Juni 2003 Archiv (Texte)

LaRouche in der Türkei - Sprecher des wahren Amerika

Auf die Drohungen der Washingtoner Kriegsfraktion reagierte die Türkei mit einer Mischung aus Empörung und Furcht. Um so begeisterter war der Empfang für den Präsidentschaftsbewerber LaRouche, der statt imperialer Kriegspolitik gemeinsame wirtschaftliche Entwicklung fordert.

Auf der Liste der Opfer des Irakkrieges steht die Türkei weit oben. Nicht nur die Wirtschaft des Landes wurde durch ihn schwer angeschlagen, auch das 50 Jahre alte Bündnis mit den Vereinigten Staaten wurde erschüttert.

Zwei führende Washingtoner Kriegstreiber, Paul Wolfowitz und Richard Perle, setzten den NATO-Partner vor dem Krieg schwer unter Druck, denn die Türkei sollte den Einmarsch von 62 000 US-Soldaten in den Nordirak von ihrem Boden aus genehmigen. Die Regierung von Recep Tayyip Erdogan gab nach, aber das Parlament, in dem die Regierungspartei, die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), eine große Mehrheit hat, lehnte die Forderung ab.

Daraufhin sperrten die wütenden "Drückebergerfalken" der Türkei nicht nur finanzielle Hilfen, sie ereiferten sich auch darüber, daß das Parlament demokratisch anders entschied, als von ihnen gewünscht. Wolfowitz beschwerte sich darüber, daß das türkische Militär das Parlament nicht einfach zur richtigen Entscheidung gezwungen habe! Nach dem Krieg forderte er eine Entschuldigung der Türken, weil sie Amerikas Forderung nicht nachgekommen waren, und drohte, wenn die Türkei einen künftigen Angriff auf den Iran nicht unterstütze, werde das Land zerfallen.

Auf solches imperiale Gehabe reagiert die Türkei allergisch, denn das Land ist zwar seit einem halben Jahrhundert ein treuer Bündnispartner der USA, aber es ist auch stolz auf seine Unabhängigkeit und nationale Souveränität, über die vor allem das Militär wacht. Führende Vertreter aus Parteien, Streitkräften und Medien reagierten auf die Arroganz von Wolfowitz & Co. mit einer Mischung aus Empörung und Furcht, und sie suchten nach Wegen, sich zu wehren.

Der wirkungsvollste dieser Wege war - eine Einladung an den demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten Lyndon LaRouche. LaRouches Besuch vom 13.-18. Juni veränderte die Stimmung im Land. Der Pessimismus wich neuer Hoffnung, daß die amerikanisch-türkischen Beziehungen geheilt werden können - aber nicht durch Ankaras Kapitulation vor imperialem Diktat, sondern durch eine Wende in den USA, an der LaRouche mit seinem Wahlkampf arbeitet.

Der Präsidentschaftskandidat und seine Ehefrau Helga Zepp-LaRouche wurden von der Monatszeitschrift Yarin ("Morgen") eingeladen, die sehr für die eurasische Entwicklung eintritt und in den letzten eineinhalb Jahren regelmäßig Beiträge LaRouches veröffentlichte. Burhan Metin und A. Altay Unaltay von Yarin veranstalteten am 14. Juni in Istanbul zusammen mit dem städtischen Kulturamt eine große Konferenz zum Thema "Eurasien: Neuer Schlüssel zu globaler Entwicklung und Frieden" und am 16. Juni eine Konferenz zum selben Thema in der Handelskammer der Hauptstadt Ankara. Bei beiden Veranstaltungen hielt LaRouche die Hauptrede. Unter den zusammen 700 Teilnehmern der Veranstaltungen waren Minister und Abgeordnete, Intellektuelle, Professoren und Studenten sowie Journalisten. Darüber hinaus gab LaRouche Pressekonferenzen und Interviews, sein Besuch stieß in den Medien auf große Resonanz.

Schon bei der Ankunft am Flughafen wurde LaRouche von Journalisten begrüßt und gab eine kurze Pressekonferenz. Hier und in einem Kurzinterview mit Guerkan Zengin von CNN-Turk am selben Abend machte er deutlich, was er mitzuteilen hat:

Die heutige Politik der US-Regierung sei schon Anfang der 90er Jahre vom heutigen Vizepräsidenten Cheney geplant worden. Eine kleine Gruppe von Fanatikern um Rumsfeld, Wolfowitz, Perle und Cheneys Stabschef Libby verfolge eine imperiale Politik mit Drohungen und einer Bereitschaft zum Einsatz von Kernwaffen. Sein Ziel sei ein Amtsenthebungsverfahren gegen Cheney als den Kopf dieser "Junta", um so auch alle übrigen von der Macht zu entfernen.

Der internationale Widerstand gegen den Krieg und die imperiale Politik sei zwar anerkennenswert, aber da die USA eine Nuklearmacht seien, könne man nur dort diese Politik stoppen. "Wir in den USA müssen die Fäden ziehen", sagte er im Fernsehsender Kanal 7, "und genau das geschieht nun auch", was sich an entsprechenden Schritten von Leuten wie Brent Scowcroft, John Dean, Lawrence Eagleburger und führenden Kongreßpolitikern zeige.

In einem Pressegespräch im Büro der Arbeiterpartei (PPI) erläuterte LaRouche das politische System der USA. Die Väter der amerikanischen Verfassung hätten zwar ein Präsidialsystem geschaffen, wo die Macht in den Händen des gewählten Präsidenten liegt. Aber um einen Mißbrauch dieser Macht zu verhindern, muß die Legislative (Kongreß) vor einem Krieg beraten und zustimmen. "Der Irakkrieg", sagte er, "wurde mit Lügen Cheneys und anderer vor dem Kongreß vorbereitet, und nach amerikanischem Recht begeht ein Regierungsvertreter, der lügt, um einen Krieg herbeizuführen, ein Verbrechen schwerster Art." Das rechtfertige ein Absetzungsverfahren.

Wenn man die "Junta" los sei, so LaRouche weiter, könne man die Politik des Präsidenten trotz dessen geistiger Schwäche in eine bessere Richtung lenken. Für die Region bedeute dies, die Wirkung des Irakkriegs aufzuheben und den Nahost-Friedensplan durchzusetzen, "auch wenn dafür die Regierung Scharon stürzen müßte, was die USA tun können, wenn es notwendig ist".

Wenn in Washington wieder eine verfassungsmäßige Regierung hergestellt sei, müsse sie de Wirtschaftskrise überwinden, um das drohende Chaos abzuwenden. Dazu brauche man eine Reform des Weltwährungssystems und eurasische Zusammenarbeit.

Auf die Frage von Kanal 7 nach der Aussicht auf eine Wiederherstellung der strategischen Partnerschaft zwischen der Türkei und den USA antwortete LaRouche, wenn er Präsident wäre, gebe es da überhaupt keine Probleme. "Statt einer imperialen Macht müssen wir eine Gemeinschaft von Nationen schaffen, die gemeinsame Prinzipien teilen." Ihre geographische Lage mache die Türkei zu einer Schlüsselnation als Brücke zwischen dem Balkan (der wiederaufgebaut werden muß) und Europa einerseits und zu China und Indien andererseits. Eisenbahnstrecken sollten die Türkei über die Südroute der Eurasischen Landbrücke mit dem Iran und weiter bis Malaysia verbinden. Die Türkei werde auch eine Schlüsselrolle bei der Lösung der Wasserprobleme der Region spielen, was eine Voraussetzung für Frieden in der Region sei.

Geschichte und Zukunft

Die langfristige Perspektive der eurasischen Entwicklung war der Schwerpunkt der Konferenz der Handelskammer in Ankara. Hier sprach LaRouche über die natürlichen Vorteile einer Ausweitung der westeuropäischen Exporte auf den wachsenden Markt in Asien - den größten der Welt. Er schilderte die Fortschritte bei Großvorhaben in China und Eisenbahnverbindungen in Korea sowie die wachsende Zusammenarbeit zwischen China und Indien (das er kürzlich besucht hatte). In Zentral- und Nordasien müsse man die gewaltigen Rohstoffvorkommen erschließen und in den kommenden 25-50 Jahren Wasser- und Verkehrsprojekte bauen.

Man müsse langfristig über einen Zeitraum von mehr als zwei Generationen planen, wobei sich die wirtschaftlichen Beziehungen völlig verändern. Nationen würden künftig nicht mehr mit Fertigwaren oder Rohstoffen handeln, sondern durch die Entwicklung der Technik ein gleiches Niveau erreichen, sich gegenseitig neue Technologien liefern und so die Entwicklung der Produktivität vorantreiben.

LaRouche sprach auch wiederholt über die historische Rolle der Türkei. Die Identität der türkischen Nation entstand durch die Verbindung der osmanischen Tradition - einer Koexistenz vieler Nationalitäten, Religionen und ethnischer Gruppen - mit dem Wirken des Gründers der modernen Türkei, Mustafa Kemal Pascha (Atatürk). Im Laufe der Geschichte wurde die Türkei von vielen Kulturen beeinflußt: Hethiter und Perser, Seldschuken, Araber usw. Als das Osmanische Reich zusammenbrach und die Briten es aufteilen wollten, begann Atatürk den Unabhängigkeitskampf; er schlug die französischen und britischen Truppen, die das Sykes-Picot-Abkommen durchsetzen sollten, und gründete eine unabhängige, moderne Nation. LaRouche würdigte Atatürk als militärische, politische und diplomatische Führungspersönlichkeit, deren Qualitäten man nur richtig würdigen könne, wenn man sich selbst an seine Stelle inmitten der gewaltigen Krise aller Nachbarländer (Revolution in Rußland usw.) versetze.

Atatürks Werk sei noch heute ein wichtiger Orientierungspunkt. Ein wichtiger Aspekt sei dabei in den 20er Jahren Atatürks enge Zusammenarbeit mit dem afghanischen König Amanullah und dem Schah des Iran bei der regionalen Wirtschaftsentwicklung.

Tiefgreifende Wirkung

LaRouches Besuch zeigte unmittelbare, tiefgehende Wirkung. Am 14. Juni war er Gast bei Hulki Cevizoglu in der beliebtesten Talkshow des Landes, Ceviz Kabagu in A-TV, die wöchentlich weltweit über Satellit ausgestrahlt wird und auch von vielen Türken in Europa und den USA gesehen wird. In der dreistündigen Diskussion hatte LaRouche Gelegenheit, auf die Themen seines Besuchs einzugehen. Er erläuterte, wie er in den Verfassungsinstitutionen der USA die Absetzung Cheneys durchsetzen will und schilderte die innenpolitische Lage in Amerika. Er beschrieb die Rolle von Leo Strauss als "Urvater" der neokonservativen Kriegspartei und ging auf die Probleme in der Region ein - u.a. die von US-Agenten betriebene Destabilisierung des Iran, die sich verschlechternde Lage in Afghanistan und im Irak und die Gefahr eines Kurdenstaats im Irak.

Zuschauer fragten nach dem Hintergrund von Osama Bin Laden, den Beziehungen amerikanischer Kreise zu Saddam Hussein, dem Iran-Contra-Skandal, der Inszenierung der beiden Weltkriege, dem deutsch-französischen Bündnis gegen die unilaterale Kriegspolitik der USA, der Rolle des Council on Foreign Relations, der kürzlich ein Geheimtreffen in der Türkei hatte, usw. Am Schluß des langen Gespräches meinte Cevizoglu, er hoffe, daß LaRouche das von ihm angestrebte Amt erhalte, und die Türkei solle von LaRouche lernen.

Dieser Fernsehauftritt wurde in Europa und Amerika begeistert zur Kenntnis genommen, was sich an einer Flut von Anrufen und e-mails an die Büros von LaRouches Mitarbeitern zeigte. Die türkische Presse im In- und Ausland berichtete über seinen Besuch, LaRouche begann daher seine Rede vor der Handelskammer in Ankara mit Bemerkungen über das weltweite Echo auf seinen Besuch. Auf eine Frage zu Paul Wolfowitz' Forderung, die Türkei solle sich "entschuldigen", antwortete LaRouche später: "Ich kann Ihnen versichern, alle Ebenen der amerikanischen Regierung wissen genau, was ich hier gesagt habe, seit ich hier in der Türkei angekommen bin. Die einen haben Wutausbrüche, die anderen freuen sich. Viele Militärs freuen sich... Ich glaube nicht, daß die Türkei irgendetwas [zur Entschuldigung] sagen muß... Was Wolfowitz gesagt hat, war eine Schande, es war peinlich für die Vereinigten Staaten." Dies wurde mit donnerndem Applaus begrüßt.

Präsidentschaftskandidat

Ein Grund für das außergewöhnliche Medienecho ist sicherlich, daß LaRouche einer der führenden Bewerber für die Präsidentschaftsnominierung der Demokratischen Partei ist. In den öffentlichen Veranstaltungen und privaten Diskussionen wurde er als Präsidentschaftskandidat absolut ernst genommen. Unmittelbar vor der Abreise am 18. Juni sagte LaRouche Istanbul TV, er sei sich "beinahe sicher", daß er gewinnen werde. "Alles spricht für mich und gegen meine Rivalen." Die Lage habe sich seit 1964 immer mehr verschlechtert, "jetzt ist es Zeit für eine Wende".

LaRouche betonte aber, wichtig sei nicht, was er 2005 erreichen wolle, sondern was er heute tue, um die Weltpolitik zu verändern. Gerade das beeindruckte seine Gesprächspartner und stimmte sie optimisch.

Dazu muß man bedenken, daß der Irakkrieg weltweit große Angst ausgelöst hat. LaRouche sprach diese Frage unmittelbar an. In seiner Rede in Istanbul sagte er, weil die meisten Regierungen die amerikanischen Atomwaffen fürchteten, wage es niemand, sich zu widersetzen. Die Regierungen versuchten, nur souveräne Entscheidungen zu treffen, "die toleriert werden". Das sei aber keine Souveränität mehr. Diese Angst vor den Vereinigten Staaten sei heute die größte Gefahr für die Welt. Seine Aufgabe sei es daher, eine neue Lage zwischen den Staaten herbeizuführen: Man müsse sich zusammensetzen und auf wirtschaftliche Zusammenarbeit einigen. Er als Amerikaner müsse den übrigen Nationen sagen, sie müßten aufhören, Sklaven zu sein. Wenn man als souveräne Republiken gemeinsam das Gemeinwohl verteidige, könne man die Krise überwinden.

Zwei weitere Redner, die eingeladen wurden, LaRouches Vortrag zu kommentieren, vertraten gegensätzliche Ansätze. Dr. Numan Kurtulmas von der Wirtschaftsfakultät der Universität Istanbul, der auch dem Zentralkomitee der Saadet-Partei angehört, begrüßte LaRouches "wichtige Botschaft". Er stimme der Einschätzung, daß Präsident Bush nach dem 11. September 2001 von einer kleinen Gruppe von Neokonservativen manipuliert wurde, ebenso zu wie LaRouche Analyse der Zusammenbruchskrise der Wirtschaft. Nach dem verheerenden Irakkrieg müsse man die wirtschaftliche Integration durch gemeinsame Projekte z.B. bei der Wasserregulierung vorantreiben." Angesichts der Verschlechterung der Weltwirtschaft werde sich die Lage entweder verschlimmern bis hin zu regionalen oder nuklearen Kriegen, "oder die USA müssen eine sinnvolle Beziehung zu Asien und Afrika entwickeln, was auch im Interesse des Westens liegt." Dabei sollten die USA mit der Türkei beginnen, die wegen ihrer Beziehungen zur islamischen und arabischen Welt als "Berater" dienen könne. Kurtulmas schloß: "LaRouches Stimme muß gehört werden."

Der zweite Sprecher, Prof. Dr. Mahir Kynak von der Wirtschaftsfakultät der Gazi-Universität in Ankara, sagte hingegen, er stimme zwar mit LaRouches wirtschaftspolitischen Ansichten überein, die Türkei sollte jedoch lieber ein Partner der Vereinigten Staaten bei der Herstellung der militärischen Dominanz werden, "um Krieg zu verhindern". Dies löste eine heftige Debatte im Publikum aus, vor allem unter den Studenten.

Der nächste Präsident?

LaRouche wurde während seines Besuches sehr herzlich aufgenommen, und die zahlreichen Dankbarkeitsgesten seiner Gastgeber drückten alle den Wunsch aus: daß dies der nächste Mann im Weißen Haus sein möge. Der Präsident der Handelskammer von Ankara, Sinan Ayguen, sagte in seinen einführenden Bemerkungen, er sei "mehr als geehrt", den Kandidaten vorstellen zu dürfen, dessen Ansichten zur Wirtschaft und Notwendigkeit neuer Alternativen er teile. Abschließend sagte er: "Ich hoffe, daß Sie im Jahr 2004 Präsident werden" und fügte humorvoll hinzu: "Ich möchte, daß Sie uns jetzt schon versprechen, daß Sie, wenn dies geschieht, die Türkei nicht vergessen, sondern wiederkommen."

Zu Beginn der Konferenz wurde LaRouche eine goldene Atatürk-Medaille überreicht. Ähnliche Gesten des Respekts kamen in privaten Gesprächen von hochrangigen Militärs und Politikern, wie dem früheren Ministerpräsidenten Ecmettin Erbakan (1996-97), dem frühern Staatspräsidenten Suleyman Demirel (1993-2000), führenden Mitglieder der regierenden AKP und der PPI und anderen.

Nicht nur auf offizieller Ebene wünschten die Türken LaRouche Erfolg. Ein Student erklärte auf der Konferenz in Ankara, er habe sein Studium eigentlich in Amerika abschließen wollen, sich jedoch aus Protest gegen die gegenwärtige Regierung anders entschieden. "Aber wenn Sie gewählt werden, überlege ich es mir noch einmal." Nach einem privaten Treffen begrüßte eine junge Sekretärin LaRouche: "Viel Glück bei Ihrem Wahlkampf; ich hoffe, Sie gewinnen. Wir brauchen Sie!" Beim Abschiedsessen wurde er von einem Kellner angesprochen, der ihn im Fernsehen gesehen hatte und ihn seiner Unterstützung versicherte.

Muriel Mirak-Weißbach


Zurück zum Anfang