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  September 2007 Journal (Texte)

Wir müssen es einfach noch besser machen!

Nach dem Vortrag von Lyndon LaRouche hatten die Teilnehmer der Konferenz Gelegenheit zur Diskussion.

    Karsten Werner (LYM, Berlin): Meine Frage hängt eng mit dem von dir angesprochenen Thema zusammen. Bei der Arbeit über Kepler und seine Entdeckung habe ich mir in letzter Zeit viele Gedanken über den Zusammenhang zwischen einem System wissenschaftlicher Glaubensaxiome in der Wissenschaft und dem Denken als solchem, besonders dem Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen und auch in der Ökonomie gemacht. Du hast oft davon gesprochen, besonders in deinem letzten Aufsatz „Musik und Staatskunst“, wie bestimmte Axiome und Überzeugungen die soziale Dynamik und soziale Prozesse beherrschen. Und da du eben betont hast, wie wichtig es ist, die Ansichten und Überzeugungen, die man uns beigebracht hat, zu überwinden, frage ich mich, ob das genauso wie bei einem wissenschaftlichen Durchbruch geht: Erst wenn man eine bestimmte Zeit lang gearbeitet hat, sieht man gewissermaßen, daß das System, von dem man bisher ausging, bestimmte Axiome enthält, kann sie eliminieren und ein neues System etablieren. Oder besteht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen einem wissenschaftlichen Durchbruch und einem Durchbruch im Verhalten einer Gesellschaft?
LaRouche: Damit habe ich mich bei der Frage über Musik und Naturwissenschaft befaßt. Der verbreitetste Fehler besteht darin, anzunehmen, daß dem Gesichtssinn eine unabhängige Bedeutung zukommt und dem Gehörsinn eine andere. Tatsächlich sollte bereits seit langem klar sein, daß weder das Sehen noch die übrigen Sinne irgend etwas Besseres sind als wissenschaftliche Instrumente, und daß sie somit ebenso fehlerhaft sind. Ich habe den Fall Helen Keller erwähnt, einer Frau, die als Kind ihr Augenlicht und ihr Gehör verlor, und doch in der Lage war, ohne Sehen und Hören ein Gefühl für den Raum - den sozialen und den physischen Raum - zu entwickeln. Damit ist bewiesen, daß der menschliche Geist Wissen hervorbringt, und nicht die Sinne! Und deshalb ist es wohl kaum empfehlenswert, es einem Hund nachzutun, der an irgend etwas schnüffelt. Man kann sich nicht auf seine Sinnesgewißheit verlassen. Das Wichtigste ist der menschliche Geist, was sich vor allem an der Entdeckung von Naturprinzipien - realen physikalischen Prinzipien - zeigt. Nehmen wir z.B. Galileo, einen Betrüger und Fälscher, der faktisch so etwas wie ein Hohepriester Paolo Sarpis bei der Entwicklung des verrückten Systems des Empirismus war; das war die eine Methode. Aber Kepler wandte eine andere Methode an, und zeigte, wie man es vor allem an seinem sogenannten „dritten Gesetz“ der Harmonik sieht, daß es noch ein anderes Sinnesorgan als das Sehen oder Hören gibt, welches in den Gesetzen des Universums zutage tritt; etwas, was weder das eine noch das andere ist. Und darum ringt Kepler in der Frage der Organisation des Sonnensystems.

Dazu kommen noch viele andere Aspekte: Zum Beispiel in Pasteurs Werk und bei Wernadskij, der an Pasteurs Arbeiten anknüpft. Beide weisen in dieselbe Richtung. Vom Standpunkt der Riemannschen Physik - im Gegensatz zum kartesischen Denken - ist dies ziemlich offensichtlich für jemanden, der in diesem Feld arbeitet. Aber das Problem ist die Rolle der Sinnesgewißheit, was sich auch in einem schlechten musikalischen Geschmack äußert. Menschen, die Rockmusik mögen, sind als Wissenschaftler offensichtlich unfähig. Das trifft wohl auf einen großen Teil unserer heutigen Wissenschaft zu - nicht zu verstehen, daß das Gehör ein wesentliches wissenschaftliches Instrument ist, und daß Sehen und Hören experimentelle Instrumente sind, die sozusagen unserem Körper „mitgeliefert“ werden. Aber sie sind eben nur Instrumente unseres Körpers. Die Entdeckungen muß der Geist des Menschen vollbringen. Und im Geist des Menschen gibt es keine Trennung zwischen klassischer Kultur und Wissenschaft, es ist dasselbe. Die eine beschäftigt sich mit dem Aspekt der sozialen Beziehungen als solchen, das ist die Kunst. Die andere betrachtet die Beziehung des Menschen zur physischen Welt, auf die er einwirkt. Diese Dichotomie ist das Problem.

    Michael Molberg (San Francisco): Sie erwähnten den Begriff des richtigen Gleichgewichts zwischen staatlichen Investitionen in die Infrastruktur und Investitionen privater Banken oder der Privatindustrie. Meine Frage ist: Wie bestimmt man dieses Gleichgewicht?
LaRouche: Mein Ansatz ist ganz praktisch. Sie wissen, daß ich seit langem einen Rachefeldzug gegen die schlechte akademische Ausbildung führe. Ich habe deswegen Gruppen junger Erwachsener sozusagen in „meinen Keller“ geholt, wo sie an verschiedenen wichtigen Fragen der Wissenschaft arbeiten. Sie begannen mit den Pythagoräern und Platon, und wir brachten sie soweit, daß sie sich in zwei Abschnitten mit Kepler befassen konnten. Jetzt beschäftigen sie sich mit Gauß, was in gewisser Weise viel interessanter ist, als man gemeinhin glaubt. Anschließend steht ein Riemann-Programm an.

Wir haben es hier mit individuellen Köpfen zu tun. Sie sind wirkliche Individuen. In unserem Keller arbeiten jeweils sechs oder sieben Leute in diesen Teams. Sie sollen die Lösung des Problems, an dem sie arbeiten sollen, eigenständig wiederentdecken und nacherleben. Wir geben ihnen keine Lehrbücher, sondern sagen ihnen: „Beschafft euch alles und löst das Problem.“

Hier zeigt sich, wie in anderen Bereichen, die Macht der Kreativität. Die schöpferische Kraft ist eine Kraft, die dem individuellen, souveränen menschlichen Geist innewohnt. Sie ist ein Potential - es mag nicht entwickelt sein, aber als Potential ist es vorhanden. Jedes menschliche Wesen ist des Schöpferischen fähig. Aber es ist das jeweilige Individuum, das über diese souveräne Fähigkeit verfügt.

Andererseits muß man zusammenarbeiten, um gemeinsame Aufgaben zu bewältigen, insbesondere bei der Entscheidung über das Vorgehen. Die Teams haben gezeigt, daß das möglich ist. Sie arbeiten jeder für sich und ich mische mich da nicht ein - es sei denn, es erscheint mir absolut notwendig, um eine Katastrophe zu verhindern. Sie haben alles selbst erarbeitet, was in ihren Berichten veröffentlicht ist, nicht ich. Ich haben ihnen den Rahmen geschaffen, um diese Probleme bearbeiten zu können, und sie lösen das Problem.

Das hat mich sehr froh gemacht, weil ich mein ganzes Leben überzeugt war, daß die sogenannte „Klassenzimmermethode“ nicht taugt, um Menschen zu bilden. Statt dessen geht es darum, eine große Herausforderung anzunehmen, die darin besteht, die große Entdeckung eines anderen zu studieren und wirklich zu versuchen, diese zu meistern! Zu verstehen, wie eine Entdeckung zustandekam, was derjenige entdeckte, nicht wie er die „richtige Antwort“ fand, sondern wie das Prinzip entdeckt wurde. Und das funktioniert!

Dasselbe gilt für den Bereich der Wirtschaft: es gibt bestimmte Dinge, die - wie bei der Infrastruktur - notwendig sind, um einen Zusammenhang herzustellen, in welchem menschliche Individuen in der Gesellschaft ihren Beitrag leisten können. Das schließt ein, persönliche Führung zu übernehmen, die eigene Initiative einzubringen. Deshalb gilt es, der individuellen Initiative größtmöglichen Vorrang zuzuweisen, besonders wenn es sich um die Idee eines Prinzips handelt; wenn es darum geht, Prinzipien anzuwenden, um Probleme zu lösen, die andere nicht gelöst haben. Deshalb müssen der Erfindergeist und die notwendige Vorreiterrolle für neue Erfindungen ganz im Mittelpunkt stehen.

Gleichzeitig jedoch gilt es, soziale Strukturen herzustellen, die dieser individuellen Handlung gerecht werden. Genau das nennt man Infrastruktur, jenen entscheidenden Bereich der Gesellschaft, in dem die Einzelinitiative die optimalen Strukturen findet, um wirken zu können. Wo immer möglich, soll die individuelle Initiative an erster Stelle stehen und Priorität genießen. Aber um das zu ermöglichen, müssen wir erst die Aufgabe bewältigen, die dafür notwendige Infrastruktur zu schaffen. Wenn man sich die Geschichte der Menschheit und die Geschichte der menschlichen Wissenschaft betrachtet und die historische Entwicklung in anderen Bereichen, war es immer so!

Das Problem besteht darin, daß Kreativität nicht verstanden wird. Individuelle Kreativität ist aber eine souveräne Eigenschaft, die das Individuum auszeichnet. Das kann ich beweisen und habe das auch getan. Aber die meisten verstehen nicht, daß es nicht darum geht, irgendwelche mathematischen Formeln oder Verhaltensregel zu finden, mit denen das Verhalten von Menschen in einen festen Rahmen eingezwängt werden kann!

Dieses Universum - und da stimme ich mit Gott überein - entwickelt sich ständig. Deshalb ist das, was man bereits weiß, nicht ausreichend, um Fragen beantworten zu können. Es gibt immer etwas, was man noch erkennen muß, was nicht in festen Strukturen schon vorhanden ist. Deshalb braucht man die individuelle Aktivität, durch die Veränderungen im Wissen und im Verständnis dessen hervorgebracht wird, was es im System noch nicht gibt. Ein gutes System ist also eines, das etwas erzeugt, was noch nicht in ihm enthalten ist.

Ein anderer Ausdruck dafür ist, zu sagen, daß von Neumann und Russell mit ihrer Idee eines fixen Systems Idioten waren - es gibt kein festes System, das gut wäre! Das Universum ist jedenfalls kein festes System. In dem Sinne war Clausius ein Betrüger, und Grassmann übertraf ihn noch. Die britische Wissenschaft mit Maxwell als Schwindler und all diesen Leuten, die sich über das zweite Gesetz der Thermodynamik ausließen - alles Lügner oder Narren! Im Universum gibt es kein zweites Gesetz der Thermodynamik! Wenn man in Übereinstimmung mit dem Universum kommen will, braucht man ein gutes System, eine Plattform, auf deren Grundlage man arbeiten kann, und man will die größtmögliche individuelle Kreativität, um diese Plattform zu verbessern und zu erweitern. Entscheidend ist - und das betrachte ich als meine Aufgabe -, daß dies zur Regel wird, und gleichzeitig daran zu arbeiten, daß Bedingungen entstehen, unter denen ein wachsender Teil der Bevölkerung sich daran beteiligen kann.

Ich habe damit meine Erfahrungen bei großen Firmen gemacht, die oft einfach zu groß sind. Manchmal braucht man größere Unternehmen, um bestimmte Aufgaben zu erledigen. Aber oft tendieren diese großen Firmen dazu, zu bürokratisch zu werden und die Leute zu verdummen. Wenn man dieselben Leute dann in kleinere Firmen versetzt, werden sie sofort kreativer. In einer größeren Firma hätten sie keine Chance gehabt.

Man braucht hier ein Gleichgewicht. Es gibt dafür keine formale Antwort. Wo immer man kreative Leute findet, sollte man versuchen, sie anzuspornen und Anlässe dafür schaffen, daß sie loslegen können. Wenn man etwa jemanden bei der Arbeit sieht und feststellt, der Mann ist eigentlich zu kreativ dafür, wird man versuchen, etwas anderes für ihn zu finden, so daß er sein Potential entwickeln kann.

Man muß daran glauben, daß es unter den Menschen um uns herum und in der ganzen Gesellschaft immer Leute geben wird, die ein besonderes schöpferisches Talent haben. Und es geht darum, sich zu überlegen, wie man dieses freisetzen kann. „Freies Unternehmertum“ sollte eigentlich genau das bedeuten.

    Frage: Sind die USA heutzutage nicht genauso ein Imperium wie das Britische Empire?
LaRouche: Nein, das ist ein falsches Verständnis von Imperium. Eine solche romantische Version von Empire trifft nicht den Punkt. Alle Imperien, die ich kenne, gründen sich auf Oligarchien, sie werden nicht durch ein organisiertes Staatsgebilde kontrolliert. Tatsächlich basieren alle Imperien auf dem sog. Persischen Modell, wie es die alten Griechen kannten.

Beispielsweise kam der Peloponnesische Krieg so zustande, wie auch die Gründung des Römischen Reiches. Geht man zurück auf den Delphi-Kult, der dem Aufstieg der griechischen Zivilisation in ihrer Form als Hochkultur vorausgeht, stellt man fest, daß dieser immer von Finanzinteressen bestimmt war. Um die Kultstätte von Delphi herum gab es kleine Schreine, die als Depots oder Schatzkammern bezeichnet werden. Und wenn man von Delphi entlang der Küste zum Hafen fährt, bekommt man einen Begriff davon, was da geschah: die Schiffe stachen von dort aus in See, um Wucher im gesamten Mittelmeerraum zu betreiben. Eines dieser Schiffe fuhr von der Mündung des Tiber in Italien bis ins Herz der etruskischen Kultur, bis sie auf eine Festung auf einem Hügel stießen. Da sie zu wenige Frauen hatten, raubten sie diese von den dort wohnenden Stämmen. Schließlich übernahmen sie das etruskische Reich und zerstörten es. Alle möglichen Spuren des Etruskerreiches wurden vernichtet, um diese Tatsache zu verbergen.

Rom entstand aufgrund dieser Methoden als Produkt des Delphi-Kultes. Und wer beherrschte es? Es wurde durch den Finanzwucher kontrolliert. Dasselbe gilt für Venedig, das venezianische Imperium.

Was war das britische Empire? Es wurde nicht von den Briten oder von der britischen oder englischen Bevölkerung geschaffen. Es entstand als anglo-holländisches liberales System des Paolo Sarpi. Und nach dem Zusammenbruch Venedigs zogen die venezianischen Bankiers dorthin um, übernahmen erst die Niederlande und dann mit Hilfe Wilhelms von Oranien England. Das britische Empire war niemals Empire im Sinne einer Nation. Die Völker der Imperien wurden nie als Völker behandelt. Sie waren Untertanen - keine Bürger! Sie wurden von einem Empire beherrscht, das ihnen sagte, der Boß wisse schon, was gut für sie sei.

Zum Beispiel kamen die ersten meiner Vorfahren im frühen 17. Jahrhundert von den Britischen Inseln. Ein anderer Zweig kam aus Frankreich. Im ausgehenden 19. Jahrhundert kamen dann Schotten und Iren. Warum kamen sie in die USA? Weil sie es in Europa nicht mehr aushielten! Und diejenigen, die nicht kamen, saßen fest und wurden zu Geiseln des Empire. Ein Imperium ist keine Sache des Volkes. In ihm wird die Bevölkerung wie in Käfigen eingesperrt. Wenn man die Mauern niederreißt, wie es die Einwanderer mit ihrer Flucht in die Vereinigten Staaten taten, existiert es nicht mehr. Dann sind die Tiere, die Untertanen weg.

    Theodore (LYM, Lyon): Ich habe mich viel mit Rabelais beschäftigt, einem französischen Humanisten des 16. Jahrhunderts. Er griff die sehr ärmliche Kultur seiner Zeit, die er vorfand, all die Rittergeschichten, die seine Zeitgenossen lasen, auf, um sie zu verbessern. In der heutigen Kultur stellt sich das gleiche Problem, etwa mit der Rap-Musik. Deshalb habe ich mir überlegt, ebenso wie Rabelais Gedichte zu schreiben, um unsere heutige Kultur zu erheben.
LaRouche: Rabelais ist schon vielen Jahrzehnten immer einer meiner Helden gewesen. Aber man muß ihn in der Tradition anderer großer Satiriker verstehen. Rabelais ist als einer der gebildetsten und fähigsten Geister seiner Zeit wirklich sehr interessant. Er war Arzt, Mitglied verschiedener religiöser Orden und vieles andere. Er verstand, was im Bildungssystem in Paris im argen lag, und kämpfte dagegen an.

Manchmal haben Leute mit Rabelais gewisse Schwierigkeiten. Ich glaube, das liegt daran, daß man, wie bei Cervantes, einen Schritt zurücktreten muß, um ihn zu verstehen. Auch wenn Cervantes in einigen Aspekten als Schriftsteller weniger fortgeschritten war, geht es um dasselbe. Dann versetze man sich zurück in das alte Italien, und stelle sich Boccaccio vor, wie er jenseits vom Fluß die Szenen in Florenz beobachtet, die er in seinem Decameron beschreibt; sie stammen aus der Zeit der großen Schwarzen Pest. Wenn man, wie ich das getan habe, von dieser Stelle in die Straßen hinunterschaut und sie sich als Bühne vorstellt, auf der sich die von ihm beschriebenen Vorgänge abspielen, sieht man, was er macht: er zeigt einem die empörenden Charaktereigenschaften der Bevölkerung von Florenz, die zu der Vorgeschichte der Schwarzen Pest führten - natürlich unter der Vorherrschaft der damaligen Lombardbankiers.

Rabelais, der in Frankreich ständig auf der Flucht war, um sein Leben zu retten, schrieb als großer Denker seiner Zeit und behandelt dasselbe Thema wie Boccaccio im Decameron. In Spanien gab es einen ähnlichen Versuch. Spanien unter den Habsburgern war ein Schreckensbild. Worum geht es im Don Quichote? Der König - Don Quichote - ist ein Narr, und der Rest Spaniens - die Sancho Pansas - eine Horde dummer Bauern; das ganze ist eine Farce. Aber Cervantes ist ein sehr ernsthafter Mensch - ein verwundeter Kriegsveteran und fähiger Schriftsteller. Er schreibt dieses Werk! Es scheint lächerlich und es ist lächerlich! Es soll lächerlich sein. Und auch Boccaccio wollte mit seinem Decameron bewußt lächerlich sein.

Solche Elemente findet man auch bei anderen, aber das wichtige hier ist das Paradigma. Ja, erfreuen wir uns an Rabelais, aber mein Rat ist: Versuche herauszufinden, wer er wirklich war, wie seine Zeit aussah, was die Umstände waren, wie und worauf er reagierte. Und dann kann man sich zurücklehnen - und lachen! Man kann auf richtige Weise lachen - nicht über die Geschichten als solche, sondern darüber, welche Narren das waren! Denkt man an das Frankreich der Jeanne d'Arc und von Ludwig XI., dann denkt man an ihre große Mission, mit der der erste moderne Nationalstaat in Europa entstand. Ja, er gründete auf den Prinzipien des Konzils von Florenz, aber es war der erste moderne Nationalstaat. Und der zweite moderne Nationalstaat oder Gemeinwesen - Commonwealth - entstand in England, inspiriert durch Ludwig XI.

Dann versteht man, was danach mit Frankreich geschah: Eine große Nation, die an der Spitze der Kultur ihrer Zeit stand, wird durch Irreführung und Korruption plötzlich in furchtbare Krisenbedingungen zurückgestoßen. Und dann kann man in richtiger Weise lachen. Dieses Lachen hat eine höhere Qualität, die einem sagt: „Das ist doch nur Unverstand, nur Dummheit!“ Und so etwas passierte einem großen Volk und einer großen Nation, diese Dummheit, diese Kriminalität, diese Degradierung! Hier zeigt sich der höchste Sinn für Humor: eine menschliche Komödie in ihrer besten Bedeutung - keine von Balzac.

    Frage (aus Kopenhagen): Ich verstehe nicht, warum Sie immer davon sprechen, wie wichtig es sei, die Demokratische Partei zu ändern. Wie soll das geschehen? Ich frage mich, ob es nicht viel wichtiger wäre, die Republikaner zu verändern, die ja von den sogenannten Neokonservativen übernommen wurden?
LaRouche: Wenn man es mit Politik zu tun hat, muß man sein Schicksal annehmen, so wie ich es tue. Das heißt nicht, daß ich mich ihm beuge, aber ich habe eine realistische Einschätzung der Situation.

Die Wahrheit liegt nicht unbedingt in der eigenen unmittelbaren Erfahrung. Das verstehen viele Leute nur sehr schwer, und das ist in so kulturell heruntergekommenen Zeiten wie den heutigen auch besonders schwierig. Aber aus meinem Blickwinkel habe ich einen anderen Zugang zu Kulturen, weil ich Kultur nach Maßgabe von Jahrtausenden betrachte, besonders die letzten 3000 Jahre europäischer Geschichte. Das ist meine Kultur. Ich weiß, wie Ideen in der europäischen Zivilisation entwickelt und übermittelt werden. Ich habe gesehen, wie sie untergehen, indem ich sie nacherlebt habe. So haben beispielsweise die Pythagoräer und ihre unmittelbaren Nachfolger eine großartige Entwicklung in Gang gesetzt. Dann aber ein großer Rückschritt! Das Abartige übernahm wieder das Feld.

Starb deshalb das Gute? Nein, es lebte weiter. Das Gute zog sich weiter wie ein roter Faden durch die europäische Zivilisation, häufig über lange Zeitspannen. Die Verbindung entstand durch Ideen, durch erfahrbar gemachte Ideen. Wenn ein Volk früher gewisse Erfahrungen gemacht hatte, die durch die Kultur bis heute übermittelt wurden, auch wenn sich diese nur noch in Feinheiten der gesprochenen Sprache und ihrer Musikalität äußern, gilt es, dies zu bewahren.

Die amerikanische Kultur, meine Kultur, stammt von Menschen, die im frühen 17. Jahrhundert in Massachusetts landeten. Sie begannen den Prozeß, aus dem die Vereinigten Staaten entstanden. Es entstanden große Persönlichkeiten wie Benjamin Franklin und andere, die eine Nation aufbauten, die erste wahre Republik dieses Planeten - ein Gemeinwesen, aber eine Republik. Mit einer Verfassung, die auf dem Gemeinwohl gründet. Diese Verfassung stammt eigentlich von den Autoren des Konzils zu Florenz, die die Idee des Gemeinwohls hervorbrachten. Es spiegelt sich im großen Vertrag des Westfälischen Friedens. Das bedeutet Gemeinwohl, Commonwealth. Daran glaubten wir, die Menschen in Massachusetts, damals. Das ist der große Kampf derjenigen, die für die Sache der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten kämpften, im Gegensatz zu den Verrätern, die zur britischen Ostindien-Gesellschaft überliefen, den sogenannten amerikanischen Tories. Franklin Roosevelt beispielsweise war ein Nachfahre von Isaac Roosevelt, einem Bankier, der in New York zusammen mit Alexander Hamilton gegen die schweinischen Umtriebe der anderen Seite vorging. Franklin Roosevelt würdigte in seiner Abschlußarbeit an der Universität Harvard diesen Vorfahren und seine Anstrengungen zur Verwirklichung des Amerikanischen Systems. Roosevelt war nicht einfach irgend jemand, der ins Amt stolperte. Er sah sich mit einer bestimmten geschichtlichen Situation konfrontiert und setzte dieses Wissen und die Leute ein, die es mit ihm teilten, und rettete damit die Zivilisation!

In der Demokratischen Partei existiert diese Tradition heute noch. Und die Basis der Demokratischen Partei ist darauf ansprechbar, diese Tradition kann wachgerufen werden. Es gibt in der Demokratischen Partei Feiglinge, Windbeutel, Verräter und noch mehr, so wie in allen Parteien. Aber ich bekomme eine starke Antwort von der Basis der Partei auf meine Gesetzesinitiative zur Rettung der Eigenheimbesitzer und Banken. An der Spitze ist die Reaktion hingegen schwach. Einige Leute dort stimmen völlig mit mir überein und wollen handeln. Sie sind etwas ängstlich, aber die Basis der Partei, die Menschen stehen auf meiner Seite. Und sie stehen auf meiner Seite, weil diese Tradition in ihnen und ihrer Kultur lebendig ist. Frühere Generationen haben es ihnen übermittelt.

Ideen sind das wichtigste, was es in der Geschichte gibt. Wirkliche Politik besteht aus Ideen, nicht den gerade herrschenden Meinungen. Wer ein Missionar ist, oder ein Politiker von meiner Art, orientiert sich an dem, was in den Menschen steckt, und versucht, genau das zutage zu fördern. Man beschränkt sich nicht auf das, was man gerade sieht. Wenn man einen Trinker heilen will, geht man auch so vor. Man setzt seine Hoffnung darein, daß es in ihm etwas Menschliches gibt, das ansprechbar ist. Mit der Bevölkerung ist das auch so: kann man das eigene Volk, das sich wie Schweine aufführt, wieder in Menschen verwandeln? Läßt sich etwas bei ihnen finden, vielleicht ein Anflug von Patriotismus, etwas, was als Patriotismus erscheint, was diese Qualität befördern kann und dann an die Stelle der alten treten kann? Damit beschäftige ich mich, und da mache ich durchaus ordentliche bis gute Fortschritte. Wir müssen es einfach noch besser machen, das ist alles.

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