September 2005 Neues Bretton Woods

Argentinien fordert gerechtes Weltfinanzsystem

In mutigen Reden forderten Argentiniens Präsident Nestor Kirchner und sein Außenminister Rafaele Bielsa vor den Vereinigten Nationen in New York eine Neuordnung des Weltfinanzsystems, um das Gemeinwohl vor den Banken zu schützen.

Die argentinische Regierung unter Präsident Nestor Kirchner nutzte die Vollversammlung der Vereinten Nationen zu einer Breitseite gegen das verrottete Weltfinanzsystem. In einer Rede zur "Finanzierung von Entwicklung" forderte der argentinische Außenminister Bielsa als Repräsentant der sogenannten Rio-Gruppe iberoamerikanischer Staaten "eine internationale Konferenz der Staatschefs, ähnlich der Bretton Woods-Konferenz von 1944". Kirchner selbst erklärte in seiner Rede vor der Vollversammlung am 14. September, das Finanzsystem funktioniere nicht, zudem sei das Finanzsystem zu wichtig, als das man es der Kontrolle "konzentrierter Interessen" überlassen dürfe.

Damit hat sich Argentinien, wie Mitglieder der LaRouche-Jugendbewegung Präsident Kirchner gebeten hatten, der Forderung des amerikanischen Oppositionspolitikers Lyndon LaRouche angeschlossen, der sich seit langem für ein neues Bretton Woods und eine neue gerechte Weltwirtschaftsordnung einsetzt.

Die Zeit zum Handeln ist gekommen

Vor der UN-Vollversammlung setzte sich der argentinische Außenminister Bielsa als Vertreter der Rio-Gruppe am 14. September für eine neue Bretton Woods-Konferenz von Staatschefs und eine "gerechtere globale Währungs- und Finanzarchitektur" ein, die "die Finanzblasen beseitigt und die Realwirtschaft verteidigt".

Dieser Vorschlag, so Bielsa, "ist natürlich nicht nur die Meinung der Rio-Gruppe. Es gibt viele Experten, Fachgruppen und Politiker in aller Welt, die zu einer internationalen Konferenz der Staatschefs aufrufen, ähnlich der Konferenz von Bretton Woods 1944". Die Staaten der Rio-Gruppe seien besorgt darüber, daß ihre Entwicklung durch das globale Finanzsystem behindert wird. Das Wohlergehen des gesamten Volkes und der Gesellschaft müsse im Mittelpunkt stehen. Doch die "Realität der Globalisierung" mache es den Staaten unmöglich, sich zu entwickeln. Der IWF habe "unverantwortlich gehandelt und die Entwicklungsländer erpreßt, um eine Politik durchzusetzen, die nicht nur ihre wirtschaftliche und soziale Lage nicht verbessert, sondern sie in ein Elend stürzte, das größer ist als zuvor. All das passiert im Namen des Wirtschaftswachstums und Freihandels." Den Nationen würden unbezahlbare Schulden aufgebürdet, während sie in der Lage sein sollten, ihre finanziellen Mittel für "produktive Investitionen in die Infrastruktur" zu nutzen, um Arbeitsplätze zu schaffen.

Einige Stunden später erklärte Kirchner vor dem gleichen Forum: "Wir leiden immer noch unter der archaischen Sicht der Schuldenfrage... Die internationalen Finanzen sind zu wichtig, um sie in den Händen konzentrierter Interessen" - den Finanzkartellen, gegen die Argentinien kämpft - "zu belassen, die die Stabilität der Märkte beeinträchtigen."

Deshalb habe Argentinien "in verschiedenen Foren Modifikationen vorgeschlagen, um die Transparenz des Weltfinanzsystems zu vergrößern, diese Einrichtungen von einer gewissen Finanzlobby zu befreien" und dem System größere Stabilität zu verleihen.

Internationale Offensive

Argentinien handelt nicht alleine, sondern es spricht für eine breitere Opposition, die sich gegen das räuberische globale System wendet, das 1971 geschaffen wurde. Eine wesentliche Komponente dieser Opposition ist die Resolution des italienischen Parlaments vom 6. April 2005, in der ebenfalls eine Konferenz wie in Bretton Woods gefordert wird.

Die Regierung Kirchner ringt seit der Einstellung ihrer Zahlungen auf die Auslandsschulden vor fast vier Jahren mit dem IWF. Sie hat sich bisher zwar beständig geweigert, sich dem Diktat des IWF zu beugen, und die Austeritätsbedingungen verurteilt, mit denen die Bedienung der Schulden auf Kosten der Bedürfnisse der Bevölkerung garantiert werden soll, er blieb aber bisher in der Defensive. Der Mangel an Unterstützung durch Brasilien war eines der größten Hindernisse, das einer offensiveren Haltung Argentiniens im Wege stand.

Aber da das Weltfinanzsystem jetzt desintegriert und sich das Umfeld durch die Intervention der LaRouche-Bewegung - vor allem in den Vereinigten Staaten - verändert hat, hat Argentinien nun die Samthandschuhe ausgezogen. Trotzdem bleibt die Frage: Was wird Brasilien tun? Die 1986 gegründete Rio-Gruppe ist ein informelles Forum zur politischen Koordinierung, dem 19 Nationen Iberoamerikas angehören. Argentinien führt derzeit den Vorsitz, aber die Gruppe wird von einer Troika geleitet, der außer Argentinien noch Brasilien (Vorsitz 2004) und Guyana (Vorsitz 2006) angehören. Offensichtlich hatte Argentinien die Rückendeckung Brasiliens für seinen Auftritt in der UNO, auch wenn der brasilianische Präsident Lula da Silva derzeit mit einer innenpolitischen Krise kämpft.

Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2002 hat Lula die Politik des IWF in der typisch pragmatischen Art der brasilianischen Politik hingenommen und im Gegensatz zu Argentinien die Rolle des Musterknaben Lateinamerikas gespielt. Aber unter den Bedingungen des globalen Zusammenbruchs gibt es keine Garantie, daß Brasilien weiterhin stillhält, und dies wissen die Finanzhaie der Londoner City und der Wall Street ganz genau.

Deshalb macht die Regierung Bush und die mit ihr verbündeten Bankiers der bevorstehende Amerika-Gipfel so nervös, zu dem sich Anfang November - unter Beteiligung Bushs - 34 Staats- und Regierungschefs im argentinischen Mar del Plata versammeln werden. Als Gastgeber des Treffens bestand Argentinien darauf, daß in der Schlußerklärung die Frage des Gemeinwohls angesprochen und die Forderung nach einer "Reform der internationalen Finanzarchitektur" aufgenommen wird. Auf mehreren Vorbereitungstreffen, bei denen dieses Dokument diskutiert wurde, kam es darüber zu Auseinandersetzungen. Aber die meisten Länder Iberoamerikas schlugen sich auf die Seite Argentiniens - anders als die USA und Kanada, die verlangen, daß in dem Dokument auf die "Erfolge" der Plünderungspolitik des Freihandels seit den 90er Jahren verwiesen wird.

Cynthia Rush



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