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  Dezember 2003 Journal (Texte)

Die folgende Schrift des amerikanischen Präsidentschaftsbewerbers Lyndon LaRouche erschien am 28. November 2003 und wird weltweit auf Flugblättern und im Internet verbreitet.

Die irakische Verfassung wiederherstellen

Da die anderen Präsidentschaftskandidaten hinsichtlich der Beendigung des militärischen Engagements der USA im Irak immer noch nicht weiterwissen, sehe ich mich veranlaßt, die folgende Stellungnahme abzugeben. Sie soll ihnen helfen, diesen hilflosen Geisteszustand zu klären, den man bislang bei fast allen von ihnen in dieser Angelegenheit öffentlich feststellt; zugleich sollen Präsident George W. Bush einige Möglichkeiten angedeutet werden, wie er sich aus dem Sumpf befreien kann, in den Vizepräsident Dick Cheneys barbarische, verfassungswidrige und betrügerische Eingriffe die USA und ihre Streitkräfte hineingezogen haben.

A. Mein Vorschlag

Ich schlage vor, daß die USA umgehend drei klare Schritte zu einem Rückzug aus der heute unhaltbaren und sich ständig verschlechternden Lage im Irak und im ganzen Mittleren Osten ergreifen.

1. Der Präsident der USA erklärt seine Absicht, die militärische Besetzung des Irak zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beenden; der UN-Sicherheitsrat wird darüber informiert, daß die USA wieder über die schnellstmögliche Wiederherstellung der Souveränität des Irak über seine Angelegenheiten verhandeln wollen und die Hilfe des UN-Sicherheitsrats für ein Zustandekommen dieses gewünschten Zustandes erbitten.

2. Der absurde Versuch, eine neue Verfassung für den Irak zu entwerfen, wird aufgegeben. Es wird alles getan, um die hervorragende, historisch gewachsene Verfassung dieser Nation wiederherzustellen, auf deren Grundlage dann so bald wie möglich eine Übergangsregierung gebildet wird. Neumodischer Schnickschnack -- noch dazu befleckt durch die lauernde Anwesenheit des berüchtigten Tschalabi -- wird keinen Frieden bringen, sondern nur einen endlosen asymmetrischen Krieg nähren und zahllose sinnlose Todesopfer unter den amerikanischen Streitkräften kosten, die nur noch lebende Zielscheiben in einem auf unabsehbare Zeit täglich geöffneten Schießstand sind.

3. Der international hochangesehene Tarik Aziz muß umgehend aus der Haft entlassen werden, damit er seinen offenkundigen Einfluß als Repräsentant des ökumenischen Geistes der irakischen Verfassungssouveränität ausüben kann.

B. Die derzeitige Lage der USA im Irak

Die Hoffnung, die jüngste Eskalation zu einem von der Bevölkerung gestützten asymmetrischen Krieg zu vermeiden, zerstob mit dem Befehl, die Zusammenarbeit mit dem irakischen Militär beim dringend notwendigen Wiederaufbau des Landes einzustellen. Mit ihrem kostspieligen Versuch, den Beitrag des irakischen Militärs zu Stabilität und Pionierarbeiten durch Zigmilliarden Dollar in den Taschen der Unternehmerfreunde von George Shultz und Vizepräsident Cheney zu ersetzen -- hinzu kommt das ständige Liebäugeln mit dem berüchtigten Tschalabi --, hat die amerikanische Regierung jegliche Erfolgsaussichten der Paul Bremer zugedachten Mission zunichte gemacht.

Weil sie ihrer Verpflichtung als Besatzungsmacht für den erfolgreichen Wiederaufbau der eroberten Nation nicht nachkommen, haben die USA nunmehr durch eigenes schweres Verschulden jegliche Glaubwürdigkeit bei der Leitung der inneren Angelegenheiten der besetzten Nation verloren. Indem man aus der Besetzung des Iraks einen Selbstbedienungsladen für Kriegsgewinnler machte, die sich im amerikanischen Finanzministerium und im Irak bedienen, erregt die Rolle der USA unter Vizepräsident Cheneys allgegenwärtigem Einfluß nicht mehr bloß Bedauern, sondern Brechreiz.

Infolge der Politik, die der machtgierige Vizepräsident Cheney der Regierung Bush aufgezwungen hat, wurde der Haß auf die USA zur einigenden Kraft für eine asymmetrische Kriegführung -- nicht nur im Irak, sondern in der ganzen Region. Nichts hat zum beschleunigten Wiedererstarken des Terrorismus in der Region mehr beigetragen als die Tollheiten, die in dieser immer schlimmeren Lage aus Cheneys übermächtigem Einfluß erwachsen. Die Lage heute ist im Prinzip weit schlimmer als die Narrheiten der USA im Indochinakrieg von 1964-72. Wir müssen daher die aussichtslose Rolle der amerikanischen Streitkräfte als lebende Zielscheiben dieses wachsenden Hasses beenden. Wir müssen raus aus dem Irak, und zwar sofort!

Alles spricht dafür, daß, wäre ich heute Präsident der USA, die Völker der arabischen Welt einem vernünftigen Vorschlag der USA vertrauen würden. Leider bin ich noch nicht Präsident. Unter der von Cheney vergifteten jetzigen Administration oder unter irgendeinem meiner demokratischen Mitbewerber gibt es keine Chance, daß die amerikanische Regierung ihre Position als Besatzungsmacht halten könnte. Da ein amerikanischer Präsident mit den erforderlichen Qualifikationen fehlt, müssen wir abziehen und die Sache dem UN-Sicherheitsrat übergeben, nachdem die jetzige Regierung und der Vorstand der Demokratischen Partei so schmählich versagt haben.

Dabei muß man die folgende Lageeinschätzung berücksichtigen.

In diesem jüngsten amerikanischen Irakkrieg haben sich die irakischen Streitkräfte an einem bestimmten Punkt plötzlich auf den Schlachtfeldern in Luft aufgelöst und als nationale Miliz in Zivil in Wartestellung begeben. Als die US-Regierung diese Miliz nicht mehr in angemessener Weise als Kraft für den Wiederaufbau des kriegsgeschüttelten Landes einbezogen, trieb sie diese Soldaten dazu, als Kern einer Widerstandsbewegung im asymmetrischen Krieg gegen die amerikanische Besatzungsmacht und alle mit ihr zusammenarbeitenden Stellen vorzugehen.

Als Einführung in die Komplikationen, in die das amerikanische Militär mit der unseligen Besetzung des Irak geraten ist, sollten amerikanische Fachleute die Lehren aus dem jugoslawischen Widerstand gegen die Nazi-Besatzung untersuchen. Der immer noch wankelmütige und ausweichende General Wesley Clark, aber auch beispielsweise Madeleine Albright gehören zu denen, die diese Lektion noch nicht gelernt haben.

Als Folge davon stehen unserer Besatzung nicht nur die Millionen ausgebildeten irakischen Reservisten, sondern auch ein wachsendes Heer von Freiwilligen aus anderen Ländern gegenüber -- so daß der machthungrige "amtierende Präsident" Dick Cheney heute die hauptsächliche Ursache für den wachsenden Terrorismus in Westasien und darüber hinaus ist.

C. Die bestehende Verfassung des Irak

Die moderne irakische Nation entstand aus ihrem Volkskampf gegen wiederholte britische imperiale Besatzung. Die in diesen aufeinanderfolgenden Kriegen gegen imperiale Besatzung geschmiedete Einheit wurde zur Grundlage der noch bestehenden irakischen Verfassung. Die amerikanischen Kongreßabgeordneten und andere sollten diese Verfassung einmal lesen, und dazu sinnvoll zusammengefaßte Darstellungen der Widerstandskriege, die das irakische Volk dazu anregten, ihre Nation um eine solche Verfassung herum zu einen.

Die gegenwärtige Neigung einer von Cheney vergifteten amerikanischen Regierung, die irakische Nation in mehrere armselige, verfeindete Ministaaten aufzuspalten, kann nur die Wirkung haben, in der ganzen Region und darüber hinaus langanhaltenden Haß und Widerwillen gegenüber den USA zu schüren. Wir erleben dies heute ohnehin schon in der sich dauernd weiter verschlechternden Lage, die aus den Taten der Mörder des israelischen Ministerpräsidenten Rabin und deren Tolerierung entstanden ist.

Die Verfassung einer Nation hat nur so viel Geltung, wie in der Geschichte des Kampfes, aus dem sie hervorging, begründet liegt. Diese Geltung muß ständig neu bekräftigt werden, indem man in der breiten Bevölkerung, einschließlich der ärmsten Schichten, immer wieder neu die wesentlichen Prinzipien hinter dieser Verfassung bekräftigt. So hat beispielsweise früher, als die Vereinigten Staaten noch eine nationale Miliz und allgemeine Wehrpflicht hatten, dieses Verhältnis die gegenseitigen Bindungen zwischen den Verfassungsbestimmungen und der allgemeinen Bevölkerung bestätigt und gestärkt.

Eine lebensfähige Verfassung einer modernen nationalstaatlichen Republik ist kein Geschäftsvertrag, den skrupellose Anwaltskanzleien im Auftrag gieriger Finanziers aufsetzen, sondern sie muß -- so wie die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 und Verfassung -- eine Bekräftigung universeller naturrechtlicher Prinzipien sein. Der Irak besitzt eine solche Verfassung, geschmiedet im Kampf gegen Unterdrückung und durch die Suche nach der Einheit gemeinsamer Interessen unter den Gemeinschaften, aus denen sich die kämpfende Nation zusammensetzte.

Die Nöte dieser Verfassung bis zum Ausbruch des jüngsten Krieges der USA im Irak bestanden nicht nur darin, daß Kräfte innerhalb des Irak die staatliche Macht für sich vereinnahmten, sondern auch in der Einmischung ausländischer Mächte in die Angelegenheiten nicht nur des Irak, sondern der ganzen Region. Heute, seit dem 11. September 2001, haben in den USA Kräfte im Kongreß, in den Parteien und in der Regierung die Krisenstimmung ausgenutzt, um unter dem mißbrauchten Namen des "Notstands" wesentliche Teile unserer eigenen Verfassung zu unterhöhlen und praktisch aufzuheben. Wie konnte man zulassen, daß eine solche Regierung und solche Parteifraktionen sich pharisäerhaft selbstgerecht über die kürzlich gestürzte Regierung des Irak stellen. Der ganzen Welt wird übel, wenn sie diese Heuchelei des amtlichen Amerikas sieht.

Heute steht der Irak bezüglich der Verfassung vor ähnlichen Herausforderungen wie denen, unter denen seine gegenwärtige hervorragende Verfassung entstanden ist. Deshalb wäre es höchst töricht von der amerikanischen Regierung, zu versuchen -- wie jetzt der Fall ist --, etwas zu reparieren, was gar nicht kaputt ist, d.h. eine durch die Geschichte geschmiedete echte Verfassung durch einen von schmierigen Rechtsanwälten aufgesetzten Vertrag zu ersetzen. Nichts ist der jetzigen Lage im Irak besser angemessen als diese hervorragende Verfassung. Das sollte die Haltung der Regierung der Vereinigten Staaten sein.

Bis dahin ist das Patriotischste, was man tun kann, die eigene Regierung anzuprangern, um sie aus einer selbstzerstörerischen Politik zu befreien. Wir dürfen keine Angst vor Schurken haben, die wie Vizepräsident Cheney und seine rechte Hand Lewis Libby ihre Schandtaten in den Mantel eines falschen "Patriotismus" hüllen.


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