Juni 2003 Journal

Gandhis Prinzip der Gewaltlosigkeit
Verteidigt das Völkerrecht!
Die sozio-ökonomische Weltkrise
Indien, China und die Blockfreien Staaten
Appell an die Jugend

Was für eine Welt wollen wir aufbauen?

Chandrajit Yadav diente Indien schon in der Regierung Indira Gandhis als Minister. Er gehört dem All-India Congress Committee an und lebt in Bangalore im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh.

Gestern wurden viele sehr ergreifende Erklärungen abgegeben und ich bin sicher, daß heute und morgen noch mehr Ideen vorgestellt werden. Denn bei diesem Treffen geht es darum, welche Art von Welt wir aufbauen wollen. Gestern hat Herr LaRouche sehr detailliert den Weg in die Welt von morgen dargelegt. Heute zeigte und erläuterte Helga Zepp-LaRouche auf gut durchdachte pädagogische Weise die historische Kräfteentwicklung. Wir konnten einiges daraus lernen. Wir müssen die notwendigen Lehren aus der Geschichte ziehen und aufgrund dieser Schlußfolgerungen unsere eigene Strategie ausarbeiten. Diese Strategie muß besser sein als die heute existierende, andernfalls sind die Welt und die Menschheit zum Untergang verurteilt.

Wissenschaft und Technologie ermöglichen uns heute, alles zum Leben Notwendige bereitzustellen. Sie haben unser Leben viel einfacher gemacht, wenn auch noch nicht für die gesamte Bevölkerung, so doch zumindest für einige besser gestellte Teile der Gesellschaft. Im großen und ganzen gesehen hat sich der Fortschritt der Wissenschaft und Technologie in den Dienst der Menschheit gestellt, aber wir dürfen nicht vergessen, daß sie uns gleichzeitig auch das Potential geliefert haben, die gesamte Welt zu zerstören. Heute gibt es auf der Welt so viele Nuklearwaffen, daß sie die Welt nicht einmal, zweimal oder ein Dutzend Mal zerstören können, sie können die Welt tausendmal zerstören. Deshalb steht die Menschheit heute an einem Scheideweg. Vielleicht gibt gerade die Irakkrise Anlaß dazu, uns darüber ernsthafte Gedanken zu machen.

Bevor ich etwas zur derzeitigen Weltlage und zur Rolle Indiens in Bezug auf die eurasische und internationale Zusammenarbeit sage, möchte ich gerne etwas von Mahatma Gandhi vorlesen und unsere jungen Freunde hier wissen lassen, daß Gandhi, bevor er anfing, unseren Freiheitskampf in Indien zu führen, zuerst seine Stimme gegen das rassistische Unrechtsregime in Südafrika erhob. Als er Südafrika besuchte, war er noch ein sehr junger Mensch, wie ihr hier, und er sah, wie das rassistische Regime die Schwarzen unterdrückte und sie ihrer fundamentalen Menschenrechte beraubte. Und er erhob seine Stimme und begann seinen Freiheitskampf in Südafrika. Zwanzig Jahre später kehrte er nach Indien zurück und schuf dort eine Massenbewegung.

Gandhis Prinzip der Gewaltlosigkeit

Wie schaffte er das? Indem er bei den Menschen war, mit ihnen zusammenarbeitete und idealistisch handelte. Er war ein Mensch mit Idealismus. Er war ein Mensch mit einem starken Glauben an Gewaltlosigkeit, an Wahrheit und Gerechtigkeit. Und mit dieser tiefen šberzeugung begann er die Bewegung auf friedliche, gewaltlose Art. Während des indischen Freiheitskampfes verloren unsere jungen Leute manchmal die Geduld und waren drauf und dran, zu den Waffen greifen; sie wollten einen Guerillakrieg gegen die britischen Herrscher organisieren.

Gandhi sagte: "Nein, ihr könnt Gewalt nicht mit Gewalt besiegen, ihr könnt vielleicht einige kurzfristige Resultate erreichen, aber die werden nicht von Dauer sein. Macht das nicht! Kämpft auf der Grundlage eurer Ideale!" Und als es einmal bei einem Aufstand zu Blutvergießen kam, sagte er: "Nein, ich kann Gewalt nicht tolerieren." Und so erzog er unser Volk. Er machte klar, daß der Freiheitskampf sich nicht gegen die britische Bevölkerung richtete, sondern gegen den Imperialismus, und daß es dabei nicht um Weiß oder Schwarz geht.

Nun möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf das lenken, was Gandhi vor 60 Jahren gesagt hat. Wie sah er die Welt, was sagte er über die Welt von morgen, also über das, worüber wir heute diskutieren? Er sagte: "Es wurde niemals zuvor so viel über die Zukunft spekuliert wie heute." Genauso ist es heute auch, und er sagte dies vor 60 Jahren. Weiter fuhr er fort: "Wird unsere Welt immer eine Welt der Gewalt sein? Wird es immer Armut, Hunger und Elend geben? Wird unser religiöser Glaube stärker oder wird die Welt gottlos werden? Wenn es zu einer tiefgreifenden Veränderung in der Gesellschaft kommt, wie wird sie errungen werden? Durch Krieg oder Revolution? Oder wird sie auf friedlichem Wege erreicht werden? Verschiedene Menschen haben zu diesen Fragen verschiedene Antworten gegeben, jeder machte sich auf seine Weise einen Plan von der Welt von morgen, wie er hoffte und wünschte, das sie sein sollte. Ich antworte [auf diese Fragen] nicht nur aus dem Glauben, sondern aus šberzeugung heraus.

Die Welt von morgen wird und muß eine Gesellschaft sein, die sich auf Gewaltlosigkeit gründet. Das ist das erste Gesetz: All die anderen Segnungen werden daraus entspringen. Es mag wie ein weit entferntes Ziel aussehen, wie eine nicht zu verwirklichende Utopie. Aber es ist nichts Unerreichbares, weil man hier und jetzt dafür arbeiten kann. Jeder einzelne Mensch kann diese Lebensweise der Zukunft -- den Weg Gewaltlosigkeit -- wählen, ohne dabei darauf zu warten, daß andere das gleiche tun. Und wenn ein einzelner Mensch das kann, warum können es dann nicht auch ganze Gruppen von Menschen, ganze Nationen?"

Und dann sagte er, was ich hier unterstreichen will: "Die Menschen zögern oft, einen Anfang zu machen, weil sie meinen, daß sie das ganze Ziel nicht erreichen können. Diese Geisteshaltung ist in der Tat unser größtes Hindernis." Nichts ist unmöglich, es sei denn wir haben Zweifel, wir zögern oder es mangelt uns an Entschlossenheit. Dann fangen die wirklichen Schwierigkeiten erst an. "Diese Geisteshaltung ist unser größtes Hindernis für den Fortschritt -- ein Hindernis, das jeder Mensch, sofern er nur will, aus dem Wege räumen kann." Dies ist ein kurzer Auszug aus Gandhis Die Welt von morgen.

Verteidigt das Völkerrecht!

Heute ist die Welt mit einer wirklichen Krise konfrontiert. Das 21. Jahrhundert wird ein Jahrhundert großer Herausforderungen. Wir werden mit der Vernichtung der Gesellschaft konfrontiert werden, mit der Auslöschung bestimmter Werte. Daß Herr Bush und Herr Blair gemeinsam den Irak angegriffen haben, steht heute außer Frage. Aber darüber hinaus haben sie den UN-Sicherheitsrat angegriffen, eine Institution, eine Weltinstitution. Sie wurde ins Leben gerufen wurde, nachdem große Opfer gebracht und Kriege geführt worden waren.

Ich bin glücklich darüber, daß in San Francisco, wo diese Idee ihren Ursprung hat, wo sie ihre Form bekam, nun Amerikaner, Intellektuelle, Frauen und Studenten zu Tausenden und Abertausenden gegen ihre eigene Regierung demonstriert haben -- gegen ihren eigenen Präsidenten, diesen barbarischen amerikanischen Führer. Viele wurden in San Francisco verhaftet. Es sind nicht die Vereinigten Staaten von Amerika, die den Irak angreifen, es ist eine Bande von Leuten, eine Gruppe von Leuten mit einer falschen Vorstellung und ohne jegliches Verständnis der Weltsituation. Sie sind dabei, alle Werte zu zerstören. Das ist die Situation, mit der wir heute konfrontiert sind.

Herr LaRouche, Sie sind eine internationale Persönlichkeit, Sie sind ein bekannter Ökonom. Ich bin froh, daß Ihre Ideen, Ihre Visionen immer mehr Anerkennung finden.

Herr Bush sagt: Entweder ihr seid für mich, oder ihr seid gegen mich; entweder ihr folgt mir, oder ich werde euch als Feinde behandeln. Wer sagt so etwas? Das sagt nur ein Diktator, ein Despot. Es heißt, Bush sei ein Trinker. Ich weiß nicht, was er trinkt, aber nach dem Angriff auf den Irak ist eines vollkommen klar, er ist machttrunken und will noch mehr Macht. Wenn der Mensch erst einmal das Opfer seines eigenen Egos geworden ist, hat er keine Zukunft mehr. Ein Egomane wird immer besiegt, wenn nicht heute, dann morgen oder übermorgen.

Und auch, wenn Bush durch Manipulation die Wahl gewonnen haben mag, so ist er doch immer noch das Staatsoberhaupt eines sehr bedeutenden Landes, der einzigen Supermacht in der heutigen Welt, und dieses Staatsoberhaupt ruft öffentlich dazu auf, ein anderes Staatsoberhaupt umzubringen. Wenn das nicht ein Verbrechen ist, was denn dann? Darf ein Staatsoberhaupt dazu aufrufen, ein anderes Staatsoberhaupt umzubringen? Und dann nennt er seine Operation, diesen Angriff auf den Irak auch noch eine Befreiungsoperation. Das ist eine neue Form von Imperialismus, mit der die Welt heute konfrontiert ist. Und deshalb müssen wir darüber sehr ernsthaft nachdenken.

Viele Menschen, auch viele junge Amerikaner wurden im Zweiten Weltkrieg und im Vietnamkrieg getötet oder verletzt. Die Menschen in den Vereinigten Staaten von Amerika wollten eine neue friedfertige Gesellschaft aufbauen ohne Krieg. Und nun sind sie mit dieser Form von Unrecht konfrontiert, die es jetzt dort gibt.

Die sozio-ökonomische Weltkrise

Diese schlimme Entwicklung findet zu einer Zeit statt, in der die Welt sich in einer sehr schwierigen sozio-ökonomischen Krise befindet. Denn trotz enormen Fortschritts in Wissenschaft, Technologie, Kommunikation, Weltraumforschung, Internet, Informationstechnologie: Unter welchen Bedingungen lebt heute der durchschnittliche, normale arbeitende Mensch? Heute verbrauchen die reichsten 20% der Weltbevölkerung 87% des weltweiten privaten Konsums, während die ärmsten 20% nur 1,4% verbrauchen. Die Zahl der unterernährten Menschen, die hauptsächlich in Ländern der Dritten Welt leben, betrug 800 Millionen im Jahr 2000, vor 20 Jahren waren es 570 Millionen. Die Zahl der unterernährten Menschen steigt ständig weiter, trotz all der Entwicklung und all des Fortschritts, der angeblich weltweit stattfindet. Es gibt heute 1,3 Milliarden Arme in der Dritten Welt, d.h. jeder Dritte lebt noch immer in Armut.

In meinem Land ist es auch ein Drittel der Bevölkerung. Selbst vielen unserer Freunde ist das nicht bewußt. Einer meiner Freunde fragte mich, als wir heute morgen zusammen frühstückten: "Wie geht ihr eigentlich mit dem Problem einer Bevölkerung von 800 Millionen Menschen in Indien um?" Ich sagte ihm:" Es sind nicht 800 Millionen, sondern mittlerweile mehr als eine Milliarde. Wir haben eine Milliarde schon überschritten."

Jawaharlal Nehru pflegte zu sagen, daß wir so viele Probleme wie Bürger haben. Das bedeutet, daß heute unsere Probleme gewachsen sind. Wir haben mehr als eine Milliarde Menschen, und wir haben mehr als eine Milliarde Probleme in Indien. Wir sind eine sehr komplexe Gesellschaft, aber trotz dieser Komplexität haben wir mehr als 5000 Jahre überlebt. Wir sind eine der ältesten Kulturen in der Welt. Wir haben aufgrund unserer Philosophie überlebt, weil wir unserem Idealismus treu blieben, weil wir eine starke Familie, eine starke Familieneinheit bilden. Trotz der Tatsache, daß ein Drittel unserer Jugend arbeitslos ist, liegen sie nicht auf der Straße, weil sich ihre Eltern um sie kümmern. Und wenn es die Eltern nicht mehr gibt, kümmern sich ihre Brüder um sie; wenn es die Brüder nicht können, gibt es Verwandte, die das übernehmen; die Familienbande sind sehr stark. Das ist eine der wichtigsten Stützen unserer Gesellschaft, und das gibt uns die Kraft, uns über Wasser zu halten.

Im letzten Bericht der Weltbank heißt es, die Anzahl der Menschen, die in absoluter Armut leben, werde sehr bald 1,5 Milliarden erreichen. Das bedeutet, ihre Zahl steigt ständig an, sie sinkt keineswegs. Das muß Anlaß zu größter Besorgnis geben. Die Welt wird immer ärmer; jene, die den Reichtum schaffen, werden immer ärmer. Der Grund dafür ist das heute vorherrschende System, das sich auf Ausbeutung gründet. In der Gesellschaft hat der Stärkere die Macht, noch reicher zu werden. Nach Angaben der WHO sind ein Fünftel der Kinder in der Welt unterernährt, und die Hälfte der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten. Jedes Jahr sterben 12 Millionen Kinder unter fünf Jahren -- selbst heute noch. 95% von ihnen sterben aufgrund von Krankheiten, die mit der Armut zusammenhängen. Sie sterben aus Armut. Sie haben noch nicht einmal trockenes Brot zu essen, und deshalb werden sie Opfer aller möglichen Krankheiten. Einem Drittel der Bevölkerung in den Entwicklungsländern steht kein sauberes Trinkwasser zur Verfügung.

Mein lieber Freund Bi, ein Professor, Doktor und Ökonom, hat ein sehr anschauliches Bild von seinem Land [China] gemalt. China erregt in unseren Tagen Aufmerksamkeit, wegen seiner unglaublich schnellen Entwicklung. Weil es eine Vision hat. Es hat einen Plan, man hat sich entschlossen, die Armut und die Arbeitslosigkeit zu beseitigen und eine bessere fortschrittliche Gesellschaft zu bauen. China hat 30 Millionen mehr Menschen [als Indien], aber man sagt, Indien werde China in zehn Jahren bevölkerungsmäßig überholt haben. Es mag sein, daß wir bevölkerungsmäßig die Nummer Eins sein werden, aber mit dem System, das wir in Indien haben, können wir nicht die Nummer Eins unter den reichen oder den reicheren Ländern werden. Das ist die Lage.

Die Auslandsschulden der Dritten Welt, die sich 1981 auf etwa 500 Milliarden Dollar beliefen, liegen heute bei mehr als 2,5 Billionen Dollar. Die Schulden der Entwicklungsländer steigen weiter. Mehr als eine Milliarde Erwachsene können nicht lesen und schreiben, für mehr als 130 Millionen Kinder im schulpflichtigen Alter gibt es keine Schulausbildung und der Prozentsatz, der den Standard von sechs absolvierten Schuljahren nicht erreicht, ist erschreckend. Die Kinder gehen zwar zur Schule, aber sie können es sich nicht leisten, ausreichend lange zur Schule zu gehen. Wenn die Ausgaben für die Schule steigen, wenn die Schulgebühren ansteigen, wird die Erziehung jeden Tag teurer. Deswegen zwingen ihre Eltern sie, arbeiten zu gehen. Sie können nicht länger in der Schule bleiben. Daher ist die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluß sehr hoch.

Gegenäwrtig leiden 800 Millionen Menschen an chronischem Hunger und verfügen über keinerlei Gesundheitsversorgung. Zusätzlich verbreitet sich das AIDS-Virus sehr schnell in den armen Ländern aus, besonders in Afrika und Asien. In diesen Gebieten sind 35 Millionen Menschen mit HIV infiziert. Als Helga [Zepp-LaRouche] zusammen mit Mary [Burdman] und einigen anderen Freunden Indien besuchten, da wurdet ihr in einige arme Gebiete unserer Hauptstadt Delhi geführt. Ihr habt es mit euren eigenen Augen gesehen, es gibt zwar Hilfsorganisationen, aber AIDS ist ein wachsendes Problem. Es gibt keine wirkliche Gesundheitsversorgung. Es sind arme Leute, und so breitet sich der Virus aus.

Die wichtige Frage, die beantwortet werden muß, ist: Wer ist für diese Situation verantwortlich und worin liegt die Lösung?

Sind die reichen Industrienationen moralisch dazu verpflichtet, diesen unglücklichen Menschen zu helfen und sich um ihr Wohlergehen zu kümmern? Die entwickelten Länder geben jedes Jahr Milliarden von Dollar für die Erforschung, Entwicklung und Herstellung tödlicher Waffen aus. Können sie nicht im Namen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit einen ansehnlichen Teil dieses Geldes umleiten, um das Elend dieser armen Menschen zu beseitigen? Die Antwort ist sehr einfach: Solange dieser Wahnsinn des Rüstungswettlaufes andauert und das kapitalistische System in seiner gegenwärtigen Form weiterbesteht, kann man von den entwickelten Ländern keine Hilfe erwarten. Man schätzt, daß der Angriff der USA auf den Irak nicht weniger als 50 Milliarden $ kosten wird. Herr LaRouche sagte, daß die Kosten wahrscheinlich höher liegen werden.

So haben wir auf der einen Seite Armut, Arbeitslosigkeit, Krankheiten und Kindersterblichkeit und auf der anderen Seite 50 Milliarden Dollar, die ein Land dafür mobilisieren kann, ein anderes zu zerstören. Was ist das für eine Welt?

Indien, China und die Blockfreien Staaten

Bis vor einem guten Dutzend Jahren gab es zwei parallel arbeitende Systeme in der Welt: den Kapitalismus auf der einen, den Sozialismus oder Kommunismus auf der anderen Seite. Aber auch nach dem Zerfall der Sowjetunion und ihrer Herrschaft über die osteuropäischen Länder konnte ich mir einfach nicht vorstellen, daß Bulgarien einmal die USA bei einem Angriff auf den Irak unterstützen würde. Ich war ein Freund Bulgariens, ich habe das Land mehrere Male besucht. Ich habe gedacht, es ist ein schönes Land, und ich erinnere mich an eine Unterredung mit unserer Premierministerin Indira Gandhi, bevor ich meine Reise antrat. Ich sagte ihr, daß ich nach Bulgarien eingeladen sei. Ich war zu der Zeit Mitglied der Kommunistischen Partei. Sie sagte damals: "Chandrajit, du besuchst ein kleines Land, aber es sind wunderbare Leute, es sind herzliche Leute. Sie sind Bauern wie unsere Bauern. Du mußt immer daran denken: Behandle kein Land, als sei es ein kleines Land. Jedes Land hat seine eigene Persönlichkeit. Es hat seine eigene Geschichte, seine eigene Kultur, seine eigenen hohen Ziele, seine eigenen Künstler. Respektiere sie. Schätze kein Land gering." Und ich bin wirklich traurig darüber, daß Bulgarien heute auf der Seite Bushs steht und uns attackiert, weil wir für den Frieden und für die Freiheit des Irak kämpfen.

Welche Rolle kann Indien in dieser Situation heute spielen? Indien muß eine Rolle spielen. Indien ist nicht nur ein Land mit mehr als einer Milliarde Menschen. Selbst als wir noch nicht frei waren, hat Mahatma Gandhi eine wichtige Rolle gespielt, Jawaharlal Nehru spielte eine wichtige Rolle. Er besuchte oft Europa. Als junger Politiker erhielt er eine Einladung von Mussolini und lehnte sie ab. Er sagte, ich kann mich nicht mit einem Diktator treffen, denn ich bin ein Freiheitskämpfer. Deswegen spielte Indien eine Rolle. Indien spielte eine wichtige Rolle zusammen mit China und anderen Ländern wie Žgypten und anderen afrikanischen Ländern. Wir gehörten zu den Gründern der Blockfreien Bewegung.

Deshalb meine ich, daß diese Länder jetzt erneut die Gelegenheit nutzen müssen, aufzuwachen und uns zusammenzuschließen. Die afrikanischen Länder müssen verstehen, daß die afrikanische Einheit ein starker Faktor ist. Sie dürfen sich nicht zersplittern. Wir müssen verstehen, wie wichtig die Idee der eurasischen Zusammenarbeit des strategischen Dreiecks Rußland-China-Indien mit Korea und anderen Staaten ist.

Und ich will noch etwas erläutern. Herr Bi vertritt hier sein Land China. Indien und China hatten unglücklicherweise einen Grenzkonflikt. Jahrelang sprachen wir nicht miteinander, aber schließlich siegte die Weisheit in beiden Ländern. Ich erinnere mich, als ich China vor 15 Jahren besuchte, traf ich mit einem führenden Politiker des Landes zusammen und er sprach über die Lösung dieses Grenzkonflikts. Dabei berief er sich auf unseren verstorbenen Premierminister Gandhi und sagte: "Wir haben Probleme, aber wir können es uns nicht leisten, für immer Feinde zu sein. Wir sind zwei große Nationen mit einer großen Bevölkerung, wir sind zwei große Zivilisationen, wie können wir für immer Feinde sein? Die Grenzfrage muß mit Geduld gelöst werden, mit gegenseitigem Verständnis und unter Wahrung der Interessen beider Seiten. Aber wir sollten auch über andere Dinge sprechen." Und so begannen wir wieder, miteinander zu reden. Heute sind Rußland, China und Indien gute Freunde. Wir überlegen, wie wir auf intellektueller Ebene zusammenarbeiten können, und ich bin mir sicher, daß die Irakkrise Anlaß genug ist, sich noch mehr Gedanken darüber zu machen.

Appell an die Jugend

Ohne Frieden gibt es keine Entwicklung, Frieden ist der wichtigste Faktor für Entwicklung. Deshalb brauchen wir unbedingt Frieden. Wir müssen alle Arbeiter für den Frieden werden, und unsere Prioritäten müssen sein: Vereint die Bewegung, nicht nur die Regierungen, nicht nur die indische, die chinesische, die russische, nicht nur die französische und die deutsche Regierung, sondern auch die Menschen, die in diesen Ländern leben. Ein größerer Faktor als die Regierungen sind die Menschen. Sie sind auf die Straße gegangen und haben ihre Stimme gegen diese Aggression [den Irakkrieg] erhoben. Laßt uns einen Aufruf machen, daß die Völker der Welt sich für den Frieden vereinen. Die Völker der Welt sollen sich für den Frieden vereinen, gegen Ungerechtigkeit, gegen Gewalt, gegen Terrorismus, gegen Krieg.

Die Rolle der Jugend ist heute besonders wichtig, denn die Jugend ist von Natur aus revolutionär und richtet den Blick nach vorn. Die Jugend ist gegen das Establishment und gegen Tradition. Sie hat eine neue Vision. Deshalb ist die Rolle der Jugend so wichtig, und sie muß mit Glauben arbeiten, mit šberzeugung und mit Entschlossenheit. Und sie muß klarstellen, daß sie diese Welt und die Ideen und Visionen eines Herrn Bush und eines Herrn Blair nicht will, daß sie diesen neuen Imperialismus, mit dem sie die gesamte Welt zerstören wollen, nicht tolerieren wird.

Wir werden für Frieden arbeiten, für die Einheit, für eine bessere Welt, und mit diesen Worten rufe ich die Jugendlichen auf, die an dieser Konferenz in so großer Zahl teilnehmen: Geht mit einer Mission, mit einer šberzeugung hinaus in die Welt, und mit dem Glauben, wenn wir Opfer bringen müssen, werden wir dies tun. Viele junge Menschen haben für die Freiheit und Unabhängigkeit ihrer Länder geblutet oder gar ihr Leben gelassen. Sie haben die Freiheit zu ihren Lebzeiten nicht erreichen können, trotzdem war ihr Opfer nicht vergebens, denn es brachte die Freiheit und eine bessere Zukunft. Darum habe ich großen Glauben an die Jugend und ich rufe unsere jungen Brüder und Schwestern auf: Erklärt euch bereit, Kämpfer für eine neue Welt zu sein.




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