März 2006 Journal (Texte)

"Papiere mit Zahlen darauf sind eigentlich bedeutungslos"

Muriel Mirak-Weißbach von der EIR-Redaktion sprach am 14. Juni bei der Perdana Leadership Foundation im malaysischen Putrajaya mit dem früheren Ministerpräsidenten Malaysias Dr. Mahathir Mohamad.
    Wir verfolgen die turbulenten Entwicklungen auf den Finanzmärkten genau. Lyndon LaRouche hat am 20. April erklärt, wenn man die Politik nicht radikal ändere, könne bis September das ganze Dollarsystem zusammenbrechen. Was ist Ihre Sicht?

Dr. Mahathir: Nun, ob es so dramatisch wird oder nicht, dies ist sicherlich die Richtung. Es wird so kommen, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, wenn die USA nicht die Ausgaben kürzen und aufhören, von geborgtem Geld zu leben. Das (US-)Defizit ist furchtbar, es kann nicht bezahlt werden. Das einzige, was die USA am Leben erhält ist, daß Länder den Dollar immer noch als Zahlungsmittel für ihre Waren akzeptieren. Aber das ändert sich allmählich. Viele Länder würden gerne andere Währungen verwenden, Euro, Yen oder sogar Gold. Aber die USA drohen ihnen. Wenn auch nur ein paar Länder den Dollar nicht mehr akzeptieren, würde er noch weiter an Wert verlieren. Wenn man bedenkt, daß die USA technisch bankrott sind, hätte das Geld überhaupt keinen Wert mehr. Dann werden die USA in einer schlimmen Lage sein.

Und weil die USA ein großer Markt für viele Waren aus aller Welt sind, wird der Verlust dieses Marktes für die asiatischen Volkswirtschaften schlimme Folgen haben. Malaysia ist ein kleines Land, aber es ist der zehntgrößte Handelspartner der USA. Unser Handel mit den USA umfaßt 44 Mrd. Dollar, bei einem Gesamtvolumen von 200 Mrd. Dollar. Das sind mehr als 20%. Wenn die USA nichts mehr kaufen können, wird uns das alle treffen. Es wird auch viele andere Länder treffen, z.B. China.

    Das ist natürlich das Dilemma: In den USA drängen viele China, seine Währung aufzuwerten, womit der Dollar abgewertet würde ...

Dr. Mahathir: Wenn man die Chinesen auffordert, den Renminbi aufzuwerten, dann sagt man genaugenommen, daß man den Dollar abwerten will.

    Einige in Greenspans Fraktion glauben, mit einem schwächeren Dollar würde das Defizit sinken. Aber weil das System ein Dollarsystem ist, wären die Folgen die, von denen Sie sprechen. Der Dollar scheint zum Untergang verurteilt. Das andere Problem ist die spekulative Flucht in die Rohstoffe, nicht nur Erdöl, auch Gold, Silber usw. Die Preise sind in einer inflationären Spirale. Das zeigt unserer Ansicht nach, daß die Spekulanten "echte Werte" in der Hand haben wollen, wenn das Währungssystem untergeht.

Dr. Mahathir: Greifbare Werte.

    Ja. Was soll man nun tun? Wenn das System zusammenbricht, wird das Länder, die vom US-Markt abhängig sind, schwer treffen. Hatten Sie Diskussionen darüber oder wird über eine Weltwährungsreform nachgedacht?

Dr. Mahathir: Es gab dazu keine organisierten Gespräche, aber wir reden natürlich alle über den Dollar, der im Grunde gar keinen Wert mehr hat...

Der Lebensstandard in den USA ist von den billigen Importen abhängig. China hilft den USA, ihre Preise niedrig zu halten. Aber wenn man den Renminbi aufwertet und damit den Dollar faktisch abwertet, werden die USA keine chinesischen Produkte oder Produkte anderer Länder kaufen können. Das wird den Menschen in den USA eine sehr schwere Last auferlegen. Sie werden dann höhere Löhne verlangen, um weiter einkaufen zu können.

Die USA könnten ihre gewaltigen Rüstungsausgaben verringern. Sie geben Billionen für die Verteidigung aus, und das belastet die USA. Das sind unproduktive Dinge, sie bringen keinen Gewinn. Man gewinnt nichts aus der Produktion von Waffen. Man verkauft sie an das eigene Militär und an andere Länder, aber man schafft nichts. Wenn man also immer mehr Geld für Waffen ausgibt, leidet die Wirtschaft darunter. Der Wert der Währung leidet, und letztendlich wird man arm. Arm zu werden ist etwas, was die USA nicht akzeptieren können. Wenn man die Währung abwertet oder von anderen verlangt, die Währung aufzuwerten, sagt man praktisch: "Bitte macht uns arm!"

    Die USA sind arm, gemessen an den realen Produktionskapazitäten. Schauen Sie sich an, was mit General Motors und Delphi geschieht ...

Dr. Mahathir: Die meisten scheitern und können mit der Produktivität der übrigen Welt nicht Schritt halten. Jetzt wollen sie regulierten Handel. Darum geht es bei den "Freihandelsabkommen": Sie wollen außerhalb der USA Geld verdienen. Die USA haben nur sehr wenig anzubieten. Wenn die USA ihre Wirtschaft nicht konkurrenzfähig machen, werden sie immer weiter abrutschen. Es gibt keine Möglichkeit, das aufzuhalten, wenn sie nicht aufhören, Waffen zu produzieren, und nicht die Industrie wiederbeleben und sich an das neue weltweite Umfeld anpassen. Die USA können den Weltmarkt nicht mehr beherrschen. Sie sind nicht mehr die dominierende Handelsmacht. Sie liegen weit hinter Japan, Korea, China und den europäischen Ländern. Das ist etwas, was die USA nicht zugeben wollen. Sie verweigern sich der Realität, und das ist es, was die Probleme verursacht. Die USA wollen sich dem Problem nicht stellen, und das Problem ist, daß die USA verarmen.

    Inmitten des Crashs auf den Märkten war viel von der Notwendigkeit einer Währungsreform die Rede. Sogar die Finanzpresse schrieb offen über den bevorstehenden Krach. Und diese finanzielle Dynamik ist die treibende Kraft hinter der Kriegspolitik. Einige in den USA sehen im Krieg ein Mittel, ihre Macht zu erhalten. Gestern sah ich Meldungen, Sie hätten von einem "vierten Weltkrieg" gesprochen.

Dr. Mahathir: Wenn man den Kalten Krieg als den Dritten Weltkrieg betrachtet... Es geht um die gegenwärtigen Angriffe im Irak, den geplanten Angriff auf den Iran und die riesigen Geldmengen, die für den sog. Krieg gegen den Terrorismus ausgegeben werden...

Aber es gibt Gründe für diesen Terrorismus, die die USA nicht sehen wollen. Weil sie sich weigern, diese Ursachen einzugestehen, können sie nicht damit fertig werden. Sie sind überzeugt, daß sie durch den Einsatz militärischer Gewalt alles in den Griff bekommen. Aber der Irak ist eine Katastrophe. Ich habe davor gewarnt. Ich habe an Präsident Bush geschrieben, er solle den Irak nicht angreifen. Ich schrieb an Blair und Chirac, es verschlimmere die Sicherheitslage, den Terrorismus.

Wie man sieht, kommen sie nicht an das irakische Öl heran, und der Ölpreis steigt weiter. Und die Summen, die sie im Irak ausgeben, sind ungeheuer.

Heutzutage ist das nicht mehr so, daß man ein Land erobert, es besiegt, einen Friedensvertrag unterzeichnet, und dann ist alles vorbei. Man kann ein Land vielleicht erobern, aber die Menschen werden weiterkämpfen, und man muß eine gewaltige Militärpräsenz unterhalten.

Was nützt es, in den Irak einzumarschieren? Gut, man beseitigt Saddam Hussein, aber das Land hat man immer noch gegen sich. Das kostet die USA gewaltige Summen. Hier liegt das Dilemma: Wenn man abzieht, wird ein ähnliches Regime wiederkehren, wenn man bleibt, werden die Kosten unbezahlbar. Wenn man also versucht, die finanziellen Probleme durch einen weiteren Krieg zu lösen, dann mag das die Aufmerksamkeit ablenken, aber das finanzielle Problem wird sich verschlimmern.

    Worin sehen Sie die Lösung der Finanzkrise? Sie wissen ja, daß wir ein Neues Bretton Woods fordern.

Dr. Mahathir: Ich glaube, wir müssen uns hinsetzen und über etwas reden, was wirklichen Wert hat. Papiere mit Zahlen darauf sind eigentlich bedeutungslos. Heute nennt man es einen Dollar, morgen ist es kein Dollar mehr. Ich habe eine 500-Milliarden-Dinar-Note bei mir, die von Jugoslawien ausgegeben wurde. Man kann alles drucken, wie auf dieses Stück Papier. Heute sind es nicht mehr Zahlen auf einem Geldschein, sondern Zahlen auf einem Bildschirm, nichts Greifbares mehr, an das man sich notfalls halten kann.

Aber wenn man z.B. volle Golddeckung hat, oder andere Edelmetalle, und der Handel in Gold bewertet wird, dann fühlen die Menschen sich sicherer. Der Wert ist vorhanden, er ist greifbar.

Geld ist keine Ware. Man kann Geld nicht handeln. Man kann Kaffee, Tee, Zucker usw. handeln. Wenn etwas geschieht, dann hat man Tee oder Kaffee. Deshalb habe ich immer diese absurde 500-Milliarden-Dinar-Note bei mir.

    Gab es weitere Diskussionen über den Golddinar oder andere Vereinbarungen für Asien?

Dr. Mahathir: Wir haben Zeit. Viele Länder kamen unter Druck, sobald sie vom Golddinar sprachen. Sie sind nicht bereit, ihn offiziell zu verwenden. Aber privat bewerten die Leute ihre Transaktionen in Gold. Nicht die Regierungen, es ist keine Währung, denn nur Regierungen können eine Währung ausgeben. Aber sie haben Goldäquivalente, und die benutzen sie im Handel.

    In Asien?

Dr. Mahathir: Vor allem Asien und die Araber. Aber das tun sie privat. Im Handel, etwa im Internet, geben sie den Wert in Gold an.

    Was ist mit Malaysia? Wie hat die Wiedereinführung eines flexibleren Wechselkurses auf den Ringgit gewirkt?

Dr. Mahathir: Wie Sie wissen, haben wir den Ringgit an den Dollar gekoppelt (3,8 Ringgit = 1 Dollar), um die Finanzkrise von 1997-98 zu überwinden. Die Regierung hat das getan, nicht der Markt. Die Regierung kann den Wechselkurs ändern, wenn sie das für richtig hält. Und ich dachte, weil der US-Dollar offensichtlich im Wert sinkt, sollte der Ringgit jetzt an einen höheren Wert gebunden werden. Aber die jetzige Regierung hat andere Vorstellungen, sie beschloß, den Ringgit floaten zu lassen. Natürlich ist er stärker geworden, aber nicht so viel, wie er sollte, weil er viel stärker ist, als der Markt akzeptieren will. Ich glaube auch, daß die Zentralbank ihn bewußt in einem bestimmten Bereich hält.

Wenn er nicht in dem Maße stärker wird, wie er sollte, geschieht zweierlei. Erstens führt die Abwertung des Dollars zu einer Abwertung unserer Währung, und deshalb steigen die Preise unserer Importe, z.B. Öl. Der Preis des Öls würde nicht so stark steigen, wenn der Ringgit an einen höheren Wert gebunden wäre...

Zweitens kann man die Wirtschaft besser steuern, wenn man den Wechselkurs festlegt. Denn die Menschen neigen zum Gewinnstreben. Wenn die Währung stärker wird, geben sie den Nutzen der stärkeren Währung nicht an die Warenpreise weiter. Sie verkaufen immer noch zum alten Preis. Und wenn man mit einer stärkeren Währung den alten Preis bezahlt, verliert man Geld. Wenn die Regierung den Kurs festlegt, sagen wir um 10% aufwertet, dann werden die importierten Güter 10% billiger. Aber wenn der Markt entscheidet, wissen die Menschen nicht, wann der Kurs steigt und wann er fällt. Die Regierung kann dann nicht verlangen, daß die Waren billiger werden. Sie verliert also diesen Handlungsspielraum. Sie verliert diese Möglichkeit, die Bewegung der eigenen Währung zu nutzen.



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