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  Juni 2005 Journal (Texte)

"Die Gründerväter wollten keinen König"

Bei der Senatsdebatte über Richternominierungen des Präsidenten machten die Demokraten deutlich, daß es dabei nicht um die einzelnen Richter ging, sondern um den Versuch, die Minderheit des Senats zu entrechten und das komplizierte Gleichgewicht der Gewaltenteilung, und damit die amerikanische Verfassung, fundamental zu ändern. Hier einige Auszüge.

Senator Frank Lautenberg (D-New Jersey), Rede vor dem Plenum des Senats am 23. Mai

Ich will, daß das amerikanische Volk versteht, was hier im Senat geschehen wird, wenn die Dinge so laufen wie geplant. Vizepräsident Cheney, den wir sonst nur selten in dieser Kammer sehen, wird hierher kommen, mit dem Ziel, die bestehenden Regeln für die Arbeit des Senats zu brechen. Er wird im Sessel des Versammlungsleiters Platz nehmen und etwas tun, an das ich mich in meinen über 20 Jahren im Senat, offen gesagt, nicht erinnern kann. Er könnte, wenn das eintritt, was wir hören, die Richtlinien des Senats vorsätzlich falsch interpretieren.

Beachten Sie diese Ironie. Vizepräsident Cheney darf bei der Nominierung von Bundesrichtern mithelfen. Und wenn der Senat sich gegen die Wahl der Administration wehrt, kommt er hierher und bricht die Regeln, um seine Richter durchzusetzen. Wenn das kein Machtmißbrauch ist! Die Gründerväter würden erzittern, wenn sie an dieses Szenario dächten. Es widerspricht der gesamten Philosophie unserer Verfassung. Unsere Verfassung hat ein System geschaffen, das es dem Präsidenten unmöglich machen soll, seine Macht zu mißbrauchen.

Morgen werden wir etwas sehen, was einem Coup d'État entspricht, einer Machtübernahme, genau hier im Senat. Der Senat hat wie die Gesellschaft Regeln. Wir schaffen hier Gesetze, und wir rühmen uns der Tatsache, daß dies ein Rechtsstaat ist. Wir machen hier Gesetze und erwarten, daß die Amerikaner sie einhalten. Aber nun will der Führer der Mehrheit, daß der Senat es den republikanischen Senatoren leichter macht, die Regeln zu ändern, wenn ihnen der Verlauf des Spiels nicht gefällt...

Wenn der Führer der Mehrheit die Regeln ändern will, dann gibt es einen rechtlichen Weg, dies zu tun. Eine umstrittene Änderung der Senatsregeln soll durch den Geschäftsordnungsausschuß des Senats gehen. Wenn sie dem gesamten Senat zur Beratung vorgelegt wird, sind 67 Stimmen notwendig, damit sie in Kraft tritt. Aber anstatt sich an die Regeln zu halten, will Vizepräsident Cheney aus seiner Position als Versammlungsleiter heraus die Regeln brechen und durch Dekret verändern. In anderen Worten, wir werden den Versuch erleben, den Senat, wie wir ihn kannten, zu stürzen...

Die Verfassung sagt, der Senat muß beraten und zustimmen, bevor die vom Präsidenten ernannten Richter ihren Platz auf der Bank einnehmen können. Sie sagt nicht, beraten und nachgeben. Sie sagt nicht, zuerst zustimmen und dann beraten. Wie der Sprecher der Demokraten Harry Reid kürzlich sagte: George Bush wurde zum Präsidenten gewählt, und nicht zum König.

Die Gründerväter Washington, Jefferson und Madison wollten keinen König. Und deshalb schuf diese Verfassung einen Senat als Gegengewicht zur Macht des Präsidenten. Wenn in diesen Tagen schreckliche Ideen wie die Privatisierung der Rentenversicherung vom Präsidenten kommen, dann ist das amerikanische Volk dankbar, daß es uns gibt, um ihn zu stoppen.

Präsident Bush hat bekanntlich gesagt: "Wenn dies eine Diktatur wäre, dann wäre alles viel einfacher - solange ich Diktator bin."

Ich hoffe, daß Präsident Bush nur gescherzt hat, als er das sagte. Aber die Verbündeten des Präsidenten scheinen nicht zu scherzen. Sie wollen, daß der Senat einfach nur allen Nominierungen des Präsidenten zustimmt, egal, was sie getan haben.

Wir haben 208 der Nominierungen des Präsidenten bestätigt. Aber einigen haben wir die Bestätigung verweigert, weil wir sie für zu extrem hielten. Sie haben ihre Meinung gesagt. Es beruhte nicht auf Hörensagen. Es beruhte auf Dingen, die sie gesagt haben. Sie sind zu extrem, um Bundesrichter zu sein...

Senator Joseph Biden (D-Delaware), Rede vor dem Plenum des Senats am 23. Mai

... Daß wir uns nicht mißverstehen: Diese nukleare Option ist letztlich ein Beispiel für die Arroganz der Macht. Es ist im Grunde ein Versuch der Mehrheitspartei, angetrieben von ihren Rechtsextremisten, nach der Macht zu greifen, und dazu ausgelegt, die Interpretation der Verfassung zu ändern, insbesondere hinsichtlich der individuellen und Eigentumsrechte. Nicht mehr und nicht weniger. Geben Sie mir einige Minuten, das zu erläutern.

Diejenigen, die diese Änderung wollen, wollen einen der prozeduralen Mechanismen eliminieren, die ausdrücklich dazu geschaffen wurden, die individuellen Rechte zu garantieren... Dies würde den Schutz einer Minderheitsansicht in der Hitze von Exzessen der Mehrheit unterminieren. Wir haben in der amerikanischen Geschichte bereits solche Zeiten durchlebt, aber meines Wissens war noch nie eine Partei so unverfroren, die Struktur dieser Körperschaft so fundamental zu ändern.

Warum sonst würde eine Partei versuchen, eine der fundamentalsten Änderungen in der 216jährigen Geschichte dieses Senats durchzusetzen, bloß weil ihnen 10 von 218 Bundesrichtern verweigert wurden, von denen drei verzichtet haben?...

Die extreme Rechte der Republikanischen Partei versucht, die Bundesgerichte als Geisel zu nehmen, indem sie die Unabhängigkeit der Gerichte entmannt und eine der einzigartigen Grundlagen des Senats ändert, nämlich den Schutz der individuellen Rechte der Senatoren, den Schutz der Unabhängigkeit der Bundesrichter zu garantieren...

Merken Sie sich meine Worte: Hier geht es nicht um die Politik des Jahres 2005, sondern um die Bundesgerichte des Landes im Jahre 2025. Dies ist, wie ich schon sagte, die wichtigste Stimme, die ich in meinen 32 Jahren im Senat abgegeben haben werde. Die extreme Rechte der Republikaner hat die "Verfassung im Exil" des Bundesapellationsrichters Douglas Ginsburg zu ihrer obersten Priorität erhoben...

Wenn Sie daran zweifeln, so lesen Sie bitte, was Richter Ginsburg geschrieben hat, und hören Sie, was Michael Grave vom American Enterprise Institute gesagt hat: "Ich glaube, wirklich notwendig ist ein fundamentaler intellektueller Angriff auf das gesamte Gebilde des New Deal. Ich will dem gesamten modernen Wohlfahrtsstaat die richterliche Unterstützung entziehen."...

Senatorin Dianne Feinstein (D-Kalifornien), Rede vor dem Plenum des Senats am 23. Mai

Wenn man den logischen Schluß zieht, dann wird eine Mehrheit für die nukleare Option unsere Demokratie grundlegend verändern, nicht nur, indem die Regeln gebrochen werden, wie ich es gerade beschrieben habe, sondern durch Änderung des fundamentalen Gleichgewichts zwischen dieser Körperschaft und dem anderen Haus und insbesondere der Rolle, die die Senatoren seit über 200 Jahren bei der Vertretung ihrer Wähler spielten...

Wir alle wissen, daß der Senat wie das Rad eines riesigen Fahrrads funktioniert. Wenn einer von hundert widerspricht, so wird das Rad angehalten. Jeder respektiert das und schreckt davor zurück, denn wenn wir es sind, die das Rad anhalten, dann fühlen wir, was auch mit unseren Gesetzesvorschlägen und Gesetzen geschehen kann...

Ich mache mir auch Sorgen, daß wir dann, wenn die nukleare Option durchkommt, eigentlich gar keinen Justizausschuß mehr brauchen. Ich bitte meine Kollegen, dies zu bedenken. Wenn der Präsident die unbegrenzte Befugnis erhält, jeden zu ernennen, den er sich auswählt, dann brauchen wir keine Anhörungen mehr, dann brauchen wir nicht mehr die Vergangenheit eines Nominierten zu prüfen. Widersprüche oder Sorgen stoßen auf taube Ohren, solange es mindestens 50 Senatoren gibt, die bereit sind, die Auswahl des Präsidenten für die Bundesgerichte zu bestätigen...

Thomas Jefferson hat sich immer dafür eingesetzt, daß unser Land auf dem freien Austausch der Ideen und offener Debatte beruht. Und vielleicht haben wir es bis heute als gegeben vorausgesetzt, daß eine Regierung des Volkes auf Vernunft, auf Wahl und einer offenen Debatte beruht. Aber bevor unsere Nation gegründet wurde, beruhten die modernen Regierungen auf autoritärer Herrschaft. Das Volk galt im allgemeinen als nicht viel mehr denn als Vieh, das von der Regierung und denen kontrolliert wird, die Reichtum, Eigentum, Bildung und Macht besitzen. Die Gründerväter haben die revolutionäre Idee eingeführt, daß die Regierung auf der vernünftigen Wahl des Volkes selbst beruhen könnte...

Ich bin sehr besorgt, daß die legitimen Meinungsverschiedenheiten über die Qualifikation eines Nominierten, der auf einen lebenslangen Posten erhoben werden soll, sich zu einer Strategie wandelt, die Kontrollen und Gegengewichte unserer Verfassung zu beseitigen...

Senator Harry Reid (D-Nevada), Sprecher der Minderheit im Senat, Pressekonferenz am 23. Mai, nach Bekanntwerden der Einigung der 14 Senatoren, die "nukleare Option" abzuwenden

... Der Senat hat sich heute Abend für die Vernunft und für die Verantwortung entschieden. Wir haben Präsident George Bush, Vizepräsident Dick Cheney und dem radikalen Flügel der Republikaner eine unmißverständliche Botschaft übermittelt: Ein Machtmißbrauch wird nicht hingenommen, weder von Demokraten noch von Republikanern. Und Ihr Versuch - das sage ich dem Vizepräsidenten und dem Präsidenten - auf der Verfassung herumzutrampeln und die vollkommene Macht zu ergreifen, ist am Ende.

Ich habe Senator Frist seit vielen Monaten mehrere Optionen angeboten, die diesem Kompromiß ähneln. Auch wenn er nicht in der Lage war, zuzustimmen, bin ich doch froh, daß einige verantwortliche Republikaner und meine Kollegen in der Lage waren, ihre Differenzen beizulegen und von der Mitte aus zu arbeiten...

Der Senat wird seinem Willen folgen. Nun gibt es Gerüchte, daß es Vakanzen im Obersten Gerichtshof geben wird. Und wenn dies so kommt, dann glauben wir, daß der Präsident es genauso machen sollte wie Clinton, so, wie Präsident Clinton mit dem Vorsitzenden Hatch umgegangen ist: Man hat ein bißchen konsultiert, beraten und zugestimmt...

Es geht uns nicht darum, einen Streit mit dem Präsidenten vom Zaune zu brechen. Er sollte aber auch nicht versuchen, einen Streit mit uns vom Zaune zu brechen. Es ist ein sehr wichtiger Abend für das amerikanische Volk...

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