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  November 2006 Journal (Texte)

Zur natürlichen Arbeitsteilung in Eurasien

Auszug aus der Diskussion im Anschluß an die Rede Lyndon LaRouches am Internetforum in Berlin von 6. September.

Während des Internetforums zitierte Dr. Jonathan Tennenbaum aus einem Beitrag von Prof. S.G. Lusjanin von Fernost-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften, der sich mit der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) befaßt. Prof. Lusjanin schrieb u.a.:

Was die Vorschläge von Herrn LaRouche für großangelegte Infrastrukturprojekte in Eurasien betrifft, glaube ich, daß seine Analyse der eurasischen Angelegenheiten äußerst wichtig und sehr zeitgemäß ist. LaRouches Entwurf liefert im wesentlichen neue Herangehensweisen an die Integration des eurasischen Raumes. Die Idee der Eurasischen Landbrücke deckt sich genau mit traditionellen russischen Herangehensweisen und ist der derzeitigen Realität auf der Welt ganz angemessen: der Bildung einer neuen Institution für organisierte Zusammenarbeit zwischen Völkern und Staaten. Ich glaube, daß Herr LaRouche bei der Entwicklung des Entwurfs der Eurasischen Landbrücke das optimale Verhältnis zwischen geopolitischen, physisch-geographischen und geoökonomischen Methoden gefunden hat. Das Ergebnis ist eine vielversprechende Theorie der Fusion verschiedener Wissenschaften ... Ich unterstütze voll und ganz diese Herangehensweise LaRouches und seine grundlegenden Schlußfolgerungen.

Lusjanin gab einen Überblick über den Stand der SCO, in der sich Rußland, China und die vier zentralasiatischen Republiken Kasachstan, Usbekistan, Kirgisien und Tadschikistan zusammengeschlossen haben. Viele wichtige Länder haben bereits Beobachterstatus: Indien, Pakistan, Iran und die Mongolei. Weitere haben den Wunsch geäußert, ihr beizutreten, u.a. Afghanistan und Weißrußland. Die Stärke der SCO beruhe insbesondere auf der russisch-chinesischen strategischen Partnerschaft. "Zusätzlich zu ihren Hauptzielen der Bekämpfung von Extremismus, Terrorismus, Separatismus sowie dem Aufbau wirtschaftlicher und humanitärer Zusammenarbeit in Zentralasien wird aus der SCO objektiv ein wichtiger Faktor der ,Abschreckung' gegen Extremismus seiten der USA."

Zum selben Themenkomplex verlas Tennenbaum eine Frage von Prof. Ma Jiali vom Chinesischen Institut für zeitgenössische internationale Beziehungen, das Zhou Enlai gegründet hatte. Jiali ist einer der wichtigsten Kenner Indiens in China. Er fragt LaRouche:

Wie kann man die Substanz der Zusammenarbeit zwischen China, Rußland und Indien beurteilen. Ich habe reichlich Belege für die Annahme, daß das dreiseitige Verhältnis zwischen diesen drei Ländern verschiedene Schwierigkeiten überwinden und sich stetig entwickeln wird. Wird die Entwicklung dieser Zusammenarbeit einen positiven Beitrag dazu leisten, die regionale und weltweite Stabilität zu wahren?

LaRouche betonte in seiner Antwort zunächst, um ein Problem zu lösen, müsse man oft von außen an es herangehen. Eine große Schwierigkeit, die Asien nicht allein überwinden könne, bestehe darin, daß in Ländern wie Indien und China über zwei Drittel der Bevölkerung sehr arm sind. Dies lasse sich nur durch Zusammenarbeit mit Europa lösen, was wiederum auch für Europa die einzige Zukunftschance sei. LaRouche schloß seine Antwort so:

Die europäischen Länder können mit Ländern in Asien langfristige Verträge über 25 bis 50 Jahre abschließen ... Z.B. schließt die deutsche Regierung ein Paket von Abkommen mit der chinesischen Regierung oder der indischen Regierung ab. Man einigt sich darauf, mit dem anderen über einen Zeitraum von 25 oder 50 Jahren Kredit auszutauschen.

Statt daß man Geld bei der Bank leiht, liefert die Regierung den Kredit. Wir in den Vereinigten Staaten können das über ein Gesetz im Kongreß tun. In den europäischen Regierungssystemen ist das gegenwärtig über eine Gesetzesvorlage im Parlament nicht möglich. Aber man kann mit anderen Ländern langfristige Verträge mit Krediten zu bestimmten Bedingungen schließen.

Man kann z.B. in Deutschland so etwas wie die alte Kreditanstalt für Wiederaufbau dafür einsetzen. Darüber kann der Kredit laufen. Da sind Leute in Deutschland und in China, die geschäftliche Vereinbarungen treffen. Die können dann zu einer staatlichen Einrichtung gehen, die Kredit vergibt - etwa wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau, nur in größerem, internationalem Maßstab. Die stellt dann den Kredit zur Verfügung, der an den Deutschen oder den Chinesen vergeben wird, damit er etwas für den anderen produzieren oder von ihm kaufen kann.

Man muß also die europäische Produktion spezialisieren, um die Bedürfnisse der Kapitalverbesserung in Asien zu erfüllen.

Man kann in Mittel- und Nordasien nicht einfach dort hingehen, wo die großen Rohstoffvorkommen sind. Man muß das schrittweise entwickeln. Man muß sehr viel investieren, man muß Städte und große Infrastrukturprojekte bauen. Sonst kann man die Rohstoffe, die unter der Erde liegen, nicht nutzen. Man kann sie nicht einfach so herausholen. Man muß den ganzen Prozeß der Produktion dieser Rohstoffe und ihrer Märkte entwickeln.

Dazu braucht man diese Abkommen. Da die Kapitaltransformation die Grundlage der Zukunft für diese Länder bildet, muß die Politik langfristig sein. Eine langfristige Kreditpolitik zwischen einem Staat und dem anderen. Dabei wird der Staatskredit so eingesetzt, daß er verleihbaren Kredit an staatliche und ähnliche Stellen schafft. Deshalb kann man auch soviel Investitionen tätigen, wie man will - soviel, wie man vernünftigerweise gebrauchen kann.

Dann muß Europa seine Politik ändern, um sich dafür zu qualifizieren, Asien genau das zu liefern, was es braucht. Man kann sich ausrechnen, was Europa im Gegenzug für seine Investitionen in die Entwicklung der asiatischen Ländern zurückerhalten wird. Aber dazu muß sich die Politik ändern.

Entscheidend ist also, sich selbst einen Zyklus zu schaffen. Statt den Zyklus einfach nur auf sich zukommen zu lassen, muß man ihn selbst gestalten. Das tut jeder kompetente Investor in der Industrie. Er stellt einen Investitionsplan auf: Man will ein Produkt entwickeln oder ein Unternehmen aufbauen. Man denkt in Bezug auf das, was man tut, ein bis zwei Generationen in die Zukunft. So muß man's machen.

Länder können es genauso machen. Länder können sagen: "Wir werden diese Entwicklung fördern. Wir werden mehr und leichter zugänglichen Kredit dafür liefern, wenn jemand die Aufgabe erledigen kann, als für andere Dinge." So wird das gemacht.

Daher ist diese Art der Spezialisierung ganz natürlich für die Leute in Asien, die alle die Vorteile der früher traditionellen neuzeitlichen europäischen Methoden brauchen, genauso wie für die Europäer, die für Nationen, die bald nur noch Schrotthaufen sind, einen raison d'etre brauchen. Die Europäer müssen einfach nur wieder tun, was sie hinsichtlich der weltweiten Arbeitsteilung schon immer taten und tun sollten. Das wird alles wunderbar klappen. Man braucht dafür also gar keinen großen ideologischen Unterbau oder ideologischen oder politischen Rahmen. Man muß einfach nur einmal darüber nachdenken, wie man aus den Beschränkungen der gegenwärtigen Arrangements herauskommt und ein System aufbaut, das die Bedürfnisse des einen sinnvoll mit den Bedürfnissen des anderen verbindet.

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