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  November 2003 Journal (Texte)

Zehn Jahre Schillerfeste und Dichterpflänzchen

Geburtstag. Die Wiesbadener "Dichterpflänzchen" sind heute eine Institution für die anspruchsvolle und aktuelle Beschäftigung mit Schiller und anderen klassischen Dichtern.

Der Poesiekreis im Schiller-Institut, "Die Dichterpflänzchen", entstand im Januar 1993. Etwa zehn Poesiefreunde fanden sich zu regelmäßigen Treffen zusammen, um sich in der Freizeit mit klassischer Dichtung zu beschäftigen und an der lebendigen Darstellung dieser Werke zu arbeiten. Im November 1994 stellten die Dichterpflänzchen in Wiesbaden ihr erstes Rezitationsprogramm zu Schillers Geburtstag vor - eine bunte Mischung aus Gedichten, Musik und Szenen aus den Räubern. Im Anschluß feierte man den Geburtstag bei Speis' und Trank weiter (eine Tradition, die bis heute andauert).

Der Zuspruch des Publikums wuchs ständig. Beim Schillerfest 1995 hielt Elisabeth Hellenbroich vor 80 begeisterten Zuhörern einen Festvortrag über "Eine kulturelle Renaissance". 1996 versammelten sich zur Geburtstagsfeier im Biebricher Schloß zu Wiesbaden 140 Besucher - viele davon "Fans", welche die Dichterpflänzchen durch zahlreiche kleine und größere Rezitationsveranstaltungen gewonnen hatten. Die Vorsitzende des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, hielt die Festrede (Ibykus Nr. 57/1996, "Die Liebe zum Schönen"), dann folgten klassische Lieder und ein "poetischer Reigen" aus Gedichten, Briefen und Dramen Schillers.

1997 gab es zwei Neuerungen: Erstmals fand zusätzlich zum Wiesbadener Schillerfest ein zweites in Mainz statt, und erstmals war das Programm inhaltlich "durchkomponiert". Es berichtete vom freundschaftlichen Arbeitsbund zwischen Goethe und Schiller im berühmten "Balladenjahr" 1797. Die Balladen wurden vorgetragen, und Zitate aus Briefen - von Schiller, Goethe, Theodor Körner und Wilhelm von Humboldt - ließen die Hörer miterleben, wie sie entstanden. Das Fest 1998 "Friede sei ihr erst' Geläute" war dem Lied von der Glocke gewidmet.

Die Entwicklung hin zur Ideenwelt Friedrich Schillers stand für die Arbeit der Dichterpflänzchen mehr und mehr im Mittelpunkt. Das Programm 1999 "Wie groß wird da der Mensch, wie klein das Schicksal!" war eine Antwort auf die Kriegsgefahr im Balkan und im Kaukasus und auf die kulturelle und wirtschaftliche Krise. Die Verzagtheit ist die falsche Antwort! Anhand von Gedichten, Auszügen aus philosophischen Schriften und den Dramen Don Carlos und Die Jungfrau von Orleans wurden Menschen gezeigt, die eine schier ausweglose Situation durch Vernunft und Tatkraft meistern.

Auch die Nacht des Jahrtausendwechsels 1999-2000 wurde mit einem großen Kulturfest gefeiert. Die Schillerfeste 2000 befaßten sich dann mit der "Bestimmung des Menschen". Neben dem jungen Schiller kamen seine geistigen Vorgänger Gotthold Ephraim Lessing und Moses Mendelssohn in einer fiktiven Diskussionsrunde auf der Bühne zu Wort und präsentierten u.a. Texte aus Nathan der Weise.

Das Programm 2001 "Das Ideal und das Leben" galt ganz Schillers theoretischer Schrift Über das Erhabene, durch die Gedichte, Musik und Szenen aus der Wallenstein-Tragödie führten. Der drohende Irakkrieg bestimmte das Schillerfest 2002: Mit "Kassandra trifft Iphigenie" unternahmen die Dichterpflänzchen einen Ausflug in die Antike zu Solon, Äschylos und Euripides. Das Aufeinandertreffen der Troerin Kassandra und der Griechin Iphigenie personifizierte das Thema in ansprechender Weise und stellte den Bezug zur Gegenwart her.

Obwohl oder vielleicht gerade weil sie inhaltlich hohe Anforderungen an das Publikum stellten, finden die Schillerfeste großen Anklang. Viele der Besucher kommen seit den Anfängen der Dichterpflänzchen zu den Rezitationsveranstaltungen und sind mit ihnen gewachsen und immer wieder gespannt, Neues zu erfahren. Die Texte der Schillerfeste von 1997 bis 2003 finden Sie auf dieser Site im Kapitel Friedrich Schiller im Abschnitt Schiller-Feste.

Aber die "Poesiearbeit" der Dichterpflänzchen umfaßt noch mehr. So führten sie in Dalsheim das Programm "Dichter können wirklich zaubern" unter Mitwirkung vieler Kinder zwischen 10 und 14 Jahren auf. Mit Sonderveranstaltungen unterstützen sie seit 1996 die Wahlkämpfe der BüSo in Baden-Württemberg und Hessen.

Ein Schwerpunkt der letzten Jahre war der Dialog der Kulturen. Es entstanden die Rezitationsprogramme "Der West-Östliche Divan", der den Dialog zwischen Goethe und dem persischen Dichter Hafis widerspiegelt, und "Weltpoesie allein ist Weltversöhnung" über das Wirken Friedrich Rückerts. Die Gruppe wirkte beim "Festival persischer und deutscher Dichtung" im April 2002 mit, und griff in dem Programm "Willst du den Himmel, die Erde in einem Namen begreifen" den Dialog Schillers und Goethes mit den klassischen Dichtern Indiens auf.

Jetzt, im zehnten Jahr, feierten sie Schillers Geburtstag auf besondere Weise mit einem Programm von Helga Zepp-LaRouche, "Von der Menschheit", über das wir nächste Woche mehr berichten werden. Diesmal wirkten viele Jugendliche in Rezitationen und szenischen Darbietungen mit, deren Begeisterung für Schillers Ideen sich unmittelbar auf das Publikum übertrug. Dies nährt die Hoffnung, daß in nächster Zeit viele neue "Dichterpflänzchen" überall erblühen.

Lutz Schauerhammer


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