Nachruf auf Marianna Wertz

Am 15. Januar 2003 -- dem Geburtstag Martin Luther Kings -- starb unsere langjährige Freundin und Mitstreiterin Marianna Wertz im Alter von nur 54 Jahren.

"... denn ihre Werke folgen ihnen nach"

Eigentlich muß man Marianna gekannt haben, um zu ermessen, wie groß die Lücke sein wird, die sie hinterläßt. Denn es ist nicht allein die enorme Arbeitsleistung dieser kleinen zierlichen Frau, die seit fast 30 Jahren von einer schweren Krankheit und den Folgen der rettenden, aggressiven Therapie gezeichnet war. Es ist vor allem die Art, wie sie dies tat, die Marianna für uns alle unvergeßlich macht.

Mit ihrem Mann Will Wertz gehörte Marianna zu den ersten, die sich zu Beginn der siebziger Jahre der entstehenden Bewegung um Lyndon H. LaRouche anschlossen. Seit ihrer Kindheit und Jugend war sie geprägt von den Ideen der Bürger- und Menschenrechte, für deren Verwirklichung sie Zeit ihres Lebens eintrat.

Es ist unmöglich, ihr Wirken in wenigen Zeilen umfassend zu beschreiben. Denken wir nur daran, daß sie zu den Pionieren des internationalen Schiller-Instituts gehörte, das sie 1984 in den USA mitbegründete. Bis zu ihrem Tod gehörte sie dem Vorstand des amerikanischen Schiller-Instituts an. Und Schillers Werk gehörte auch ihre besondere Liebe, mit beeindruckendem poetischem Einfühlungsvermögen übersetzte sie viele seiner Gedichte, die in den drei Bänden Friedrich Schiller, Poet of Freedom veröffentlicht wurden, mit denen das amerikanische Schiller-Institut -- unter der Federführung von Will Wertz -- die Werke des Dichters den Amerikanern nahebringen wollte.

Schon bei ihrem ersten Besuch in Deutschland, es muß Anfang der achtziger Jahre gewesen sein, nutzte Marianna jede freie Minute, die ihr zwischen Gesprächen mit politischen Kontakten und eigenen Vorträgen verblieb, sich durch den Besuch von Bibliotheken und Museen -- wie beispielsweise Beethovens Geburtshaus in Bonn und viel später, nach der Wende, Schillers Geburtshaus in Weimar -- wirklich mit dem Denken und Wirken der klassischen Komponisten, Dichter und Denker vertraut zu machen.

Mit einer großen Razzia gegen LaRouche begann 1986 der beispiellose Justizskandal, der mit der Verurteilung LaRouches und einiger seiner Mitstreiter zu langen Gefängnisstrafen endete. Zu den Verurteilten gehörte auch Will Wertz, der für etwa zwei Jahre ins Gefängnis mußte. In dieser Zeit gehörte Marianna zu den Aktivisten, die die Kommission zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen bildeten und international diese eklatanten Mißstände im US-Justizsystem anprangerten. Bei mehreren Europareisen, die Marianna damals unternahm, sprach sie nicht nur als die Ehefrau eines zu Unrecht verurteilten politischen Gefangenen, sie trat vielmehr dafür ein, den Geist der amerikanischen Verfassung und des ursprünglich darauf gegründeten Rechtssystems zu verteidigen.

Wie berechtigt es war, den "Fall LaRouche" als Wasserscheide des amerikanischen Justizsystems zu betrachten, zeigte sich noch Jahre später, als der Oberste Gerichtshof in haarsträubender Weise in den Prozeß der amerikanischen Präsidentschaftswahlen eingriff.

In dieser Zeit verstärkte Marianna auch ihr Engagement gegen die Todesstrafe in den USA. Mit vielen Artikeln, Aufrufen und Erklärungen wurde sie nicht müde, diese Ungeheuerlichkeit anzuprangern. Es ist nicht zuletzt das Ergebnis ihrer Bemühungen, daß der Gouverneur von Illinois wenige Tage vor Mariannas Tod alle verhängten Todesstrafen in seinem Staat in Gefängnisstrafen umwandelte. (Siehe Auszüge aus Gouverneur Ryans Rede auf Seite 11.)

Wie sie das alles tat, ist das Entscheidende: in der ständigen Gewißheit, daß ihr kein langes Leben beschieden sein würde, gefordert zu einer dauernden Selbstdisziplin, ohne deren Beachtung sie ihre Aufgaben nicht hätte erfüllen können, lebte sie ihr ungewöhnliches Leben. Ihr Wirken war immer auf die "großen Gegenstände", wie Schiller es nannte, ausgerichtet: Jedem Menschen auf dieser Welt das Recht zu erkämpfen, seine menschlichen Eigenschaften zu entfalten, zu einem schöpferischen, historischen Individuum als Abbild Gottes zu werden.

Und so wird Marianna unvergessen bleiben, auch mit dem Bibelwort, das Johannes Brahms für den Schluß seines "Deutschen Requiems" auswählte: "Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben, von nun an. Ja der Geist spricht, daß sie ruhen von ihrer Arbeit; denn ihre Werke folgen ihnen nach."

Danke, Marianna.

Ortrun Cramer