"Nichts mehr davon, ich bitt euch. Zu essen gebt ihm, zu wohnen.
Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst."
Friedrich Schiller
  Afrika

Kenia: britisches Empire gegen Afrika

Von Dean Andromidas (Januar 2008)

Die Unruhen in Kenia drohen ganz Ostafrika ins Chaos zu stürzen. Die Drahtzieher sitzen in London.

Das Blutvergießen in Kenia nach der Wahl ist die Folge einer britischen Operation, in ganz Afrika gezielt Chaos zu schüren. Das Rote Kreuz berichtete, daß innerhalb weniger Tage 300 Kenianer umgekommen und 100.000 heimatlos geworden sind, Tausende sind ins benachbarte Uganda geflüchtet. Der Leiter des Roten Kreuzes in Kenia, Abbas Gullet, sagte der Zeitung Mail & Guardian nach einem Besuch in betroffenen Regionen: „Was ich gesehen habe, ist unglaublich und unbeschreiblich. Es ist eine nationale Katastrophe.“

Der Streit um das Wahlergebnis zwischen Präsident Mwai Kibaki mit seiner Partei der Nationalen Einheit und dem Oppositionskandidaten Raila Odinga mit seiner Orange-Demokratischen Bewegung (ODM) dient dabei als Vorwand, in Kenia und der umliegenden Region Chaos und Zerstörung zu säen, damit britische und niederländische Finanzinteressen sich dort den Zugriff auf die wertvollen Rohstoffe sichern können. Nachdem diese Interessen mit ihrer verrückten Politik den weltweiten Finanzkollaps verursacht haben, beginnen sie nun einen darwinistischen Überlebenskampf, um nach dem Einsturz des finanziellen Kartenhauses die Kontrolle über die „harten Werte“ Afrikas zu behalten.

Die ehemalige britische Kolonie Kenia, strategisch in Ostafrika gelegen, wurde 1963 nominell unabhängig, aber die Plantagen für Tee, Kaffee und andere Produkte des fruchtbaren Bodens unterstehen britischen und anderen europäischen Unternehmen, ebenso wie der Tourismus und andere Wirtschaftszweige. Diese Interessen werden durch eine starke britische Militärpräsenz gestützt, hier befindet sich eine der größten britischen Militärbasen der Welt. Der Stützpunkt dient als Tor zum Rest der Region: Im Norden liegen die von Krieg und Bürgerkrieg erschütterten Länder Sudan, Äthiopien und Somalia und im Westen das Gebiet der Großen Seen mit Uganda, Ruanda, Burundi und dem „Filetstück“ Zentralafrikas, der Demokratischen Republik Kongo. Der Kampf um die Rohstoffe verwandelte diese Region in den 90er Jahren in ein riesiges Schlachtfeld, wo sechs Millionen Menschen ihr Leben verloren. Im Süden liegen Tansania und jenseits davon Mosambik und Sambia sowie Simbabwe und Südafrika, die von England besonders scharf angegriffen werden. Kenia dient als Operationsbasis für den Briten nahestehende Waffenhändler und Söldner in allen Kriegsgebieten in diesem Teil Afrikas.

Gesteuert wird dies nicht aus Nairobi, auch nicht aus Washington, sondern vor allem aus London. Einer der wichtigsten Drahtzieher ist Lord Steel von Aikwood, Mitglied des Oberhauses und des Kronrats, mit dem wir uns im folgenden etwas näher befassen wollen.

Am 29. Dezember, zwei Tage nach der Wahl, veröffentlichte Steel eine Erklärung, worin er das Wahlergebnis in Zweifel stellte und schrieb, er habe schon vor Monaten vor Wahlbetrug gewarnt, weil Kenias Wahlkommission von Präsident Kibaki ernannt sei. Er fuhr fort: „Die Lage im Land ist wegen der Stammesrivalitäten bei der Wahl potentiell extrem gefährlich. Die internationale Gemeinschaft muß klar machen, daß sie kein gefälschtes Ergebnis hinnehmen wird.“

Kaum hatte er diese Erklärung abgegeben, da änderte die amerikanische Regierung Bush plötzlich ihre Haltung zur Wahl. Am 27. Dezember hatten die USA Präsident Kibaki noch bestätigt, doch am 29. Dezember gab Außenministerin Condoleezza Rice eine gemeinsame Erklärung mit ihrem britischen Amtskollegen David Miliband heraus, worin sie ein Ende der Gewalt und einen „politischen und juristischen Prozeß zur Lösung der Krise“ forderten, aber auch „ernste Unregelmäßigkeiten“ bei der Stimmauszählung anprangerten. Dieser plötzliche Wechsel schürte die Gewalt noch mehr.

Strippenzieher

David Steel ist ein wichtiger britischer Akteur in vielen Teilen Afrikas. Als Sohn eines in Kenia arbeitenden Priesters der Kirche von Schottland ist er ein echtes „Kind des Empire“. Er war Vorsitzender der britischen Liberalen bzw. Liberaldemokratischen Partei und spielt eine einflußreiche Rolle in der Liberalen Internationalen. Ein Kollege, der deutsche Liberale Alexander Graf Lambsdorff, leitete die Abordnung der Europäischen Union, die jetzt die Wahl beobachtete und für nicht ordnungsgemäß erklärte. Steel ist seit Jahrzehnen federführend in der kenianischen Politik und kennt sowohl Kibaki als auch Odinga persönlich. Kibaki kennt Steel nach eigener Aussage schon seit 25 Jahren, und er stellte stolz heraus, daß Kibaki die London School of Economics absolviert hat. Steel unterstützte früher Kibakis Aktivitäten als Oppositionsführer gegen Präsident Daniel Arap Moi. Zu Odinga hat er ein noch engeres Verhältnis. Odinga ist Vorsitzender der kenianischen Liberaldemokratischen Partei - eine von mehreren Parteien in der „Orangenen Demokratischen Bewegung“ -, die auch zur Liberalen Internationale gehört.

Lord Steel gibt sich gerne als Menschenrechtsfreund, der für demokratische Institutionen kämpft, aber das hat ihn nicht daran gehindert, Partner von Leuten wie Tony Buckingham, dem Gründer des berüchtigten Söldnerunternehmens Executive Outcomes, zu werden. In den 90er Jahren saß Steel im Vorstand von Buckinghams Firma Heritage Oil and Gas.

Auch in Südafrika ist Steel sehr einflußreich. Er leitete die internationale Wahlbeobachtergruppe bei der ersten Wahl nach der Abschaffung der Apartheid, und er unterhält enge Beziehungen zur liberalen Partei des Landes, der Demokratischen Allianz, die den Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) ständig als korrupt und undemokratisch angreift.

Steel sitzt im Vorstand der Royal African Society, deren Schirmherrin Königin Elisabeth II. ist und die für die britische Afrikapolitik maßgeblich ist. Zu den Geldgebern der Gesellschaft zählen britische Eliteunternehmen wie Rio Tinto, Anglo American und De Beers - drei der mächtigsten Bergbaukonzerne der Welt und insbesondere Afrikas -, British American Tobacco und die Standard Chartered Bank.

Deren Vorsitzender ist Lord Holme von Cheltenham, wie Steel Mitglied der Liberaldemokraten und des Kronrats. Auch Frank Holme ist ein echtes Kind des Empire, er hat im britisch-nepalesischen Gurkha-Regiment gedient. Später arbeitete er u.a. für Rio Tinto und für den Konzern Unilever, einen der größten Plantagenbesitzer in Kenia. Ein anderer britischer Keniaexperte ist der frühere Direktor der London School of Oriental and African Studies, Michael McWilliam, vorher Manager der Standard Chartered Bank. Die Hochschule geht noch auf das Ausbildungszentrum der Ostindiengesellschaft vor 200 Jahren zurück.

Aufruf zur Versöhnung

Die Gewalt der letzten Woche hat vor allem die Form von Zusammenstößen zwischen verschiedenen Stämmen; die meisten Unterstützer Kibakis sind Kikuyu, Odingas Parteigänger vom Stamm der Lou. Das ist ein klassisches koloniales Spiel der Briten, das an die Zerschlagung des kenianischen Mau-Mau-Aufstands in den 50er Jahren erinnert. Unter Leitung von Oberst Frank Kitson schürten die Briten damals gezielt Spannungen zwischen den Stämmen und konnten dadurch 1956 die Widerstandsbewegung zerschlagen. Weit über 10.000 Afrikaner verloren damals ihr Leben, aber weniger als 50 Briten.

Doch es ist keineswegs sicher, daß die Kenianer sich gegenseitig so abschlachten werden, wie es das britische Drehbuch vorsieht. Eine Stimme der Vernunft war die Tageszeitung The Standard, die am 3. Januar einen Leitartikel unter der Überschrift „Rettet unser geliebtes Land!“ veröffentlichte. Darin werden alle Seiten aufgefordert, die Auseinandersetzungen um die Wahlen zu beenden und zur Normalität zurückzukehren. „Präsident Kibaki und Raila Odinga sollten miteinander sprechen; sie sollten eine aktive Rolle dabei übernehmen, die Gewalt, die das Land erfaßt hat, zu beenden; und sie sollten einen Weg finden, die Macht zu teilen.“

Weiter heißt es: „Die Nation hat jetzt seit vergangener Woche lange genug darüber gestritten, wer gewonnen und wer verloren hat; wer Stimmen gestohlen hat und wer nicht und ob die Wahl wiederholt werden soll oder nicht. Wir sind der Antwort nicht näher gekommen. Sicher scheint aber, daß Tod und Verwüstung weitergehen werden. Deshalb müssen wir uns auf eine Lösung zubewegen, die dem Chaos eine Ende setzt...“

Kibaki wird aufgefordert, einen wirksamen öffentlichen Appell zur Versöhnung und zum Patriotismus zu machen, um Mord und Zerstörung Einhalt zu gebieten. Raila Odinga und seine ODM werden aufgerufen, ihre Vorbedingungen für Verhandlungen - vor allem die Forderung, daß der Präsidenten zurücktritt und eine Niederlage eingesteht - fallenzulassen. Es wird auch ein internationaler Vermittler vorgeschlagen, „nicht um die Wahl zu entscheiden, sondern um einen Weg zu planen, der Kenia vom Abgrund wegführt und eine gegenseitig akzeptierte Lösung der Machtteilung weist“. Danach solle das Parlament die Einzelheiten des weiteren Vorgehens ausarbeiten.

In dem Artikel wird auch festgehalten, daß es sowohl auf Seiten von Kibakis PNU-Partei als auch bei Odingas OMD Unregelmäßigkeiten gegeben hat. Es habe sich gezeigt, daß Kenia tief durch die Mitte gespalten ist. Weiter heißt es: „Das Amt des Präsidenten ist nicht vakant. Kibaki wurde als Präsident bestätigt, ungeachtet der Frage, ob die Wahlen korrekt waren oder nicht.“ Nachdem dann die Probleme beschrieben werden, mit denen das Land konfrontiert ist, werden die beiden Kandidaten aufgefordert, „Demut zu beweisen, ein Interesse am Gemeinwohl der Bevölkerung, Selbstlosigkeit und eine Fähigkeit und das richtige Urteil, die Interessen des Landes über die jeweiligen Ambitionen und Vorteile zu stellen... Um jetzt Führungsqualität zu demonstrieren, müssen beide den Mut aufbringen, sich von den Interessengruppen und den Lobbyisten, die durch politische Berater und Strategen auftreten, zu distanzieren; sie müssen ihrem inneren Gewissen folgen und das Land aufrichten wollen, damit es nicht weiter im Sumpf der Anarchie versinkt... Vor allem aber sind wir der Überzeugung, daß der Präsident und Raila umgehend handeln müssen, um unser geliebtes Land zu retten.“

Der geforderte „Vermittler“ können weder Großbritannien noch die EU sein. Im Grunde können es nur die Vereinigten Staaten sein, aber auch das nur mit einer ganz anderen Politik, als sie von der Regierung Cheney-Bush unter britischer Kontrolle zu erwarten ist. Die USA haben das Prestige und die Macht, als ehrlicher Makler zu dienen und wirklich Hoffnung zu bieten. Dies muß auf eine Strategie zur Entwicklung der Wirtschaft und Infrastruktur der gesamten Region gegründet sein.