Juni 2003 Archiv (Texte)

Cheneygate oder Dritter Weltkrieg

Von Helga Zepp-LaRouche, Vorsitzende des Schiller-Instituts

Am 20. September 2002, unmittelbar nach Verkündung der neuen Nationalen Sicherheitsdoktrin der US-Regierung, forderte Lyndon LaRouche zum ersten Mal den Rücktritt Cheneys. Mit dieser Sicherheitsdoktrin beanspruchen die USA für sich das Recht, präemptive Atomkriege auch gegen Staaten zu führen, die nicht über Nuklearwaffen verfügen. Und Cheney war bereits 1991 als Autor dieser Politik hervorgetreten. Am 7. Juni 2003 reagierte LaRouche auf die sich häufenden Hinweise, daß Cheney bewußt den Kongreß und die amerikanische Öffentlichkeit über die angebliche unmittelbare atomare Bedrohung durch den Irak getäuscht hatte, und forderte ein Impeachment-Verfahren gegen Cheney.

Inzwischen ist in den USA ein Prozeß gegen Cheney im Gang, bei dem wie während des Watergate-Skandals ein Baum nach dem anderen fallen wird. "Cheneygate" ist inzwischen so weit in Gang gekommen, daß das Köpferollen schon in den nächsten Tagen beginnen könnte. Die Republikaner im Kongreß leisten keinen geschlossenen Widerstand mehr gegen eine ernsthafte Untersuchung des "yellow cake"-Betrugs und der Rolle, die der Vizepräsident dabei spielte, die berüchtigte "16 Worte-Lüge" in die Rede des Präsidenten zur Lage der Nation vom Januar zu plazieren. Am Donnerstag räumte der republikanische Senator Pat Roberts aus Kansas, der den Geheimdienstausschuß im Senat leitet, ein, daß die Untersuchung der gefälschten Geheimdienstinformationen über den Irak über die CIA hinaus ausgeweitet werden muß. Die Untersuchung werde fortgesetzt, und dann sollen "die Späne fallen, wo sie wollen".

Jeder kompetente strategische Analyst weltweit ist sich darüber im klaren, daß LaRouches Impeachment-Kampagne gegen Cheney die einzige Chance ist, ein schnelles Abdriften in eine strategische nukleare Konfrontation zu verhindern. LaRouches Aufdeckung der faschistisch-imperialistischen Ideologie der "Neocons" um Cheney und seine Forderung nach einem sofortigen Impeachment-Verfahren gegen Cheney hat wichtigen politischen Kräften in der ganzen Welt klar gemacht, daß LaRouches Präsidentschaftskampagne das wichtigste Vehikel darstellt, die US-Administration von ihrem gegenwärtigen Kriegskurs abzubringen.

Aber die Zeit drängt: "Weil das Irakabenteuer zu einem vollkommenen Desaster geworden ist, sind Cheney, Rumsfeld und Wolfowitz plötzlich wieder aggressiver gegen Nordkorea geworden", war der Kommentar eines hochrangigen Diplomaten am 16. Juli in Seoul. Einen Tag zuvor, am 15. Juli, hatte der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan, öffentlich erklärt, daß Nordkorea nukleares Material im Yongbyon-Plutonium-Reaktor wiederaufbereite. McClellan brachte "ernsthafte Besorgnis" zum Ausdruck über die Behauptung Nordkoreas, bereits 8000 Brennstäbe aufbereitet zu haben, mit denen es Atomwaffen herstellen könne. Er verlangte von Nordkorea sofortige Abrüstung. Der schon erwähnte Diplomat aus Seoul sagte dazu: "Niemand in der Bush-Administration hat das geringste Interesse an Verhandlungen, und jeder weiß, daß die Forderung nach einseitiger Abrüstung auf Ablehnung stößt."

Die USA haben gerade ein Multi-Milliarden-Programm für die Restrukturierung ihrer Streitkräfte in Korea und massive neue Manöver für diese Woche angekündigt. Sie üben zudem starken diplomatischen Druck auf Japan, Australien und andere Länder aus, um sie zu einer faktischen Blockade gegen Nordkorea zu bewegen, wozu auch Sanktionen gehören und das Abfangen nordkoreanischer Schiffe auf hoher See - was Nordkorea schon als "Kriegshandlung" bezeichnet hat. Das Pentagon hat einen neuen Kriegsplan gegen Nordkorea veröffentlicht, in dem mehr Provokation und Desinformation gefordert wird. In diesem "Operations Plan 5030" geht es nur um Regimewechsel, nicht die geringste Absicht zu Verhandlungen ist zu erkennen. Das ist nicht nur illegal - genau wie die Invasion des Irak - , es ist auch eine vorsätzliche Verletzung des Waffenstillstandsabkommens aus dem Koreakrieg, des einzigen Dokuments, das bis jetzt den Konflikt in Korea verhindert hat, da der Koreakrieg nie formell beendet wurde. Dieses Dokument scheint nur dazu geschrieben zu sein, Pjöngjang zu einer Reaktion zu provozieren, die dann als aggressiv bezeichnet werden kann, um so einen preemptiven Militärschlag zu rechtfertigen.

Der ehemalige Verteidigungsminister unter Clinton, Bill Perry, warnte, die USA könnten in einen Krieg mit Nordkorea abgleiten und die Kontrolle über diese Entwicklung verlieren; es könnte noch in diesem Jahr zu diesem Krieg kommen. Ebenso warnte der Vizepräsident des Council on Foreign Relations, Lawrence Korb, mit dieser unsinnigen Politik gegenüber Nordkorea schadeten die USA sich selbst. Korb betonte, wie vor ihm LaRouche, daß Nordkorea sich gerade durch die Politik der US-Administration gegenüber dem Irak genötigt sah, Nuklearwaffen zu bauen oder zu behaupten, sie zu besitzen, aus Angst, sonst dasselbe Schicksal zu erleiden wie der Irak.

Unter strategischen Planern in Europa und Asien wächst die Besorgnis, die sich täglich verschlimmernde Lage im Irak könnte zum Auslöser für die Krise mit Korea werden. Zu Schadenfreude über die sich täglich verschlimmernde Irak, der sich zu einem neuen "Vietnam in der Wüste" entwickelt, sei kein Anlaß, warnte ein hochrangiger Stratege in Europa. Denn damit steige die Gefahr, daß die Neocons die Flucht nach vorn antreten. Und da die US-Streitkräfte konventionell bereits überbeansprucht seien, bestünde dann die erhöhte Gefahr, daß die neue Doktrin des präemptiven Atomschlages zur Anwendung kommt.

Was nach 1989-91 für immer vorbei zu sein schien, ist jetzt wieder auf der Tagesordnung: Bei allen Streitkräften auf der ganzen Welt wird wieder über das Horrorszenario eines atomaren Krieges zwischen Staaten nachgedacht. Seit der neuen US-Doktrin, aber vor allem seit dem Irakkrieg - mit dem das Völkerrecht so eklatant außer Kraft gesetzt wurde - haben sich so gut wie alle Staaten der Welt insgeheim neu positioniert.

Ende Juni hielt Condoleezza Rice vor dem International Institute for Strategic Studies in London eine Rede, die weltweit bei strategischen Denkern wie eine Bombe einschlug. Rice verkündete kurzerhand, daß Multipolarität mit Krieg gleichzusetzen sei. Sie sprach damit eine Kampfansage an alle aus, die sich der Unterwerfung unter das neue amerikanische Empire widersetzen. "Wie konnte sie nur so eine Rede halten", entsetzte sich ein führender Militär in Großbritannien, der Rice persönlich kennt, im Gespräch mit EIR: "Weiß sie denn nicht, was sie damit auf internationaler Ebene auslöst?"

Es ist offensichtlich, wie absurd die Arroganz der Kriegspartei ist, wenn sie meint, die ganze Welt würde sich vor ihrem nuklearen Säbelrasseln in den Staub werfen. Beim jüngsten Besuch des indischen Premierministers Vajpayee in China wurde umfangreiche Kooperation in vielen Bereichen vereinbart. Selbstbewußt erklärten die Regierungschefs von China und Indien, daß sie auf viele tausend Jahre der Zusammenarbeit und Freundschaft zurückblicken können und zusammen, mit rund 2,3 Milliarden Menschen, mehr als ein Drittel der Menschheit repräsentieren. Alle Nachbarn Nordkoreas - Japan, China, Rußland, Südkorea - sind übrigens an einer Vielzahl diplomatischer Anstrengungen beteiligt, um eine Eskalation der Lage zu verhindern, und sie bestehen darauf, daß mit einem Sechsmächteabkommen die Sicherheit Nordkoreas garantiert werden muß, wenn es die Krise entschärft werden soll.

Aber nicht nur China und Indien bauen eine multipolare Weltordnung aus, auch Frankreich und Rußland. Beim jüngsten Besuch der französischen Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie und des französischen Außenminister Dominique de Villepin in Rußland brachten die Minister aus Frankreich und ihre russischen Amtskollegen außergewöhnliche Übereinstimmung in ihrer Sicht der internationaler Fragen zum Ausdruck. Beim Empfang der beiden französischen Minister in seinem Sommerhaus in Novo-Ogarevo sagte Präsident Putin: "In den vergangenen Jahren haben die Beziehungen zwischen unseren beiden Staaten nicht nur ein neues Maß an Intensität erreicht, sie haben sich qualitativ verändert."

Beispiellos ist ebenfalls die neue Dimension der französisch-russischen Zusammenarbeit auf militärischem Gebiet. Vom 7.-10. Juli fanden gemeinsame Marinemanöver im Nordatlantik statt, an denen auch französische und russische Atom-U-Boote teilnahmen. Anschließend besuchte das französische Atom-U-Boot "Casablanca" die Marinebasis Severomorsk bei Murmansk. Es wurde bestätigt, daß zwischen den beiden Staaten umfangreiche nicht-öffentliche Kooperationsverträge die Marine, Luftwaffe und Raumfahrt betreffend abgeschlossen wurden.

Daß sich viele Nationen nach dem Irakkrieg umorientieren, ist eine Tatsache. Und spät, aber doch - endlich dämmert es einigen traditionellen Atlantikern, daß mit den Neocons in Amerika eine kleine Gruppe, die mit dem vermeintlich vertrauten Amerika nichts zu tun hat, faktisch einen Putsch durchgeführt und das Weiße Haus und den Präsidenten usurpiert hat. Entweder gelingt es LaRouche, mit der Absetzung von Cheney und Co., die USA wieder zu einem System zurückzuführen, bei dem die verfassungsmäßigen Kontrollmechanismen in Kongreß und Senat funktionieren, oder es kommt wirklich zur großen Auseinandersetzung zwischen den atlantischen und asiatischen Staaten, bei der Deutschland und Europa dann in der Mitte gefangen wären.

In vielen dieser Länder wird in den entscheidenden Gremien darüber diskutiert, daß die USA zwar einen Atomschlag führen, einen solchen Krieg aber nicht gewinnen können. Wenn die USA schon die Lage in Afghanistan und im Irak nicht in den Griff bekommen, wie wollen sie da die Weiten Rußlands, Chinas und Indiens besetzen?

Durchdenkt man die Konsequenzen einer solchen Entwicklung, so ist es sicherlich sinnvoller, rechtzeitig die Präsidentschaftskampagne von Lyndon LaRouche und seine Anstrengungen, ein Impeachment Cheneys zu erreichen, zu unterstützen. Es ist der einzige Weg, die Dynamik zum Dritten Weltkrieg zu stoppen.


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