August 2006 Jugendbewegung

"Sommeruniversität" in La Rochelle

Die französische LaRouche-Jugendbewegung nutzte die "Sommeruniversität" dazu, die Sozialistische Partei mit den wirklichen Herausforderungen und Lösungsansätzen zu konfrontieren.

Am Wochenende des 25.-27. August veranstaltete die Sozialistische Partei Frankreichs, die zweitgrößte Partei des Landes, ihre alljährliche "Sommeruniversität" in La Rochelle. Die Stimmung war gegenüber früheren Jahren angesichts der sozialen Entwicklungen im Land aufgeheizt. Delegierte und Aktivisten beklagten in den verschiedenen Arbeitsgruppen das Fehlen von Lösungskonzepten angesichts der allgemeinen wirtschaftlichen und kulturellen Krise. In der Stadt selbst war man auf die Sozialisten nicht gut zu sprechen, und ein Gewerkschaftsmitglied schnaubte, ob man erst Steine werfen müsse, damit sich die Politik ändere.

Am zweiten Tag standen zwei junge Parteiaktivisten vor dem Eingang, die T-Shirts mit der Aufschrift "Sozialisten: Bobo-Leaders" und ein Banner trugen, auf dem zu lesen war: "Die Aktivisten sagen: Die Pause ist vorbei." Und gerade als der Parteichef seine Abschlußrede hielt, kamen sie mit dem Banner auf die Bühne.

Die französische LaRouche-Jugendbewegung (LYM) war während der zweieinhalb Tage mit Büchertischen, Vorträgen und verschiedenen Auftritten des Chores aktiv und fast ständig vor dem Veranstaltungsort und in der Stadt präsent. Bei den Chorauftritten wurden politische Lieder, aber auch Mozarts Ave verum sowie Spirituals dargeboten, und man konnte spüren, wie die Schönheit der Musik inmitten der schweren wirtschaftlichen und strategischen Krise und des damit einhergehenden kulturellen Pessimismus die Aufmerksamkeit der Menschen erregte. Verschiedene Kamerateams, darunter auch der offizielle Sender des Parlaments, filmten den Chor und interviewten LYM-Mitglieder.

Bei zahlreichen Gesprächen mit den Teilnehmern der "Sommeruniversität" stellten wir fest, daß viele mit unserem Material und unseren Positionen bereits vertraut waren, weil sie uns schon zuvor getroffen hatten. Ein Bürgermeister einer größeren Stadt erklärte, er habe sich schon in den 70er Jahren mit Vertretern der LaRouche-Organisation getroffen, als es damals um die Gründung des Club of Life als Gegenbewegung zum Club of Rome ging.

Auch in den Veranstaltungen meldeten wir uns zu Wort, vor allem wenn es um internationale Angelegenheiten ging. Oft herrschten Schuldzuweisungen vor: Die einen machten den Iran, andere Israel, die Hisbollah oder die Syrer für die Zuspitzung der Lage verantwortlich. Christophe Paquien von der LYM erklärte daraufhin, diese Streitigkeiten führten zu nichts. Stattdessen müsse man so schnell wie möglich einen umfassenden Wiederaufbau- und Entwicklungsplan für die gesamte Region des Nahen und Mittleren Ostens in Gang setzen und dazu den Vorschlag des Knessetabgeordneten Jossi Beilin, eine Madrid-II-Konferenz einzuberufen, unterstützen.

Die israelische Abgeordnete der Arbeitspartei Colette Avital, die die "Sommeruniversität" als Gast besuchte, stimmte zu, ergänzte aber, eine solche Konferenz müsse sehr gut vorbereitet sein, weil man sich ein Scheitern nicht erlauben könne. Zudem sei es notwendig, zu den Grenzen von 1967 zurückzukehren und den Palästinensern staatliche Sicherheit und wirtschaftliche Souveränität zu garantieren. Ein Mitglied des Vorstands der Sozialisten in Paris meinte im Gespräch, seine Partei habe gegenüber den Problemen in Südwestasien eigentlich kein Konzept. Und am folgenden Tag suchte ein Stadtrat und Ortsvorsitzender, der an der gleichen Arbeitsgruppe teilgenommen hatte, das Gespräch mit Christophe, um ihm weitergehende Fragen zu stellen. Er versprach, mit ihm in Kontakt zu bleiben.

Oft gelang es der LYM, die Diskussionen auf ein höheres, konzeptionelleres Niveau zu heben. So sagte ich in einer Diskussionsrunde zu den Problemen in den Vorstädten, es könnten sofort verschiedene Dinge angegangen werden. Dazu sei es aber notwendig, sich den internationalen Problemen zuzuwenden, wie der derzeitigen Finanzsystemkrise, die die eigentliche Ursache der anderen Krisen bilde. Ich erwähnte auch, es sei nötig, den Menschen genauso das Singen beizubringen, wie man ihnen das Lesen beibringe. Man müsse Chöre aufbauen, weil das polyphone Singen das Gefühl vermittele, daß man trotz unterschiedlicher Stimmen ein gemeinsames Ziel erreiche und einem gemeinsamen Prinzip folge. Die Reaktionen auf diesen Vorschlag waren durchweg positiv.

Ein Soziologe erwähnte Untersuchungen in italienischen Regionen, bei denen sich herausgestellt habe, daß sich die reicheren und demokratischeren nur in einem Punkt von den anderen unterschieden, daß sie nämlich mehr Chöre aufwiesen. In der Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe wurde auch die Bedeutung des Chorsingens aufgenommen. Was die städtische Entwicklung anging, blieb allerdings ansonsten ziemlich unklar, man scheute sich, gegen die Finanzinteressen und für ein umfassendes wirtschaftliches Entwicklungsprogramm zu mobilisieren.

Hörensagen und die Wirklichkeit

Als wir aus den Werken des großen antioligarchischen Franzosen François Rabelais vortrugen, wurde eine investigative Journalistin neugierig. Sie arbeitet für Paris Match - der Regenbogenpresse zuzurechnen, in der vornehmlich über den neuesten Klatsch in der europäischen Aristokratie berichtet wird. Sie erklärte zunächst, sie könne Jacques Cheminade nicht leiden, weil sie so einiges über ihn gehört habe, änderte dann aber ihre Meinung, als sie zugeben mußte, daß Felix Rohatyn zum Vorstand der Mediengruppe gehört, zu der auch ihre Zeitung zu rechnen ist, und sie dann noch die Schlagzeile der "Nouvelle Solidarité" las, in der der Rausschmiß von Cheney und Rohatyn gefordert wurde, um so die Kriegsgefahr abzuschwächen.

Es zeigte sich, daß die vielen im Umlauf befindlichen Verleumdungen gegen die LaRouche-Bewegung oft eine andere Wirkung haben, als beabsichtigt ist. Viele Menschen, mit denen wir ins Gespräch kamen, hatten schon einmal etwas über uns gehört und wollten nun herausfinden, was es wirklich mit uns auf sich habe. Ein stellvertretender Bürgermeister erklärte überrascht, nun könne er zu Hause erzählen, er habe mit einer Mitarbeiterin LaRouches gesprochen, die sich ganz der Politik widme, und sie habe "keine Hörner oder Vampirzähne" gehabt. Und ein früherer regionaler Studentenführer, der über die Jahre hinweg die Verleumdungskampagne und teilweise auch die physischen Übergriffe gegen Jacques Cheminade und die LaRouche-Jugendbewegung mitverfolgt hatte, zeigte sich beeindruckt, daß wir trotz dieses Drucks weiterkämpfen und uns nicht unterkriegen lassen, ja sogar wachsen, und daß Cheminade mit seiner scharfen Kritik nicht nachgelassen hat. Viele Menschen suchen heute nach wirklicher moralischer und politischer Führungsstärke, nach Menschen, die entschlossen sind, an ihren Prinzipien festzuhalten, was immer auch geschieht.

Die jüngsten Versuche von staatlicher Seite, die politische Handlungsfähigkeit Cheminades einzuschränken - so hatte man vor kurzem ein Konto Cheminades gepfändet - , könnten sich als Bumerang erweisen, da dies vielen als überzogener Übergriff erscheint. Viele Menschen sind von der herrschenden politischen Klasse und dem System als ganzem enttäuscht. Auch viele gewählte Volksvertreter, die vom Vorgehen gegen Cheminade hörten, verstanden das als Beweis dafür, daß Cheminade das System herausfordert.

Bei unseren Aktionen in der Stadt trafen wir viele junge Menschen, die gar nicht den Sozialisten angehörten, aber wissen wollten, wie wir uns eine Lösung der schweren Krise vorstellen und was Cheminade unternehmen wolle, wenn er zum Präsidenten gewählt würde. Immer öfter wenden sich Menschen an uns, um darüber zu diskutieren, was jetzt zu tun sei. Allmählich nimmt so eine neue politische Kraft Gestalt an, die aus Jacques Cheminade, der LaRouche-Jugendbewegung, den Bürgermeistern, die Cheminades Kandidatur unterstützen, und allen anderen Menschen besteht, die Verantwortung für die Zukunft übernehmen wollen.

Elodie Viennot


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