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  Dezember 2004 Journal (Texte)

Die Jugend entscheidet die Zukunft des Jemen

Bei der ersten Konferenz des Allgemeinen Jugendrings im Jemen sprachen Präsident Saleh und mehrere Minister. Eine Delegation der LaRouche-Bewegung sorgte mit mehreren Redebeiträgen für lebhafte Diskussionen.

Der Jemen ist zwar ein sehr altes Land, aber ein sehr junger Staat. Das Land war von ausländischen Besatzern geteilt worden und wurde erst 1990 wiedervereinigt. Und Präsident Ali Abdullah Saleh hatte seit der Wiedervereinigung mit zahlreichen und erheblichen Problemen zu kämpfen.

Der Jemen hat heute mehr als 20 Millionen Einwohner und ist mit rund 530 000 km2 Fläche etwa so groß wie Frankreich. Das Land ist ziemlich arm. Seine Landwirtschaft leidet unter Wassermangel. Die Verkehrs- und Energieinfrastruktur wurde zwar in den letzten Jahren deutlich verbessert, seit der Wiedervereinigung wurden rund 10 000 km neue Straßen gebaut - aber sie muß noch weiter verbessert und ausgebaut werden, insbesondere in den ländlichen Regionen. Die 1990 aufgenommene Ölproduktion beläuft sich heute auf 438 500 Faß Öl pro Tag. Die Arbeitslosigkeit wird auf etwa 35% geschätzt, und die Mehrheit der Bevölkerung ist in der Land- und Viehwirtschaft beschäftigt. Etwa 25% der insgesamt 5,79 Mio. Beschäftigten arbeiten im Dienstleistungssektor, in der Industrie und im Handel. 15,7% der Bevölkerung gelten als arm. Das Land hat 6 Mrd. Dollar Auslandsschulden und wurde vom Weltwährungsfonds zu "strukturellen Anpassungsmaßnahmen" gezwungen.

Auf die Jugend kommt es an

Die Bevölkerung des Landes ist sehr jung. 51% der Bevölkerung sind jünger als 18 Jahre, das Durchschnittsalter liegt bei 16,5 Jahren. Angesichts eines Bevölkerungswachstums von 3,5% wird dieser Trend auch anhalten. Die Jugend ist offensichtlich der Schlüssel zur Entwicklung des Landes, und die Regierung zeigt, daß sie sich dieser Tatsache bewußt ist, indem sie die junge Generation mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützt.

Eine Delegation der LaRouche-Bewegung hatte Gelegenheit, dies bei einem Besuch im Jemen vom 27. November bis 4. Dezember aus nächster Nähe mitzuerleben. Anlaß war die 1. Nationale Konferenz des Allgemeinen Jugendrings des Jemen (YYGU) in der Landeshauptstadt Sanaa. Die YYGU war im Januar 2003 als erste landesweite Jugendbewegung gegründet worden. Bei der Gründung der Organisation gab es Probleme mit islamischen Parteien, die sich dagegen wehrten, daß auch Frauen teilnehmen durften. Aber die YYGU bestand darauf, daß die Frauen, die 30% der Mitgliedschaft ausmachen, gleiche Chancen erhalten müssen.

Die Konferenz des Allgemeinen Jugendrings wurde von höchster Stelle unterstützt. Bei der Eröffnung der Konferenz - am Jahrestag des Abzugs der Briten im Jahr 1967 - ergriff Präsident Ali Abdullah Saleh persönlich das Wort. An den folgenden Tagen sprachen mehrere Minister der Regierung. Präsident Saleh nahm kein Blatt vor den Mund. Er rühmte die Errungenschaften der Revolution und die seither erreichte Konsolidierung der nationalen Einheit des Landes. Die Gegner dieser Einheit bezeichnete er als "krank" und sagte, sie müßten "geheilt werden - durch die Jugend".

Die beiden wichtigsten Probleme, die er ansprach, waren die Armut und der Terrorismus - Phänomene, die eng miteinander verbunden seien. Von seiner jüngsten Europareise berichtete Saleh, die Regierungen Deutschlands und Italiens schätzten die Antiterrorkampagne des Jemen und die Fortschritte bei der Demokratisierung des Landes als sehr positiv ein. Eine wichtige Errungenschaft, auf die er hinwies, war das allgemeine Wahlrecht für alle Bürger des Landes ab 18 Jahren, d.h. auch die Frauen dürfen wählen und für politische Ämter kandidieren, was in der arabischen Welt eine große Ausnahme ist.

Saleh betonte, daß der Terrorismus ohne wirtschaftliche Entwicklung einen fruchtbaren Boden findet, und dankte den Ländern Europas und den USA für ihre Wirtschaftshilfe, die den Bau von Schulen und Krankenhäusern ermöglichte. Weiter sagte der Präsident, er sei nicht ins Ausland gefahren, um "Geld" ins Land zu holen, wie einige Kritiker behauptet hatten, sondern um "Entwicklung mitzubringen". Bei seinem Besuch in Deutschland unterzeichnete Saleh eine Absichtserklärung über den Bau eines 680-MW-Kraftwerks in Sanaa, das wahrscheinlich von Siemens errichtet werden wird. Und Ahmad Mohamad Sofan, der Minister für Planung und Internationale Zusammenarbeit, unterschrieb eine Vereinbarung mit der deutschen Ministerin für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, über finanzielle Zusammenarbeit, wonach Deutschland mit 31 Mio. Euro dringende Wasserprojekte im Jemen unterstützen wird.

Der Präsident hob die entscheidende Rolle hervor, die die Jugend bei der Entwicklung des Landes spielen muß. Er polemisierte gegen diejenigen, die ins Ausland gehen wollen, und sagte, die Studenten sollten ihr Studium im Jemen abschließen, wenn sie nicht Fächer studieren, die im Land selbst nicht unterrichtet werden. Wer im Ausland studiere, solle wieder ins Land zurückkehren, um seine Ausbildung für die Entwicklung des Landes zu nutzen.

Jemens Kampf gegen den Terrorismus

Die von Präsident Saleh angesprochenen Themen wurden von anderen Regierungsvertretern aufgegriffen und weiter ausgeführt. Innenminister Dr. Rashad Al Alimi sprach über die Rolle der Jugend im Umgang mit dem Problem des Terrorismus. Der Jemen ist von zwei Seiten vom Terrorismus betroffen: Anschläge internationaler Terroristen, wie die im Jahr 2002 auf die USS Cole und den französischen Tanker Limburg, schreckten ausländische Investoren davon ab, im Hafen von Aden zu investieren, und das Land wurde auf die Liste der Staaten gesetzt, die Terroristen "beherbergen". "Der Jemen galt als die Nummer zwei hinter Afghanistan", bemerkte der Innenminister. Und es gab Aufstände von Einheimischen unter der Führung des Islamisten Hussein Al Houthi, bei denen es im vergangenen Sommer zu blutigen Zusammenstößen mit Regierungstruppen kam. Al Alimi erklärte den Studenten die Politik des Dialogs der Regierung. Was Al Qaida angehe, so müsse man unterscheiden zwischen solchen Arabern und Moslems, die in den 70er und frühen 80er Jahren im afghanischen Widerstand kämpften, und denen, die heute als Terroristen im Al-Qaida-Netzwerk operieren. Von den im Jemen Verhafteten würden diejenigen, die keine Verbindungen zu Al Qaida und keine Verbrechen begangen haben, freigelassen, diejenigen, die Beziehungen zu Al Qaida hätten, blieben in Haft.

Zum Al-Houthi-Aufstand erklärte er, Präsident Saleh habe eine Woche nach Ausbruch der Kämpfe eine Delegation zu dem Islamistenführer geschickt, aber: "Al Houthi lehnte alle Vermittlungsversuche von Parlamentariern, islamischen Gelehrten und Regierungsvertretern ab, friedlich aufzugeben". Der Aufstand wurde dann mit Gewalt niedergeschlagen. Nun müsse man sich den verbliebenen Anhängern und Sympathisanten der Aufständischen zuwenden. Die Regierung organisierte einen Rehabilitierungskurs für Imame an den 350 Moscheen des Landes, an dem Gelehrte aus dem Jemen und Al Ashar in Ägypten teilnahmen. Geistliche aus dem Jemen und mehrere Minister, darunter Al Alimi und Präsident Saleh sprachen vor den Imamen, und drangen darauf, die Imame sollten den Extremismus meiden und die Jugend vor Al Houthis Ideologie schützen. Al Alimi beschrieb das Sektierertum Al Houthis, der dreimal pro Woche junge Leute zu Sitzungen bei Kerzenschein versammelte und ihnen erklärte, er sei der Mahdi - der Messias, auf dessen Rückkehr die Schiiten warten. Al Houthi führte seine Anhänger auch auf Friedhöfe, offenbar, um mit den Toten zu kommunizieren, etc. Der Innenminister sagte, Al Houthi sei "aus dem Ausland" finanziert worden, führte dies aber nicht weiter aus.

Al Alimi schloß, indem er die großen, noch bestehenden Gefahren für die Sicherheit des Landes beschrieb: Den illegalen Waffenhandel, die "Kultur der Waffen" im Land und den illegalen Rauschgifthandel. In beiden Fällen habe man es mit der Schwierigkeit zu tun, die 2400 km lange Küste des Landes zu überwachen. In einer lebhaften Diskussion mit den jungen Delegierten gab Al Alimi die Gründung einer Polizeischule für junge Frauen bekannt, und lud die Teilnehmer ein, sie zu besuchen.

Wirtschaftsfragen haben Priorität

Außenminister Abdul Karim Al Eryani hob in seinem Konferenzbeitrag die Bedeutung des Dialogs als Methode der Wahrheitssuche hervor. In diesem Zusammenhang begrüßte er die Anwesenheit der LaRouche-Vertreter und äußerte die Hoffnung, daß an künftigen Konferenzen auch Gäste aus anderen arabischen Ländern teilnehmen werden. Er sagte den anwesenden jungen Menschen, sie sollten das, was ihnen vorgetragen werde, nicht als "Information" betrachten, wie sie sie auch über das Internet bekommen könnten. Vielmehr sollten sie bedenken, daß sie im Laufe des Dialogs während der Konferenz ihre Denkweise verändern. Al Eryani forderte sie heraus, sich zu bemühen, herauszufinden, was wahr und wichtig und was falsch ist.

Das zweite Thema, das er behandelte, war die Wirtschaftskrise. Er sprach die Dollarkrise an und skizzierte die negativen Konsequenzen, die sie für den Welthandel hat. In diesem Zusammenhang polemisierte er gegen jene, die solche monetären Entwicklungen ausschließlich vom finanziellen Standpunkt analysieren, ohne die Wirkungen auf die reale, physische Wirtschaft zu bedenken. Die wirtschaftlichen Fragen seien entscheidend für die Lösung der Probleme. Für den Jemen, der "nach einem neuen System" suche, habe es Priorität, mit anderen Nationen in regionalen Entwicklungsprojekten zusammenzuarbeiten. "Wenn man seinen Nachbarn reicher macht, wird man selbst reicher", sagte er.

Dies sei letztendlich auch der einzige Weg, das Problem des Terrorismus zu lösen: "Die wirtschaftliche Entwicklung muß Teil der internationalen Anstrengungen gegen den Terrorismus sein", denn sicherheitspolitische oder militärische Maßnahmen allein werden keinen Erfolg haben. Auch die Krisen in Palästina und im Irak könnten nur mit dieser Herangehensweise und der Beendigung der Besatzung gelöst werden.

Dialog der Kulturen

Als dann Mitglieder der LaRouche-Delegation aufs Podium kamen, um ihre Sicht der strategischen Lage und die Methoden darzulegen, wie man in den Verlauf der Geschichte eingreifen kann, entwickelte sich ein aufregender Dialog. Daniel Buchmann, der von Saleh Al Sanady vorgestellt wurde, berichtete über die LaRouche-Jugendbewegung, und erklärte, ihr Zweck sei es, die Politik zu verändern. Angesichts des wirtschaftlichen Zusammenbruchs und der sich daraus ergebenden Kriegsgefahr, sammle Lyndon LaRouche Kräfte, um ein neues System aufzubauen, das sich an Franklin Delano Roosevelts "New Deal" orientiert.

Ein kultureller Paradigmenwandel sei notwendig - weg von der Kultur, die die Krise herbeigeführt hat. Buchmann beschrieb, wie der Paradigmawandel in der westlichen Welt ablief - etwas, was dem Jemen, wo es keine Gegenkultur (Rock, Drogen, Sex), keine Umweltbewegung und keine industriefeindliche Propaganda gibt, völlig fremd ist. Daher waren die jungen Konferenzteilnehmer auch schockiert, als sie hörten, wie die Kultur des Fortschritts in Europa und den Vereinigten Staaten in den 60er Jahren zerstört und durch eine dekadente Kultur von "Brot und Spielen" ersetzt wurde.

Buchmann beschrieb dann, wie die LYM dafür kämpft, diesen kulturellen Verfall rückgängig zu machen. Er skizzierte die Geschichte der LYM und betonte, ihre Hauptaufgabe sei es, die Bevölkerung zu erziehen und den menschlichen Geist zu bilden. Dann legte er dar, daß das, was heute als "amerikanische Politik" gilt, in Wahrheit ein Verstoß gegen das ursprüngliche revolutionäre Erbe Amerikas sei. Er demonstrierte dies, indem er aus der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vorlas. Die darin ausgedrückten Ideale lösten den spontanen Beifall der jungen Konferenzteilnehmer aus. Zum Schluß sagte Buchmann, die LYM habe mit dieser kulturellen Erbschaft die Mittel und das Recht, den USA zu sagen, daß sie ihre imperialistische Politik einstellen müssen.

Am nächsten Tag, dem 1. Dezember, sprach Muriel Mirak-Weißbach am Vormittag vor mehreren Politikern und zahlreichen Studenten über die strategische Lage nach den amerikanischen Präsidentschaftswahlen. Sie zeigte auf, warum die scheinbare Wiederwahl von Bush und Cheney hinterfragt werden muß, und erklärte, wie das amerikanische Wahlsystem arbeitet. Mirak-Weißbach zitierte LaRouches Einschätzung, daß die Lage bis zum 20. Januar im Fluß sein wird. Aufgrund der Untersuchung der korrupten Geschäfte Cheneys und des Vorwurfs der Wählerbehinderung könnten Bush und Cheney, selbst wenn sie im Amt bestätigt werden, noch wie Nixon enden.

Dann wendete sie sich den beiden Krisen zu, mit denen der kommende US-Präsident konfrontiert sein wird: die Zusammenbruchskrise der Wirtschaft, für die der Absturz des Dollars symptomatisch sei, und die strategische Krise um den Irak und Palästina. Mirak-Weißbach legte LaRouches Vorschlag für ein neues Bretton Woods-System und die LaRouche-Doktrin für Südwestasien als Wege zur Behebung der Krisen dar.

Später hielt sie noch einen weiteren Vortrag über den Dialog der Kulturen, in dem sie die Höhepunkte der islamischen und der westlichen, christlichen Kultur nebeneinander stellte und betonte, daß diese Kultur wiederbelebt werden müsse, um die Klassik zu retten und die Gesellschaft wieder zur Moral zurückzuführen.

Es entwickelte sich eine umfassende und lebendige Diskussion. Die jungen Jemeniten wollten besser verstehen, wie der politische Prozeß in den Vereinigten Staaten abläuft. Eine junge Frau wollte wissen, warum es in Amerika so große Vorurteile gegen die Araber und den Islam gibt, eine andere fragte nach den Unterschieden zwischen Kerry und Bush, da Kerry im Wahlkampf nicht nur versprochen habe, den Krieg gegen den Terror fortzusetzen, sondern sogar den Jemen als Ziel genannt habe. Ein anderer Konferenzteilnehmer wollte wissen, wie das System der Wahlmänner funktioniert.

Die Reaktion der jungen Jemeniten war ein positiver Beweis für die Tatsache, daß universelle Ideen in jedem kulturellen Kontext verstanden werden können, eben weil der menschliche Geist universell ist. Die jungen Menschen wollten unbedingt mehr über die LaRouche-Bewegung erfahren, lesen und darüber diskutieren, um diese Ideen im Jemen zu verbreiten. Dialog der Kulturen, ganz konkret.

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