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  Oktober 2004 Konferenz 2004

Gemeinsam für ein Neues Bretton Woods

Von Dr. Stanislaw Fischer

Dr. Stanislaw Fischer hielt die folgende Rede am 25. September 2004 auf der Jahreskonferenz des Schiller-Instituts. Dr. Fischer sitzt als Abgeordneter der Kommunistischen Partei von Böhmen und Mähren im tschechischen Parlament und war zuvor 30 Jahre lang in der Weltraumforschung tätig.

Ich danke dem Schiller-Institut und den Organisatoren dieser Konferenz, die es mir ermöglicht haben, hier zu sprechen. Noch vor zehn Tagen wußte ich nicht, ob ich überhaupt würde kommen können, denn ich bin gerade erst in das tschechische Parlament eingetreten. Nach zwei Jahren Unterbrechung wurde ich vor vier Wochen wieder Abgeordneter, als ein Kollege ins Europaparlament gewählt wurde und ich ihn im Prager Parlament ersetzte. Aus diesen Gründen konnte ich keine schriftliche Rede vorbereiten. Deshalb werde ich meine Gedanken frei vortragen (bitte entschuldigen Sie, wenn mein Englisch nicht das beste ist).

In den 30 Jahren, in denen ich wissenschaftlich tätig war, beschäftigte ich mich mit kosmischen Strahlen, bereitete Weltraumexperimente vor und ähnliches. Als ich 1998 mit 62 Jahren reif für den Ruhestand war, wurde ich ins tschechische Parlament gewählt. Ich bin also ein verhältnismäßiger Neuling im Parlament wie in der Politik.

Ich möchte hier nicht die Lage in der Tschechischen Republik beschreiben, denn sie ist ganz ähnlich wie in Deutschland und den anderen Ländern der Europäischen Union: Es gibt immer mehr Arbeitslosigkeit, immer mehr Schulden usw. Diese Probleme kennen Sie alle sehr gut. Und ich möchte auch nicht über Wirtschaft sprechen, weil ich glaube, daß die meisten der hier Anwesenden bessere Wirtschaftswissenschaftler sind als ich.

Ich möchte lieber ein paar Worte dazu sagen, warum ich hier bin und welche Bedeutung diese Konferenz hat. Vor etwa vier Jahren erhielt ich eine E-Mail vom Schiller-Institut. Sie war an unser Parlament gerichtet und enthielt eine Resolution, in der Ideen der LaRouche-Bewegung [zur notwendigen Neuordnung des Weltfinanzsystems] dargelegt wurden. (Die Resolution bezog sich auf eine vom italienischen Parlament verabschiedete Initiative für ein "Neues Bretton Woods", Anm. d. Red.) Ich übersetzte sie ins Tschechische und stellte sie bei der nächsten Versammlung der kommunistischen Parlamentsfraktion vor. Unsere Fraktion umfaßte damals 24 der insgesamt 200 Abgeordneten, und wir nahmen diese Resolution an. Als kommunistische Fraktion im tschechischen Parlament unterstützten wir öffentlich die darin enthaltenen Ideen.

Es sieht vielleicht ungewöhnlich aus. Denn als ich die Namen derer las, die diese Resolution schon unterzeichnet hatten, fiel mir auf, daß die meisten Italiener waren, und als ich nachforschte, von welchen Parteien diese italienischen Senatoren und Abgeordneten kamen, stellte ich zu meiner großen Überraschung fest, daß die meisten von ihnen, wenn nicht sogar alle, rechte Politiker waren. Und sie wurden von Kommunisten in unserem Land unterstützt. Ist das nicht ungewöhnlich?

Später nahm ich dann - es ist jetzt drei Jahre her - an der Konferenz des Schiller-Instituts in Bad Schwalbach teil. Ich begann aktiv zu werden und organisierte in Prag zwei Treffen mit Vertretern des Schiller-Instituts. Und das ist auch der Grund, warum ich jetzt hier bin. Ich meine, wir sollten unsere Kräfte vereinen. Wir sollten es versuchen.

Um die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Europa und auf der ganzen Welt zu meistern, sollten wir versuchen, zwischen all den verschiedenen politischen Gruppen in unseren Parlamenten, in der Gesellschaft und in unseren Staaten zu einer Übereinstimmung zu gelangen. Wir sollten versuchen, uns zu einigen, und dann mit gemeinsamen Aktivitäten beginnen.

Das ist nicht leicht. Dazu ein Beispiel: Sie haben gerade eben die Rede von Dr. Cárnogurskì gehört. Er ist ein rechter Politiker aus der ehemaligen Tschechoslowakei. Ich bin ein linker Politiker. Er ist aus der Slowakei, ich bin aus Tschechien. Und wir würden wohl kaum in Prag oder in Bratislava zusammentreffen und miteinander reden. Mit vielem, was er gesagt hat, stimme ich nicht überein, aber einiges davon kann ich unterstützen. Und ich möchte mich gerne mit ihm unterhalten, wenn er einverstanden ist. Ich kann ihm auch im Vertrauen sagen, daß ich in den drei Jahren der sog. "Normalisierung" nach der Besetzung der Tschechoslowakei aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen wurde, nachdem ich zehn Jahre lang dort angestellt war. Ich könnte sogar versuchen, Slowakisch zu sprechen.

Ich denke, dies ist ein Beispiel dafür, wie Politiker verschiedener Parteien sich zusammensetzen und versuchen können, Gesetze zu schaffen oder sich auf Gesetze zu einigen, mit denen wir unsere Wirtschaft und unsere gemeinsamen Vorhaben verbessern und für eine bessere Zukunft arbeiten können. Und ich denke, daß das in Zukunft möglich sein wird, weil wir in Europa und weltweit die Zeit der [ideologisch-gewaltsamen] Revolutionen hinter uns gelassen haben.

Und noch ein Beispiel: In unserem Parlament waren wir in der vergangenen Woche sehr beschäftigt. Wir hatten nahezu eine Pattsituation zwischen der Regierungskoalition und der Opposition. Unsere Regierungskoalition ist sehr merkwürdig. Sie setzt sich zusammen aus Sozialdemokraten, zentristischen bis nahezu linken Parteien und zwei rechten Parteien: den Christdemokraten und der Freiheitsunion (Demokratische Union), eine sehr schwache Partei, die jetzt so gut wie alle Unterstützung verloren hat. Die Regierungskoalition verfügt im Parlament über 101 Stimmen. Die Koalition der Opposition ist genauso merkwürdig, denn sie besteht aus der ganz rechten Bürgerlichen Demokratischen Partei und den Kommunisten.

Und gerade gestern gab es einen interessanten Fall, wie er sich jetzt öfters ereignet: Um die Regierungskoalition zu überstimmen, stimmen diese rechten und linken Abgeordneten zusammen gegen von der Regierung vorgelegte Gesetze. Gestern handelte es sich dabei um eine wichtige Sache; es ging darum, Präsident Klaus' Veto gegen das europäische Auslieferungsgesetz umzustoßen. Wieder einmal hatte das Regierungsbündnis nicht alle seine 101 Stimmen zusammen, weil einige Abgeordnete krank waren u.ä. Und auch in unserer Partei waren wir uns nicht ganz einig, ob wir dem Gesetz zustimmen oder es ablehnen sollten. Zwei von uns unterstützten die Koalition. Und auf diese Weise geschah es, daß die Koalition mit Hilfe der Kommunisten das europäische Auslieferungsgesetz bestätigte.

So denke ich, daß wir auch in vielen anderen Fragen zu einer Übereinstimmung kommen können. Und ich hoffe, daß die Zukunft besser sein wird als die Gegenwart.


Jonathan Tennenbaum, der die Sitzung moderierte, verkündete anschließend: Dr. Cárnogurskì habe Dr. Fischers Vorschlag zu einem Treffen zugestimmt, "unter der Bedingung, daß dabei ein gutes Bier kredenzt werde". (Und so wurde es dann auch gemacht.)

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