März 2003 Journal

Wiederaufbau einer kaputten Welt

Am 21.März 2003 kamen in Bad Schwalbach etwa 600 Mitglieder und Freunde aus 46 Nationen zur Jahreskonferenz des Schiller-Instituts zusammen. In seiner Hauptrede am ersten Abend hatte Lyndon LaRouche den Krieg verurteilt und erklärt, dies sei nicht bloß ein Krieg gegen den Irak, sondern ein Vorwand, um einen Weltkrieg anzuzetteln: "In den kommenden Tagen oder Wochen wird der Irak womöglich zerstört werden, aber der ,Irakkrieg' wird niemals enden. Denn dann wird es einen weiteren Krieg geben, unter einer Regierung, die voll und ganz auf den Kurs einer faschistischen Weltherrschaft eingeschwenkt ist. Deswegen müssen wir diesen Krieg beenden." Amelia Boynton Robinson, Mitstreiterin Martin Luther Kings in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, heute Vorstandsmitglied des amerikanischen Schiller-Instituts, hatte LaRouche als den amerikanischen Politiker vorgestellt, der genug Mut und Geist besitzt, um der Welt den Frieden zurückzugewinnen.

Neben LaRouche auf dem Podium saßen Chandrajit Yadav aus Indien, der in Indira Gandhis Regierung Minister war, der Volkswirt Dr. Bi Jiyao von der chinesischen Akademie für Makroökonomische Forschung der staatlichen Planungskommission und Prof. Dr. Wladimir S. Mjasnikow vom Fernost-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften. Im Anschluß an LaRouches Rede traten alle drei ans Mikrofon, um LaRouche ihrer Unterstützung zu versichern. Prof. Mjasnikow sagte: "Ja, wir müssen diesem Krieg ein Ende setzen!" Der Irak sei nur der erste Schritt, und ein besetzter Irak sei das perfekte Aufmarschgebiet für einen Angriff auf den Iran. Die Folgen eines solchen Krieges, in dem auch Rußland und China Angriffsziele werden könnten, seien kaum auszudenken.

 

Eurasische Landbrücke

Muriel Mirak-Weißbach erinnerte zu Beginn des zweiten Tages, an dem zehn Vertreter eurasischer Länder Vorträge hielten, an die alte Seidenstraße, die Vorgängerin des Projekts, das heute "Eurasische Landbrücke" heißt. Die Hauptrednerin des Tages, Helga Zepp-LaRouche, erläuterte die Parallelen der heutigen Lage zum Ersten Weltkrieg, der von den Gegnern eurasischer Zusammenarbeit heraufbeschworen wurde. Er hätte aber abgewendet werden können, wenn die führenden Politiker damals entschlossener für die Alternative einer eurasischen Kooperation bei Industrialisierung, Eisenbahnbau und sozialen Reformen eingetreten wären. Diese Politik, die vom französischen Außenminister Hanotaux und Graf Witte in Rußland vertreten wurde, hätte die Grundlage für eine friedliche Zusammenarbeit mit Deutschland schaffen können. Heute habe eine solche "Eurasische Union" mit Sicherheit eine größere Zukunft als die EU.

Die übrigen Redner des Tages kamen aus den eurasischen Ländern Rußland, China, Indien, Korea, Finnland und Polen. Prof. Mjasnikow sprach über "Das strategische Dreieck Rußland-China-Indien". Die Besuche des russischen Präsidenten Putin im Dezember 2002 in China und Indien zeugten von einer Trendwende in Richtung eurasischer Zusammenarbeit. Dr. Bi Jiyao sprach über Chinas "wirtschaftliche Entwicklungsperspektiven und neue Maßnahmen der wirtschaftlichen Öffnung". Er veranschaulichte den Konferenzteilnehmern die ungeheure Aufgabe, für die Entwicklung einer Volkswirtschaft von 1,3 Mrd. Menschen Sorge zu tragen. Dr. Bi sprach sich für die Ausweitung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und Deutschland aus und berichtete nicht ohne Stolz über die Jungfernfahrt der Magnetschwebebahn Transrapid in China.

Chandrajit Yadav, der auch Generalsekretär der indischen Kongreßpartei gewesen ist, wandte sich mit Sarkasmus gegen US-Präsident Bush und seine Haltung "Wer nicht für mich ist, der ist mein Feind". So redeten Despoten. Statt Hunger, Armut, AIDS und Analphabetentum zu bekämpfen, würden nun Zigmilliarden Dollar for den Irakkrieg verschleudert. Indien, mit den Ideen Gandhis und Nehrus, und die Bewegung der Nichtpaktgebundenen Staaten (NAM) müßten nun eine aktivere Rolle spielen, dabei sei das Dreieck Rußland-China-Indien von zentraler Bedeutung.

Anschließend sprachen Botschafter Kim Sang-woo, Generalsekretär des Sekretariats für den gemeinsamen Raum Ostasien aus Seoul und Dr. Chin Hyung-in vom Korea Maritime Institute, ebenfalls aus Südkorea. Der Finne Markku Heiskanen vom Nordischen Institut für Asienstudien behandelte den nördlichen Zweig der Eurasischen Landbrücke, der von Wladiwostok im Osten bis zur Atlantikküste im Westen reicht. Heiskanen appellierte an die Politik, umgehend Schritte in Richtung einer "künftigen Eurasischen Union" zu ergreifen.

Dr. Zbigniew Kwiczak, der früher im Ministerrang bei der Polnischen Botschaft in Moskau tätig war, stellte fest, der deregulierte, neoliberale, globalisierte Kapitalismus sei genauso gescheitert wie die kommunistische zentrale Planwirtschaft. Nun drohe ein Systemkollaps, der unweigerlich großes Leid verursachen werde. Gleichzeitig wachse aber auch die Chance, LaRouches wirtschaftspolitische Ideen zu verwirklichen.

 

Notwendige Entwicklungsperspektiven

Dr. Eneas Ndinkabandi vom Vorstand der Organisation RDR aus Ruanda berichtete über die Lage in Ruanda. Und der nigerianische Wirtschaftswissenschaftler Prof. Sam Aluko schilderte die verzweifelte Lage auf dem gesamten afrikanischen Kontinent. Nigeria werde immer ärmer, der durchschnittliche Jahresverdienst sei von 2000 Dollar im Jahre 1980 auf heute 350 Dollar gesunken. Unter dem Einfluß des IWF ziehe sich der Staat aus der Wirtschaftspolitik immer mehr zurück; aber eine funktionierende Privatwirtschaft gebe es auch nicht. Nur ein dramatischer Kurswechsel der weltwirtschaftlichen Entwicklung könne Afrika wieder auf die Beine helfen.

Der italienische Ökonom Dr. Nino Galloni knüpfte genau hier an. Um die Armut in Afrika zu bekämpfen, müsse zuerst die Infrastruktur der Wasserversorgung aufgebaut werden. Die Planung großer Infrastrukturprojekte sei jedoch äußerst schwierig bzw. unmöglich, wenn sie durch kommerziellen Kredit finanziert werden müssen. Dazu müßten andere Mechanismen geschaffen werden. Er betonte, daß auch kostspielige Infrastrukturprojekte sich am Ende immer lohnen, wenn sie von vielen Menschen benutzt werden und dem Land und der Umwelt zugute kommen.

Hartmut Cramer vom Schiller-Institut gab einen Hintergrundbericht über Dr. Wilhelm Lautenbach und seinen durch Reichsbankkredit finanzierten Arbeitsbeschaffungsplan aus dem Jahre 1931. Obwohl bei der berühmten Tagung der Friedrich-List-Gesellschaft am 16./17. September 1931 fast alle Anwesenden dem Lautenbach-Plan zustimmten, so notierte Lautenbach selbst, "versackte das Projekt wiederum, weil man in der Regierung nicht den Mut zu entschiedenem Handeln aufbrachte". 1936 äußerte Lautenbach sich in einer Rede über Roosevelts New Deal: Er sei "kühn und im Ansatz richtig" gewesen.

 

LaRouches "Enkel"

Zwei Themen standen im Zentrum des Sonntagnachmittags, der von sechs jungen Leuten aus Frankreich, Deutschland und den USA mit kurzen Vorträgen, Musik, Rezitation und einem Filmbeitrag eingeleitet wurde: Johanna von Orleans und die Notwendigkeit, sich von gescheiterten "Axiomen" oder Grundannahmen des eigenen Denkens zu trennen. Sie versetzten die Zuhörer zurück in die Zeit des 100jährigen Krieges, als die Briten Frankreich nahezu eingenommen hatten und erweckten Schillers Johanna zum Leben, indem sie einige Monologe, darunter den berühmten Prolog "Lebt wohl ihr Berge..." so rezitierten, als wären sie selbst an Johannas Stelle. Nicht um Land sei es in dem Krieg, in den Johanna siegreich intervenierte, gegangen, sondern um ein Prinzip, dem auch sie sich selbst verpflichteten -- "daß der Mensch dazu geschaffen ist, nach Höheren zu streben..."

Mit dem Thema Erziehung befaßten sich die beiden abschließenden Vorträge. Frau Dr. Areti Demosthenous vom Institute of Historical Research for Peace in Nikosia, Cyprus, sprach über den notwendigen Dialog der Kulturen schon im Schulunterricht. Es helfe viel, den Kindern die Vorzüge fremder Kulturen nahezubringen. Dr. Nina Gromyko von der Moskauer Akademie für die Entwicklung von Kultur und Erziehung berichtete über ihre eigene, durch die Literatur des Schiller-Instituts inspirierte Arbeit an neuen Unterrichtsmethoden, um bei Schülern die Fähigkeit zu eigenständigem schöpferischen Denken zu schärfen.


Zurück zum Anfang