Januar 2004 Akademie Mainz


Das Erhabene als Motor der Geschichte

LaRouche-Jugendbewegung. Die "Götterfunken-Akademie" in Mainz vom 27. Dezember 2003 bis 2. Januar 2004 mit 60 Mitgliedern aus ganz Europa und den USA übertrifft sämtliche Erwartungen.


Die vier Projekte
Selbstbewußtsein

Ausblick

Geschichte erleben und Geschichte schreiben sind zwei Seiten desselben Prinzips. Der Mensch hat sich durch das klassische Drama eine spezifische Ausdrucksform für historische Prozesse geschaffen, die jeden Leser emotional und intellektuell nacherleben läßt, was andere zu bestimmten Zeiten durchmachten, und welche Ideen vorherrschten. Durch das Studium dieser Texte wird er zunehmend in die Lage versetzt, auch selbst das Steuer in die Hand zu nehmen, um in den nicht erkundeten Gewässern seiner eigenen Zukunft das Schiff sicher aus den Gefahrenzonen steuern zu können. Die bewußte Anwendung solcher Prinzipien durch den Menschen ist ein untrüglicher Beweis dafür, daß er sich absolut von den Tieren unterscheidet, die zu solchen souveränen, von ihrer sinnlichen und instinktiven Wahrnehmung losgelösten Strategien des Überlebens nicht fähig sind.

Der menschliche Geist erkennt in dem scheinbaren Wirrwarr der Ereignisse ein Muster aus Ursache und Wirkung. Er sieht, daß der Wechsel das beherrschende Prinzip in der Geschichte ist und beginnt, diesen Wechsel willentlich zu kontrollieren. Dies ist die genuine Beziehung des Individuums zur Gesellschaft.

Unsere Zeit hat das Wissen um und die Kontrolle über die Geschichte fast verloren. Wir werden auf dem Weltmeer von Stürmen hin und her geworfen. Wer wird die Courage aufbringen, in der Gefahr das Ruder zu übernehmen?

Nun, eine historisch einmalige Mission wurde gestartet, um mit einem Notprogramm die Lage zu stabilisieren. Das neueste Experiment im Rahmen dieser Mission wurde derart erfolgreich abgeschlossen, daß sich die Welt in einer qualitativ neuen historischen Phase bewegt.

Unter dem Namen "Götterfunken-Akademie" trafen sich zwischen dem 27. Dezember 2003 und dem 2. Januar 2004 sechzig Mitglieder der LaRouche-Jugendbewegung in Mainz, um ein wichtiges Auftragsziel zu erreichen: die Bündelung der Kräfte durch ein intensives gemeinsames Studium klassischer Ideen. Diese Arbeit wurde mit einem ungeahnten Durchbruch belohnt, Denk- und Gefühlsblockaden wurden abgeworfen, so daß die Bewegung nun wesentlich ge- und entschlossener ihre Ideen umsetzen kann.

Zentraler Bestandteil der Akademie war die Arbeit in Gruppen zu je 15 Personen an vier Hauptprojekten. In diesen Gruppen haben wir uns zu einigen der größten geistigen Errungenschaften überhaupt in Beziehung gesetzt, nämlich den Werken Friedrich Schillers, Platons, J.S. Bachs und C.F. Gauß'. Die Herangehensweise war in allen Fällen die gleiche, aktiv zu erfahren, wie diese Menschen dachten und welche Ideen sie der Menschheit als Erbe hinterlassen haben, damit wir diese als Navigationsmittel für unsere gegenwärtigen Probleme zu nutzen vermögen.

Die vier Projekte

Schiller hat wie kein zweiter Dichter die menschliche Natur gekannt und aus ihr geschöpft. Von seinen philosophischen Schriften zogen wir Über das Erhabene heran, worin der Mensch in herrlichen Metaphern als von höheren Prinzipien angezogen und geleitet beschrieben wird. Nur durch das Aufheben aller physischen Beschränkungen, wobei die größte die Angst vor dem Tod sei, vermag sich der Mensch an die Grenze des durch Sinne und Verstand Erkennbaren versetzen. Dann übernimmt das Erhabene, ein universelles Prinzip, die Führung und verhilft dem Menschen zu neuen Entdeckungen seines Geistes.

Des weiteren studierten wir Platon, der sein Werk ebenfalls der Souveränität der menschlichen Vernunft widmete. Im Dialog Menon fordert Sokrates den Verstand eines Sklaven heraus und führt ihn zu einer eigenständigen Entdeckung. Ohne Lehrbuch und formale Tricks erkennt der Sklave nach einigen Fehlversuchen, wie man die Fläche eines Quadrats verdoppelt. Nicht anders beging auch Sokrates die Wege der Wahrheitssuche. Er prüft sämtliche Begriffe und Vorstellungen auf ihre Wahrhaftigkeit, auf ihre Gültigkeit als universelle Prinzipien. Traf er im Laufe seiner Versuche auf ein Paradox, so suchte er die Lösung stets in einer höheren Hypothese.

Die Arbeit an Bachs Motette "Jesu meine Freude" war verbunden mit intensiven Stimmübungen. Das Sprengen von Grenzen macht sich fast nirgendwo so deutlich bemerkbar wie beim Gesang. Das Ideal des Belcanto, einen runden, wohlklingenden Ton zu erzeugen, setzt voraus, daß man eine präzise und reichhaltige geistige Vorstellung von Klang und Stimme besitzt. Erst dann können der Körper und seine Organe sich auf die Übertragung dieser Stimme einstellen.

Entgegen populärer Vorstellung ist Gesang also nicht wenigen Könnern vorbehalten und hat auch weniger mit mechanischer Technik zu tun. Vielmehr ist jeder Mensch fähig, dem Gesangston als Instrument zu dienen, wenn er durch die Anstrengung seiner Vorstellungskraft die entsprechenden Kanäle öffnet. Entscheidend sind die Kenntnis und das Einfühlungsvermögen der Gesangslehrer, Blockaden des Schülers zu lösen und ihn dahin zu leiten, buchstäblich zu seiner Stimme zu stehen. Zum Glück standen uns mit Michael, Liliana und Lotta drei sehr passionierte Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung, unter deren Leitung das äußerst anspruchsvolle "Jesu meine Freude" rasch eine erstaunlich schöne Form annahm.

Das vierte Projekt befaßte sich mit der revolutionären Arbeit von Carl Friedrich Gauß über seinen neuen Beweis über die Zerlegung algebraischer Funktionen. Revolutionär nicht nur deshalb, weil Gauß sich als junger Mathematiker mit dem heiklen Fundamentaltheorem der Algebra auseinandersetzte, sondern auch, weil er damit die Denktradition der griechischen Klassiker (Pythagoras, Thales, Archytas) wiederentdeckte und so die jämmerliche Mathematik der Akademiker seiner Zeit schonungslos entblößte. Wie Sokrates gegen die Sophisten, Schiller gegen die mechanistischen "Aufklärer" und Bach gegen das Barock, so kämpfte auch Gauß um der Wahrheit und des menschlichen Fortschritts willen gegen die Denkfaulheit und das Brotgelehrtentum seiner Epoche.

Selbstbewußtsein

Die unausweichliche und existenzielle Krise der heutigen Gesellschaft ist Symptom einer erneuten Krise des Denkens, von der die meisten Menschen aus Mangel an Selbstbewußtsein noch nicht einmal eine Ahnung haben. Keine Prinzipien, sondern Willkür und Manipulation beherrschen Wissenschaft, Kunst und Wirtschaft. Die moralische Dekadenz, wie sie sich allerorten zeigt, das Wählen von bequemen Scheinlösungen, die Unfähigkeit, die Realität der Bedrohung anzuerkennen, sind lediglich Folgen eines Fehlers in der prinzipiellen geistigen Beschaffenheit der Mehrzahl der heute lebenden Menschen.

Doch wie funktioniert der menschliche Geist überhaupt? Wie kann man einen Wechsel im Denken einleiten? Wie kommunizieren Menschen Ideen, Moralvorstellungen, Ideale? Genau das sind die Fragen des Experiments gewesen, das wir in Mainz in einem crash program durchgeführt haben. Die Antwort: es ist möglich, willentlich seine Sicht auf die Funktionsweise des menschlichen Verstandes zu lenken und so sein Denken zu beeinflussen.

Der Mensch ist kein simples Produkt seiner bisherigen Erfahrungen, sondern er ist im Besitz eines auf bestimmte universelle Prinzipien besonders intensiv reagierenden Geistes. Eine Woche Studium an den besten Ideen, die die Menschheit hervorgebracht haben, machen jahrelange Abstumpfung und "Gehirnwäsche" zunichte, die gerade der jungen Generation durch falsche etablierte Wertvorstellungen und boshafte geistige Unterdrückung durch wenige Profiteure angetan worden sind.

Die besten Wissenschaftler unserer Zeit gaben auf der "Götterfunken-Akademie" ihr Bestes, um die Entwicklung der sechzig Jugendlichen aufs höchste zu beschleunigen. Lyndon LaRouche sprach über das klassische Drama und daß wir der unnatürlichen Trennung zwischen Kunst und Wissenschaft endlich ein Ende bereiten müssen. Der aus den USA eingeflogene Bruce Director nahm die Anwesenden auf eine rasante Fahrt durch die Wissenschaftsgeschichte mit Fokus auf die bahnbrechenden Ideen von Leibniz, Kepler, Gauß und Riemann. Jonathan Tennenbaum hielt einen Vortrag darüber, wie man wissenschaftliche Durchbrüche in der Nuklearphysik erzielen kann. Helga Zepp-LaRouche nahm Friedrich Schillers unvollendetes Drama "Demetrius" zum Anlaß, das Prinzip der Nemesis zu erklären, die bei ausdauerndem Machtmißbrauch für einen schlagartigen Wechsel sorgt. Jacques Cheminade, französischer Präsidentschaftskandidat, sprach über seine diversen Entdeckungen in Platons Dialogen und die Geschichte des klassischen Griechenlands. Sie alle und die erwähnten Gesangslehrer erzeugten mit ihren Vorträgen und ihrer Arbeit eine Dichte an Ideen, die in ihrer Summe wirklich befreiende Euphorie und Freude erzeugten.

Ausblick

Die Diskussionen waren anregender als je zuvor, beim pädagogisch-poetischen Laboratorium kam es zu "außerplanmäßigen" Vorführungen in Gesang, Klavier und Poesie, und während der ganzen Zeit brach immer wieder spontaner Chor- und Kanongesang hervor. Am Ende dominierte die Überzeugung und der Wille, daß wir diese gesteigerte Aktivität direkt in die Tat umsetzen müssen.

Aktionswochen in Paris und Berlin sind geplant, um damit einen politischen Prozeß in Bewegung zu bringen, der diese beiden wichtigen europäischen Partner fundamental zusammenschweißen soll. Vier neue Mitglieder sind bei der Schlußdiskussion der LaRouche-Jugendbewegung beigetreten. Lyndon und Helga wurden mit stürmischem Beifall, mit einer Vorführung von "Jesu meine Freude" und mit dem leidenschaftlichen Spiritual "Oh Freedom" belohnt. Diese Akademie war ein phantastischer Beweis dafür, daß wir auf dem richtigen Weg sind, den entscheidenden Wechsel herbeizuführen.

Stephan Ossenkopp



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