Europas Mission ist die Entwicklung Afrikas
Im Wortlaut. Die BüSo-Vorsitzende Helga Zepp-LaRouche war am 24. Januar Ehrengast bei einer Konferenz der französischen Schwesterpartei Solidarité et Progrès in Paris. Dort hielt sie die folgende Rede.
Meine Damen und Herren, ich grüße Sie ganz herzlich und
möchte mich entschuldigen, nicht auf französisch zu sprechen - mein schlechtes
Französisch würde Sie nur quälen. Gleich zu Anfang will ich sagen, daß es für
einen deutschen Patrioten ein sehr schönes Gefühl ist, in Frankreich zu sein -
die Gründe dafür werden hoffentlich im Verlauf meiner Rede deutlich werden -,
denn wir brauchen Patrioten in allen europäischen Ländern, um zusammen die
Krise lösen zu können.
Wie Sie wissen, bin ich ein erfahrenes politisches
Schlachtroß. Ich kämpfe nun seit fast 35 Jahren in der Sache, um die es in diesen
Tagen geht: der Zerfall des Finanzsystems und die Notwendigkeit, es durch eine
neue, gerechte Weltwirtschaftsordnung zu ersetzen. Doch auch für mich als ein
solches altes Schlachtroß sprengt es immer wieder meine Vorstellungskraft, wenn
ich mir genau betrachte, was sich derzeit abspielt. Denn seit inzwischen schon
17 Monaten, also fast eineinhalb Jahren, hält der beispiellose Zerfall des
Finanzsystems - und parallel dazu der Kollaps der Realwirtschaft - mit
atemberaubender Geschwindigkeit an, und die Regierungen tun praktisch nichts.
Tatsächlich läßt sich ohne weiteres sagen, daß wir die
größte Finanzkrise der gesamten Geschichte erleben, und die Regierungen haben
nichts besseres zu sagen als: „Wir sind davon völlig überrascht worden. Niemand
konnte ahnen, daß so etwas passieren würde. Niemand konnte das voraussagen!“
Das ist offensichtlich eine große Lüge. Denn es gibt einen
international bekannten Mann, der diese Krise in jeder Phase, wo etwas schief
lief, genau vorausgesagt hat: Das ist meine lieber Ehemann Lyndon LaRouche.
Seine Gegner finden, daß er gar nicht so lieb sei, aber ich kann Ihnen
versichern, er ist sehr lieb!
Alles, was er gesagt hat, ist genauestens belegt, und das
ist extrem wichtig, damit heute eine Lösung gefunden werden kann. Wenn nämlich
die Regierungen heute ständig weiter die Lüge auftischen, man habe die Krise
nicht vorhersehen können, alles sei völlig unerwartet gekommen, dann erinnert
mich das an den Tsunami vor einigen Jahren, als eine riesige Flutwelle nach der
anderen ganze Küstenstreifen überschwemmte. Da kommen einem die Politiker heute
wie kleine Kinder vor, die mit Spielzeugeimerchen das Wasser abzuschöpfen
versuchen, um so dem Tsunami etwas entgegenzusetzen.
Das bankrotte System erlebt seit 17 Monaten einen
kettenreaktionsartigen Kollaps, und das einzige, was den Regierungen einfiel,
war, ein Rettungspaket nach dem anderen zu schnüren, d.h. buchstäblich
Billionen von Dollar, Euros oder Pfund Sterling hineinzupumpen, und ein Ende
des Absturzes ist überhaupt nicht in Sicht.
Um nur noch einmal die Proportionen zu verdeutlichen: Im
Dezember 2007 sagte der Vorsitzende der Welternährungsorganisation (FAO),
Jacques Diouf, es müßten dringend 11 Millionen Euro aufgebracht werden, damit
die ärmsten Bauern in der Dritten Welt Saatgut für die Sommerernte kaufen
könnten. Im April 2008 mußte er eingestehen, daß diese lächerlichen 11 Mio.
Euro nicht zusammengekommen waren. Sein Appell kam zu einer Zeit, als es schon
in mehr als 40 Ländern zu Hungeraufständen gekommen war. Es wurde somit im
Grunde nichts gelöst, und die Lage hat sich seither keineswegs verbessert.
Der Kollaps, den wir erleben, ist in der Tat atemberaubend.
Ich möchte nur auf einige Zahlen verweisen:
- Die Produktion von Autos ist weltweit bereits um 30%
zurückgegangen.
- Die Stahlerzeugung ist im Zuge des Zusammenbruchs der
Automobilindustrie ebenfalls massiv eingebrochen; in China beispielsweise um
60%.
- Das internationale Frachtaufkommen von Trockengütern ist
enorm zurückgegangen, wie man am Baltic Dry Index sehen kann: Wenn die
Frachtraten für Massengüter um 96% sinken, bedeutet das einen fast
vollständigen Stillstand der Weltwirtschaft. In Hongkong und anderswo bleiben
die Schiffe und die Container leer. Wir haben es mit einer wirklichen
Zusammenbruchskrise zu tun, nicht nur mit einer zyklischen Krise oder einer
Depression. Wir erleben die Desintegration der Weltwirtschaft.
Um Ihnen noch einen Größenvergleich zu geben: Die deutsche
Regierung hat es nicht geschafft, 2-3 Mrd. Euro für den Bau der kurzen
Transrapidstrecke in München vom Hauptbahnhof zum Flughafen aufzubringen - für
die in Deutschland entwickelte Magnetschwebetechnik, die jetzt in China genutzt
wird. Eine Entscheidung für den Transrapid in Deutschland wäre ein deutliches
Zeichen einer politischen Veränderung gewesen, es hätte gezeigt, daß diese
Technologie in Deutschland gebaut werden kann, und sie wäre so zu einem
fantastischen Exportschlager geworden.
Aber das wurde nicht zustande gebraucht. Statt dessen gab
die Bundesregierung 500 Mrd. Euro aus, um die Banken zu retten. Das Ergebnis
ist jetzt, daß der Transrapid am Ende ist, die Technologie wird an China
verkauft, und sogar die Teststrecke im Emsland wird abgebaut. Dümmer kann man
nicht mehr sein.
Hoffnung in Amerika
Der Hauptgrund dafür, warum alle diese Dinge nicht mehr
funktionieren, ist der Zusammenbruch des Systems. Und der Kollaps wird solange
weitergehen, bis die von LaRouche vorgeschlagenen Maßnahmen umgesetzt werden.
Die gute Nachricht ist jedoch, daß die Vereinigten Staaten
einen neuen Präsidenten haben, der allerdings in einer äußerst schwierigen Lage
ist, denn er muß mit dem Chaos fertig werden, das zwölf Jahre Bush - acht Jahre
George W. und vier Jahre seines Vaters George Herbert Walker Bush - angerichtet
haben. Es herrscht offensichtlich eine große Erleichterung auf der Welt, daß
die Ära Bush ein für allemal vorbei ist, denn es wird nie wieder ein Bush
Präsident der Vereinigten Staaten werden, und das ist gut so. Doch die Welt
liegt derzeit in Trümmern, die Bush-Jahre haben einen Scherbenhaufen
hinterlassen: eine kollabierende Weltwirtschaft, ein Desaster im Irak, ein
Desaster in Afghanistan, eine sehr gefährliche Situation in Pakistan, die sich
aus den Entwicklungen in der Region ergeben hat, usw.
Doch nun ist Obama Präsident. Während des Wahlkampfes haben
wir ihn nicht unterstützt, da unserer Ansicht nach Hillary Clinton die viel
bessere Kandidatin war. Aber jetzt ist der neue Präsident im Amt, er genießt
ein enormes Vertrauen, und die ganze Welt blickt auf ihn. Er hat aber nur ein
kurzes Zeitfenster. In den Straßen von Paris habe ich Plakate gesehen: „Schafft
er es? Kann er die Gelegenheit nutzen?“ Das ist tatsächlich die entscheidende
Frage. Wenn er entschlossen handelt, kann er die Maßnahmen umsetzen, die mein
Ehemann in zwei Internetkonferenzen am 16. und 22. Januar dargelegt hat. Ich
kann Sie nur ermuntern, sich diese Sendungen in unserem Archiv im Internet
anzusehen, falls Sie das noch nicht getan haben. Dort hat mein Mann genau
dargestellt, was Obama in der jetzigen Lage tun müßte, um die Krise zu
überwinden. Doch dazu bleibt ihm nur eine sehr kurze Zeitspanne.
Wenn er jetzt entschlossen handelt, so wie Franklin D.
Roosevelt 1933, und die Wall Street der Kontrolle der Regierung unterstellt,
könnte das Wirtschaftssystem geändert werden, dann kann es funktionieren, aus
den Gründen, die ich Ihnen jetzt erläutern will.
Nutzt er diese Chance aber nicht und der Zusammenbruch geht
weiter - er hat vielleicht nur einen Monat oder weniger Zeit -, dann werden die
Menschen ihn dafür verantwortlich machen, daß er nicht handelte. Es ist deshalb
für Sie ungemein wichtig zu verstehen, daß wir uns derzeit in sehr kritischen
Wochen befinden, um aus der Krise eine Chance zu machen.
Was mein Ehemann in den beiden Internetforen dargestellt
hat, ist sehr einfach: Wir können es schaffen, wenn jemand die Führung
übernimmt und den Mut hat, diese Programme umzusetzen. Er müßte dazu nur das
Finanzsystem der Vereinigten Staaten einer Konkurssanierung unterziehen. Die
amerikanischen Banken müssen einem ordentlichen Konkursverfahren unterzogen
werden, was unter der amerikanischen Verfassung möglich ist, weil sie nur der
Regierung und dem Kongreß die Vollmacht verleiht, Kredit zu schöpfen. Damit ist
die Regierung ermächtigt, die Investmentbanken, die Hedgefonds und Anlagegesellschaften
unter staatliche Zwangsverwaltung zu stellen und den finanziellen „Giftmüll“
einzufrieren und die ordentlichen Geschäftsbanken zu schützen. Man muß das
monetäre System durch ein Kreditsystem ersetzen und eine Nationalbank in der
Tradition von Alexander Hamilton zur Vergabe von Krediten schaffen.
Die USA könnten das gleiche tun, was Franklin D. Roosevelt
1933 getan hat, nämlich Kredite für den Wiederaufbau der Vereinigten Staaten,
zum Ausbau der Infrastruktur und zur Umrüstung der Automobilindustrie zu
vergeben. Mit einem gigantischen Investitionsprogramm könnte die US-Industrie
wieder zum Laufen gebracht werden.
Es reicht natürlich nicht, das nur auf nationaler Ebene zu
tun; wir brauchen eine internationale Reform des bankrotten Währungssystems.
Schon seit einiger Zeit weist mein Ehemann darauf hin, daß wegen der Macht
britisch-imperialer Finanzinstitutionen wie der Londoner City, der Wall Street
und anderer Geldzentren eine solche Reform nur durchgesetzt werden kann, wenn
die vier mächtigsten Nationen der Welt, die Vereinigten Staaten, Rußland, China
und Indien, zusammenarbeiten. Sie müssen eine Kerngruppe bilden, der sich auch
andere Nationen anschließen können, um die notwendigen Reformen durchzusetzen.
Es gibt Gründe, warum gerade diese vier Länder erforderlich
sind: Sie repräsentieren die Mehrheit der Weltbevölkerung, sie sind mächtig
genug, um sich gegen das gegenwärtige imperiale System zu stellen, und - was
extrem wichtig ist -, sie können als Repräsentanten aller anderen Nationen
auftreten. Eine Reform wäre gar nicht möglich, wenn an einer Konferenz für ein
neues Bretton Woods 180 oder 190 verschiedene Nationen teilnähmen; alles würde
in einem demokratischen Gezänk enden, und nichts wäre erreicht. Deswegen
braucht man eine repräsentative Gruppe, die die notwendigen Veränderungen
vornimmt.
Kann das funktionieren? Ist das eine realistische
Vorstellung? Präsident Sarkozy hat sich einmal zur Notwendigkeit eines neuen
Bretton Woods bekannt, doch leider hat er diese Idee seither nicht weiterentwickelt.
Man kann also nur raten, was er darunter versteht und wohin er sich wenden
wird. Man kann nur hoffen, daß sich daraus weiteres ergibt. Was mein Ehemann
vorgeschlagen hat, würde aber sofort funktionieren, wenn die Vereinigten
Staaten die Initiative ergreifen.
Wie Rußland denkt
Auch in bezug auf Rußland bin ich recht optimistisch. Herr
LaRouche hat kürzlich ein Papier mit dem Titel „Wie Rußland [von der Krise]
überrascht wurde“ geschrieben, worin er die tieferen Gründe beschreibt, warum
die russische Führung die Gefahr eines Systemzusammenbruchs völlig unterschätzt
hat. Einige dieser Gründe haben etwas mit den Relikten des Marxismus zu tun,
denn immerhin war Rußland 70 Jahre lang das Zentrum der Sowjetunion, und der
Marxismus spielte dabei eine wichtige Rolle.
LaRouche schreibt das weniger dem Kommunismus als solchem
zu, sondern mehr der Manipulation von Karl Marx selbst, der zufällig in der
gleichen Stadt geboren wurde wie ich; weiter gehen die Gemeinsamkeiten
allerdings nicht. Marx wurde von Friedrich Engels manipuliert, der Marx glauben
machte, der damalige Manchester-Kapitalismus sei die entwickeltste Form des
Kapitalismus gewesen - offensichtlich ein totaler Fehler. Der arme Karl Marx,
der ein netter Kerl war, solange er in meiner Heimatstadt Trier lebte, kam erst
herunter, als er nach Bonn und später nach Berlin zog. Er war mehr von Adam
Smiths Philosophie überzeugt als von den Ideen Friedrich Lists, und das hat
noch heute etwas mit der Frage zu tun, was in Rußland als Quelle des Reichtums
betrachtet wird.
Als Rußland in den neunziger Jahren aufgrund der
geopolitischen Manipulationen von George Bush senior und Margaret Thatcher
kollabierte - Gründe, die von Wissenschaftlern und anderen im Westen bisher
nicht wirklich untersucht worden sind -, war man im Westen absolut
entschlossen, daß Rußland keine Supermacht mehr sein dürfe, sondern ein reiner
Rohstofflieferant wie Länder der Dritten Welt werden müßte. Von 1991 bis 1994
wurde die russische Industrie durch die Schocktherapie und andere Maßnahmen innerhalb
von nur drei Jahren so weit abgebaut, daß nur noch 30% von dem übrigblieben,
was es am Ende der Sowjetunion gegeben hatte. Sie werden sich noch daran
erinnern, wie dann mit Hilfe westlicher Oligarchen einige Russen zu
Milliardären wurden und das Land ausplünderten. Die neunziger Jahre waren das
Jahrzehnt, in dem Rußland völlig verzweifelte: Die Bevölkerung schrumpfte und
die Menschen hatten keinerlei Perspektive mehr.
Erst als Putin 2000 an die Macht kam, ließ die beispiellose
Ausplünderung langsam nach, und die Bevölkerung faßte wieder Vertrauen. Einer
der Gründe, der zum Kollaps der Sowjetunion beigetragen hatte, blieb jedoch
bestehen. Denn in der Sowjetunion wurde zwar in „geheimen Städten“, die auf
keiner Karte verzeichnet waren, die beste Militärforschung auf der ganzen Welt,
einschließlich der Vereinigten Staaten, betrieben, doch die Sowjetunion war
nicht in der Lage, diese fortgeschrittenen militärischen Fähigkeiten auf die
zivile Wirtschaft zu übertragen.
Dieser Fehler wurde nie ganz ausgemerzt, denn selbst nach
dem Ende des Kommunismus verließ sich Rußland viel zu sehr auf Öl, Gas und
andere Rohstoffe als Quelle des Reichtums. Als die Krise jetzt ausbrach, lag
der Ölpreis zeitweise bei 150 Dollar, und Rußland verfügte über Devisenreserven
von 600 Mrd. Dollar. Als ich im Oktober letzten Jahres auf dem hauptsächlich
von Rußland organisierten Weltforum
„Dialog der Zivilisationen“ auf
Rhodos war, herrschte unter den dort anwesenden 200-300 Russen zwar das klare
Verständnis vor, daß das neoliberale Paradigma am Ende wäre - der Kommunismus
war 1989-90 kollabiert, aber jetzt sei das neoliberale Paradigma erledigt. Alle
waren sehr aufgeregt. Aber in fast allen Diskussionen meinten sie, das gelte
für die Vereinigten Staaten, für Westeuropa und andere Teile der Welt - aber
nicht für Rußland!
In Moskau gab man sich der Illusion hin, mit den Einkünften
aus den Rohstoffverkäufen die Krise unversehrt überstehen zu können. Alles sei
nur eine amerikanische Krise, die Amerika und Europa zu Fall bringen, Rußland aber
irgendwie verschonen würde.
Als jedoch spätestens im Dezember letzten Jahres die
russische Realwirtschaft wie ein Stein zu fallen begann, brach sich plötzlich
die Erkenntnis Bahn, daß Rußland von der Krise voll getroffen würde. Wir
vermuten, daß Berichte über das Ausmaß der Krise ziemlich heruntergespielt
werden, denn in einigen Teilen Rußlands ist es bereits zu Unruhen gekommen. Die
Regierung befürchtet offenbar, daß die Stabilität des Landes gefährdet sein
könnte, wenn sich Nachrichten über diese Unruhen verbreiten.
Was bedeutet dies für die Möglichkeit Rußlands, bei der
Lösung der Krise mit den Vereinigten Staaten zusammenzuarbeiten? Dazu muß man
vor allem wissen, daß der Name LaRouche in Rußland sehr bekannt ist. Jedes Mal,
wenn mein Mann einen Artikel schreibt, wird auf tausend oder mehr russischen
Internetseiten darüber berichtet, und seine Analysen sind überall in Rußland
bekannt. In vielen Kreisen, besonders unter Akademiekreisen, kennt man ihn als Ideengeber
in der Tradition von Wernadskij und Mendelejew, die zu den angesehensten
sowjetischen Wissenschaftlern gehörten. Das ist die eine Seite. Aber auch
Präsident Medwedew erklärte kürzlich nach Obamas Amtsantritt, er hoffe, daß
sich mit der neuen amerikanischen Regierung die Zusammenarbeit zwischen Rußland
und den Vereinigten Staaten erheblich verbessern werde. Wenn Obama tatsächlich
der Tradition Roosevelts folgt, könnte sich daraus eine ganz andere Basis
ergeben, denn die Zusammenarbeit mit den USA während des Zweiten Weltkriegs war
eines der wichtigsten kulturellen und historischen Fundamente der russischen
Politik.
Ich bin absolut überzeugt, daß die Bewährungsprobe dafür
sein wird, ob Obama die Pläne für Raketenabwehrsysteme in Polen und Tschechien
aufgibt. Er muß Rußland ein deutliches Signal geben, daß er die Osterweiterung
der NATO aufgibt, und der Verzicht auf die ABM-Stellungen in diesen Ländern ist
dafür ein absolut entscheidender Test. Meines Erachtens muß er auch
klarstellen, daß er Bushs Politik, Georgien und die Ukraine in die NATO aufzunehmen,
nicht fortführt, denn dies wird von Rußland als westliche Politik verstanden,
und noch auf dem letzten NATO-Gipfel in Bukarest hatte sich Bush dafür
ausgesprochen.
Hillary Clinton wird wahrscheinlich in einer Woche nach
Moskau fliegen, was sehr vielversprechend und gut ist. Alles hängt jedoch davon
ab, welche Signale dort ausgegeben werden. Und Obama selbst soll im April nach
Rußland reisen.
Wir wissen auch, daß die Russen erneut den Vorschlag
aufbringen werden, den Putin bereits auf dem Treffen mit der Familie Bush in
Kennebunkport (Maine) unterbreitet hatte, nämlich den Vorschlag, ein
Raketenabwehrprogramm für die gesamte Welt zu entwickeln. Das geht in die
Richtung des SDI-Vorschlags, den mein Ehemann vor mehr als 20 Jahren gemacht
hatte. Man wird sehen, was passiert.
Schließt sich China an?
Wenn nach den Besuchen von Hillary Clinton und Obama in
Moskau eine positive Konstellation entsteht, d.h. wenn es Zeichen einer
russisch-amerikanischen Zusammenarbeit auch in Richtung eines neuen Währungssystems
geben sollte, wird es meines Erachtens für China relativ leicht sein, sich dem
anzuschließen.
Die Chinesen denken, ihr Schicksal sei im Guten wie im
Schlechten völlig mit dem der Vereinigten Staaten verknüpft. Aus
offensichtlichen Gründen kann man China das eigentliche Opfer der
Globalisierung nennen, denn nachdem China 1970 die Politik der Öffnung
einleitete, wurde es das Land der Auslagerung, das Land der Billigproduktion
für den US-Markt. Fast die gesamte mittelständische Industrie, die bis dahin in
den Vereinigten Staaten tätig war, wanderte aus Kostengründen nach China ab.
Denken wir nur an Wal-Mart und all die anderen. Deswegen ist Chinas
Exportabhängigkeit vor allem von den USA, aber auch von Europa enorm. China
sitzt außerdem auf 2 Bio. Dollar Devisen, größtenteils in Form von US-Anleihen,
US-Schatzpapieren u.ä.
Im Zuge der Politik der Öffnung haben sich die chinesischen
Küstenregionen und auch die südlichen Provinzen stark entwickelt. Man findet
beispielsweise auf der ganzen Welt keine modernere Stadt als Shanghai. Dort
gibt es praktisch kein altes Gebäude und keine heruntergekommenen Unterkünfte
mehr. Fast die gesamte Zeit lag das Wachstum dort bei 12% oder mehr, was China
aber auch brauchte, denn jedes Jahr mußten 10 Mio. neue Arbeitskräfte in den
Arbeitsmarkt integriert werden. Es gab aber auch eine negative Seite dieser
ungeheuren Entwicklung, und das waren die kommunistischen Milliardäre und
ähnliche Erscheinungen, während andererseits fast 70% der chinesischen
Bevölkerung nach wie vor praktisch in der Steinzeit leben und Landwirtschaft
ohne jede Maschine und sogar ohne Tiere betreiben. Sie bearbeiten die
Reisfelder manuell nur mit Holzstöcken!
Die Armut in diesen Gegenden ist unvorstellbar. Nun werden
darüber hinaus mindestens 200 Mio. Wanderarbeiter ihre Arbeit verlieren, denn
als die Krise einsetzte, mußten fast 50.000 kleine und mittlere Betriebe
schließen. Wenn jetzt in einigen Tagen das chinesische Neujahr gefeiert wird,
werden Hunderte Millionen Chinesen zu ihren Familien zurückkehren, und die
große Frage ist, ob sie dort bleiben müssen, weil sie inzwischen ihre Arbeit
verloren haben. Dann droht in China eine riesige soziale Explosion, denn viele
der Familien auf dem Lande waren auf die Löhne angewiesen, die die
Wanderarbeiter aus den Städten nach Hause schickten.
Schon heute gibt es erhebliche soziale Unruhen in China.
Soziale Unruhen sind im übrigen auch vor einigen Tagen in Island ausgebrochen,
wo die Leute gegen die Regierung Sturm laufen. Die gleiche Situation gibt es
auch in Lettland und in Griechenland. Die sozialen Folgen des Kollapses sind
also unübersehbar. Wenn aber die USA Rußland deutliche Änderungen in Aussicht
stellen, wird sich China dem sofort anschließen.
Wie ich schon sagte, hat China inzwischen 2 Billionen Dollar
Devisenreserven, vor allem in US-Schatzanweisungen, und die müssen bedient
werden. Dieses Geld sind die Überschüsse aus chinesischen Exporten, da sich die
USA ihrerseits weigerten, China bestimmte Technologien und Güter zu liefern,
die als „Dual Use“-Technologien eingestuft wurden, d.h. die nach Auffassung der
USA in China für militärische Zwecke eingesetzt werden könnten. Deshalb konnte
China von den Vereinigten Staaten nicht alles kaufen, was es wollte. Deshalb
haben die USA diese Schulden gegenüber China, die verbindlich sind.
Aus diesem Grund wird China auf jedes Angebot der USA
reagieren. Noch mehr Bedeutung messen die Chinesen allerdings der harmonischen
Stabilität ihrer Gesellschaft bei, denn China ist eine der ältesten Kulturen
auf dieser Erde. Sie ist wahrscheinlich 6000 bis 8000 Jahre alt, und die
Philosophie des Konfuzius und Menzius entstand in einer 500 Jahre langen
Periode von Kriegen, in der Konfuzius die Notwendigkeit von Harmonie und
Stabilität in der Gesellschaft ganz in den Vordergrund stellte. Diese
grundlegenden philosophischen Konzepte sind in der chinesischen Kultur seit
zweieinhalbtausend Jahren vorherrschend. Als dann die Kulturrevolution
einsetzte, in der die Viererbande zehn Jahre lang praktisch alle chinesischen
Werte auf den Kopf stellte, erlebten viele Chinesen dies als die finsterste
Periode ihrer Geschichte, und sie wollen nicht, daß sich so etwas jemals
wiederholt.
Wenn also die Vereinigten Staaten in dieser Phase ein
positives Signal gäben, bin ich absolut sicher, daß China dies aufgreifen
würde. Und wenn die USA, Rußland und China sich auf eine Reform des Systems
einigen, wird auch Indien keine Sekunde zögern, ebenfalls in diese Richtung zu
gehen.
Die Lage Indiens
Auch Indien ist derzeit von der Krise betroffen, wenn auch
nicht so schwer wie China, weil der indische Binnenmarkt etwa 85% der eigenen
Produkte absorbiert und Indien deshalb etwas besser gegen die Auswirkungen
abgeschirmt ist. Aber auf der anderen Seite sind 63% der indischen Bevölkerung
sehr arm. Und wenn es zu einem Kollaps kommt, wird dieser auch hier sehr
dramatische Folgen haben.
Indien, daran sei erinnert, ist auch eine der Wiegen der
menschlichen Zivilisation. Dort stammt das Sanskrit her, das Wilhelm von
Humboldt einmal als die am weitesten entwickelte Sprache bezeichnete, die es je
gegeben hat. Indien hat die schönen vedischen Schriften, den Schöpfungsgesang,
den Sie alle einmal lesen sollten. Er enthält alles, worauf noch die heutigen
wissenschaftlichen Vorstellungen über die Nichtlinearität der Welt basieren,
daß Lösungen nur auf einer höheren Ebene des aktuellen Konflikts gefunden
werden können - wunderschöne Ideen, die in die europäische Philosophie
eingeflossen sind, usw.
Indien ist eine sehr stolze Nation. So wurden beispielsweise
erst vor ein paar Jahren vor der Küste Mumbays im Indischen Ozean versunkene
Städte entdeckt, die weit größer waren als die babylonischen Städte, die erst
5000 Jahre später gebaut wurden. Lange Zeit glaubte man, das seien nur
Erfindungen, aber dann machte die NASA Aufnahmen aus dem Weltraum, auf denen
man sehen konnte, daß das, was in den ursprünglichen vedischen Schriften
enthalten war, aufgrund bestimmter Änderungen der Erde tatsächlich auf diese
Weise geschehen ist. Die Inder haben also eine sehr stolze Identität. Aber - mein
Mann und ich waren erst im Dezember dort - sie werden nur auf die Initiative
einer Kombination aus Vereinigten Staaten, Rußland und Indien reagieren. Sie
werden sich einer Lösung Rußland, China, Indien nicht anschließen, denn man
darf nicht vergessen, daß Indien ein Subkontinent ist, der durch den Himalaja
von der übrigen Welt getrennt ist und seit Jahrhunderten, seit Jahrtausenden
nur wenig Austausch hatte. Es gab Missionare, die über den Himalaja hin- und
herzogen, aber Indien insgesamt war ziemlich abgetrennt. Deshalb betrachten sie
die Welt vor allem mit Blick auf Pakistan und Bangladesh, die früher Teil von
Indien waren, auf Afghanistan, Iran und China. Aber ihrer Kultur nach haben die
Inder noch nicht die Idee, als Katalysator zur Lösung der weltweiten Krise zu
handeln. Aber sie werden reagieren, sobald die drei anderen Nationen reagieren.
Ich kenne Rußland ein wenig, ich kenne China ganz gut, ich
kenne Indien relativ gut, und ich sage ich Ihnen nach meinem besten Verständnis
der Lage: Es kann funktionieren! Das ist keine utopische Idee; es kann
funktionieren. Besonders für Europa ist es sehr wichtig, das zu erkennen, denn
wenn man sich die europäische Politik ansieht, muß man sich fragen: „Wo sind
eigentlich unsere politischen Führer, die sich dieser Krise annehmen?“ Da sieht
es sehr, sehr dürftig aus. Deshalb ist es wichtig, daß wir ein realistisches
Konzept davon haben, wie wir aus der Krise herauskommen können. D.h. wenn in
den Vereinigten Staaten, Rußland, China und Indien Bewegung entsteht, dann ist
das Beste, was die europäischen Nationen tun können, diese Initiative zu
unterstützen.
Madoffs Schneeballsystem
Das bedeutet für Europa nicht nur, das zu unterstützen, was
diese vier Länder hoffentlich tun werden. Es bedeutet auch, das Paradigma der letzten
40 Jahre in Europa rückgängig zu machen - nämlich daß wir uns von der
Produktion ab- und der Spekulation zugewendet haben. Utopien wie die der
nachindustriellen Gesellschaft, die Idee der Globalisierung müssen beseitigt
werden, und wir müssen uns vollkommen von der Idee abwenden, daß man „mit Geld
Geld macht“. Wenn wir nicht von der Idee abkommen, „schnell reich zu werden“,
werden wir auch dumm genug sein, immer wieder auf Betrügereien wie Madoffs
Schneeballsystem hereinzufallen. Wie Sie wissen, war Madoff der
Wall-Street-Finanzier, der seine Kunden um fast 50 Mrd. $ betrogen hat. 50 Mrd.
$ sind keine „Peanuts“ mehr; man muß schon ziemlich gewieft sein, um so viele
Leute mit einem solchen Plan hereinzulegen.
Der ganze Schwindel beruhte auf dem Vorbild des berühmten
alten Ponzi-Schemas. Ponzi war ein Spekulant in Boston, und in der
englischsprachigen Welt ist der Begriff „Ponzi scheme“ ein geflügeltes Wort.
Lassen sie mich also kurz sagen, worum es sich handelt. Charles Ponzi, der von
1882 bis 1949 lebte, war der Pionier der Schneeball-Systeme. Er fand in der
Zeit während und unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg heraus, daß man aufgrund
internationaler Vereinbarungen zwischen verschiedenen Postdiensten einen Brief
versenden und dabei auch das Porto für die Rückantwort bezahlen konnte, so daß
der Empfänger in einem anderen Land ihn beantworten konnte, ohne dafür Porto
zahlen zu müssen. Dabei fand er heraus, daß man aufgrund der Währungsabwertung
in Europa nach dem Ersten Weltkrieg einen solchen Antwortbrief in Spanien für 1
Cent kaufen konnte, der in den Vereinigten Staaten aber 6 Cent kostete. Er
sagte sich also: Kaufen wir eine Menge dieser Rückantwortscheine in Spanien und
anderen europäischen Ländern und verkaufen sie in den Vereinigten Staaten. Auf diese
Weise können wir einen enormen Profit machen.
Er begann sehr klein. Im ersten Monat machte er aus einer
Anlage von 1.000 $ 15.000 $, doch dann gewann er immer mehr Leute für seine
Geschäfte. 1919 gründete er in Boston eine kleine Firma namens Security
Exchange Co.; als er sein Unternehmen ins Handelsregister eintragen ließ, war
der Postinspekteur zunächst sehr skeptisch und sagte, es sei nicht legal, die
Rückantwortscheine in den Vereinigten Staaten gegen Geld zu tauschen - aber
irgendwie kam er mit seinem Plan durch. Seine Kunden legte er mit einer
phantastischen Geschichte herein. Er sagte, sie könnten 400% Gewinn erzielen:
in 45 Tagen könne man 50% Gewinn machen, und diesen in 90 Tagen verdoppeln. Das
war offensichtlich ein völliger Betrug, denn wenn irgend jemand nachgefragt
hätte, hätte sich sofort herausgestellt, daß man mit sämtlichen
Rückantwortscheinen der Welt kein solches Geschäft hätte machen können. Aber
niemand hat nachgefragt, und Ponzi hielt alles geschickt im Unklaren. Er sagte
nicht offen, wie es funktionierte, da dies ein Geschäftsgeheimnis sei, und je
mysteriöser er es verpackte, desto mehr Leute sagten, „Ja, das will ich! Das
will ich!“ Immer mehr Leute sprangen darauf an, und das Schema wurde für
Investoren immer attraktiver.
Schon bald hatte er 30 Angestellte, und er kaufte ein großes
Gebäude für sein Büro. In Wirklichkeit hat er nie Geschäfte mit
Rückantwortscheinen gemacht, sondern er nahm das Geld der neuen Investoren, um
es an die alten weiterzureichen. Er gewann also neue Investoren dafür, in
seinen Plan einzuzahlen, und er zahlte davon älteren Investoren hohe Gewinne
aus, so daß sie dachten, er mache riesige Gewinne. Ein solches Schema
funktioniert natürlich nur, solange die Blase wächst.
Wenn der Geldfluß leichtgläubiger, dummer Investoren
versiegt, fällt das Schneeballsystem in sich zusammen - und genau das geschah
dann auch: Eines Tages konnte er einen Investor nicht mehr auszahlen, und als
sich das dann herumsprach, kam es zum Kollaps. Es stellte sich heraus, daß er
40.000 Kunden hereingelegt und 10 Mio. $ gestohlen hatte. Das war damals,
anders als heute, eine enorme Summe.
Ponzi kam ins Gefängnis, und als er später wieder freikam,
beging er eine Reihe weiterer Betrügereien. Der Madoff-Skandal von heute ist
genau das gleiche! Er gewann immer neue Investoren hinzu, zahlte mit diesem
Geld die alten Investoren aus... und eines Tages kollabierte das Ganze.
Der Grund, warum ich Ihnen das alles erzähle, ist: Das
ganze System der Globalisierung funktioniert ebenfalls so. Das ist sehr
wichtig, zu erkennen, denn all die „kreativen Finanzinstrumente“, die Alan
Greenspan erfunden hat, bewirkten genau das. Nehmen wir beispielsweise in den
USA die minderwertigen Hypotheken, bei denen jeder von Anfang an hätte wissen
sollen, daß man damit eine Bauchlandung machen würde. Wenn man jemandem eine
Hypothek andreht, der weder Ersparnisse hat noch ein ausreichendes Einkommen,
um sie zurückzuzahlen, selbst wenn die Hypothek nur null Prozent Zinsen hat, so
ist klar, daß die Zinsen nicht immer bei null bleiben werden. Diese
minderwertigen Hypotheken wurden dann in Paketen zusammengefaßt; man hat diese
Pakete wie in einem Schneeballsystem an andere Leute weiterverkauft, und
tatsächlich ein gigantisches Ponzi-Schema aufgebaut.
Der ganze Schwindel wurde so aufgeblasen, daß die
ausstehenden Derivate inzwischen 1,4 Billiarden Dollar erreicht haben. Das
gesamte Finanzsystem ist also ein gigantisches Ponzi-Schema mit Billiarden
Dollars ausstehender Derivate.
Warum fallen die Leute auf so etwas herein? Warum wiederholt
sich das immer wieder, obwohl der betrügerische Charakter solcher Geschäfte
immer klar ist? Dahinter steckt die reine Geldgier, und diese Geldgier
verleitet die Menschen dazu, sich imperialen Strukturen zu unterwerfen. Dieses
System hat weltweit wahrscheinlich Tausende zu Milliardären und Hunderttausende
zu Millionären gemacht, während 2-3 Milliarden Menschen ständig am Rand des
Verhungerns leben.
Jeder, der kein völliger Trottel ist, wer moralisch nicht
völlig schweinisch ist, hätte erkennen müssen, daß dieses System nicht immer so
weitergehen konnte. Das muß jetzt aufhören. Dieses System muß weg. Präsident
Obama muß dafür sorgen, daß seine Regierung das einleitet, was Franklin D.
Roosevelt beabsichtigte, bevor er starb und Truman die Regierung übernahm. Er
muß dem Kolonialismus für immer ein Ende setzen. Das neue System muß jedem
Menschen auf diesem Planeten einen anständigen Lebensstandard bieten, und jede
Nation muß ein souveräner Nationalstaat werden, der blühen und gedeihen kann.
Das Wohl der anderen
Dazu brauchen wir den philosophischen Ansatz des Nikolaus
von Kues, des großen Denkers des 15. Jahrhunderts, des Vaters der modernen
Wissenschaft, des Vater des modernen Nationalstaats, der aber auch das
wunderschöne Konzept entwickelte, daß es Konkordanz im Makrokosmos, im
Universum bzw. auf der Erde insgesamt, nur geben kann, wenn sich alle
Mikrokosmen in der besten Weise entwickeln. Das bedeutet, daß es nur dann
Frieden auf der Welt geben kann, wenn alle Nationen sich in gleicher Weise entwickeln
und in der besten Weise für das Wohl der übrigen einsetzen. Das war übrigens
auch die Idee des Westfälischen Friedens: Es wird nur dann Frieden geben, wenn
jedes Land es als sein höchstes Interesse betrachtet, das andere in der
bestmöglichen Weise zu entwickeln.
Wie läßt sich das in der heutigen Lage verwirklichen, wo die
europäischen Staaten, die Vereinigten Staaten, Japan u.a. kollabieren? Es gibt
vielversprechende, aufstrebende Länder, es gibt Länder mit großen Ressourcen,
es gibt Länder, die sehr arm sind, Länder, die nur Wüsten sind, und andere
Länder mit reichen Rohstoffvorkommen. Wie kann man ein gerechtes System künftig
ausbalancieren? Genau darüber Herr LaRouche in seinem Buch Die kommenden 50
Jahre geschrieben.
Das bedeutet, daß wir uns von der Idee des Geldprofits
verabschieden müssen, daß ich heute investiere und morgen einen Profit haben
will. Wir müssen vielmehr eine Welt schaffen, in der jeder Mensch ein
anständiges Leben führen kann, genug zu essen hat, gute Lebensbedingungen hat,
lernen und studieren kann - aber wir brauchen keinen überflüssigen Reichtum!
Wir brauchen keine Milliardäre, wir brauchen nicht einmal Millionäre, denn das
entspricht nicht dem Wesen des Menschen!
Wir brauchen ein vielschichtiges Vertragswerk zwischen den
Nationen der Welt, um für die kommenden ein bis zwei Generationen ein
Gleichgewicht zu schaffen, so daß die Länder, die jetzt rückständig sind,
aufholen können. Es müssen gewisse Investitionen gemacht werden: Wir vergeben
Kreditlinien für die Produktion, so daß die notwendige Infrastruktur und andere
Einrichtungen gebaut werden können. Wenn nach ein oder zwei Generationen die
nötige Kaufkraft entstanden ist, verlangen wir einen Teil der Kredite, die wir
ihnen gegeben haben, zurück. Wir dürfen nicht die jetzige Politik der Weltbank
weiterführen, die im Grunde eine Rückzahlung der Kredite verlangt, bevor eine
Entwicklung überhaupt stattgefunden hat.
Was ist die Quelle des Reichtums?
Wir müssen also die Art, wie wir denken, grundsätzlich
ändern. Die wichtigste Frage, über die wir uns klar werden müssen, ist: Was ist
die Quelle des Reichtums in der Gesellschaft? Wenn wir diese Frage nicht
klären, können wir nicht zu der richtigen Lösung gelangen. Die einzige Quelle
des Reichtums in jeder Gesellschaft ist die Kreativität der Menschen. Denn nur,
wenn wir das kognitive Potential eines Volkes stärken, seine Fähigkeit, immer
wieder neue universelle Prinzipien der Naturwissenschaft und der Kunst zu
entdecken, die zur Anhebung der Produktivität der gesamten Bevölkerung führt,
kommt es wirklich zu einer Verbesserung des Lebensstandards. Wir müssen uns von
der Idee verabschieden, die Quelle des Reichtums sei das „billig Einkaufen,
teuer Verkaufen“. Wir müssen uns von der Idee verabschieden, die Quelle des
Reichtums sei der bloße Besitz von Rohstoffen, von Gas, Öl oder ähnlichen
Dingen. Denn nur dort, wo mehr und mehr Menschen in der Gesellschaft produktiv
tätig sind, so daß sie wirklich menschlich handeln und ihr Potential als
Menschen verwirklichen, liegt die Quelle des Reichtums.
Zu erkennen, daß Kreativität der fundamentale
Unterschied zwischen den Menschen und allen übrigen Lebewesen auf diesem
Planeten ist, ist übrigens auch der Grund dafür, daß LaRouche in der Lage war,
den Kollaps des Systems korrekt zu diagnostizieren. In seinem jüngsten
Internetforum schilderte er, wie er die Krise von 1957 erkannte, die eine Krise
der Konsumgesellschaft war. Aber noch grundsätzlicher hatte er schon etwa 1950
erkannt, daß die statistischen Methoden der Informationstheorie und der Systemanalyse
völlig ungeeignet waren, um die wahren Prozesse in der Wirtschaft zu
beschreiben. Als er den Unsinn sah, den Norbert Wiener und John von Neumann,
die Erfinder der Systemanalyse und der Informationstheorie, produzierten, war
ihm klar, daß diese Art des Denkens, die die Kreativität aus dem Prozeß der
realen Wirtschaft ausschließt, niemals die wahren Wirtschaftsprozesse
beschreiben könnten. Und er stellte dem sein eigenes LaRouche-Riemann-Modell
entgegen.
Die Frage der Kreativität war auch der Grund, warum LaRouche
praktisch ganz allein erkannte, daß die Rock-Drogen-Gegenkultur in den
sechziger Jahren der Beginn des Kollapses des Systems war. Dafür, daß er als
Individuum aufstand und feststellte, daß die Hippiekultur, die Gegenkultur von
Rock, Drogen und Sex die Produktivität der Gesellschaft zerstörte, gebührt ihm
meiner Meinung nach der größte Respekt. Das war nicht leicht. Wenn in der
vorherrschenden Kultur eine Wende eintritt, wo plötzlich Dinge akzeptiert
wurden, die zuvor so nicht geduldet wurden, und die Leute auf einmal sagten:
„Oh, das ist so cool“ - darin eine langfristige zerstörerische Kraft der
Gesellschaft zu erkennen, ist wirklich sehr, sehr wichtig. LaRouche erkannte
auch die systemischen Fehler des nachindustriellen „Umweltschutz“-Paradigmas,
das damals erfunden wurde.
Wir müssen alle diese Paradigmen ändern und zu einer
Gesellschaft zurückkehren, die auf Wissenschaft und Technologie, auf der Suche
nach der Wahrheit, auf der Fähigkeit des menschlichen Geistes, universelle
Prinzipien zu erkennen, beruht. Wir in Europa müssen uns darauf vorbereiten,
mit dem neuen System zusammenzuarbeiten.
Wir müssen zum Europa vor Maastricht zurückkehren. Wir
müssen alle europäischen Verträge kündigen, die von Maastricht, von Amsterdam
und von Nizza, und wir dürfen nicht zulassen, daß der Lissabon-Vertrag je in
Kraft gesetzt wird. Denn der Lissabon-Vertrag, die ganze Idee, aus der
Europäischen Union einen Superstaat zu machen, in dem die nationale
Souveränität aller beteiligten Mitgliedsstaaten faktisch aufgehoben ist, ist
völlig falsch; er beruht auf der Idee, daß sich nur ein europäischer Superstaat
in einer multipolaren Welt gegen die Vereinigten Staaten, gegen China, gegen
Rußland usw. durchsetzen könne. In Wirklichkeit würde der Lissabon-Vertrag
Europa in eine oligarchische Diktatur verwandeln, welche eine militärische
Mission für globale Interventionen unter dem Vorwand von „Menschenrechten“,
„Demokratie“, „humanitären Katastrophen“ usw. hätte.
Statt dessen müssen wir die Verträge von Lissabon, Nizza,
Maastricht und Amsterdam annullieren und zu der gaullistischen Idee eines
„Europas der Vaterländer“, eines Europas souveräner Nationalstaaten,
zurückkehren. Zu einer solchen gemeinsamen Mission müssen wir uns sammeln.
Wie ich schon sagte, der einzige Weg, wie wir aus dieser
Krise herauskommen werden, ist, zu der Idee von Roosevelt zurückzukehren, daß
das Bretton-Woods-System dem Kolonialismus für immer ein Ende zu setzen
versprach.
Europas Mission: Afrika entwickeln!
Eines möchte ich noch hinzufügen. Was wäre für uns in Europa
offensichtlicher, als daß wir es als unsere gemeinsame Mission übernähmen,
Afrika zu entwickeln? Wenn wir die Krise jetzt nicht dazu benutzen, eine
feierliche Verpflichtung einzugehen, den afrikanischen Kontinent zu entwickeln,
wären wir moralisch unfähig, zu überleben. Denn unser Nachbarkontinent stirbt
praktisch vor unserer Haustür! Schauen wir nach Afrika, vor allem an das Horn
von Afrika: In Somalia gibt es keine Regierung mehr! Sie ist von Räuberbanden
und Piraten verdrängt worden, wobei das Piratentum das Symptom des Feudalismus
in einer kollabierten Gesellschaft ist. Das gleiche im Kongo! In den letzten
Jahren wurden im Kongo sechs bis sieben Millionen Menschen getötet. Sehen Sie
nach Simbabwe! Das Britische Empire droht Simbabwe gegenwärtig mit völliger
Zerstörung. Daß in Simbabwe heute Menschen verhungern und daß es dort Epidemien
gibt, hat nichts mit dem Versagen Mugabes zu tun, sondern ausschließlich mit
der Sanktionspolitik des Britischen Empire.
Wenn all das aufhören soll, brauchen wie eine wirkliche
Entwicklung. Und das bedeutet Aufbau der Infrastruktur. Wir müssen den
afrikanischen Nationen helfen, Straßen, Häfen, und Eisenbahnen zu bauen, und
wir sollten uns nicht länger darüber beschweren, daß die Chinesen in Afrika
Einfluß ausüben. Die Chinesen machen vielleicht nicht alles richtig, aber ich
habe mit vielen Afrikanern gesprochen, die gesagt haben: „Wenigstens geben uns
die Chinesen etwas für unsere Rohstoffe.“ Um Rohstoffe aus Afrika zu bekommen,
bauen die Chinesen beispielsweise einen Staudamm im Sudan, anderswo bauen sie
Eisenbahnen. Die Probleme, denen die Chinesen jetzt begegnen, weil sie
kulturell für diese Aufgabe nicht ganz gerüstet sind, ließen sich leicht
abstellen, wenn die Chinesen und die Europäer bei der Entwicklung Afrikas
zusammenarbeiteten!
Ich denke, Afrika braucht dringend Kernenergie. Südafrika
arbeitet derzeit an einem Kraftwerkstyp der vierten Generation, dem inhärent
sicheren Hochtemperaturreaktor. Afrika braucht Hilfe, damit jede Nation Afrikas
Zugang zur Kernkraft bekommt.
Eigentlich müssen wir zu den Ideen von Leibniz zurückkehren.
Denn schon Leibniz dachte, daß es Europas Mission sein sollte, Afrika zu
entwickeln. Zu diesem Paradigma können wir nur zurückkehren, wenn wir die ganze
Kultur der letzten 40 Jahre vergessen. Alles, was mit der Globalisierung
verbunden war - die „Ellbogen-Gesellschaft“, die Orientierung am Geld, um
schnell reich zu werden - müssen wir aus dem Fenster werfen. Wir sind
herausgefordert, zu den besten Traditionen Europas zurückzukehren. Wir müssen
die Periode der klassischen Griechen wiederbeleben. Wir müssen die italienische
Renaissance wiederbeleben. In Frankreich müssen wir die Ideen Ludwigs des XI.,
Jeanne d’Arcs, der Ecole Polytechnique und anderer großer Perioden wiederbeleben,
in denen Frankreich einzigartige Beiträge zur menschlichen Zivilisation
leistete. Wenn es Deutschland nicht gelingt, sich wieder an der deutschen
Klassik zu orientieren, wird Deutschland es nicht schaffen. Wenn wir nicht zu
den Höhepunkten unserer Kultur zurückkehren, dann werden sich bald der Kölner
Dom und die Kathedrale von Chartres in einem Museum in der Mongolei
wiederfinden - als Fossilien einer Kultur, die nicht überlebt hat.
Weil ich das nicht möchte, sollten wir uns zusammenreißen
und in der kommenden Zeit eine wirklich konstruktive Rolle übernehmen. Wir
befinden uns jetzt in der größten Krise der menschlichen Zivilisation. Wir
haben es nicht nur mit einer Finanzkrise zu tun, einer Krise der Wirtschaft,
einer moralischen Krise, sondern mit einem Zusammenbruch der Zivilisation.
Aber wir haben das Glück, jemanden zu haben, der all das
sehr detailliert studiert und auch viele der Lösungen erarbeitet hat, nämlich
meinen lieben Ehemann, Lyndon LaRouche. Wenn Sie etwas tun wollen, um die
Zukunft zu retten, dann helfen Sie uns, die Lüge aus der Welt zu schaffen, daß
diese Krise nicht vorhersehbar gewesen sei, denn in einer Krise wie dieser
wollen wir es nicht mit Scharlatanen und Hohlköpfen zu tun haben, die diese
Krise noch vor zwei Monaten nicht haben kommen sehen. Wir wollen jene Leute an
der Spitze sehen, die wußten, warum diese Krise kommen mußte, und wir wollen
auf jene hören, die uns schon vor langer Zeit die Lösungen genannt haben.
Vielen Dank.