Piraterie am Horn von Afrika im Interesse des Empire
(Dezember 2008) Die von Somalia ausgehende Piraterie ist im Kern eine
durchorganisierte Operation des Britischen Empire. Die Angriffe auf Schiffe im
Indischen Ozean und Golf von Aden treiben die Preise hoch und bedrohen den
durch die Finanzkrise bereits angeschlagenen Welthandel. Die meisten gekaperten
Schiffe werden an der Küste von Puntland, der ärmsten Region Somalias,
festgehalten, bis die Lösegeldverhandlungen abgeschlossen sind, und dann wieder
freigelassen.
Mehr als ein Dutzend Schiffe werden gegenwärtig
festgehalten, und die Piraten haben in diesem Jahr schon 30 Mio. $ Umsatz
erzielt. Das Geld wird benutzt, um Waffen für die regionalen Kriegsherren zu
kaufen. Nach Angaben des Versicherers Lloyds könnten die Entführungen auf See den
Reedern zusätzliche Versicherungskosten von 400 Mio. $ aufbürden. Mehr als 30%
des weltweit gelieferten Erdöls wird durch den Golf von Aden transportiert,
besonders betroffen sind Europa, China und Indien.
Die Piraten sind hoch gerüstet, sie verfügen über
Mutterschiffe, von denen Schnellboote ausgeschickt werden können, um ein Schiff
zu kapern. Dadurch wird das Operationsfeld enorm ausgeweitet: Bisher war es nur
der Golf von Aden und die Straße von Suez, jetzt ist es der gesamte Indische
Ozean. Kürzlich wurde ein saudischer Supertanker mit Öl im Wert von 100 Mio. $
mehrere hundert Seemeilen vor der Küste Tansanias aufgebracht.
Die Piraten sind mit Navigationssystemen ausgerüstet, und
sie erhalten offensichtlich Daten über die Routen der Schiffe, denen sie sich
dann nachts mit Überraschungsangriffen nähern. Sie benutzen dabei von Raketen
getriebene Enterhaken. Bereits neun Nationen haben Schiffe in den Indischen
Ozean entsandt, um die Piraten zu bekämpfen, aber angesichts der großen
Entfernungen sind sie bisher wenig erfolgreich.
Einen interessanten Einblick in die Rolle Londons lieferte
das Nachrichtenmagazin Der Spiegel vom 24.11. Nach Aussagen von Roger
Middleton von Chatham House muß die Firma, deren Schiff gekapert wurde, das
Lösegeld bar auszahlen, „danach wird das Geld normalerweise nach Mombasa oder
in den Jemen gebracht. Dort übernehmen es Sicherheitsprofis. Sie laden die
Millionen auf kleine Boote oder Schlepper, fahren zum entführten Schiff, gehen
längsseits und übergeben die Säcke.
Oft wandert das Geld auch durch die Hände mehrerer
Vermittler. ‚London hat viel damit zu tun’, sagt ein Sicherheitsexperte des
Internationalen Instituts für Strategische Studien in London. ‚Einige
Anwaltskanzleien haben sich darauf spezialisiert’, weiß auch der Besitzer eines
spanischen Frachttrawlers, der sein Schiff freikaufen mußte. ‚Und manchmal
fragt man sich, ob die Piraten tatsächlich in Somalia oder in London sitzen.’“
Die meisten Entführungen haben vor der Küste Somalias
stattgefunden. Sachkundigen Quellen zufolge operieren diese Netzwerke aber
nicht vom Jemen oder Somalia aus, sondern aus den Vereinigten Arabischen
Emiraten (VAE). In einem Bericht des Royal Institute of Foreign Affairs heißt
es, da Jemens Staatschef seit über 30 Jahren im Amt sei, werde der Streit um
die Nachfolge das verarmte Land erschüttern. „Das könnte zu Instabilität führen
und eine ‚rechtsfreie Zone’ schaffen, die sich von Nordkenia über Somalia und
den Golf von Aden bis nach Saudi-Arabien erstreckt. Piraterie, organisiertes
Verbrechen und gewalttätiger Dschihad könnten eskalieren und sich auf die
Sicherheit der Schiffswege, den Transit von Öl durch den Suezkanal und die
innere Sicherheit von Jemens Nachbarn auswirken.“
Somalia ist als Staat völlig unregierbar geworden, als Folge
der eskalierenden bewaffneten Konflikte und der Dürre in den zentralen und
südlichen Landesteilen sind Hunderttausende Menschen vom Hungertod bedroht. |