Mai 2003 Neues Bretton Woods

Gipfelkonferenz soll neues Weltwährungssystem schaffen

Text des Entschließungsantrags der 29 italienischen Senatoren vom 13. Mai 2003.

Der Senat stellt fest:

Das Crescendo der internationalen Finanz- und Bankenkrisen - angefangen 1997 mit den Krisen in Asien, Rußland und Lateinamerika bis hin zu dem späteren Crash der New Economy in den Vereinigten Staaten, der gerade ablaufenden gewaltigen japanischen Bankenkrise, dem Bankrott Argentiniens und dem unmittelbar bevorstehenden Platzen der weltweiten Immobilienblase - beschäftigt Bevölkerungen, politische Führungen, Unternehmen und Familien mit Ersparnissen, weil dies keine Abfolge einzelner Ereignisse ist, sondern Ausdruck einer Krise des ganzen Finanzsystems, das von einer außer Kontrolle geratenen spekulativen Finanzblase geprägt ist.

Diese Finanzblase (Derivate und alle Arten von Schulden- und Finanztiteln eingeschlossen) hat jetzt ein Ausmaß von 400 Billionen Dollar erreicht (davon 140 Billionen Dollar allein in den USA) gegenüber einem weltweiten Bruttoprodukt von etwa 40 Billionen Dollar - und diese Schere hat sich insbesondere in den letzten Jahren weiter geöffnet.

Die Auswirkungen dieser Krise in den sogenannten Entwicklungsländern waren bereits verheerend, und die Zukunftaussichten sind noch düsterer; dies zeigt der soziale und industrielle Zusammenbruch in Argentinien, eine Situation, die sich in vielen anderen Ländern auf dem lateinamerikanischen Kontinent zu wiederholen droht, während Afrika vollkommen seinem Schicksal überlassen wurde und das Opfer neuer Formen des Kolonialismus ist. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat mit seiner Politik der Hochzinsen und Haushaltskürzungen bei produktiven Investitionen, welche die realwirtschaftliche Produktion ernstlich unterminierte, viel zur Verschlimmerung der Krise in diesen Ländern beigetragen.

In den entwickelten Industrienationen unterminierten die Spekulationsblase und die Finanzkrisen die realwirtschaftlichen Strukturen, was für die Mehrheit der Bevölkerung und der Familien ernste Folgen hat. Viele Familien haben ihre Ersparnisse verloren, und die Rentenfonds sind ohne jede Sicherheiten Risiken ausgesetzt. Die Gesellschaft wurde polarisiert, indem sich der Reichtum immer mehr in den Händen weniger konzentrierte und die anderen immer mehr verarmten. Diese Tendenz zeigt sich deutlich in den USA (und Europa geht in dieselbe Richtung), wo auf 20% der Bevölkerung mehr als 50% des Volkseinkommens entfällt, mit eindeutig negativen Folgen für die übrigen 80%. Und dieser Prozeß beschleunigt sich, mit negativen sozialen und wirtschaftlichen Folgen, die man sich leicht vorstellen kann.

Das Eingreifen der Zentralbanken mit ausschließlich monetären Maßnahmen - z.B. das Vorgehen der amerikanischen Federal Reserve, die in den letzten Monaten 13mal die Zinsraten senkte - hatte keinerlei positive Auswirkungen auf die Investitionspolitik, sondern diente nur der Refinanzierung der Finanzblase und schuf damit die Voraussetzungen für eine mögliche inflationäre Explosion der Finanz- und Immobilienwerte, die jetzt das ganze System treffen kann. Die Folgen der Finanzkrise für die Realwirtschaft der sogenannten entwickelten Länder sind offensichtlich, ablesbar an Beschäftigungsrückgang, Zusammenbruch der realwirtschaftlichen Produktion, Schwächung führender Sektoren wie Maschinen- und Anlagenbau, physischer Ermüdung der grundlegenden Infrastruktur und einem dramatischen Rückgang der Steuereinnahmen (Deutschland etwa hatte 2002 Steuermindereinnahmen in Höhe von 20 Mrd. Euro), der zu Haushaltskürzungen führt, welche eine weitere Abwärtsspirale auslösen.

Die Folgen des Crashs, die nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch politischer und potentiell militärischer Art sind, sind so schwerwiegend, daß demokratische politische Kräfte diese Weltwirtschaftskrise und ihre Lösungsmöglichkeiten in den Mittelpunkt der strategischen Diskussionen stellen, auch um damit eine neue Politik für Entwicklung und Zusammenarbeit als Alternative zu "Kampf der Kulturen", Krieg und internationalen Spannungen vorzuschlagen.

Daher fordert der Senat die Regierung auf:

  • die Initiative zu ergreifen, auf kompetenten internationalen Foren das Studium und die Diskussion einer neuen, regulierten Finanzarchitektur weiterzuführen, welche Spekulationsblasen vermeiden und die Realwirtschaft erhalten kann.

  • insbesondere die Initiative zu ergreifen, eine neue internationale Konferenz auf Ebene der Staatsoberhäupter, Regierungen und Parlamente ähnlich der von Bretton Woods 1944 vorzuschlagen, mit dem Ziel, ein neues Weltwährungssystem zu schaffen und die Maßnahmen zu definieren, die notwendig sind, um den Mechanismus hinter der Bildung der Spekulationsblase und dem systemischen Finanzkollaps zu beseitigen und um Programme zum Wiederaufbau der Weltwirtschaft auf der Grundlage großer, kontinentweiter Infrastrukturprojekte und Investitionen in die Realwirtschaft zur Steigerung der wirksamen Produktivität des Wirtschaftssystems umzusetzen.

Unterzeichner: Peterlini, Andreotti, Baio Dossi, Bedin, Betta, Borea, Cambursano, Carrara, Cavallaro, Dalla Chiesa, Dato, De Paoli, Dentamaro, Dettori, Gaglione, Gubert, Liguori, Longhi, Malabarba, Marino, Michelini, Ruvolo, Salerno, Salvi, Salzano, Scalera, Togni, Toia, Zancan.


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