vor die Schranken des Gerichts gerufen werden. Wir fordern eine Rückkehr zu der afrikanischen Tradition von Schlichtung, Vermittlung und Versöhnung. Aber dazu wird es nur kommen, wenn es eine realistische regionale und kontinentale Entwicklungsperspektive gibt.

Die Afrikanische Bürgerrechtsbewegung ruft alle Afrikaner guten Willens ungeachtet ihrer Hautfarbe und ihres Glaubens auf, sich die Hände zum Aufbau solcher politischer Allianzen zu reichen, die die weitere Zerstörung unserer Nationen und Völker verhindern können. In dem, was wir für Afrika tun, müssen wir auf die moralische Ebene panafrikanischer Ideale zurückfinden und den Menschen und Nationen Afrikas ihre Selbstachtung und Würde zurückgeben.

Dr. Godfrey Binaisa, ehemaliger Justizminister und Präsident Ugandas, im April 1995

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