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  Oktober 2004 Konferenz 2004

Graf Széchenyi und Kardinal Mindszenty

Auf der diesjährigen Konferenz des Schiller-Instituts sprach der Ungar Dr. Tibor Kováts über zwei bedeutende Persönlichkeiten, deren Wirkung weit über die Grenzen des Landes hinausreicht.

Ich grüße Sie aus Ungarn, wo wir ungarisch sprechen ... So wie man eben in Frankreich gerne französisch spricht. Hier in Deutschland, in der Heimat Goethes und Schillers, werde ich als Ungar Deutsch sprechen.

Viele Freunde habe ich seit nun fast 15 Jahren, in denen wir zusammenarbeiten konnten, beim Schiller-Institut. Zum 20jährigen Jubiläum des Schiller-Instituts möchte ich besonders herzlich unsere Helga und Lyn begrüßen; und die anderen Mitarbeiter, die ich schon lange Zeit kenne, die gute Freunde Ungarns und des ungarischen Schiller-Kreises sind.

Erlauben Sie mir, mich dafür zu bedanken, daß ich seit 1991 bei Ihnen immer ein offenes Forum hatte, und Ihr freundschaftliches Mitgefühl für das "neue Ungarn", welches heute Mitglied der Europäischen Union ist, für die "nächsten 120 Jahre" gewinnen kann.

Ich möchte jetzt ganz kurz über zwei Menschen berichten, die unserem Land und Europa zum Vorbild dienen mögen: über den berühmten Grafen Stephan Széchenyi und unseren ersten Freiheitskrieg 1848, sowie über den weltbekannten Kardinal Mindszenty, einen Zeitgenossen meiner Generation und Mitkämpfer im zweiten Freiheitskrieg 1956.

Unsere internationale Konferenz hat zum Thema "Ein Wendepunkt in der Geschichte". Der Wendepunkt in unserem Leben ist der Eintritt in die EU, in deren Vorzimmer wir schon seit 1000 Jahren sitzen. Ungarns erster christlicher König Sankt Stephan mit seiner bayerischen Frau Gisela, die in Passau begraben ist, waren die Europapolitiker von damals. Europas Zusammenarbeit auf christlichem Fundament war ihre Zukunftsvision. Warum habe ich Graf Széchenyi und Kardinal Mindszenty erwähnt? Sie waren unsere beiden letzten Märtyrer, die Ungarn im Bereich der Wirtschaft, Kultur und Technik entwickeln wollten, was besonders von Széchenyi vorbereitet wurde. Mindszenty verkündete der Welt, daß Leben und Arbeit sowie die Sorge für die Familie vom christlichen Geist geprägt sein müssen.

Bereits 1830 engagierte sich Graf Széchenyi für den wirtschaftlichen Aufschwung Ungarns. Er brachte seine Erfahrungen, die er auf Reisen in den Westen gemacht hat, bezüglich landwirtschaftlicher Anbaumethoden als auch einer Sozialreform ein. Er gründete Walzenmühlen, die erste Handelsbank, verbesserte den Weinbau und die Pferdezucht und führte, wie er sie in England kennengelernt hat, Pferderennen ein. Außerdem ließ er die ersten Maulbeerbäume in Europa pflanzen, die zur Seidenraupenzucht gebraucht wurden. Die wichtigsten und größten Projekte aber waren die Regulierung von Donau und Theiß, der Bau der Kettenbrücke in Budapest, die die beiden Teile der Stadt verband und den ersten Tunnel unter dem Burgberg. 1848/49 wurde der ungarische Freiheitskrieg niedergeschlagen. Die Monarchie schlug zurück und führte bei Széchenyi Hausdurchsuchungen durch, wandte sogar Gewalt an und drohte ihm, ihn in einer Zwangsjacke in die Irrenanstalt von Döbling einzuweisen. Széchenyi konnte dies seelisch nicht verkraften. So beging dieser Mann, der als "der größte Ungar" in die Geschichte seines Landes einging, in der Nacht zum 8. April 1860 Selbstmord durch Erschießen.

150 Jahre später hat die konservativ-bürgerliche Regierung unter Viktor Orbán einen Wirtschaftsplan durchgeführt, den sie "Széchenyi-Plan" nannte. Ist das eine Rehabilitierung für Széchenyi, der immer für die Wirtschaftsentwicklung seiner Heimat kämpfte? Ja, so ist es oft im Leben, auch in der Politik: Was die Großväter nicht beenden konnten, wird von den Enkeln vollendet. "Kommt Zeit - kommt Rat", sagt das Sprichwort.

Jetzt möchte ich noch kurz etwas zum Leben unseres zweiten Märtyrers Kardinal Mindszenty sagen. Er lebte mit uns zusammen für viele Jahre im sowjetischen Gefängnis. Viele haben, auch im Westen, darüber gelesen, was wir in Ungarn unter der bolschewistischen Diktatur ertragen mußten. Wir aber haben es erlebt. Mindszenty stand an vorderster Front, um sich gegen den atheistischen Druck gegen die Kirche, Schulen, die Jugend sowie gegen christliche Orden und Organisationen zur Wehr zu setzen.

Viele sagten, daß der Kampf umsonst war, aber daß wir heute noch Glocken und Fahnen in den Kirchen haben und die Kinder noch Jesus Christus kennen, verdanken wir im wesentlichen Mindszenty. Er war ein Signal des Papstes, und obwohl man ihn seiner Freiheit beraubte, war er ein Freiheitskämpfer, Vorbild und Mahner nicht nur für Ungarn, sondern für das ganze christliche Europa.

Wir dürfen auch nicht vergessen, daß Ungarn ein Bollwerk Europas gegen viele Angriffe, u.a. durch die Mongolen, Türken und in der jüngeren Geschichte die Sowjetunion, aus dem Osten war. Széchenyi und Mindszenty gehören durch ihre wirtschaftlichen und christlichen Freiheitskämpfe zur europäischen Geschichte. An dieser Stelle muß ich noch einmal bestätigen, daß ich diese freiheitlichen Ideen nur im Schiller-Forum äußern kann. Vielen Dank für die "Kulturhilfe".

Zum Schluß möchte ich die Mitarbeiter des Schiller-Instituts, die Sänger und Musiker im Jubiläumsjahr mit einem Schiller-Zitat aus dem "Triumphbogen" grüßen:

"Fürchte nicht, sagt der Meister,
des Himmels Bogen, ich stelle Dich
unendlich wie ihn in die Unendlichkeit hin."
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