Zurück zum Journal

  Juni 2005 Journal (Texte)

Niederlage für Bush-Cheney - Sieg für Amerika und die Welt

Der Versuch der Neokonservativen, dem Präsidenten diktatorische Vollmacht zu verschaffen, ist gescheitert, eine überparteiliche Gruppe von Senatoren rettete die Verfassung. Bush ist nun eine "lahme Ente", und im Senat ist ein neues politisches "Gravitationszentrum" entstanden.

Am späten Abend des 23. Mai stand es fest: Nur vier Monate nach dem Antritt seiner zweiten Amtszeit ist US-Präsident George W. Bush politisch eine "lahme Ente" - auch wenn das viele in und außerhalb Amerikas noch nicht begriffen haben. An diesem Montagabend wurde der Vorstoß seines Vizepräsidenten Dick Cheney, dem Senat seine verfassungsmäßige Macht zu entreißen und die USA in eine Präsidialdiktatur zu verwandeln, von sieben demokratischen und sieben republikanischen Senatoren zunichte gemacht.

Die Einigung kam keinen Augenblick zu früh. Nur wenige Stunden später sollte die Abstimmung über die rechtswidrige Änderung der Senatsstatuten stattfinden, die der republikanische Senatssprecher Bill Frist und Vizepräsident Cheney (in seiner selten wahrgenommenen Funktion als Senatspräsident) vorbereitet hatten. Das in der Verfassung verankerte System gegenseitiger Kontrollen (checks and balances), das dem Senat eine besonderen Machtstellung gegenüber dem Präsidenten einräumt, sollte damit ausgehebelt werden. Aber die überparteiliche Gruppe der 14 Senatoren erreichte nach zähen Verhandlungen einen Kompromiß, der Cheney und Frist daran hindert, diesen verfassungswidrigen Putschversuch - "nukleare Option" genannt - durchzuziehen.

Das Entscheidende an der Vereinbarung ist, daß die republikanischen Senatoren zusagen, den Plan Cheneys und Frists zur Aufhebung des sog. "Filibuster" - bei Bestätigung der von der Regierung vorgeschlagenen Richter - zu blockieren. Das Filibuster ist die Möglichkeit der Senatsminderheit, eine Entscheidung so lange aufzuschieben, bis eine Einigung erzielt werden kann. Die Demokraten ihrerseits sagen zu, sich der Abstimmung im Senat über eine bestimmte Anzahl der nominierten Richter nicht zu widersetzen und das Filibuster nur unter außergewöhnlichen Umständen einzusetzen.

Angeführt wurden die überparteilichen Verhandlungen von den beiden altgedienten Senatoren Robert Byrd (Demokrat aus West-Virginia) und John Warner (Republikaner aus Virginia). Neben den 14 Senatoren, die das Abkommen der Presse vorstellten, haben es noch zwei weitere unterzeichnet (jeweils einer aus beiden Parteien).

Der Sprecher der demokratischen Senatsminderheit Harry Reid begrüßte die Einigung unmittelbar nach Bekanntwerden. Zusammen mit den Senatoren Charles Schumer, Richard Durbin und der Senatorin Barbara Boxer erklärte er, dies sei ein wichtiger Sieg für Amerika und eine klare Botschaft an Präsident Bush, Cheney und die radikale Rechte, daß Machtmißbrauch und Versuche, die Verfassung zu verletzen, nicht hingenommen werden.

Reids Freude war nicht überraschend, denn die Einigung vom 23. Mai entsprach in allen wesentlichen Punkten dem Kompromißvorschlag, den er zwei Wochen zuvor mit Frist ausgearbeitet hatte. Frist hatte zunächst zugestimmt, war dann aber von Cheney und Bushs Berater Karl Rove zurückgepfiffen worden, die ihn dazu vergatterten, weiter mit der "nuklearen Option" voranzugehen.

Frist selbst teilte Reids Enthusiasmus begreiflicherweise nicht. Mit saurer Miene tat er nach der Einigung seine "Enttäuschung" kund. Das einzig Gute daran sei, daß sie das Filibuster als Waffe stumpf mache. Genau das stimmt aber nicht, weil niemand, weder Republikaner noch Demokraten, mit der Einigung das Recht auf das Filibuster aufgegeben hat. Frists Stellung als Mehrheitsführer ist nun geschwächt, weil die sieben republikanischen Senatoren gegen seine erklärten Absichten handelten.

Lyndon LaRouche hat die Vereinbarung begrüßt und zitierte einen berühmten Satz Benjamin Franklins, den auch Byrd zitierte. Byrd hatte gesagt: "Ich denke an Benjamin Franklin, den Ältesten unter denen, die die Verfassung unterzeichneten. Er wurde von einer Dame angesprochen: ,Dr. Franklin, was haben Sie uns gegeben?' Dr. Franklin antwortete: ,Eine Republik, Madame, wenn Sie sie bewahren können.' Wir haben sie bewahrt."

LaRouche ergänzte, diese Vereinbarung sei eine schwere Niederlage für die Regierung Bush und ein unzweifelhafter strategischer Sieg für Amerika. Denn eine überparteiliche Gruppe von Senatoren habe sich - in einer Grundsatzfrage zur Funktion und Stellung des Senats - Bush und Cheney offen entgegengestellt. Dies sei in einer extrem kritischen Lage geschehen, in der das Weiße Haus verrückt spiele und es um Krieg und Frieden und wirtschaftliche Überlebensfragen gehe. Die Ereignisse des 23. Mai werden weltweite Auswirkungen haben, sagte LaRouche.

LaRouches Mobilisierung

LaRouches politische Bewegung hatte intensiv gegen die verfassungsfeindlichen Pläne der Regierung Bush mobilisiert und damit beigetragen, Bedingungen zu schaffen, die die Ereignisse des 23. Mai ermöglichten. Schon zu Beginn der ersten Amtszeit der Regierung Bush im Januar 2001 hatte LaRouche gewarnt, unter dem Druck der Finanz- und Wirtschaftskrise werde die Regierung versuchen, sich immer weiterreichendere diktatorische Vollmachten anzueignen.

Als Cheney und Frist am 18. Mai mit der Einleitung des Abstimmungsverfahrens über zwei umstrittene Richter mit der "nuklearen Option" Ernst machten, riet LaRouche den Demokraten, sie sollten damit drohen, die gesamte Arbeit des Senats lahmzulegen, falls Cheney versucht, die Änderung der Statuten des Senats durchzusetzen, um ein Filibuster ohne die vorgschriebene Zweidrittel-Mehrheit beenden zu können. "Cheney verstößt gegen die Vorschrift, wenn er nicht die 67 Stimmen hat, die für Änderungen der Senatsstatuten erforderlich sind. Das wäre das Ende eines ordnungsgemäßen Ablaufs. An diesem Punkt sollten Sie den Senat lahmlegen", sagte er.

LaRouche betonte, jeder Versuch, die Statuten des Senats ohne die dazu erforderliche Stimmenmehrheit zu ändern, wäre praktisch ein Staatsstreich. "Es wäre ein Verfassungsbruch, und solange sie dabei bleiben, kann man im Senat nicht einfach so weitermachen", fuhr er fort. Wenige Tage später veröffentlichte er den Aufruf Rettet die amerikanische Verfassung!, der auch als Massenflugblatt in der Hauptstadt verbreitet wurde (siehe unten).

Diese Argumente LaRouches tauchten auch im Verlauf der Senatsdebatte immer wieder auf. Senator Reid sagte, es stehe weit mehr auf dem Spiel als die Bestätigung einiger Richter. Die Regierung habe auf Betreiben rechter Kreise einen gefährlichen Weg eingeschlagen, sie wolle sich nicht nur in der Frage der Bestätigung von Ernennungen des Präsidenten, sondern auch bei umstrittenen Gesetzesvorlagen wie der Rentenprivatisierung praktisch jeglicher Kontrolle entziehen. Reid warnte die Amerikaner, hier handele es sich um den Versuch, "217 Jahre der Geschichte des Senats zu beenden, um nach absoluter Macht zu greifen".

Senator Lautenberg bezeichnete im Senat Cheneys Absichten als "Staatsstreich". Sein Kollege Joseph Biden wies in einer leidenschaftlichen Rede auf die verfassungsrechtliche Bedeutung der Sache hin. Er beschrieb die Bewegung "Verfassung im Exil" (Constitution in Exile), der mehrere von Bush vorgeschlagene Richter angehören und die darauf aus ist, die Errungenschaften Roosevelts New Deal rückgängig zu machen. In diesem Zusammenhang verwiesen die Senatoren Schumer und Diane Feinstein darauf, daß die von Bush nominierte Richterin Janice Brown die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes von 1937, in der die Rechtmäßigkeit des New Deal bestätigt worden war, als "unsere sozialistische Revolution" verunglimpft hat. Einige Senatoren waren sogar bereit, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Cheney zu beantragen, wenn er wie geplant vorgegangen wäre.

Praktisch alle demokratischen Senatoren verwiesen auf die Bedeutung der Gewaltenteilung und der Kontrollmechanismen, welche die Gründerväter in die amerikansische Verfassung einbetteten. Zugleich machten sie deutlich, daß der Griff der Kreise um Cheney nach absoluter Machtfülle, die Bevölkerung ihres letzten Schutzes beraubt hätte - hinsichtlich Gesundheitsversorgung, Gläubigerschutz oder Rente.

Auf der Pressekonferenz, auf der die Vereinbarung der 14 Senatoren der Öffentlicheit vorgestellt wurde, erklärte der republikanische Senator Lindsey Graham, er habe ursprünglich für die "nukleare Option" stimmen wollen, aber ihm sei klar geworden, daß es angesichts der Rentenkrise und der Verluste im Irak eine Tragödie gewesen wäre, wenn der Senat lahmgelegt worden wäre.

Washington hat sich über Nacht geändert. Vor einige Wochen hatte LaRouche bei einem Mitagessen mit Mitarbeitern von Kongreßausschüssen erklärt, es ginge nicht vorrangig darum, welche Partei die Mehrheit habe. Wenn 15 Senatoren bereit sein, Führungsstärke zu beweisen und konsequent zu handeln, könne man den Kurs der Geschichte ändern. Nun verhinderten 16 Senatoren beider Parteien den Versuch der Bush Regierung, die Statuten des Senats in verfassungswidriger Weise zu ändern. Die Republik sei gesichert worden, jetzt müsse das neue politische Gravitätszentrum in Senat, den dringend gebotenen wirtschaftlichen Wiederaufbau Amerikas und der Weltwirtschaft in die Wege zu leiten.

Debra Freeman

Zurück zum Anfang Zurück zum Journal